Beschluss vom Sozialgericht Trier (3. Kammer) - S 3 ER 85/08 R

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass der Widerspruch des Antragstellers vom 21.7.2008 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 8.7.2008 aufschiebende Wirkung hatte.

Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, die unter Missachtung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs einbehaltene Rente an den Antragsteller auszuzahlen.

2. Auf den Antrag des Antragstellers wird die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid vom 8.7.2008 angeordnet.

3. Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten über die Einstellung der Zahlung der Altersrente an den Antragsteller wegen dessen unbekannten Aufenthalts

2

Der im Februar 1938 geborene Antragsteller erhält von der Antragsgegnerin seit dem 1.4.1998 eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit. Mit Bescheid vom 5.9.2005 hatte die Antragsgegnerin die Überzahlung von Versichertenrente in Höhe von 2.136,94 Euro festgestellt, deren Erstattung sie vom Antragsteller begehrte. Auf ein Schreiben der Antragsgegnerin vom 1.10.2007, in dem sie den Antragsteller aufforderte, zur Beurteilung der Frage, ob die Voraussetzungen für die Einziehung dieser Forderung gemäß § 76 SGB IV vorliegen würden, eine Erklärung zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen abzugeben, teilte Rechtsanwalt …, P., mit, dass er durch Beschluss des Amtsgerichtes Prüm vom 26.9.2007 zum Abwesenheitspfleger des Antragstellers bestellt worden ist. Er gab dabei an, dass der Antragsteller seit dem 4.9.2007 vermisst ist. Die Antragsgegnerin teilte dem Abwesenheitspfleger daraufhin mit, dass sie die Rente des Antragstellers einstellen werde, da nicht bekannt sei, ob dritte Personen Zugriff auf sein Konto hätten und ob er am Leben sei. Der Abwesenheitspfleger widersprach einer Einstellung der Rente, die von der Antragsgegnerin in der Folge zunächst auch nicht vorgenommen wurde.

3

Mit Schreiben vom 11.6.2008 teilte die Antragsgegnerin dem Abwesenheitspfleger mit, dass sie beabsichtige, die Rente einzustellen, da sie vom Ableben des Antragstellers ausgehen müsse. Solange kein Lebenszeichen vorliege, werde die Rente verwahrt werden. Der Abwesenheitspfleger widersprach der angekündigten Einstellung der Rente mit Schreiben vom 17.6.2008.

4

Mit Bescheid vom 8.7.2008 entzog die Antragsgegnerin die Altersrente des Antragstellers wegen unterlassener Mitwirkung für die Zeit ab Juli 2008. Unter Ausführung der §§ 60 und 66 SGB I teilte die Antragsgegnerin mit, dass der Antragsteller seine Mitwirkungspflicht verletzt habe, indem er trotz entsprechender Aufforderung zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen keine Angaben gemacht hätte und sie zudem davon ausgehen müsse, dass er nicht mehr am Leben sei. Verstorbene hätten keinen Anspruch auf Rentenzahlung. Die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für eine Versagung oder Entziehung der Rente sei daher gegeben.

5

Gegen diesen Bescheid wurde am 22.7.2008 Widerspruch eingelegt. Mitwirkungspflichten seien nicht verletzt worden, da eine entsprechende Aufforderung, Angaben zu den wirtschaftlichen Verhältnissen zu machen, nicht erfolgt sei. Im Übrigen sei eine Änderung in den Verhältnissen nicht eingetreten.

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Die Antragsgegnerin führte daraufhin mit Schreiben vom 24.7.2008 aus, dass der Antragsteller mit Schreiben vom 1.10.2007 aufgefordert worden sei, zur Klärung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse einen Fragebogen auszufüllen. Darüber hinaus teilte die Antragsgegnerin dem Abwesenheitspfleger in diesem Schreiben mit, dass der von ihm Betreute aufgefordert werde, bis zum 15.8.2008 unter Vorlage eines Personalausweises oder Reisepasses persönlich bei ihr vorzusprechen oder ersatzweise bis zu diesem Zeitpunkt eine Lebensbescheinigung seiner Wohnsitzgemeinde vorzulegen, die nicht vor dem 1.1.2008 ausgestellt wurde. Der Betreute sei zu diesen Mitwirkungshandlungen gemäß §§ 62 und 61 Abs 1 Nr 3 SGB I verpflichtet, da aufgrund des bekannten Sachverhaltes mit der nicht ganz fern liegenden Möglichkeit gerechnet werden müsse, dass der Betreute verstorben und sein Anspruch auf die gezahlte Altersrente damit erloschen sein könnte. Sonstige Mittel zur Klärung einer weiteren Anspruchberechtigung stünden ihr nicht zur Verfügung. Sofern der Betreute der vorstehenden Aufforderung bis zum Ablauf der genannten Frist nicht nachkommen sollte, werde die Angelegenheit dem zuständigen Widerspruchsausschuss zur Entscheidung vorgelegt.

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Der Abwesenheitspfleger wies die Antragsgegnerin in einem Schreiben vom 29.7.2008 darauf hin, dass es sich bei der Abwesenheitspflegschaft nicht um eine Betreuung im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) handele. Da der Antragsteller nach wie vor vermisst sei, sei er auch nicht in der Lage, bis zu der genannten Frist bei der Antragsgegnerin vorzusprechen, noch habe er die Möglichkeit, den Antragsteller über diese Aufforderung zu informieren. Der Antragsteller könne deshalb von der Aufforderung auch keine Kenntnis erlangen.

8

Mit Widerspruchsbescheid vom 11.9.2008 hat die Antragsgegnerin den Widerspruch zurückgewiesen. Komme derjenige, der eine Sozialleistung beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach §§ 60 ff SGB I nicht nach und werde hierdurch die Aufklärung des Sachverhaltes erheblich erschwert, so könne der Leistungsträger gemäß § 66 Abs 1 Satz 1 SGB I ohne weitere Ermittlungen Leistungen bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind. Der Antragsteller habe seine Mitwirkungspflichten verletzt, indem er trotz entsprechender Aufforderung weder Angaben zu seinen aktuellen wirtschaftlichen Verhältnissen gemacht noch eine Lebensbescheinigung der Wohnsitzgemeinde beigebracht habe, geschweige denn persönlich bei der Antragsgegnerin vorstellig geworden zu sein. Es könne daher weder beurteilt werden, ob aufgrund einer bestehenden Forderung eine Aufrechnung an der laufenden Rente vorgenommen werden könne noch, ob auf die geleistete Rente überhaupt noch ein Anspruch bestehe. Die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die Entziehung der Rente seien daher gegeben. Der Antragsteller werde seit dem 4.9.2007 vermisst. Sein Pkw sei kurze Zeit später verunfallt in Luxemburg aufgefunden worden. Es fehle bis heute jede Spur von ihm, die Wohnung habe er seither nicht mehr aufgesucht. Es müsse damit gerechnet werden, dass er nicht mehr am Leben sei. Das Interesse der Versichertengemeinschaft daran, dass eine Sozialleistung nur dann erbracht wird, wenn deren Voraussetzungen zweifelsfrei gegeben sind, überwiege daher ein etwaig bestehendes Interesse an der Weiterzahlung der Rente. Es läge auch kein wichtiger Grund im Sinne des § 65 SGB I vor, der die Mitwirkungspflicht entfallen lasse. Ohne seine Mithilfe könne ein Lebenszeichen nicht beschafft werden, der Verweis auf das Verschollenheitsgesetz könne nicht weiterhelfen, da dieses erst dann zulässig sei, wenn seit dem Ende des Jahres, in dem der Verschollene nach vorhandenen Nachrichten noch gelebt habe, 10 Jahre verstrichen sind. Dieser Zeitraum sei noch nicht abgelaufen.

9

Am 28.8.2008 hat der Antragsteller beim angerufenen Gericht beantragt, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 8.7.2008 anzuordnen. Er trägt zur Begründung vor, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Bescheides bestünden, da eine Rechtsgrundlage für die Entziehung der Altersrente nicht gegeben sei. Die erfolgte Entscheidung der Antragsgegnerin sei rein willkürlicher Natur und damit aufzuheben. Da offen stehende Forderungen und auch die laufenden Kosten aus seinem Vermögen und seinen Einkünften beglichen würden, sei er auch weiterhin darauf angewiesen, dass die Rentenzahlung fortgesetzt werde, da ansonsten entsprechende finanzielle Mittel nicht bzw nicht ausreichend zur Verfügung stünden.

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Nach Erlass des Widerspruchsbescheides hat der Antragsteller am 23.9.2008 Klage erhoben (Az.: S 3 R 294/08) und den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung aufrecht erhalten.

11

Die Antragsgegnerin beantragt den Antrag abzulehnen. Es könne nicht überprüft werden, ob der Antragsteller noch am Leben sei und somit noch Anspruch auf die Rente bestehe. Es sei andererseits damit zu rechnen, dass die Rente monatlich verbraucht werde, obwohl ein Rentenanspruch nicht mehr bestehe. Die Rückforderung einer wegen Todes überzahlten Rente gestaltet sich erfahrungsgemäß schwierig, mitunter seien derartige Ansprüche gar nicht mehr realisierbar. Der Versichertengemeinschaft drohe daher erheblicher Schaden. Dem Antragsteller entstehe durch den Entzug der Rente hingegen kein weiterer Schaden. Er selbst hebe von seinem Konto kein Geld ab. Durch die Rentenzahlungen entstünden keine Vorteile für ihn.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte sowie die von der Antragsgegnerin vorgelegten Verwaltungsakte, die bis zum 7.8.2008 geführt ist, Bezug genommen.

II.

13

Der zulässige Antrag ist begründet.

14

Gemäß § 86b Abs 1 Satz 1 Nr 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen.

15

Gemäß § 86a Abs 1 SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung entfällt, für die Anfechtungsklage in Angelegenheiten der Sozialversicherung bei Verwaltungsakten, die eine laufende Leistung herabsetzen oder entziehen (§ 86a Abs 2 Nr 3 SGG).

16

Der Maßstab der Prüfung nach § 86b Abs 1 SGG ist umstritten, insbesondere ist umstritten, ob die Kriterien des § 86a Abs 3 Satz 2 SGG, wonach ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit ausreichen, um die Anordnung der aufschiebenden Wirkung im Fall des § 86a Abs 2 Nr 1 SGG herbeizuführen, auch auf die Fälle des § 86a Abs 2 Nr 2 bis 4 SGG herangezogen werden können. Die aufschiebende Wirkung ist jedoch auch in den Fällen des § 86a Abs 2 Nr 2 bis 4 SGG jedenfalls dann anzuordnen, wenn der Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig ist (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 86b Rn 12b, 12c). Ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Vollziehung ist in diesen Fällen nicht erkennbar.

17

Der ursprünglich gestellte Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 8.7.2008 anzuordnen, ist nicht statthaft gewesen, denn der Widerspruch hatte kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung (§ 86a Abs 1 Satz 1 SGG). Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 86a Abs 2 Nr 3 SGG entfällt die aufschiebende Wirkung nur bei Anfechtungsklagen gegen Verwaltungsakte, die eine laufende Leistung herabsetzen oder entziehen, nicht hingegen beim Widerspruch. Die sofortige Vollziehung ist von der Antragsgegnerin in dem Bescheid vom 8.7.2008 auch nicht gem § 86a Abs 2 Nr 5 SGG gesondert angeordnet worden, so dass der Widerspruch aufschiebende Wirkung hatte.

18

Bei verständiger Würdigung des Begehrens des Antragstellers ist der Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 8.7.2008 zu werten. Wird die kraft Gesetzes bestehende aufschiebende Wirkung von der Verwaltung missachtet, handelt es sich um einen Fall des faktischen Vollzugs eines Verwaltungsakts, dem im einstweiligen Rechtsschutzverfahren mit dem Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung entgegengetreten werden kann (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 86a Rn 8; LSG Schleswig, Beschluss vom 20.4.1993 - L 1 SB/KR 38/91; Kopp, VwGO, 12. Aufl., § 80 Rn 181ff.; Pietzner/Ronellenfitsch, Das Assessorexamen im Öffentlichen Recht, 9. Aufl. 1996, § 57 Rn 44). Beim faktischen Vollzug ist daher in entsprechender Anwendung des § 86b Abs 1 SGG durch eine gerichtliche Feststellung dass, und gegebenenfalls auch in welchem Umfang, dem Rechtsmittel aufschiebende Wirkung zukommt, Rechtsschutz zu gewähren. Der gegen den Bescheid vom 8.7.2008 vom Antragsteller am 21.7.2008 eingelegte Widerspruch hat gem § 86a Abs 1 SGG aufschiebende Wirkung, denn bei dem Bescheid vom 8.7.2008 handelt es sich um einen Verwaltungsakt, mit dem eine laufende Leistung, nämlich eine Altersrente, entzogen wird. Die Antragsgegnerin ist daher auch ohne Erlass einer einstweiligen Anordnung von Rechts wegen verpflichtet gewesen, die bewilligte Altersrente während der Dauer der aufschiebenden Wirkung zu zahlen. Der Verstoß gegen § 86a Abs. 1 SGG macht die Verwaltungsmaßnahme ohne weiteres rechtswidrig und der Antrag ist allein deshalb begründet. Die materielle Rechtsmäßigkeit des Entziehungsbescheides ist insoweit zunächst völlig unerheblich.

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Da die Antragsgegnerin die Leistungsgewährung dennoch eingestellt hat, und damit die Entscheidung schon vollzogen hat, ordnet das Gericht die Aufhebung dieser Vollziehung gemäß § 86b Abs 1 Satz 2 SGG an.

20

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist zulässig und begründet. Durch die Anfechtungsklage, mit der Antragsteller die Aufhebung des Bescheides vom 8.7.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.9.2008 begehrt, entfällt die aufschiebende Wirkung gem § 86a Abs 2 Nr 3 SGG. Der Bescheid vom 8.7.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.9.2008 ist jedoch rechtswidrig, denn die Antragsgegnerin war nicht berechtigt, die Rente des Antragstellers zu entziehen.

21

Ermächtigungsrundlage für den Eingriff der Antragsgegnerin ist § 66 Abs 1 Satz 1 SGB I. Danach kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen die Leistungen bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise (versagen oder) entziehen, soweit die Voraussetzungen der Leistungen nicht nachgewiesen sind, wenn derjenige, der eine Sozialleistung erhält, seinen Mitwirkungspflichten unter anderem nach § 61 SGB I nicht nachkommt und hierdurch die Aufklärung des Sachverhaltes erheblich erschwert wird. Wegen fehlender Mitwirkung dürfen gemäß § 66 Abs 3 SGB I Sozialleistungen nur entzogen wegen, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist.

22

Durch den Bescheid vom 8.7.2008 ist dem Antragsteller die Versichertenrente entzogen worden.

23

Entgegen der von der Antragsgegnerin vertretenen Auffassung bestehen bereits erhebliche Zweifel daran, dass der Antragsteller überhaupt Mitwirkungspflichten verletzt hat, die Entziehung der Rente ist aber jedenfalls deshalb rechtswidrig, weil der Antragsteller nicht in der nach § 66 Abs 3 SGB I erforderlichen Weise auf die zu erwartende Folge der unterbliebenen Mitwirkung hingewiesen worden ist.

24

Das Gericht hält es deshalb bereits für zweifelhaft, dass der Antragsteller Mitwirkungspflichten verletzt hat, weil ihm gegenüber solche überhaupt nicht bekannt gegeben worden sind. Die Verletzung von Mitwirkungspflichten setzt jedoch (naturgemäß) ein entsprechendes Handeln oder Unterlassen voraus, was aber die Kenntnis von Mitwirkungspflichten erfordert.

25

Die Antragsgegnerin hat in einem an den Abwesenheitspfleger des Antragstellers gerichteten Schreiben diesen aufgefordert, seinerseits den Antragsteller dazu aufzufordern, sich bei ihr zu melden bzw eine Lebensbescheinigung vorzulegen. Der Abwesenheitspfleger, der gemäß § 1911 BGB bestellt worden ist, ist für die Vermögensangelegenheiten des Antragstellers berufen. Er ist jedoch nicht dessen (allgemeiner) Bevollmächtigter und damit zur Entgegennahme und Weiterleitung jeglicher Post verpflichtet, schon gar nicht ist er dies bezüglich der persönlichen Voraussetzungen, die zwar für die Rentengewährung erheblich sein können, nicht jedoch in direkter Weise eine Vermögensangelegenheit darstellen. Eine Verletzung von Mitwirkungspflichten durch den Antragsteller ist hier darüber hinaus deshalb zu verneinen, weil die Antragsgegnerin etwas Unmögliches verlangt und ihr dies auch bewusst war. Der Abwesenheitspfleger ist im vorliegenden Fall gemäß § 1911 Abs 1 Satz 1 BGB bestellt worden, weil der Aufenthalt des Antragstellers unbekannt ist. Ist der Antragsgegnerin jedoch bekannt, dass der Aufenthalt des Versicherten unbekannt ist, kann sie von ihm schlechterdings nicht verlangen, dass sich der Versicherte bei ihr meldet. Wäre der Aufenthalt bekannt, wäre die Bestellung eines Abwesenheitspflegers im vorliegenden Fall erkennbar gar nicht erforderlich.

26

Soweit die Antragsgegnerin eine Verletzung der Mitwirkungspflicht bzgl der Klärung der wirtschaftlichen Verhältnisse annimmt, vermag das Gericht unbeschadet der Frage, ob die Antragsgegnerin sich insoweit überhaupt noch auf ihre Aufforderung vom Oktober 2007 berufen kann, eine solche nicht zu erkennen. Insoweit muss der Antragsteller sich das Verhalten und die Erklärung des für die Vermögensangelegenheiten berufenen Abwesenheitspflegers zurechnen lassen. Dieser hat der Antragsgegnerin mitgeteilt, dass keiner Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse eingetreten ist. Dass und gegebenen falls warum diese Angabe nicht ausreicht, ist von der Antragsgegnerin nicht vorgebracht worden.

27

Selbst wenn man jedoch zu dem Ergebnis käme, dass der Antragsteller ihm obliegende Mitwirkungspflichten im vorliegenden Fall verletzt hat, so ist die Entziehung der Rente aber jedenfalls deshalb rechtswidrig, weil die Antragsgegnerin den Antragsteller nicht auf die zu erwartende Folge hingewiesen hat. Gemäß § 66 Abs 3 SGG dürfen Sozialleistungen wegen fehlender Mitwirkung nur (versagt oder) entzogen werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden ist und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist. Im vorliegenden Fall hat die Antragsgegnerin die Leistung eingestellt. Vor der Leistungseinstellung hat sie den Antragsteller an keiner Stelle schriftlich darauf hingewiesen, welche Folgen eine unterbliebene Mitwirkung in Bezug auf die Rentengewährung haben wird. Auch anlässlich der im Widerspruchsverfahren formulierten Aufforderung, sich bei ihr zu melden, hat die Antragsgegnerin nicht darauf hingewiesen, dass die Leistung entzogen werden kann. Angesichts des klaren Wortlautes des Gesetzes, wie er in § 66 Abs 3 SGB I formuliert ist, kann die "nachträgliche" Aufforderung eine Mitwirkungshandlung vorzunehmen, eine vorher vorgenommene Entziehung der Rente nicht sanktionieren und zur Rechtmäßigkeit der Entziehung führen.

28

Die Entziehung der Rente ist im vorliegenden Fall mithin rechtswidrig. Sie kann nicht auf § 66 SGB I gestützt werden. Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage anzuordnen, hat damit Erfolg.

29

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.

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