Beschluss vom Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz - VGH B 23/19
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
- 1
Die Verfassungsbeschwerde, mit der sich die Beschwerdeführer gegen die Entziehung von Teilbereichen der elterlichen Sorge wenden, ist unzulässig. Sie kann deshalb durch einstimmigen Beschluss des Ausschusses gemäß § 15a Abs. 1 Satz 2 des Landesgesetzes über den Verfassungsgerichtshof – VerfGHG – zurückgewiesen werden (1.). Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand war nicht zu gewähren (2.).
- 2
1. Die Begründung der Verfassungsbeschwerde, wie sie am 19. August 2019, dem letzten Tag der Monatsfrist des § 46 Abs. 1 Satz 1 VerfGHG, um 23:34:00 und um 23:45:53 Uhr im elektronischen Rechtsverkehr bei dem Verfassungsgerichtshof erhoben wurde, genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 45 VerfGHG.
- 3
a) Das Erfordernis substantiierter Begründung verlangt unter anderem, dass ein Beschwerdeführer sowohl den seiner Verfassungsbeschwerde zugrundeliegenden Sachverhalt als auch seine eigene Beschwerdebefugnis verständlich und nachvollziehbar darlegt (vgl. VerfGH RP, Beschluss vom 9. Juli 2012 – VGH B 12/12 –; Beschluss vom 30. Juli 2012 – VGH B 13/12 –). Dies bedeutet, dass die Grundrechtsverletzung durch eine wenigstens sinngemäße Bezeichnung des angeblich beeinträchtigten Verfassungsrechts und die schlüssige Darlegung des die Verletzung enthaltenden Tatsachenvorgangs vorzutragen ist (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2011 – 2 BvR 2500/09 –, BVerfGE 130, 1 [21] m.w.N. zur stRspr; zu § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG). Erst durch die Erfüllung dieser Mindestanforderungen wird eine verantwortbare verfassungsrechtliche Überprüfung des Geschehens durch den Verfassungsgerichtshof überhaupt möglich.
- 4
Die für die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs erforderlichen Angaben müssen sich dabei mit hinreichender Deutlichkeit unmittelbar aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers ohne Beiziehung von Akten oder sonstige Aufklärungsmaßnahmen des Verfassungsgerichtshofs ergeben (stRspr., vgl. VerfGH RP, Beschluss vom 9. Juli 2012 – VGH B 12/12 – m.w.N.; Beschluss vom 12. Juli 2013 – VGH B 19/13 –; Beschluss vom 27. Juli 2015 – VGH B 23/15 –; Beschluss vom 19. Oktober 2015 – VGH B 33/15 –). Pauschale Bezugnahmen des Beschwerdeführers auf Vortrag in Schriftsätzen, die im Ausgangsverfahren oder anderen Verfassungsbeschwerden eingereicht worden sind, genügen auch dann nicht den Begründungsanforderungen, wenn die entsprechenden Unterlagen der Verfassungsbeschwerde als Anlagen beigefügt sind. Die wesentlichen Angaben und Argumente müssen in die Beschwerdeschrift aufgenommen werden. Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofs, aufgrund eines undifferenzierten Hinweises auf frühere Schriftsätze den dortigen Vortrag auf verfassungsrechtlich relevante Lebenssachverhalte oder verfassungsrechtlich relevanten Vortrag hin zu untersuchen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. Juni 1989 – 1 BvR 32/87 –, juris Rn. 20 = BVerfGE 80, 257; Beschluss vom 23. Januar 1991 – 2 BvR 902/85 –, juris Rn. 29 = BVerfGE 83, 216; Beschluss vom 24. Juni 2015 – 1 BvR 467/13 –, juris Rn. 15; jeweils zu § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG).
- 5
b) Diesen Vorgaben wird die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführer nicht gerecht. Die am 19. August 2019 bei dem Verfassungsgerichtshof im elektronischen Rechtsverkehr (§ 11a Abs. 1 VerfGHG) eingegangene Verfassungsbeschwerde enthält überhaupt keine Begründung, sondern sie beschränkt sich auf die Übermittlung von Anlagen und die im Übrigen zum Teil unvollständigen Sätze „Fügen wir noch die weiteren Unterlagen, auf die sich die Verfassungsbeschwerde bezieht. Es wird beantragt, die Akten des Amtsgerichts X beizuziehen“.
- 6
Die erst am 9. September 2019 dem Verfassungsgerichtshof übermittelte, mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verbundene, gleichfalls auf den 19. August 2019 datierte Verfassungsbeschwerde wahrt demgegenüber nicht die Frist und ist deshalb unzulässig und auch als ergänzendes Vorbringen unbeachtlich. Die Monatsfrist des § 46 Abs. 1 VerfGHG war angesichts der Zustellung der letzten fachgerichtlichen Entscheidung am 18. Juli 2019 bereits am Montag, dem 19. August 2019 abgelaufen.
- 7
2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann den Beschwerdeführern nicht gewährt werden. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 9. September 2019 ist zurückzuweisen, weil die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung nicht vorliegen. Die Beschwerdeführer, denen das Verhalten ihrer Bevollmächtigten gemäß § 46 Abs. 2 Satz 6 VerfGHG zuzurechnen ist, haben nicht glaubhaft gemacht, dass sie ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert waren (§ 46 Abs. 2 Satz 1 und 3 VerfGHG). Bereits der Tatsachenvortrag der Bevollmächtigten der Beschwerdeführer rechtfertigt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht. Soweit diese mit ihrem Antrag vom 9. September 2019 vorträgt, sie habe am 19. August 2019 persönlich die 24 Seiten umfassende Verfassungsbeschwerde als pdf-Datei „zusammen mit Anlagen“ über beA hochgeladen, es seien bis auf zwei Anlagen alle Anlagen angenommen worden, namentlich die Verfassungsbeschwerde „als oberste Datei“ in den „Anlagen unterhalb der Maske“ im beA enthalten gewesen und dieser Schriftsatz sei auch als erstes über das System im Versendevorgang erschienen, es sei außerdem in beA kein Fehler angezeigt worden, vielmehr sei wenig später die Zustellbestätigung eingegangen, „indem in der Maske ‚Postausgang‘ der Wechsel zu ‚gesendet‘ erfolgt“ sei, kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht.
- 8
Das Risiko einer technischen fehlerhaften Übermittlung tragen die Beschwerdeführer. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass jede Frist im Interesse des Rechtsschutzsuchenden bis zuletzt ausgeschöpft werden kann. Wer, wie vorliegend, eine Rechtsmittelfrist voll ausnutzt, nimmt jedoch eine erhöhte Sorgfaltspflicht für die Fristwahrung auf sich. Dabei ist auch in Rechnung zu stellen, dass es im Falle einer elektronischen Übermittlung zu (technischen) Problemen kommen kann (vgl. VerfGH RP, Beschluss vom 17. Oktober 2014 – VGH B 56/14 –, n.v.). Bei der Übermittlung fristgebundener Schriftsätze im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs ist es daher unerlässlich, den Versendevorgang selbst zu überprüfen. Dies hat bei Nutzung des beA/EGVP durch Prüfung des Erhalts und des Inhalts der vom EGVP an das beA versandten Eingangsbestätigung zu erfolgen (vgl. BAG, Beschluss vom 7. August 2019 – 5 AZB 16/19 –, juris Rn. 20; BayLSG, Beschluss vom 3. Januar 2018 – L 17 U 298/17 –, juris Rn. 16; LAG Hamm, Urteil vom 2. April 2019 – 16 Sa 28/19 –, NZA-RR 2019, 504 f.; vgl. auch bereits entsprechend OVG RP, Urteil vom 27. August 2007 – 2 A 10492/07.OVG –, NJW 2007, 3224 [3225]). Dabei ist nicht nur zu überprüfen, ob die Datei überhaupt versandt wurde, sondern – vergleichbar dem Versand per Telefax – ob die Übermittlung vollständig erfolgt ist, ob also sämtliche Anlagen in der Eingangsbestätigung aufgeführt sind. Dass sie diese Prüfung vorgenommen hätte, trägt die Bevollmächtigte der Beschwerdeführer bereits nicht vor. Sie führt insofern lediglich aus, dass „die Zustellbestätigung eingegangen“ sei, „indem in der Maske ‚Postausgang‘ der Wechsel zu ‚gesendet‘ erfolgt“ sei. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um die Eingangsbestätigung. Der mögliche Umstand, dass der Bevollmächtigten der Beschwerdeführer diese technischen Abläufe nicht bekannt waren, lässt das Verschulden nicht entfallen (BayLSG, Beschluss vom 3. Januar 2018 – L 17 U 298/17 –, juris Rn. 12).
- 9
Es ist im Übrigen nicht wahrscheinlich, sondern im Gegenteil höchst unplausibel, dass im Rahmen der beiden am 19. August 2019 vorgenommenen Übermittlungen jeweils mehrerer Einzeldateien über beA (nämlich ausweislich der Transfervermerke um 23:33:10 Uhr und um 23:45:53 Uhr) eine einzelne Anlage – und dabei ausgerechnet der Schriftsatz der Verfassungsbeschwerde selbst – bei der Übermittlung „verloren gegangen“ sein sollte. Zur Glaubhaftmachung dieses Umstandes hätte es der Bevollmächtigten der Beschwerdeführer daher oblegen, die von EGVP übermittelte Eingangsbestätigung – vergleichbar dem Sendeprotokoll beim Faxversand (vgl. BAG, Beschluss vom 7. August 2019 – 5 AZB 16/19 –, juris Rn. 20; vgl. dazu auch bereits OVG RP, Urteil vom 27. August 2007 – 2 A 10492/07.OVG –, NJW 2007, 3224 [3225]) – dem Gericht zusammen mit dem Wiedereinsetzungsantrag vorzulegen (vgl. entsprechend BGH, Beschluss vom 3. Dezember 1996 – XI ZB 20/96 –, NJW 1997, 948; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 15. Januar 2019 – 9 U 82/18 –, BeckRS 2019, 11611 [Rn. 15]; OLG Dresden, Beschluss vom 5. Dezember 2012 – 4 U 1590/12 –, BeckRS 2013, 1422). Da die Glaubhaftmachungslast für ein fehlendes Verschulden bei den Beschwerdeführern liegt (§ 46 Abs. 2 Satz 3 VerfGHG), kommt eine Wiedereinsetzung nicht in Betracht.
- 10
3. Das Verfahren ist gemäß § 21 Abs. 1 VerfGHG kostenfrei. Eine Auslagenerstattung findet nicht statt (§ 21a Abs. 1 Satz 1 VerfGHG).
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- § 45 VerfGHG 1x (nicht zugeordnet)
- BVerfGG § 92 2x
- § 46 Abs. 1 Satz 1 VerfGHG 1x (nicht zugeordnet)
- § 11a Abs. 1 VerfGHG 1x (nicht zugeordnet)
- § 46 Abs. 1 VerfGHG 1x (nicht zugeordnet)
- § 46 Abs. 2 Satz 6 VerfGHG 1x (nicht zugeordnet)
- § 46 Abs. 2 Satz 1 und 3 VerfGHG 1x (nicht zugeordnet)
- § 46 Abs. 2 Satz 3 VerfGHG 1x (nicht zugeordnet)
- § 21 Abs. 1 VerfGHG 1x (nicht zugeordnet)
- § 21a Abs. 1 Satz 1 VerfGHG 1x (nicht zugeordnet)
- 2 BvR 2500/09 1x (nicht zugeordnet)
- 1 BvR 32/87 1x (nicht zugeordnet)
- 2 BvR 902/85 1x (nicht zugeordnet)
- 1 BvR 467/13 1x (nicht zugeordnet)
- 5 AZB 16/19 2x (nicht zugeordnet)
- 17 U 298/17 2x (nicht zugeordnet)
- 16 Sa 28/19 1x (nicht zugeordnet)
- 2 A 10492/07 2x (nicht zugeordnet)
- XI ZB 20/96 1x (nicht zugeordnet)
- 9 U 82/18 1x (nicht zugeordnet)
- 4 U 1590/12 1x (nicht zugeordnet)