Urteil vom Sozialgericht Ulm - S 6 AL 741/00

Tatbestand

 
Streitig ist die Erstattung von Arbeitslosengeld einschließlich hierauf entfallender Beträge gem. § 147a Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) für den Zeitraum vom 27.11.2002 bis 30.11.2002 in Höhe von 371 EUR.
W (im folgenden Arbeitnehmer), geboren am 27.11.1942, war bei der Klägerin vom 01.01.1971 bis 30.06.2000 versicherungspflichtig beschäftigt. Der Arbeitnehmer erzielte im Zeitraum Juli 1999 bis Juni 2000 ein versicherungspflichtiges Arbeitsentgelt in Höhe von DM 102.600,--. Das Arbeitsverhältnis endete durch Aufhebungsvertrag vom 16.06.2000 zum 30.06.2000 mit Zahlung einer Abfindung von DM 125.010,-- und einer laufenden monatlichen Abfindung ab 01.07.2000 in Höhe von ca. DM 1.570,--.
Auf die Arbeitslosmeldung vom 28.06.2000 gewährte die Beklagte Arbeitslosengeld nach Ablauf einer Sperrzeit von zwölf Wochen und dem Ruhen des Anspruchs wegen der erhaltenen Abfindung bis 29.11.2000 ab 23.09.2000 nach einem Bemessungsentgelt von DM 2.010,-- (Bescheide vom 03.07.2000). Mit Unterbrechung vom 01.05.2001 bis 30.06.2001, währenddessen der Arbeitnehmer nochmals befristet bei der Klägerin beschäftigt war, bezog der Arbeitnehmer Arbeitslosengeld bis 21.01.2003. Im November 2002 betrug der tägliche Leistungssatz 55,97 EUR bei einem Bemessungsentgelt von 1.050 EUR.
Nach Anhörung der Klägerin und des Arbeitnehmers stellte die Beklagte die Erstattungspflicht der Klägerin für die an den Arbeitnehmer erbrachten Leistungen für den Zeitraum vom 01.12.2000 bis 30.04.2001 (Bescheid vom 07.02.2002), vom 01.07.2001 bis 31.12.2001 (Bescheid vom 18.06.2002), vom 01.01.2002 bis 31.07.2002 (Bescheid vom 20.01.2003) und vom 01.08.2002 bis 20.01.2003 (Bescheid vom 17.06.2003) fest. Im letzten Bescheid verlangte die Beklagte Erstattung von Arbeitslosengeld in Höhe von 8.563,41 EUR und 1.110,60 EUR, Krankenversicherungsbeiträgen in Höhe von 1.886,49 EUR und 252,08 EUR, Pflegeversicherungsbeiträgen in Höhe von 234,09 EUR und 31,28 EUR sowie Rentenversicherungsbeiträgen in Höhe von 3.506,76 EUR und 468 EUR (insgesamt 16.052,71 EUR).
Mit Bescheid vom 14.01.2003 gewährte die BfA dem Arbeitnehmer Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab 01.02.2003.
Gegen den Bescheid vom 17.06.2003 legte die Klägerin Widerspruch ein mit der Begründung, die Erstattungspflicht ende mit Ablauf des 26.11.2002, weil ab diesem Zeitpunkt Altersrente hätte beansprucht werden können. Auf die Frage, von welchem Zeitpunkt an der Rentenanspruch tatsächlich verwirklicht werden könne, komme es nach § 237 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht an. Auch die Tatsache, dass das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld nach § 142 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) erst eintrete, wenn die Altersrente zuerkannt würde, heiße nicht automatisch, dass damit auch die Erstattungspflicht des Arbeitgebers bis zum Eintritt des Ruhens dauere. Dies könne § 147a SGB III nicht entnommen werden.
Die Beklagte holte die Auskunft der BfA vom 04.11.2003 ein, die mitteilte, der Arbeitnehmer habe Anspruch auf Altersrente nach §§ 37, 236a SGB VI wegen Vollendung des 60. Lebensjahres und Vorliegen von Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit ab 01.12.2002. Der früheste Rentenbeginn für die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit sei ebenfalls der 01.12.2002.
Mit Bescheid vom 20.11.2003 änderte die Beklagte daher ihren Bescheid vom 17.06.2003 ab. Die Erstattungspflicht ende am 30.11.2002. Somit seien insgesamt 11.315,50 EUR für den Zeitraum vom 01.08.2002 bis 30.11.2002 zu erstatten. Der zu viel erstattete Betrag von 4.737,57 EUR werde zurückerstattet. Die Änderung beruhe auf der Bestätigung der BfA im Widerspruchsverfahren, dass ab 01.12.2002 die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente erfüllt seien.
Die Mitteilung der BfA gab die Beklagte der Klägerin auch mit gesondertem Schreiben vom 01.12.2003 nochmals zur Kenntnis.
10 
Mit Widerspruchsbescheid vom 09.02.2004 wurde der Widerspruch bezüglich des Zeitraums vom 27.11.2002 bis 30.11.2002 als unbegründet zurückgewiesen. Eine Rente aus eigener Versicherung werde nach § 99 Abs. 1 S. 1 SGB VI von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt seien. Der Arbeitnehmer hätte frühestens ab 01.12.2002 eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit beanspruchen können. Infolgedessen sei ab diesem Tag die Erstattungspflicht entfallen. Eine Befreiung bereits ab 27.11.2002 sei nicht möglich. Zwar habe der Arbeitnehmer das 60. Lebensjahr mit Ablauf des 26.11.2002 vollendet. Altersrente habe er jedoch erst ab dem ersten Tag des folgenden Kalendermonats beanspruchen können. Nach Sinn und Zweck der Bestimmung entfalle somit die Erstattungspflicht erst ab dem 01.12.2002.
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Hiergegen erhob die Klägerin bezüglich der über den 27.11.2002 (gemeint wohl 26.11.2002) hinausgehenden Erstattungspflicht Klage mit der Begründung, nach dem Wortlaut trete die Erstattungspflicht unter anderem dann nicht ein, wenn beim Arbeitslosen die Voraussetzung für eine der in § 142 Abs. 1 Nr. 2-4 SGB III genannten Leistungen erfüllt sei. Anspruch auf Altersrente hätten Versicherte dann, wenn sie das 60. Lebensjahr vollendet hätten (§ 237 SGB VI). Sowohl § 147a SGB III als auch § 237 SGB VI stellten bereits dem Wortlaut nach auf das Vorliegen der Voraussetzungen bzw. die Anspruchsbegründung ab. Der Gesetzgeber unterscheide bereits vom Wortlaut her zwischen Vorliegen der Voraussetzung und der tatsächlichen Leistung. Da der Wortlaut der Norm des § 147a SGB III eindeutig sei, bleibe kein Spielraum für eine Auslegung nach Sinn und Zweck.
12 
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
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den Bescheid vom 17.06.2003 in Gestalt des Bescheides vom 20.11.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.02.2004 insoweit aufzuheben, als die Beklagte von einer über den 26.11.2002 hinausgehenden Erstattungspflicht ausgeht.
14 
Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
16 
Sie hält ihre Entscheidung für rechtmäßig.
17 
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
18 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligen wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Beratung und Entscheidung.

Entscheidungsgründe

 
19 
Die zulässige Klage, über die die Kammer mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 SGG entscheiden konnte, ist unbegründet. Denn der Bescheid vom 17.06.2003 in Gestalt des Bescheides vom 20.11.2003 und des Widerspruchsbescheides vom 09.02.2004 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin ist zur Erstattung der seitens der Beklagten an den Arbeitnehmer erbrachten Leistungen auch für den Zeitraum vom 27.11.2002 bis 30.11.2002 verpflichtet.
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Streitgegenstand ist lediglich die Erstattungspflicht der Klägerin für die Zeit vom 27.11.2002 bis 30.11.2002, da die Klage ausdrücklich hierauf beschränkt wurde.
21 
Der von der Klägerin gestellte Antrag auf Aufhebung des Bescheides vom 17.06.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.02.2004 insoweit, als die Beklagte von einer über den 27.11.2002 hinausgehenden Erstattungspflicht ausgeht, war in Verbindung mit der Klagebegründung auszulegen. Zum einen wird in der Klagebegründung deutlich, dass die Klägerin davon ausgeht, dass der Arbeitnehmer schon ab 27.11.2002 die Voraussetzungen für den Anspruch auf Altersrente erfüllt hat. Daher sieht sich die Klägerin sinngemäß nicht verpflichtet, über den 26. 11.2002 hinaus Erstattung zu leisten. Insoweit wurde der Antrag umformuliert. Zum anderen war in den Antrag auch der Bescheid vom 20.11.2003 aufzunehmen, mit dem der Bescheid vom 17.06.2003 abgeändert worden war.
22 
In formeller Hinsicht sind die Bescheide nicht zu beanstanden, da insbesondere die gem. § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) erforderliche Anhörung des Arbeitnehmers und der Klägerin vorgenommen wurde. Auch während des Widerspruchsverfahrens hat die Beklagte die Klägerin zur Auskunft der BfA angehört.
23 
Die streitgegenständlichen Bescheide sind auch materiell rechtmäßig.
24 
Die Beurteilung der Erstattungspflicht der Klägerin richtet sich nach dem mit Wirkung vom 01.04.1999 eingefügten § 147a SGB III.
25 
Der Arbeitgeber, bei dem der Arbeitslose innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Tag der Arbeitslosigkeit, durch den nach § 124 Abs. 1 SGB III die Rahmenfrist bestimmt wird, mindestens 24 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat, erstattet der Bundesagentur vierteljährlich das Arbeitslosengeld für die Zeit nach Vollendung des 58. Lebensjahres des Arbeitslosen, längstens für 24 Monate, § 147a Abs. 1 S. 1 SGB III.
26 
Der Arbeitnehmer war seit 1971 bei der Klägerin beschäftigt und vollendete am 26.11.2000 sein 58. Lebensjahr. Denn gemäß § 26 Abs 1 SGB X ist bei der Berechnung des Lebensalters § 187 Abs 2 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch heranzuziehen, wonach der Tag der Geburt mitzurechnen ist. Dieser Regelung ist zu entnehmen, dass ein Lebensjahr bereits mit dem Ablauf des dem Geburtstag vorhergehenden Tages für vollendet anzusehen ist (BverwGE 30, 167 f.; BAG AP Nr 1 zu § 186 BGB; BSG SozR Nrn 6 und 16 zu § 1248 RVO; BSG, Urteil vom 21.09.2000, B 11 AL 5/00 R).Somit ist die Klägerin grundsätzlich erstattungspflichtig. Der Zeitraum vom 01.12.2000 bis 30.04.2001 und 01.07.2001 bis 30.11.2002 überschreitet auch nicht die gesetzliche Höchstdauer der Erstattungspflicht.
27 
Die Erstattungspflicht tritt unter anderem dann nicht ein, wenn das Arbeitsverhältnis vor Vollendung des 56. Lebensjahres des Arbeitslosen beendet worden ist oder der Arbeitslose auch die Voraussetzungen für eine der in § 142 Abs. 1 Nr. 2-4 SGB III genannten Leistungen oder für eine Rente wegen Berufsunfähigkeit erfüllt, § 147a Abs. 1 S. 2 1. Hs. SGB III.
28 
Der Arbeitnehmer ist erst nach Vollendung des 56. Lebensjahres (am 26.11.1998), nämlich am 30.06.2000, aus dem Unternehmen der Klägerin ausgeschieden und erfüllt erst ab 01.12.2002 die Voraussetzungen für eine der in § 142 Abs. 1 Nr. 2-4 SGB III genannten Leistungen, so dass die Klägerin für die Zeit vom 27.11.2002 bis 30.11.2002 erstattungspflichtig bleibt.
29 
Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht gem. § 142 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB III während der Zeit, für die dem Arbeitslosen ein Anspruch auf eine der folgenden Leistungen zuerkannt ist: Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art.
30 
Versicherte haben Anspruch auf Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit gem. § 237 Abs. 1 SGB VI, wenn sie
31 
1. vor dem 01.01.1952 geboren sind,
32 
2. das 60. Lebensjahr vollendet haben,
33 
3. entweder
34 
a) bei Beginn der Rente arbeitslos sind und nach Vollendung eines Lebensalters von 58 Jahren und sechs Monaten insgesamt 52 Wochen arbeitslos waren oder Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus bezogen haben
35 
oder
36 
b) die Arbeitszeit aufgrund von Altersteilzeitarbeit im Sinne der §§ 2 und 3 des Altersteilzeitgesetzes für mindestens 24 Kalendermonate vermindert haben,
37 
4. in den letzten zehn Jahren vor Beginn der Rente acht Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben, wobei sich der Zeitraum von zehn Jahren um ein Rechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente aus eigener Versicherung, die nicht auf Pflichtbeitragszeiten aufgrund einer versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit sind, verlängert und
38 
5. die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt haben.
39 
Gem. § 99 Abs. 1 S. 1 SGB VI wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind.
40 
Zu Recht weist die Klägerin darauf hin, dass für die Frage, wann der Arbeitnehmer die Voraussetzungen für eine der in § 142 Abs. 1 Nr. 2-4 SGB III genannten Leistungen erfüllt, zunächst der Wortlaut der Norm maßgebend ist. Allerdings ist allgemein anerkannt, dass bei der Auslegung von Rechtsnormen nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften, sondern der Sinn einer Norm zu erforschen ist. Schon die Frage, ob der Wortlaut einer Vorschrift tatsächlich eindeutig ist, lässt sich ohne Auslegung nicht beantworten (BSG, Urteil vom 09.12.2003, B 2 U 5/03 R). Maßgeblich für das Verständnis einer Rechtsvorschrift ist der in ihrem Wortlaut zum Ausdruck gekommene objektivierte Wille des Gesetzgebers, d.h. die ratio legis oder der Sinn und Zweck der Vorschrift, so dass der teleologischen, am Normzweck ausgerichteten Auslegung wesentliches Gewicht zukommt (BSG aaO).
41 
§ 147a Abs. 1 S. 2 1. Hs. SGB III stellt darauf ab, dass der Arbeitslose „die Voraussetzungen für eine der in § 142 Abs. 1 Nr. 2 - 4 genannten Leistungen erfüllt“.
42 
„Erfüllung von Voraussetzungen“ ist zwar dahingehend zu verstehen, dass ausreichend ist, dass das Stammrecht, also der Grundanspruch auf Altersrente, erfüllt ist, was mit Vollendung des 60. Lebensjahres der Fall wäre (ebenso Dr. Lunk, NZA 2001, 648 ff).
43 
Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass § 147a SGB III nicht nur auf die Voraussetzungen für eine der in § 142 SGB III genannten Renten abstellt, sondern fordert, dass die Voraussetzungen für eine solche „Leistung“ erfüllt sind. Damit stellt das Gesetz nicht auf Ansprüche ab, die schon dann entstehen, sobald ihre im Gesetz bestimmten Voraussetzungen vorliegen (§ 40 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I)). § 147a SGB III stellt vielmehr auf die Leistung als solche ab.
44 
Gem. § 11 S. 1 SGB I sind Gegenstand der sozialen Rechte die in diesem Gesetzbuch vorgesehenen Dienst-, Sach- und Geldleistungen (Sozialleistungen). Als Leistung versteht das SGB I damit eine Geld-, Sach- oder Dienstleistung und nicht allein den Anspruch hierauf. Nach dem Gesetzeswortlaut verlangt § 147a Abs. 1 S. 2 1. Hs. SGB III daher nach Ansicht der Kammer, dass die Voraussetzungen für die Zahlung der Rente, also der Anspruch auf eine Einzelleistung bestehen muss. Indem der Gesetzgeber auf das Wort „Voraussetzung“ Bezug nimmt, stellt er lediglich klar, dass der Arbeitslose die Leistung nicht tatsächlich beziehen muss, sondern ausreichend ist, dass er die Voraussetzungen für die Sozialleistung erfüllt. Entgegen Dr. Lunk (NZA aaO) kann die grammatikalische Auslegung daher nicht auf das Wort „Voraussetzung“ beschränkt werden, sondern muss den gesamten Halbsatz, also „die Voraussetzungen für eine der genannten Leistungen“ umfassen.
45 
Dieses Ergebnis wird auch durch die historische Auslegung gestützt. In der Bundestagsdrucksache 12/3211 S. 24 ff wird ausgeführt, dass die Erstattungspflicht dann nicht eintreten soll, wenn der Arbeitnehmer „Anspruch auf soziale Sicherung aus einem anderen Sozialleistungssystem als dem der Arbeitslosenversicherung hat“. „Gleiches gilt, wenn der Arbeitslose trotz Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung einer solchen Sozialleistung, diese lediglich deshalb nicht erhält, weil er einen entsprechenden Antrag nicht gestellt hat.“ ... “Ob die Voraussetzungen für eine der in § 118 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 - 4 (Arbeitsförderungsgesetz (AFG)) genannten Sozialleistungen oder für den Bezug der Berufsunfähigkeitsrente erfüllt sind, hat die Arbeitsverwaltung von Amts wegen festzustellen.“
46 
Zunächst spricht der Gesetzgeber von „Anspruch“. Damit könnte gem. § 40 Abs. 1 SGB I zwar die Erfüllung der Voraussetzungen für eine der genannten Renten ausreichen. Jedoch unterscheidet der Gesetzgeber nicht in diesem Sinne zwischen Anspruch und Leistung. Dies wird im weiteren Verlauf der Gesetzesmaterialien deutlich, in denen der Gesetzgeber zunächst den „Anspruch auf soziale Sicherung“ mit dem Erfüllen der „Voraussetzungen für die Gewährung einer solchen Sozialleistung“ gleichsetzt. Gewährt werden kann eine Rente erst ab dem Kalendermonat, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind (§ 99 SGB VI, s.o.) und nicht schon ab Vollendung des maßgeblichen Lebensalters. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber die „Voraussetzungen für die genannten Sozialleistungen“ in den Gesetzesmaterialien mit den Voraussetzungen „für den Bezug der Berufsunfähigkeitsrente“ gleichsetzt. Obwohl der Gesetzeswortlaut in § 147a Abs. 1 S. 2 1. Hs. SGB III nicht einmal das Wort „Leistung“ bei der Rente wegen Berufsunfähigkeit nennt, stellt der Gesetzgeber hier erst recht auf den „Bezug“ der Berufsunfähigkeitsrente ab. Damit wird deutlich, dass er zwischen „Anspruch“ und „Bezug“ nicht differenziert und offensichtlich die Möglichkeit des Bezugs einer Rente bestimmen wollte. Diese Auslegung ist auch dem Wortsinn nach möglich (siehe oben).
47 
Das gefundene Ergebnis ist verfassungsgemäß. Denn die von Verfassungs wegen als Voraussetzung der Erstattungspflicht geforderte besondere Verantwortungsbeziehung besteht nicht, wenn der ältere, langjährig beschäftigte Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet und Anspruch auf soziale Sicherung aus einem anderen Sozialleistungssystem als dem der Arbeitslosenversicherung hat oder jedenfalls bei entsprechender Antragstellung haben würde (BVerfG vom 23.01.1990 in BVerfGE 81, 156). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet es, die Erstattungspflicht in diesen Fällen einzuschränken. Danach muss die Erstattungspflicht entfallen, wenn der Arbeitnehmer die Voraussetzungen für eine andere Sozialleistung erfüllt, bei deren Zuerkennung kein Anspruch auf Auszahlung von Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe bestehen würde (BVerfG aaO). Auch das Bundesverfassungsgericht geht daher - allerdings noch vor Neufassung des § 128 AFG - davon aus, dass die Erstattungspflicht erst dann entfallen muss, wenn der Arbeitnehmer die Voraussetzungen für eine andere Sozialleistung in der Weise erfüllt, dass Anspruch auf die Leistung und damit auf die Auszahlung besteht. In diesem Sinne hält es Pawlak (Hennig SBG III, § 147a Rdnr. 62 ff) für ausreichend, dass die alternative „Leistung“ objektiv zustehen muss. Die Verantwortungsbeziehung des Arbeitgebers besteht also so lange, wie der ältere, langjährig beschäftigte Arbeitnehmer nicht tatsächlich eine andere Leistung beziehen könnte. Ebenso verweist das Sozialgericht Bremen (Urteil vom 30.01.2001, Az. S 13 AL 123/00) darauf, dass das Bundesverfassungsgericht darauf abstellt, dass mit dem „Beanspruchenkönnen“ der anderen Sozialleistung das frühestmögliche tatsächliche Einsetzen der Zahlung gemeint sei. Dies führt nach Auffassung des SG Bremen dazu, dass die Verantwortung des Arbeitgebers zwischen Vollendung des maßgeblichen Lebensjahres des Arbeitslosen und Beginn der Rentenzahlung entfalle.
48 
Inwiefern die Verantwortung für den ausgeschiedenen Arbeitnehmer hier entfallen soll, ist dem erkennenden Gericht nicht ersichtlich. Denn wenn auf das tatsächliche (oder hypothetische) Einsetzen der Leistung abgestellt wird, besteht die Verantwortungsbeziehung des Arbeitgebers bis zum Beginn des Folgemonats nach Vollendung des maßgeblichen Rentenalters.
49 
Für ein Entfallen der Verantwortung spricht auch nicht, wovon Dr. Lunk (s.o.) ausgeht, dass der Arbeitgeber auf die Vorschrift des § 99 SGB VI keinen Einfluss hat. Denn hätte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht gekündigt oder sich in anderer, gem. § 147a SGB III erheblicher Weise von ihm getrennt, müsste er ebenfalls das Risiko des § 99 SGB VI tragen. In einem solchen Fall hätte der Arbeitnehmer erst Anspruch auf Regelaltersrente mit Beginn des Folgemonats nach Vollendung des 65. Lebensjahres. Zwar kann der Arbeitgeber gem. § 41 S. 2 SGB VI mit dem Arbeitnehmer vereinbaren, dass das Arbeitsverhältnis mit Vollendung des 65. Lebensjahres endet, so dass der Arbeitgeber dann zwischen Vollendung des 65. Lebensjahres und des Beginns der Altersrente im Folgemonat kein Arbeitsentgelt und damit keine Verantwortung mehr zu tragen hat, jedoch muss der Arbeitgeber dies mit einzel- oder kollektivvertraglicher Regelung durchsetzen. Die arbeitgeberseitige Verantwortung endet daher nur dann, wenn der Arbeitnehmer darin einwilligt. Denn ihn trifft der Nachteil, dass er zwischen Vollendung des 65. Lebensjahres und Beginn der Regelaltersrente keine Einkünfte hat. Dieser Fall ist daher nicht vergleichbar mit § 147a SGB III, bei dem unbeachtlich ist, ob der Arbeitnehmer tatsächlich eine der dort genannten anderen Sozialleistungen beantragt (und deshalb bezieht) oder nicht. Maßgeblich bleibt allein die Handlung des Arbeitgebers, mit der er die Arbeitslosigkeit des Arbeitnehmers herbeigeführt und im Sinn von § 147a SGB III zu verantworten hat. Damit bleibt der Arbeitgeber solange verantwortlich, bis der Arbeitnehmer Anspruch auf Leistung einer in § 147a SGB III genannten Rente hat.
50 
Nur dieses Ergebnis ist sachgerecht und wird im übrigen durch das Urteil des BSG vom 22.03.2001 (SozR 3-4100 § 128 Nr 13) gestützt. Darin wird - allerdings ohne nähere Begründung - ausgeführt, dass der im zu entscheidenden Fall am 12.12.1931 geborene Arbeitnehmer erst ab Januar 1995 (nach Vollendung des 63. Lebensjahres im Dezember 1994) Altersrente für langjährig Versicherte in Anspruch hätte nehmen können und daher die Erstattungspflicht bis einschließlich 31.12.1994 nicht aus diesem Grund entfällt.
51 
Somit ist die Klägerin auch für den Zeitraum vom 27.11.2002 bis 30.11.2002 erstattungspflichtig.
52 
Bedenken gegen die Höhe der Forderung wurden nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich.
53 
Die Verpflichtung zur Erstattung der auf das Arbeitslosengeld entfallenden Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung ergibt sich aus § 147a Abs. 4 SGB III.
54 
Die Klage ist folglich unbegründet.
55 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 155 Verwaltungsgerichtsordnung, die Zulassung der Berufung auf § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG.

Gründe

 
19 
Die zulässige Klage, über die die Kammer mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 SGG entscheiden konnte, ist unbegründet. Denn der Bescheid vom 17.06.2003 in Gestalt des Bescheides vom 20.11.2003 und des Widerspruchsbescheides vom 09.02.2004 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin ist zur Erstattung der seitens der Beklagten an den Arbeitnehmer erbrachten Leistungen auch für den Zeitraum vom 27.11.2002 bis 30.11.2002 verpflichtet.
20 
Streitgegenstand ist lediglich die Erstattungspflicht der Klägerin für die Zeit vom 27.11.2002 bis 30.11.2002, da die Klage ausdrücklich hierauf beschränkt wurde.
21 
Der von der Klägerin gestellte Antrag auf Aufhebung des Bescheides vom 17.06.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.02.2004 insoweit, als die Beklagte von einer über den 27.11.2002 hinausgehenden Erstattungspflicht ausgeht, war in Verbindung mit der Klagebegründung auszulegen. Zum einen wird in der Klagebegründung deutlich, dass die Klägerin davon ausgeht, dass der Arbeitnehmer schon ab 27.11.2002 die Voraussetzungen für den Anspruch auf Altersrente erfüllt hat. Daher sieht sich die Klägerin sinngemäß nicht verpflichtet, über den 26. 11.2002 hinaus Erstattung zu leisten. Insoweit wurde der Antrag umformuliert. Zum anderen war in den Antrag auch der Bescheid vom 20.11.2003 aufzunehmen, mit dem der Bescheid vom 17.06.2003 abgeändert worden war.
22 
In formeller Hinsicht sind die Bescheide nicht zu beanstanden, da insbesondere die gem. § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) erforderliche Anhörung des Arbeitnehmers und der Klägerin vorgenommen wurde. Auch während des Widerspruchsverfahrens hat die Beklagte die Klägerin zur Auskunft der BfA angehört.
23 
Die streitgegenständlichen Bescheide sind auch materiell rechtmäßig.
24 
Die Beurteilung der Erstattungspflicht der Klägerin richtet sich nach dem mit Wirkung vom 01.04.1999 eingefügten § 147a SGB III.
25 
Der Arbeitgeber, bei dem der Arbeitslose innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Tag der Arbeitslosigkeit, durch den nach § 124 Abs. 1 SGB III die Rahmenfrist bestimmt wird, mindestens 24 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat, erstattet der Bundesagentur vierteljährlich das Arbeitslosengeld für die Zeit nach Vollendung des 58. Lebensjahres des Arbeitslosen, längstens für 24 Monate, § 147a Abs. 1 S. 1 SGB III.
26 
Der Arbeitnehmer war seit 1971 bei der Klägerin beschäftigt und vollendete am 26.11.2000 sein 58. Lebensjahr. Denn gemäß § 26 Abs 1 SGB X ist bei der Berechnung des Lebensalters § 187 Abs 2 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch heranzuziehen, wonach der Tag der Geburt mitzurechnen ist. Dieser Regelung ist zu entnehmen, dass ein Lebensjahr bereits mit dem Ablauf des dem Geburtstag vorhergehenden Tages für vollendet anzusehen ist (BverwGE 30, 167 f.; BAG AP Nr 1 zu § 186 BGB; BSG SozR Nrn 6 und 16 zu § 1248 RVO; BSG, Urteil vom 21.09.2000, B 11 AL 5/00 R).Somit ist die Klägerin grundsätzlich erstattungspflichtig. Der Zeitraum vom 01.12.2000 bis 30.04.2001 und 01.07.2001 bis 30.11.2002 überschreitet auch nicht die gesetzliche Höchstdauer der Erstattungspflicht.
27 
Die Erstattungspflicht tritt unter anderem dann nicht ein, wenn das Arbeitsverhältnis vor Vollendung des 56. Lebensjahres des Arbeitslosen beendet worden ist oder der Arbeitslose auch die Voraussetzungen für eine der in § 142 Abs. 1 Nr. 2-4 SGB III genannten Leistungen oder für eine Rente wegen Berufsunfähigkeit erfüllt, § 147a Abs. 1 S. 2 1. Hs. SGB III.
28 
Der Arbeitnehmer ist erst nach Vollendung des 56. Lebensjahres (am 26.11.1998), nämlich am 30.06.2000, aus dem Unternehmen der Klägerin ausgeschieden und erfüllt erst ab 01.12.2002 die Voraussetzungen für eine der in § 142 Abs. 1 Nr. 2-4 SGB III genannten Leistungen, so dass die Klägerin für die Zeit vom 27.11.2002 bis 30.11.2002 erstattungspflichtig bleibt.
29 
Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht gem. § 142 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB III während der Zeit, für die dem Arbeitslosen ein Anspruch auf eine der folgenden Leistungen zuerkannt ist: Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art.
30 
Versicherte haben Anspruch auf Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit gem. § 237 Abs. 1 SGB VI, wenn sie
31 
1. vor dem 01.01.1952 geboren sind,
32 
2. das 60. Lebensjahr vollendet haben,
33 
3. entweder
34 
a) bei Beginn der Rente arbeitslos sind und nach Vollendung eines Lebensalters von 58 Jahren und sechs Monaten insgesamt 52 Wochen arbeitslos waren oder Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus bezogen haben
35 
oder
36 
b) die Arbeitszeit aufgrund von Altersteilzeitarbeit im Sinne der §§ 2 und 3 des Altersteilzeitgesetzes für mindestens 24 Kalendermonate vermindert haben,
37 
4. in den letzten zehn Jahren vor Beginn der Rente acht Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben, wobei sich der Zeitraum von zehn Jahren um ein Rechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente aus eigener Versicherung, die nicht auf Pflichtbeitragszeiten aufgrund einer versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit sind, verlängert und
38 
5. die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt haben.
39 
Gem. § 99 Abs. 1 S. 1 SGB VI wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind.
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Zu Recht weist die Klägerin darauf hin, dass für die Frage, wann der Arbeitnehmer die Voraussetzungen für eine der in § 142 Abs. 1 Nr. 2-4 SGB III genannten Leistungen erfüllt, zunächst der Wortlaut der Norm maßgebend ist. Allerdings ist allgemein anerkannt, dass bei der Auslegung von Rechtsnormen nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften, sondern der Sinn einer Norm zu erforschen ist. Schon die Frage, ob der Wortlaut einer Vorschrift tatsächlich eindeutig ist, lässt sich ohne Auslegung nicht beantworten (BSG, Urteil vom 09.12.2003, B 2 U 5/03 R). Maßgeblich für das Verständnis einer Rechtsvorschrift ist der in ihrem Wortlaut zum Ausdruck gekommene objektivierte Wille des Gesetzgebers, d.h. die ratio legis oder der Sinn und Zweck der Vorschrift, so dass der teleologischen, am Normzweck ausgerichteten Auslegung wesentliches Gewicht zukommt (BSG aaO).
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§ 147a Abs. 1 S. 2 1. Hs. SGB III stellt darauf ab, dass der Arbeitslose „die Voraussetzungen für eine der in § 142 Abs. 1 Nr. 2 - 4 genannten Leistungen erfüllt“.
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„Erfüllung von Voraussetzungen“ ist zwar dahingehend zu verstehen, dass ausreichend ist, dass das Stammrecht, also der Grundanspruch auf Altersrente, erfüllt ist, was mit Vollendung des 60. Lebensjahres der Fall wäre (ebenso Dr. Lunk, NZA 2001, 648 ff).
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Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass § 147a SGB III nicht nur auf die Voraussetzungen für eine der in § 142 SGB III genannten Renten abstellt, sondern fordert, dass die Voraussetzungen für eine solche „Leistung“ erfüllt sind. Damit stellt das Gesetz nicht auf Ansprüche ab, die schon dann entstehen, sobald ihre im Gesetz bestimmten Voraussetzungen vorliegen (§ 40 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I)). § 147a SGB III stellt vielmehr auf die Leistung als solche ab.
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Gem. § 11 S. 1 SGB I sind Gegenstand der sozialen Rechte die in diesem Gesetzbuch vorgesehenen Dienst-, Sach- und Geldleistungen (Sozialleistungen). Als Leistung versteht das SGB I damit eine Geld-, Sach- oder Dienstleistung und nicht allein den Anspruch hierauf. Nach dem Gesetzeswortlaut verlangt § 147a Abs. 1 S. 2 1. Hs. SGB III daher nach Ansicht der Kammer, dass die Voraussetzungen für die Zahlung der Rente, also der Anspruch auf eine Einzelleistung bestehen muss. Indem der Gesetzgeber auf das Wort „Voraussetzung“ Bezug nimmt, stellt er lediglich klar, dass der Arbeitslose die Leistung nicht tatsächlich beziehen muss, sondern ausreichend ist, dass er die Voraussetzungen für die Sozialleistung erfüllt. Entgegen Dr. Lunk (NZA aaO) kann die grammatikalische Auslegung daher nicht auf das Wort „Voraussetzung“ beschränkt werden, sondern muss den gesamten Halbsatz, also „die Voraussetzungen für eine der genannten Leistungen“ umfassen.
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Dieses Ergebnis wird auch durch die historische Auslegung gestützt. In der Bundestagsdrucksache 12/3211 S. 24 ff wird ausgeführt, dass die Erstattungspflicht dann nicht eintreten soll, wenn der Arbeitnehmer „Anspruch auf soziale Sicherung aus einem anderen Sozialleistungssystem als dem der Arbeitslosenversicherung hat“. „Gleiches gilt, wenn der Arbeitslose trotz Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung einer solchen Sozialleistung, diese lediglich deshalb nicht erhält, weil er einen entsprechenden Antrag nicht gestellt hat.“ ... “Ob die Voraussetzungen für eine der in § 118 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 - 4 (Arbeitsförderungsgesetz (AFG)) genannten Sozialleistungen oder für den Bezug der Berufsunfähigkeitsrente erfüllt sind, hat die Arbeitsverwaltung von Amts wegen festzustellen.“
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Zunächst spricht der Gesetzgeber von „Anspruch“. Damit könnte gem. § 40 Abs. 1 SGB I zwar die Erfüllung der Voraussetzungen für eine der genannten Renten ausreichen. Jedoch unterscheidet der Gesetzgeber nicht in diesem Sinne zwischen Anspruch und Leistung. Dies wird im weiteren Verlauf der Gesetzesmaterialien deutlich, in denen der Gesetzgeber zunächst den „Anspruch auf soziale Sicherung“ mit dem Erfüllen der „Voraussetzungen für die Gewährung einer solchen Sozialleistung“ gleichsetzt. Gewährt werden kann eine Rente erst ab dem Kalendermonat, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind (§ 99 SGB VI, s.o.) und nicht schon ab Vollendung des maßgeblichen Lebensalters. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber die „Voraussetzungen für die genannten Sozialleistungen“ in den Gesetzesmaterialien mit den Voraussetzungen „für den Bezug der Berufsunfähigkeitsrente“ gleichsetzt. Obwohl der Gesetzeswortlaut in § 147a Abs. 1 S. 2 1. Hs. SGB III nicht einmal das Wort „Leistung“ bei der Rente wegen Berufsunfähigkeit nennt, stellt der Gesetzgeber hier erst recht auf den „Bezug“ der Berufsunfähigkeitsrente ab. Damit wird deutlich, dass er zwischen „Anspruch“ und „Bezug“ nicht differenziert und offensichtlich die Möglichkeit des Bezugs einer Rente bestimmen wollte. Diese Auslegung ist auch dem Wortsinn nach möglich (siehe oben).
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Das gefundene Ergebnis ist verfassungsgemäß. Denn die von Verfassungs wegen als Voraussetzung der Erstattungspflicht geforderte besondere Verantwortungsbeziehung besteht nicht, wenn der ältere, langjährig beschäftigte Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet und Anspruch auf soziale Sicherung aus einem anderen Sozialleistungssystem als dem der Arbeitslosenversicherung hat oder jedenfalls bei entsprechender Antragstellung haben würde (BVerfG vom 23.01.1990 in BVerfGE 81, 156). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet es, die Erstattungspflicht in diesen Fällen einzuschränken. Danach muss die Erstattungspflicht entfallen, wenn der Arbeitnehmer die Voraussetzungen für eine andere Sozialleistung erfüllt, bei deren Zuerkennung kein Anspruch auf Auszahlung von Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe bestehen würde (BVerfG aaO). Auch das Bundesverfassungsgericht geht daher - allerdings noch vor Neufassung des § 128 AFG - davon aus, dass die Erstattungspflicht erst dann entfallen muss, wenn der Arbeitnehmer die Voraussetzungen für eine andere Sozialleistung in der Weise erfüllt, dass Anspruch auf die Leistung und damit auf die Auszahlung besteht. In diesem Sinne hält es Pawlak (Hennig SBG III, § 147a Rdnr. 62 ff) für ausreichend, dass die alternative „Leistung“ objektiv zustehen muss. Die Verantwortungsbeziehung des Arbeitgebers besteht also so lange, wie der ältere, langjährig beschäftigte Arbeitnehmer nicht tatsächlich eine andere Leistung beziehen könnte. Ebenso verweist das Sozialgericht Bremen (Urteil vom 30.01.2001, Az. S 13 AL 123/00) darauf, dass das Bundesverfassungsgericht darauf abstellt, dass mit dem „Beanspruchenkönnen“ der anderen Sozialleistung das frühestmögliche tatsächliche Einsetzen der Zahlung gemeint sei. Dies führt nach Auffassung des SG Bremen dazu, dass die Verantwortung des Arbeitgebers zwischen Vollendung des maßgeblichen Lebensjahres des Arbeitslosen und Beginn der Rentenzahlung entfalle.
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Inwiefern die Verantwortung für den ausgeschiedenen Arbeitnehmer hier entfallen soll, ist dem erkennenden Gericht nicht ersichtlich. Denn wenn auf das tatsächliche (oder hypothetische) Einsetzen der Leistung abgestellt wird, besteht die Verantwortungsbeziehung des Arbeitgebers bis zum Beginn des Folgemonats nach Vollendung des maßgeblichen Rentenalters.
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Für ein Entfallen der Verantwortung spricht auch nicht, wovon Dr. Lunk (s.o.) ausgeht, dass der Arbeitgeber auf die Vorschrift des § 99 SGB VI keinen Einfluss hat. Denn hätte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht gekündigt oder sich in anderer, gem. § 147a SGB III erheblicher Weise von ihm getrennt, müsste er ebenfalls das Risiko des § 99 SGB VI tragen. In einem solchen Fall hätte der Arbeitnehmer erst Anspruch auf Regelaltersrente mit Beginn des Folgemonats nach Vollendung des 65. Lebensjahres. Zwar kann der Arbeitgeber gem. § 41 S. 2 SGB VI mit dem Arbeitnehmer vereinbaren, dass das Arbeitsverhältnis mit Vollendung des 65. Lebensjahres endet, so dass der Arbeitgeber dann zwischen Vollendung des 65. Lebensjahres und des Beginns der Altersrente im Folgemonat kein Arbeitsentgelt und damit keine Verantwortung mehr zu tragen hat, jedoch muss der Arbeitgeber dies mit einzel- oder kollektivvertraglicher Regelung durchsetzen. Die arbeitgeberseitige Verantwortung endet daher nur dann, wenn der Arbeitnehmer darin einwilligt. Denn ihn trifft der Nachteil, dass er zwischen Vollendung des 65. Lebensjahres und Beginn der Regelaltersrente keine Einkünfte hat. Dieser Fall ist daher nicht vergleichbar mit § 147a SGB III, bei dem unbeachtlich ist, ob der Arbeitnehmer tatsächlich eine der dort genannten anderen Sozialleistungen beantragt (und deshalb bezieht) oder nicht. Maßgeblich bleibt allein die Handlung des Arbeitgebers, mit der er die Arbeitslosigkeit des Arbeitnehmers herbeigeführt und im Sinn von § 147a SGB III zu verantworten hat. Damit bleibt der Arbeitgeber solange verantwortlich, bis der Arbeitnehmer Anspruch auf Leistung einer in § 147a SGB III genannten Rente hat.
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Nur dieses Ergebnis ist sachgerecht und wird im übrigen durch das Urteil des BSG vom 22.03.2001 (SozR 3-4100 § 128 Nr 13) gestützt. Darin wird - allerdings ohne nähere Begründung - ausgeführt, dass der im zu entscheidenden Fall am 12.12.1931 geborene Arbeitnehmer erst ab Januar 1995 (nach Vollendung des 63. Lebensjahres im Dezember 1994) Altersrente für langjährig Versicherte in Anspruch hätte nehmen können und daher die Erstattungspflicht bis einschließlich 31.12.1994 nicht aus diesem Grund entfällt.
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Somit ist die Klägerin auch für den Zeitraum vom 27.11.2002 bis 30.11.2002 erstattungspflichtig.
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Bedenken gegen die Höhe der Forderung wurden nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich.
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Die Verpflichtung zur Erstattung der auf das Arbeitslosengeld entfallenden Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung ergibt sich aus § 147a Abs. 4 SGB III.
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Die Klage ist folglich unbegründet.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 155 Verwaltungsgerichtsordnung, die Zulassung der Berufung auf § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG.

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