Beschluss vom Verwaltungsgericht Aachen - 2 L 246/13
Tenor
1.) Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
2.) Der Streitwert wird auf 3.600 € festgesetzt.
1
Gründe:
2I.)
3Der Antragsteller erstrebt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine vom Antragsgegner verfügte Fahrtenbuchauflage.
4Der Antragsteller ist Halter des PKW Marke G. mit dem amtlichen Kennzeichen XX ‑ XX XXX. Mit diesem Fahrzeug wurde am 00. September 2012 um 18.11 Uhr auf der C.-----straße in Höhe der Stadt A. außerorts die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h nach Abzug des Toleranzwertes um 48 km/h überschritten. Die Ordnungswidrigkeit wurde durch ein Geschwindigkeitsmessgerät und Fotos dokumentiert. Als Regelsanktion sind für diesen Verkehrsverstoß eine Geldbuße über 160 €, der Eintrag von 3 Punkten in das Verkehrszentralregister und ein Fahrverbot vorgesehen.
5Die Bußgeldstelle des Kreises F. , die das Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen dieses Verkehrsverstoßes betrieb, wandte sich mit Schreiben vom 25. Oktober 2012 an den Antragsteller und bat um Benennung des Fahrzeugführers zum Zeitpunkt der Begehung der Ordnungswidrigkeit. Dieser Anhörungsbogen ging am 5. November 2012 wieder beim Antragsgegner ein. Dort hatte der Antragsteller zwar eingeräumt, Halter des Fahrzeugs zu sein. Er gab aber zugleich an, zum Tatzeitpunkt nicht Fahrer des Fahrzeugs gewesen zu sein und den Tathergang nicht einzuräumen.
6Daraufhin wandte sich der Landrat des Kreises F. an das Straßenverkehrsamt des Antragsgegners mit der Bitte um Amtshilfe bei der Ermittlung des für die Tat verantwortlichen Fahrers des Fahrzeugs zum Zeitpunkt der Begehung der Ordnungswidrigkeit. Mit Schreiben vom 29. November 2012 reichte das Straßenverkehrsamt des Antragsgegners das Amtshilfeersuchen dem Landrat des Kreises F. mit Lichtbildern des Antragstellers und seines Zwillingsbruders mit der Bitte um eigene Entscheidung zurück.
7Dem Antragsteller wurde vom Landrat des Kreises F. mit Schreiben vom 5. Dezember 2012 mitgeteilt, dass das Ordnungswidrigkeitenverfahren eingestellt worden sei. Mit Schreiben vom gleichen Tag übersandte er den Vorgang dem Antragsgegner mit der Bitte um Überprüfung, inwieweit die Verhängung einer Fahrtenbuchauflage in Betracht komme.
8Mit Schreiben vom 16. April 2013 teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit, dass er beabsichtige, ihm für die Dauer von achtzehn Monaten die Führung eines Fahrtenbuches für sein Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen XX‑ XX XXX aufzuerlegen. Mit diesem Fahrzeug sei am 00. September 2012 in A. auf der die an dieser Stelle zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften von 100 km/h um 48 km/h überschritten worden. Der Fahrer des Fahrzeugs zur Tatzeit habe trotz intensiver Bemühungen nicht ermittelt werden können. Der Antragsteller erhielt Gelegenheit, sich bis zum 7. Mai 2013 zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern.
9Der Antragsteller trug vor, er habe die Mitteilung über den Verkehrsverstoß erst sechs bis acht Wochen nach dem Zeitpunkt der Begehung erhalten. Auf dieses Schreiben habe er schriftlich geantwortet. Er habe sich nach diesem Zeitablauf nicht mehr erinnern können, wer sein Fahrzeug damals gefahren sei. Sein PKW stehe jedem zur Verfügung, der ihn gerade brauche. Von Rechts wegen müsse er nur über einen Zeitraum von zwei Wochen den Nachweis erbringen, wer das Fahrzeug gefahren habe. Er sei nicht gewillt, eine Fahrtenbuchauflage hinzunehmen, da man ihm keine Ordnungswidrigkeit vorwerfen könne.
10Daraufhin erließ der Antragsgegner den angefochtenen Bescheid vom 6. Mai 2013, zugestellt am 8. Mai 2013. Dort wurde dem Antragsteller für die Dauer von 18 Monaten die Führung eines Fahrtenbuches für den auf ihn zugelassenen PKW mit dem amtlichen Kennzeichen XX XX XXX auferlegt. Sofern dieses Kraftfahrzeug innerhalb des genannten Zeitraums verkauft bzw. abgemeldet werden sollte, gelte die Fahrtenbuchauflage für den dann auf den Antragsteller zugelassenen Pkw, wenn auch dieser verkauft bzw. abgemeldet werde, für das Nachfolgefahrzeug. Mit der Führung des Fahrtenbuchs sei eine Woche nach Zustellung dieser Verfügung zu beginnen. Das Fahrtenbuch solle für jede einzelne Fahrt einen zuverlässigen Nachweis darüber bringen, wer das Fahrzeug geführt habe. Nach den gesetzlichen Vorgaben habe der Fahrzeughalter oder sein Beauftragter vor jeder Fahrt im Fahrtenbuch Name, Vorname und Anschrift des Fahrzeugführers, amtliches Kennzeichen des Fahrzeugs, Datum und Uhrzeit einzutragen. Das Fahrtenbuch sei nach Ablauf der Frist für weitere drei Monate aufzubewahren und zuständigen Personen auf Verlangen jederzeit zur Prüfung auszuhändigen. Wenn der Antragsteller oder die von ihm beauftragten Personen die vorgenannten Eintragungen im Fahrtenbuch nicht vornähmen oder er das Fahrtenbuch nach Ablauf der festgesetzten Frist nicht aufbewahre bzw. nicht aushändige, werde ein (weiteres) Bußgeldverfahren eingeleitet. Im Ordnungswidrigkeitenverfahren habe sich der Antragsteller nicht zum verantwortlichen Fahrzeugführer geäußert. Er habe insbesondere nicht den Personenkreis benannt, der üblicherweise - außer ihm - das Fahrzeug nutze. Weitere Ermittlungen hätten deshalb keine Aussicht auf Erfolg gehabt. Die Feststellung des verantwortlichen Fahrzeugführers sei daher nicht möglich gewesen. Weitere Zeit raubende, kaum Erfolg versprechende Ermittlungen seien nicht angebracht gewesen. Die Auferlegung eines Fahrtenbuches begegne auch hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit keinen Bedenken. Schon die erstmalige Begehung einer Verkehrsordnungswidrigkeit, die mit einem Punkt zu bewerten sei, rechtfertige die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage, ohne dass es auf besondere Umstände des Einzelfalles, namentlich auf die Gefährlichkeit eines Verkehrsverstoßes, ankomme. Die Bemessung des Gewichts einer Verkehrsordnungswidrigkeit sei nach der jüngsten Rechtsprechung an jenem Punktesystem zu orientieren, das in Anlage 13 zur Verordnung über die Zulassung von Personen im Straßenverkehr (FeV) festgelegt sei. Dieses Punktesystem teile die in das Verkehrszentralregister einzutragenden Straftaten und Ordnungswidrigkeiten in sieben Gruppen ein, denen eine nach der Schwere des Verstoßes gestaffelte Punktzahl zugeordnet werde. Die Gruppenbildung enthalte eine typisierende Bewertung von Verkehrsverstößen nach dem Maße der Gefährlichkeit. Die hier in Rede stehende Ordnungswidrigkeit stelle einen erheblichen Verstoß gegen Verkehrsvorschriften dar. Mit dieser Fahrweise sei eine Gefährdung der anderen Verkehrsteilnehmer verbunden, die nicht hingenommen werden könne. Wäre der Fahrzeugführer ermittelt worden, wären bei der in Rede stehenden Verkehrsordnungswidrigkeit für ihn drei Punkte im Verkehrszentralregister eingetragen worden. Das Bußgeld hätte im Regelfall 160 € betragen und es sei ein Fahrverbot von einem Monat ausgesprochen worden. Zugleich ordnete der Antragsgegner im Bescheid vom 6. Mai 2013 die sofortige Vollziehung dieser Ordnungsverfügung an. Dies sei im öffentlichen Interesse erforderlich. Nur die sofortige Vollziehbarkeit der Anordnung gewährleiste durch die unmittelbar geltende Verpflichtung zum Führen des Fahrtenbuches, dass etwaige zukünftige Verstöße mit dem Kraftfahrzeug des Antragstellers aufgeklärt werden könnten. Die sofortige Belastung, die aus dem Führen des Fahrtenbuches resultiere, stehe in einem angemessenen Verhältnis zum schutzwürdigen Aufklärungsinteresse bei Verkehrsverstößen. Nach Abwägung dieser Umstände überwiege das öffentliche Interesse das private Interesse der Antragstellerin, von einer Fahrtenbuchauflage zunächst verschont zu bleiben.
11Der Antragsteller hat am 24. Mai 2013 bei dem beschließenden Gericht Klage erhoben (2 K 1601/13) und am 4. Juni 2013 den vorliegenden Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz angebracht. Der Bescheid vom 6. Mai 2013 sei offensichtlich rechtswidrig. Zwar könne grundsätzlich bei einem solchen Verkehrsverstoß eine Fahrtenbuchauflage verhängt werden. Die Nichtaufklärbarkeit des Fahrers bei der in Rede stehenden Ordnungswidrigkeit sei aber hier auf mangelnde Ermittlungstätigkeit der Behörden und nicht auf ein Fehlverhalten des Antragstellers zurückzuführen. Er hielt insbesondere daran fest, dass ihm der Anhörungsbogen erst sechs bis acht Wochen nach Begehung der Ordnungswidrigkeit zugegangen sei. Entgegen den Andeutungen im angefochtenen Bescheid vermiete er sein Fahrzeug nicht, sondern stelle es bei entsprechendem Bedarf nur seinen Freunden privat zur Verfügung. Er sei deshalb nicht wie Geschäftsleute verpflichtet, über einen längeren Zeitraum die Fahrer seines Fahrzeugs zu dokumentieren. Die intensiven Bemühungen der Bußgeldstelle um Aufklärung würden lediglich behauptet, aber nicht belegt. Auch die Gefährdungen, die bei einem solchen Verstoß gegen die Geschwindigkeitsvorschriften drohten, seien eher spekulativ als real. Das Ermessen sei fehlerhaft ausgeübt. So würden die für ihn belastenden Aspekte lediglich behauptet und nicht nachgewiesen. Der Bescheid lasse nicht erkennen, dass dabei auch die Argumente, die für ihn sprächen, berücksichtigt worden seien. So sei er bislang verkehrsrechtlich nicht auffällig geworden und auch nicht in der Verkehrsdatei erfasst. Auch die Festlegung der Dauer von 18 Monaten lasse die gleichen Mängel erkennen. Es sei deshalb unverhältnismäßig, eine Fahrtenbuchauflage für eine solche Dauer anzuordnen.
12Der Antragsteller beantragt,
13die aufschiebende Wirkung der bei dem beschließenden Gericht erhobenen Klage 2 K 1601/13 wiederherzustellen.
14Der Antragsgegner beantragt,
15den Antrag abzulehnen.
16Er tritt dem Antrag unter Bezugnahme auf den angegriffenen Bescheid entgegen. Für die Verhängung der Fahrtenbuchauflage sei allein maßgebend gewesen, dass der Antragsteller nicht daran mitgewirkt habe, den Fahrer seines Fahrzeugs bei dem begangenen Verkehrsverstoß zu ermitteln. Entgegen den Ausführungen des Antragstellers sei der Anhörungsbogen auch nicht sechs bis acht Wochen sondern ein Monat nach Begehung des Verkehrsverstoßes versandt worden. Zwar solle die Anhörung in der Regel binnen zwei Wochen erfolgen, dies sei aber keine starre Regelung. Eine Nichteinhaltung der Zweiwochenfrist sei aber unschädlich, wenn sie für die Nichtermittlung des Fahrers nicht ursächlich sei. Zwar berufe sich der Antragsteller darauf, dass er auf Grund des Zeitablaufs sich nicht mehr an den Fahrer erinnern könne. Dies lasse aber unberücksichtigt, dass ihm ein Foto von guter Bildqualität übermittelt worden sei, auf dem er den Fahrer habe erkennen können. Er habe aber weder zum Fahrer noch zum sein Auto nutzenden Freundeskreis nähere Angaben gemacht. Die Fahrtenbuchauflage sei im Übrigen auch verhältnismäßig. Schon die erste Begehung einer Ordnungswidrigkeit, die mit einem Punkt zu bewerten wäre, reiche für die Verhängung einer Fahrtenbuchauflage aus. Eine konkrete Verkehrsgefährdung sei nicht gefordert. Im Hinblick auf die Schwere des Verkehrsverstoßes sei die Dauer von 18 Monaten nicht zu beanstanden. Die Schwere ergebe sich hier schon aus den drohenden Sanktionen in Höhe eines Bußgeldes von 160 €, einer Eintragung von drei Punkten im Verkehrszentralregister und einem Fahrverbot von einem Monat.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners Bezug genommen.
18II.)
19Der auf die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gerichtete Antrag des Antragstellers ist nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO- zulässig. Denn der Antragsgegner hat in der Ordnungsverfügung vom 6. Mai 2013. nicht nur die Auflage ausgesprochen, 18 Monate lang für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen XX-XX XXX ein Fahrtenbuch zu führen, sondern zugleich auch die sofortige Vollziehung der getroffenen Regelung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet.
20Die Anordnung der sofortigen Vollziehung wurde in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise schriftlich begründet.
21Im Falle der Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsaktes nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO kann das Gericht nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederherstellen, wenn das Interesse des jeweiligen Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung gegenüber dem behördlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung vorrangig ist. Ein überwiegendes Vollziehungsinteresse ist dann anzunehmen, wenn der Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig ist. Lässt sich eine offensichtliche Rechtmäßigkeit oder offensichtliche Rechtswidrigkeit nicht feststellen, ist im Rahmen einer Interessenabwägung zu ermitteln, welches Interesse schwerer wiegt.
22Im vorliegenden Verfahren kommt der Überprüfung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs - hier der unter dem Aktenzeichen 2 K 1601/13 geführten Klage - schon deshalb wesentliche Bedeutung zu, weil die Folgen einer Vollziehung der angefochtenen Bescheide in einem Hauptsacheverfahren kaum wieder rückgängig gemacht werden können,
23vgl. hierzu etwa Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 24. Oktober 2003 - 1 BvR 1594/03 -, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 2003, 3618, und Beschluss vom 27. Mai 1998 - 2 BvR 378/98 -, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht - Rechtsprechungsreport (NVwZ-RR) 1999, 217.
24Die angefochtene Fahrtenbuchauflage leidet nicht an offensichtlichen Rechtsfehlern, die das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug von vorneherein ausschließen würden. Es spricht vielmehr nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren allein möglichen summarischen Prüfung alles dafür, dass die Anordnung der Führung eines Fahrtenbuches im Hauptsacheverfahren Bestand haben wird.
25Die ermessenseröffnenden Voraussetzungen des § 31 a Abs. 1 Satz 1 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) liegen vor. Nach letztgenannter Vorschrift kann die Verwaltungsbehörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuches anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war.
26Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Norm sind erfüllt:
27Mit dem in Rede stehenden Fahrzeug des Antragstellers wurde am 00. September 2013 um 18.11 Uhr den Verkehrsvorschriften des § 24 StVG, § 49 der Straßenverkehrsordnung (StVO) zuwidergehandelt, in dem auf der in Höhe der Stadt A. außerorts die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h nach Abzug des Toleranzwertes um 48 km/h überschritten wurde. Die Ordnungswidrigkeit wurde durch ein Geschwindigkeitsmessgerät und Fotos dokumentiert. Als Regelsanktion sind für diesen Verkehrsverstoß eine Geldbuße über 160 €, der Eintrag von 3 Punkten in das Verkehrszentralregister und ein einmonatiges Fahrverbot vorgesehen. Dies ergibt sich u.a. aus dem Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die angezeigte Geschwindigkeitsübertretung nicht erfolgt ist oder durch ein anderes Fahrzeug begangen worden sein könnte.
28Die Feststellung des Fahrzeugführers im Anschluss an die Zuwiderhandlung war hier nicht möglich. "Unmöglichkeit" im Sinne des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO ist anzunehmen, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage war, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat. Die Angemessenheit der Aufklärung beurteilt sich danach, ob die Behörde in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen getroffen hat, die in gleichliegenden Fällen erfahrungsgemäß Erfolg haben.
29Vgl. OVG NRW, Urteile vom 23. Februar 1996 - 25 A 4716/95 -, vom 17. Dezember 1998 - 25 A 1358/98 - und vom 29. April 1999 - 8 A 699/97 -, NJW 1999, 3279 f. und Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht (NZV) 1999, 439 f. m.w.N.
30Insoweit ist die Verfolgungsbehörde grundsätzlich gehalten, wenn die Feststellung des Fahrzeugführers auf frischer Tat nicht möglich oder tunlich ist, zumindest den Halter sobald wie möglich von der mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit zu unterrichten. Dies erfordert im Regelfall eine Unterrichtung des Fahrzeughalters von dem Verkehrsverstoß innerhalb von zwei Wochen, damit dieser die Frage, wer zur Tatzeit sein Fahrzeug geführt hat, noch zuverlässig beantworten und der Täter Entlastungsgründe vorbringen kann.
31Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 13. Oktober 1978 - 7 C 77.74 -, Buchholz 442.16 § 31 a StVZO, Nr. 5; Beschluss vom 25. Juni 1987 - 7 B 139.87 -, Deutsches Autorecht (DAR) 1987, 393.
32Zwar ist hier die Zweiwochenfrist nicht eingehalten worden, da der Anhörungsbogen von der Bußgeldstelle des Kreises F. am 25. Oktober 2012 und somit genau einen Monat nach Begehung des Verkehrsverstoßes an den Antragsteller übersandt worden war. Dies ist aber hier ohne Bedeutung, denn die Nichteinhaltung der Frist ist nicht für die Nichtermittlung des Fahrers ursächlich sei. Zwar macht der Antragsteller geltend, dass er auf Grund des Zeitablaufs sich nicht mehr an den Fahrer erinnern könne. Dies lässt aber unberücksichtigt, dass ihm mit dem Anhörungsschreiben ein Foto von guter Bildqualität übermittelt wurde, auf dem er den Fahrer erkennen konnte. Trotzdem hat er aber weder zum Fahrer nähere Angaben gemacht, noch die nach dem Bild in Betracht kommenden Personen seines Freundeskreises benannt, die gelegentlich oder regelmäßig seinen PKW benutzen. Er hat seine Angaben dahin beschränkt, zwar Halter des in Rede stehenden Kraftfahrzeuges zu sein, aber den PKW zum Tatzeitpunkt nicht als Fahrer geführt zu haben.
33Die Kammer vermag auch nicht festzustellen, dass die Nichtermittlung des Fahrers auf unzureichende Aufklärungsbemühungen des Antragsgegners zurückzuführen ist. Nachdem die Stellungnahme des Antragstellers hinsichtlich des Fahrzeugführers ergebnislos geblieben war, wandte sich die Bußgeldstelle des Kreises F. an das Straßenverkehrsamt des Antragsgegners mit der Bitte um Amtshilfe bei der Fahrerermittlung. Dieses hat daraufhin die Fotos des Klägers und seines Zwillingsbruders übermittelt, mit der Bitte, selbst eine Entscheidung zum Fahrer zu treffen. Erst nach Eingang dieser Mitteilung erfolgte dann die Einstellung des Bußgeldverfahrens wegen Nichtermittlung des Fahrers zur Tatzeit.
34Soweit der Antragsteller demgegenüber geltend macht, die Bußgeldstelle des Kreises F. habe keine Ermittlungen vor Ort unternommen, steht dieser Einwand der vorliegenden Fahrtenbuchauflage nicht entgegen.
35Zwar glaubt die Kammer den Vortrag des Klägers, dass er sein Fahrzeug dem Freundeskreis nicht gewerblich sondern kostenlos zur Verfügung stellt. Damit können die Grundsätze für die Verhängung von Fahrtenbuchauflagen für Geschäftsleute keine Anwendung finden,
36vgl. dazu auch OVG NRW, Beschlüsse vom 17. Februar 2010 – 8 A 2401/09 –; 27. Januar 2010 – 8 A 291/09 – und vom 15. Oktober 2009 – 8 A 817/09 – sowie Urteil vom 31. März 1995 – 25 A 2798/93 – NWVBl. 1995,288; BayVGH, Beschluss vom 28. März 2008 – 11 ZB 06.2573 -, juris; OVG Bremen, Beschluss vom 12. Januar 2006 – 1 A 236/05 -, juris und OVG M.-V., Beschluss vom 26. Mai 2008 – 1 L 103/08 -, juris.
37Kommt dies aber so regelmäßig vor, wie vom Antragsteller selbst bei der Anhörung vor Erlass der Fahrtenbuchauflage vorgetragen, kann sich schon – etwa wegen der Schadensabwicklung von Unfällen oder zur Äußerung in Bußgeldverfahren die Notwendigkeit ergeben, sich selbst Aufzeichnungen zum Fahrer zu machen. Denn sollte kein Foto vorliegen, dürfte es wie das vorliegende Verfahren zeigt, nach dem Erinnerungsvermögen schwierig sein, die Person zu benennen, die zu dem von der Bußgeldbehörde genannten Zeitpunkt ein bestimmtes Fahrzeug genutzt hat bzw. zumindest die Person genannt werden kann, der das Fahrzeug zugerechnet werden kann.
38Vor diesem Hintergrund kann ein Ermittlungsdefizit der Bußgeldbehörde auch nicht wegen der Einstellung des Verfahrens 20 Tage vor Ablauf der dreimonatigen Verjährungsfrist (vgl. § 26 Abs. 3 StVG i.V.m. §§ 31 ff OWiG) angenommen werden. Zunächst steht eine Einstellung des Ordnungswidrigkeitsverfahrens vor Ablauf der Verfolgungsverjährung nicht schon einer Anwendung des § 31 a StVZO entgegen,
39vgl. Dauer in Hentschel/König/, Straßenverkehrsrecht, 41.Auflg., 2011, § 31 a StVZO Rz. 4; VG Oldenburg, Beschlüsse vom 13. Oktober 1998 – 7 B 2838/98 -, ZfS 1999, 40 und vom 1. Oktober 2008 – 7 B 2577/08 -, juris.
40Nach dem Vorstehenden hat die Bußgeldbehörde das Ordnungswidrigkeitsverfahren auch nicht vorschnell und vor Ausschöpfung auf der Hand liegender Ermittlungsmöglichkeiten,
41vgl. dazu VG Aachen, Urteil vom 23. Januar 2007 – 2 K 38672/04 -, juris,
42eingestellt. Vielmehr hatte der Antragsteller durch sein bisheriges Verhalten zu erkennen gegeben, dass er zu einer Aufklärung der Verkehrsordnungswidrigkeit nicht bereit gewesen ist.
43Die Anordnung der Fahrtenbuchauflage ist schließlich auch nicht ermessensfehlerhaft. Die Auferlegung des Fahrtenbuches für die Dauer von 18 Monaten ist nicht unverhältnismäßig. Nach der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung ist für die Frage der Verhältnismäßigkeit einer Fahrtenbuchauflage und für die Einstufung der Schwere eines Verkehrsverstoßes auf das Punktesystem in der Anlage 13 zur Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) zurückzugreifen und die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage schon bei erstmaliger Begehung eines mit einem Punkt bewerteten Verkehrsverstoßes gerechtfertigt,
44vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Mai 1995 - 11 C 12/94 -, NJW 1995, 2866; OVG NRW, Urteile vom 30. November 2005 - 8 A 280/05 -, a.a.O. und vom 29. April 1999 - 8 A 699/97 -, NJW 1999, 3279 - bestätigt mit Beschluss des BVerwG vom 9. September 1999 - 3 B 94/99 -, NZV 2000, 386 - und OVG NRW Beschluss vom 27. Juli 2006 - 8 B 1224/06 -, juris.
45Dabei kommt es auf die besonderen Umstände des Einzelfalles, wie etwa die Gefährlichkeit des Verkehrsverstoßes nicht an. Der vorliegende Verkehrsverstoß (Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 48 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften) war nach §§ 24, 26 a StVG i.V.m. § 49 Abs. 3 Nr. 4 i.V.m. 3 Abs. 3 Nr. 2c StVO iVm Ziffer 11.3.5 der Tabelle 1 lit c) des Anhangs zu Ziffer 11 (hier: 11.3) der Anlage zu § 1 Abs. 1 der Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV) mit einem Bußgeld in Höhe von 160 € bedroht. Eine derartige Verkehrsordnungswidrigkeit wird gemäß § 28 Abs. 3 Nr. 3 StVG i.V.m. § 40 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) und Ziffer 5.4 der Anlage 13 zur FeV mit drei Punkten bewertet. Der begangene Verkehrsverstoß erweist sich als ausreichende Grundlage für die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage. Der Antragsgegner hat seine Ermessensentscheidung bei der Bemessung der Dauer der Fahrtenbuchauflage insoweit am Verkehrsverstoß und an der jeweiligen Punktebewertung bzw. Dauer von Fahrverboten orientiert. Dies ist nicht zu beanstanden. Auch das Bundesverwaltungsgericht orientiert sich in seiner Rechtsprechung bei der Gewichtung von Verkehrsverstößen in erster Linie an ihrer Einordnung durch den Bußgeldkatalog und der Punktebewertung nach der einschlägigen Anlage zur Fahrerlaubnis-Verordnung. Bereits eine mit einem Punkt bewertete Verkehrsordnungswidrigkeit wird nach der oben aufgeführten Rechtsprechung nicht als ein unwesentlicher, sondern bereits als ein Verkehrsverstoß von einigem Gewicht eingestuft. Die Fahrtenbuchauflage ist eine Maßnahme der Gefahrenabwehr im Straßenverkehr und soll dazu beitragen, dass künftig die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einem Verkehrsverstoß ohne Schwierigkeit möglich ist,
46vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 17. Mai 1995 - 11 C 12/94 -,a.a.O.
47Bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit im hier in Rede stehenden Zusammenhang sind im Übrigen das erhebliche öffentliche Interesse an der Eindämmung von Gefährdungen, die aus dem Straßenverkehr herrühren, einerseits und der Lästigkeitswert einer Fahrtenbuchauflage andererseits in Rechnung zu stellen. Es liegt mit Blick hierauf nahe, dass bei Verkehrsverstößen des beschriebenen Gewichts die (rechtsstaatswidrige) Unverhältnismäßigkeit einer (zeitlich befristeten) Fahrtenbuchauflage eher selten festzustellen sein wird, zumal es der Halter in Händen hat, die Nutzung des auf ihn zugelassenen Fahrzeugs stärker zu beobachten und in seinem Umfeld ggf. Vorkehrungen zu treffen, die ihm die Auferlegung weiterer Fahrtenbuchauflagen ersparen.
48Die in der Ordnungsverfügung ferner geregelte Erstreckung der Fahrtenbuchauflage auf Nachfolgefahrzeuge findet in § 31 a Abs. 1 Satz 2 StVZO eine ausreichende Rechtsgrundlage und erweist sich vorliegend als hinreichend bestimmt im Sinne von § 37 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes. Anhaltspunkte für eine Veräußerung ohne Wiederbeschaffung sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
49Die weiterhin in der Ordnungsverfügung enthaltenen Bestimmungen, die Inhalt, Vorlage und Aufbewahrung des Fahrtenbuches betreffen, rechtfertigen sich aus § 31 a Abs. 2 und 3 StVZO.
50Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
51Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG. Für die Bemessung des Streitwerts der Fahrtenbuchauflage ist in Anlehnung an den Streitwertkatalog 2013 von einem Betrag von 400 € je Monat der Auflagendauer auszugehen. Der so zu errechnende Betrag von (400 € x 18 Monate =) 7.200 € war im Hinblick auf die Vorläufigkeit des einstweiligen Rechtsschutzes auf die Hälfte zu reduzieren.
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