Urteil vom Verwaltungsgericht Aachen - 10 K 1852/19.A
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens, in dem Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
Tatbestand
2Der 1996 geborene Kläger zu 1. und die 1994 geborene Klägerin zu 2. sind türkische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit. Sie reisten nach eigenen Angaben am 21.02.2019 auf dem Landweg in das Bundesgebiet ein und stellten am 19.03.2019 förmliche Asylanträge.
3Zuvor hatten die Kläger am 27.06.2018 beim Generalkonsulat Istanbul ein Visum beantragt, dessen Erteilung jedoch abgelehnt wurde.
4In seiner Anhörung am 28.03.2019 vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) trug der Kläger zu 1. vor, er habe die Türkei am 06.02.2019 auf dem Luftweg verlassen. Während seiner Schulzeit, seines Studiums und bei der Arbeitssuche sei er öfters wegen seiner kurdischen Abstammung diskriminiert worden. Er sei Mitglied der DBP. Dazu legte er einen Parteiausweis vor. Er trug weiter vor, am 24.06.2018 sei er bei den Wahlen verantwortlich für die Stimmzettelbox für die HDP gewesen. Außerdem habe er an Demonstrationen der HDP teilgenommen sowie Plakate, Werbung und Artikel für die HDP verteilt. Er sei von AKP-Anhängern über Facebook beleidigt und bedroht worden. Die Beleidigungen und Bedrohungen habe er immer gelöscht. Er habe nicht gewollt, dass die Klägerin zu 2. sie lese. Ihr Haus sei zweimal und sein Büro einmal durchsucht worden, nachdem sein Cousin unter dem Vorwurf der Unterstützung der PKK festgenommen, ein Jahr ohne Anklage inhaftiert und später für sechs Jahre verurteilt worden sei. Es habe auch eine anonyme Anzeige gegen sie gegeben. Er habe ständig diese Probleme gehabt. Man habe ihnen vorgeworfen, die PKK und insbesondere seine Cousine, welche zur kurdischen Guerilla gehöre, zu unterstützen. Die Behörden hätten keine Beweismittel gefunden. Die damals schwangere Klägerin zu 2. habe bei der letzten Durchsuchung im Dezember 2018 einen Nervenzusammenbruch erlitten und infolge dessen ihr Kind verloren. Außerdem werde er derzeit auf seiner Facebook-Seite von einem Polizisten bedroht. Dazu befragt, ob er infolge seiner politischen Tätigkeiten jemals mit dem türkischen Staat in Konflikt geraten sei, antwortete er, nein, die Behörden hätten nicht gewusst, dass er HDP- oder DBP-Mitglied sei. Sie hätten zwar auf den Demonstrationen ein paarmal Auseinandersetzungen gehabt, aber er sei nicht festgenommen worden.
5Die Klägerin zu 2. trug in ihrer Anhörung am selben Tag vor, sie habe sich politisch nicht engagiert. Nachdem ihr Haus im Dezember 2018 durchsucht worden sei, habe sie ihr Kind verloren. Der Cousin des Klägers zu 1. sei bei den Guerillas und es habe einen anonymen Hinweis bei der Polizei gegeben, dass sie angeblich die Guerillas unterstützt hätten. Insgesamt habe es zwei Hausdurchsuchungen gegeben. Die Verwandten des Klägers zu 1. seien bei der PKK und deswegen habe man immer Angst, anonym bei den Behörden gemeldet zu werden. Außerdem hätten die Kurden keine Meinungsfreiheit und würden verhaftet, wenn sie sich kritisch äußern würden. Sie habe psychische Probleme. Sie legte ein Attest der Fachärztin für Nervenheilkunde Dr. B. vom 27.04.2019 vor.
6Mit Bescheid vom 19.06.2019, als Einschreiben zur Post gegeben am 21.06.2019, lehnte das Bundesamt die Anträge der Kläger auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf Anerkennung als Asylberechtigte und auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus ab und stellte zugleich fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen. Es forderte die Kläger auf, die Bundesrepublik zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgemäßen Ausreise drohte es ihnen die Abschiebung in die Türkei an. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
7Hiergegen haben die Kläger am 21.06.2019 Klage erhoben. Zur Begründung verweisen sie auf und vertiefen ihre Ausführungen aus der Anhörung vor dem Bundesamt. Sie tragen ergänzend vor, gegen den Kläger zu 1. sei eine politisch motivierte Anklage erhoben worden. Die Anklageschrift sei seinen Eltern am 14.05.2019 im Polizeipräsidium ausgehändigt worden und sie hätten sie ihm am selben Tag per whatsapp geschickt. Im Juli habe eine Verwandte sie mit nach Deutschland gebracht. Einen Tag vor Aushändigung der Anklageschrift an die Eltern habe eine Hausdurchsuchung stattgefunden, bei der man ihn habe festnehmen wollen. Seine Eltern hätten ihn am selben Tag darüber informiert. Er habe kein Verfahren zu erwarten, das rechtsstaatlichen Grundsätzen entspreche. Einen UYAP-Auszug könne er nicht vorlegen, weil es sich bei der Ermittlungsakte um eine Verschlusssache handle und er zu e-devlet keine Zugangsdaten habe. Er hat eine Anklageschrift vom 13.05.2019 sowie ein Anwaltsschreiben vom 06.01.2022 jeweils in Kopie eingereicht. Hinsichtlich der Klägerin zu 2. wird außerdem auf deren psychische Erkrankung verwiesen.
8Die Kläger beantragen,
9die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom 19.06.2019 zu verpflichten, ihnen die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG zuzuerkennen
10hilfsweise,
11die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des vorgenannten Bescheides zu verpflichten, ihnen subsidiären internationalen Schutz nach § 4 AsylG zuzuerkennen,
12weiter hilfsweise,
13die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des vorgenannten Bescheides zu verpflichten, festzustellen, dass in ihrer Person jeweils ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich der Türkei vorliegt.
14Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
15die Klage abzuweisen.
16Zur Begründung nimmt sie Bezug auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid.
17In der mündlichen Verhandlung vom 11.02.2022 sind die Kläger ergänzend zu ihren Asylgründen gehört worden. Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen.
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen. Die Erkenntnisse der Kammer zum Herkunftsland wurden in das Verfahren eingeführt.
19E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
20Die Kammer kann entscheiden, obwohl die Beklagte zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist. Die Beteiligten wurden unter Hinweis auf die Möglichkeit geladen, dass eine Entscheidung auch bei Nichterscheinen eines Beteiligten ergehen kann (§ 102 Abs. 2 VwGO).
21Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Bundesamtes vom 19.06.2019 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO.
22I. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG. Danach ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28.07.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Herkunftslandes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
23Die einzelnen Verfolgungshandlungen werden in § 3a AsylG näher umschrieben, die einzelnen Verfolgungsgründe in § 3b AsylG aufgeführt. Eine Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG kann nach § 3c AsylG ausgehen vom Staat (Nr. 1), von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (Nr. 2), oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern der Staat oder die ihn beherrschenden Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (Nr. 3).
24Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer die genannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d.h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit, drohen.
25Vgl. BVerwG, Urteile vom 01.06.2011 - 10 C 25.10 -, juris Rn. 22 m.w.N. und vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 -, juris Rn. 19.
26Wenn der Asylbewerber frühere Verfolgungshandlungen oder Bedrohungen mit Verfolgung als Anhaltspunkt dafür geltend macht, dass sich die Verfolgung im Falle der Rückkehr in das Heimatland wiederholen werde, kommt ihm die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU zugute.
27Vgl. zur gleichlautenden Regelung in Art. 4 Abs. 4, Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie 2004/83/EG BVerwG, Beschluss vom 06.07.2012 - 10 B 17.12 -, juris Rn. 5.
28Es ist Sache des Asylbewerbers, die Gründe für seine Furcht vor politischer Verfolgung schlüssig vorzutragen. Dazu hat er unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei verständiger Würdigung ergibt, dass ihm in seinem Heimatland politische Verfolgung droht. Hierzu gehört, dass der Ausländer zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen. Bei der Bewertung der Stimmigkeit des Sachverhalts müssen u.a. Persönlichkeitsstruktur, Wissenstand und Herkunft des Ausländers berücksichtigt werden.
29Vgl. BVerwG, Beschluss vom 03.08.1990 - 9 B 45.90 -, juris Rn. 2 und OVG NRW, Urteil vom 14.02.2014 - 1 A 1139/13.A -, juris Rn. 35.
30Gemessen an diesen Grundsätzen konnte die Kammer nicht die Überzeugung gewinnen, dass die Kläger ihr Heimatland aufgrund politischer Verfolgung verlassen haben oder dass ihnen bei Rückkehr dorthin solche droht.
311. Das Vorbringen zur (angeblichen) Verfolgung durch den türkischen Staat und durch Dritte ist unglaubhaft. Es ist durchzogen von Widersprüchen und Ungereimtheiten.
32Dies fängt schon an mit den Angaben des Klägers zu 1. dazu, was die Sicherheitskräfte über seine Aktivitäten gewusst haben sollen. Beim Bundesamt dazu befragt, ob er infolge seiner Tätigkeiten für HDP und DBP jemals mit dem türkischen Staat in Konflikt geraten sei, antwortete er, nein, die Behörden hätten nicht gewusst, dass er HDP- oder DBP-Mitglied sei. Sie hätten zwar auf den Demonstrationen ein paarmal Auseinandersetzungen gehabt, aber er sei nicht festgenommen worden. Viele Bekannte, von denen die Polizei gewusst habe, dass sie DBP- oder HDP-Mitglieder seien, habe man verhaftet. Das Risiko habe er nicht eingehen wollen. Die von ihm behaupteten Durchsuchungsaktionen der Sicherheitskräfte knüpften nach seiner damaligen Darstellung demgemäß (nur) daran an, dass sich Verwandte der PKK angeschlossen haben sollen und es eine anonyme Anzeige gegeben haben soll, mit der ihm die Unterstützung der PKK unterstellt worden sei. Die aus den Maßnahmen der Sicherheitskräfte resultierende Bedrohungslage und die psychischen Folgen für die Klägerin zu 2. wurden als Anlass benannt, dass Land zu verlassen. Sein Vorbringen in der mündlichen Verhandlung hingegen passt nicht zu dem beim Bundesamt und ergibt im Übrigen auch für sich genommen kein klares Bild. Auf Nachfrage, wieso er im Juni 2018 ein Visum beantragt habe, führte der Kläger zu 1. aus, er sei für die DBP aktiv gewesen, sei bedroht worden, im Parteibüro, wo er organisatorische Aufgaben übernommen habe, sei die Polizei aufgetaucht, habe die Parteiräume durchsucht und Passkontrollen vorgenommen. So sei es zur Beantragung des Visums gekommen. Viele seiner Freunde seien zu dieser Zeit festgenommen worden und sie hätten Angst um ihr Leben gehabt. Es ist schon bemerkenswert, dass der Kläger zu 1. hier einen ersten Versuch der Ausreise schon Mitte 2018 mit seiner Parteitätigkeit und der daraus (angeblich) entstandenen Gefahrsituation begründete, obwohl er beim Bundesamt behauptete, seine Parteizugehörigkeit sei dem türkischen Staat gar nicht bekannt gewesen. Im Übrigen hatte er dort nicht dargelegt, sich schon im Sommer 2018 derart unter Druck gesehen zu haben, dass er versucht hätte, die Ausreise in die Wege zu leiten. Dabei wäre das doch durchaus erwähnenswert gewesen. Auf Nachfrage des Gerichts, ob er damals bei der Durchsuchung durch die Behörden als Parteimitglied identifiziert worden sei, antwortete er sodann zunächst ersichtlich ausweichend, er sei regelmäßig dorthin gegangen; sie hätten festgestellt, dass er bei Aktivitäten beteiligt gewesen sei; er habe freiwillig an allem mitgewirkt. Erst der sich anschließende letzte Satz, zum Zeitpunkt der Kontrolle sei er allerdings nicht im Gebäude gewesen, wies überhaupt einen Bezug zur Fragestellung auf. Nimmt man diesen in den Blick, stellt sich jedoch umso mehr die Frage, warum der Kläger zu 1. in Zusammenhang mit seiner Parteitätigkeit schon im Sommer 2018 eine Ausreise geplant haben will, wo er doch bei der Passkontrolle nicht zugegen gewesen sein soll. Auf erneute Nachfrage seines Prozessbevollmächtigten bekundete er sodann, was die Polizei genau gewusst habe, könne er nicht sagen. Er könne nur sagen, dass sie ihn bei Demos und Kundgebungen gesehen und gewusst hätten, dass er aktiv gewesen sei. Er wisse aber nicht, ob sie ihn als formales Mitglied identifiziert hätten. Bei Personenkontrollen habe er seinen Parteiausweis nie mitgeführt. Das steht jedoch in Widerspruch zu seiner Darstellung beim Bundesamt, wo er zum einen ausdrücklich erklärt hatte, die Behörden hätten nicht gewusst, dass er HDP- oder DBP-Mitglied sei. Das klingt nach einem (zumindest subjektiv) klaren Kenntnisstand. Die zusätzliche Äußerung beim Bundesamt, sie hätten zwar auf den Demonstrationen ein paarmal Auseinandersetzungen gehabt, aber er sei nicht festgenommen worden, konnte sodann zum anderen dem Sinnzusammenhang nach nur so verstanden werden, dass er bei diesen Ereignissen nicht identifiziert wurde. In der mündlichen Verhandlung hingegen stellte er die Sachlage anders dar. Die Behauptung, sie hätten festgestellt, dass er bei Aktivitäten beteiligt gewesen sei, ihn bei Demos und Kundgebungen gesehen und gewusst, dass er aktiv gewesen sei, lässt auf einen ihn als identifizierte Einzelperson bezogenen Kenntnisstand schließen. Es wäre indes zu erwarten gewesen, dass es beim Bundesamt in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen hätte, dass die Sicherheitsbehörden, wenn nicht über die formale Mitgliedschaft, so doch immerhin über seine Aktivitäten informiert gewesen sein sollen. Die Nachfrage des Gerichts, woran die Polizei erkannt habe, dass er sich engagiert habe, und wie man ihn identifiziert habe, beantwortete er sodann wiederum ausweichend. Er gab an, er könne nicht genau sagen, welche Informationen die Polizei gehabt habe; er sei jedenfalls bedroht worden über soziale Medien. Es könne sein, dass ihn jemand verpfiffen oder man ihn über die sozialen Medien gefunden habe. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass die Informationsquellen der Sicherheitskräfte sich möglicherweise dem Kenntnisbereich des Klägers zu 1. entziehen. Will er aber die die Identifizierung seiner Person zugrunde liegenden Umstände nicht (wie z.B. eine bei Demonstrationen oder Kundgebungen erfolgte Personenkontrolle, Festnahme o.Ä.) selbst mitbekommen haben, verbleibt die Frage, aus welchen Umständen er überhaupt darauf schließt, dass man von staatlicher Seite um seine Parteitätigkeit gewusst haben soll. Dazu ist seinem Vorbingen nichts Hinreichendes zu entnehmen. Der einzige insoweit (wenn auch pauschal) vorgebrachte Umstand, er sei in den sozialen Medien bedroht worden, hilft nicht weiter. Zum einen tauchte in diesem Zusammenhang in seiner Darstellung überhaupt nur ein Kontakt zu einem Staatsbediensteten, nämlich einem angeblichen Polizisten auf, bezüglich dessen der Kläger zu 1. im Übrigen in der mündlichen Verhandlung selbst einräumte, dass es sich bei der Einstufung als Polizist um reine Mutmaßung handle (dazu sogleich). Zum anderen bekundete er in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage, wie es zu den Online-Bedrohungen gekommen sei und welcher Zusammenhang zu seinen Tätigkeiten in der realen Welt bestehe, er habe zwar zu kurdischen Belangen gepostet, aber nicht im Rahmen seiner Parteitätigkeit, die Beleidigungen seien dann Reaktionen auf seine Posts gewesen, man habe ihn und die Kurden im Allgemeinen aufs Übelste beschimpft und ihn bedroht. Davon, dass er in diesem Zusammenhang von Kenntnissen der Sicherheitsbehörden über seine Parteiaktivitäten erfahren hätte, war nicht die Rede. Seine weiteren Äußerungen dazu, er habe die Bedrohungen in den sozialen Medien seiner Familie nicht gezeigt, die Drohungen hätten sich bis nach Deutschland fortgesetzt und er habe sie beim Bundesamt vorzeigen wollen, haben mit der Fragestellung des Gerichts nichts zu tun. Auf ausdrücklichen Vorhalt, dass beim Bundesamt die Rede davon war, die Polizei habe um seine Parteimitgliedschaft nicht gewusst, und auf Nachfrage dazu, warum er damals nicht von dem Wissen der Sicherheitskräfte um seine Parteiaktivitäten berichtet habe, antwortete er, er könne nicht zu 100 % sagen, dass und woher die es gewusst hätten, er gehe aufgrund ihres Verhaltens davon aus, dass sie um die Aktivitäten gewusst hätten, wenn sie aber Beweise gehabt hätten, dann wäre er heute nicht hier. Das ist nichtssagend und lässt die Frage letztlich unbeantwortet.
33Uneinheitlich fiel zudem das Aussageverhalten der Klägerin zu 2. aus. Beim Bundesamt erläuterte sie, während der Hausdurchsuchung eine Panikattacke erlitten zu haben. Dazu befragt, wie viele Beamte bei der Hausdurchsuchung anwesend gewesen seien, gab sie an, sie habe direkt Panikattacken bekommen, habe sehen können, aber ihr Bewusstsein sei nicht klar gewesen. Damit hat sie deutlich zum Ausdruck gebracht, aufgrund der Panikattacke die Umstände der Durchsuchung dergestalt nicht richtig wahrgenommen zu haben, dass sie nicht einmal die Frage nach der Zahl der Beamten zu beantworten vermochte. In der mündlichen Verhandlung schilderte sie indes auf Nachfrage, wie sie das Ganze erlebt habe, bis auf den Zeitraum ihrer Bewusstlosigkeit den Ablauf konkret: Es sei so gegen 1.30 Uhr gewesen; sie habe das Klopfen an der Tür mitbekommen; der Kläger zu 1. sei aufgestanden; als die Tür aufgegangen sei, habe sie an den Schritten erkennen können, dass mehrere Personen hereingekommen seien; als der Kläger zu 1. die Zimmertür geöffnet habe, hätten sie ihm den Arm auf den Rücken gebogen und ihn zu Boden gestürzt; das habe ein großer Mann in schwarzer Kleidung gemacht; sie hätten gesagt, dass sie ihn jetzt mitnehmen würden, und sie habe gefragt, wohin und was passiere; sie sei dann bewusstlos geworden, und durch Schreie der Kinder, die bei ihrer Mutter im Wohnzimmer gewesen seien, wach geworden; sie hätten sie auch dorthin gebracht; sie habe angefangen zu weinen; ihre Schwiegermutter habe versucht, sie zu beruhigen, ihr über den Kopf gestrichen und gesagt, sie würden gleich gehen und es werde alles gut; als sie gegangen seien, hätten sie dem Kläger zu 1. gesagt, dass sie ihn doch irgendwann kriegen würden. Das ist schon mehr als bemerkenswert für jemanden, der beim Bundesamt den Eindruck vermittelte, nicht bei klarem Bewusstsein gewesen zu sein. Auch passt es nicht zusammen, dass sie beim Bundesamt auf die Frage nach der Zahl der Beamten nichts Verwertbares sagte, in der mündlichen Verhandlung jedoch wiederholt im Plural sprach, außerdem erklärte, schon anhand der Schritte auf eine Mehrzahl an Personen geschlossen zu haben, und eine von diesen nach Kleidung und Gesamteindruck („Er hat für mich wie ein Ungeheuer ausgesehen.“) beschreiben konnte. Hier hätte es auf die Nachfrage beim Bundesamt mehr als nahgelegen, zumindest darauf hinzuweisen, dass es mehrere Beamte gewesen seien, und die ihr bekannten Informationen anzugeben.
34Schon vor dem Hintergrund des somit im Kernbereich unglaubhaften Vorbringens hat das Gericht keinen Anlass, dem Kläger zu 1. abzunehmen, dass er sich außerdem in den sozialen Medien politisch geäußert haben und deshalb bedroht worden sein will. Aber auch unabhängig davon überzeugt sein diesbezügliches Vorbringen ebenfalls nicht.
35Ein erheblicher Widerspruch ergibt sich daraus, dass der Kläger zu 1. beim Bundesamt vortrug, die Beleidigungen und Bedrohungen in den sozialen Medien habe er immer gelöscht. Er habe nicht gewollt, dass die Klägerin zu 2. sie lese. In der mündlichen Verhandlung hingegen äußerte er, er habe bei der Anhörung beim Bundesamt die Posts vorzeigen wollen, aber die hätten gesagt, die bräuchten sie nicht. Auf Vorhalt konnte er diesen Widerspruch nicht überzeugend auflösen. Seinen Einwand, er habe mit der Darstellung beim Bundesamt nur gemeint, dass er die vorherigen Posts gelöscht habe, wertet das Gericht als bloße Schutzbehauptung. Dass der Kläger zu 1. beim Bundesamt angeboten hätte, Posts vorzuzeigen, ist dem Protokoll nicht zu entnehmen. Dies in Zusammenschau mit der Aussage, er habe die Beleidigungen und Bedrohungen „immer“ gelöscht, ergibt ein einheitliches Bild, in dass sich seine Behauptung in der mündlichen Verhandlung nicht einpasst. Bezeichnend ist zudem, dass der Kläger zu 1. sich auch im Gerichtsverfahren nicht veranlasst sah, Ausdrucke von Bedrohungen in den sozialen Medien vorzulegen. Dabei hätte es sich doch geradezu aufgedrängt, dies zu tun, nachdem das Bundesamt angeblich kein Interesse gezeigt hatte und sein Asylantrag abgelehnt worden war.
36Der Kläger zu 1. war außerdem nicht ansatzweise in der Lage, die angebliche Bedrohung durch einen (mutmaßlichen) Polizisten anschaulich zu schildern. Auf Nachfrage des Gerichts, was es mit der Bedrohung durch den Polizisten bei Facebook genau auf sich habe, antwortete er lediglich, er habe versucht, das beim Bundesamt zu erklären; anfangs, als er die Bedrohung erhalten habe, habe er sie gelöscht, damit die Klägerin zu 2. keine Angst habe; aber in Deutschland habe er ihr alles erzählt; er habe bei der Anhörung die aktuellen Bedrohungen vorzeigen wollen, aber man habe ihm gesagt, man bräuchte das nicht. Eine Antwort auf die ihm gestellte Frage ist das nicht. Eine Nachfrage des Prozessbevollmächtigten zu näheren Informationen brachte nichts Erhellendes, sondern führte zu weiteren Unklarheiten. Der Kläger zu 1. bekundete, zu 100 % könne er nicht sagen, dass es ein Polizist gewesen sei. Für ihn sei das einer gewesen, aber vielleicht sei es auch ein MHP’ler oder ein AKP’ler gewesen. Anfangs habe er keine Bilder geschickt, sondern nur Text, und über die Kurden und über die Partei geschimpft, dann zum Schluss doch ein Bild, auf dem eine schwarze Weste, dunkler Teint, kurze Haare und eine Waffe in der Hand erkennbar gewesen seien und zu dem er geschrieben habe, dass er ihnen die Waffe irgendwohin stecken werde. Abgesehen davon, dass die Informationen dazu, wie die Bedrohung ausgesehen haben soll, nach wie vor dürftig blieben, will der Kläger zu 1. sich nunmehr nicht einmal mehr sicher gewesen sein, ob es sich überhaupt um einen Polizisten handelte. Entsprechendes hatte er beim Bundesamt nicht verdeutlicht. Er konnte sodann in der mündlichen Verhandlung keine überzeugende Begründung für seine Vermutung liefern. Auf mehrfache Nachfrage des Prozessbevollmächtigten erklärte er zunächst, vom Aussehen her habe er auf einen Zivilpolizisten geschlossen, weil der so ausgesehen habe wie die, die sie von der Straße kennen würden. Was das genau heißen soll und was die, die sie „von der Straße kennen“ denn speziell ausmachen soll, erläuterte er jedoch nicht. Seine anschließende Äußerung, es habe damals keinen Grund gegeben, die Nachrichten nicht zu löschen, hat mit der Fragestellung nichts zu tun. Zuletzt ist die Behauptung geradezu absurd, der Mann habe so voller Hass gesprochen, so könne ein normaler Bürger nicht sprechen; er habe gesagt, hier sei die Türkei, und gefragt, mit welchem Recht sie sich für kurdische Belange einsetzen würden. Es erschließt sich nicht, warum nur ein Polizist und keine andere Person mit entsprechender politischer Einstellung so sprechen können sollte. Letztlich ergibt sich aus dem Vorbringen nicht ansatzweise ein klares Bild, erst recht keines einer dem Staat zurechenbaren flüchtlingsrelevanten Verfolgung. Vielmehr ist der Vortrag auch in diesem Zusammenhang unglaubhaft.
37An dieser Einstufung vermögen die Anklageschrift vom 13.05.2019 sowie das Anwaltsschreiben vom 06.01.2022 (dem Gericht jeweils lediglich in Kopie vorgelegt) nichts zu ändern.
38Schon allein vor dem Hintergrund der ganz erheblichen Widersprüche und Ungereimtheiten im Vortrag hat das Gericht keine Veranlassung, davon auszugehen, dass es sich bei der Anklageschrift um ein echtes Dokument bzw. ein solches wahren Inhalts handelt. Hinsichtlich des Anwaltsschreibens vom 06.01.2022 hat das Gericht von vornherein keine sichere Kenntnis, wer es tatsächlich verfasst hat, und erst recht ist der Wahrheitsgehalt der dortigen Angaben zum Kläger zu 1. nicht überprüfbar.
39Unabhängig davon ergeben sich weitere Ungereimtheiten bezüglich der Anklageschrift.
40So hat der Kläger zu 1. bekundet, diese sei seinen Eltern am 14.05.2019 im Polizeipräsidium ausgehändigt worden und sie hätten sie ihm am selben Tag per whatsapp geschickt. Einen Tag vor Aushändigung der Anklageschrift habe eine Hausdurchsuchung stattgefunden, bei dem man ihn habe festnehmen wollen. Seine Eltern hätten ihn am selben Tag darüber informiert. Im Juli habe eine Verwandte die Anklageschrift nach Deutschland gebracht. Es ist hier schon nicht nachvollziehbar, warum der Kläger zu 1., der die Anhörung beim Bundesamt am 28.03.2019 durchlaufen hatte und mithin jederzeit mit dem Erlass eines Bescheides rechnen musste, das Bundesamt nicht unverzüglich Mitte Mai über die Durchsuchung und die Anklageschrift in Kenntnis setzte, statt den Erlass eines ablehnenden Bescheides abzuwarten und die Anklageschrift sodann während des Gerichtsverfahrens beim Bundesamt vorzulegen. Auch wenn die Anklageschrift im Mai nur auf dem Smartphone vorgelegen hätte, hätte er diese beispielsweise per Mail unmittelbar ans Bundesamt weiterleiten können.
41Außerdem fällt auf, dass der Kläger zu 1., der keine Auszüge zum angeblich gegen ihn anhängigen Verfahren aus e-devlet und / oder UAYAP einreichte, dies unter Vorlage des Anwaltsschreibens vom 06.01.2022 (neben dem Verweis auf fehlende Zugangsdaten) damit begründete, es handle sich während des Ermittlungsverfahrens und vor Eröffnung des gerichtlichen Verfahrens um eine nicht einsehbare Verschlusssache, die erst mit Übergang ins gerichtliche Verfahren bei e-devlet eingetragen werde. Dann erschließt sich aber nicht, warum auf der vorgelegten Kopie des Dokuments ausdrücklich ein Code angeführt wird, um die Dokumente in UYAP aufzurufen. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass nach der Auskunftslage teilweise berichtet wird, ein Zugriff auf die verfahrensrelevanten Akten via UYAP sei nicht möglich, bevor das Gericht die Anklage akzeptiert habe, und auch darüber hinaus unterlägen die Einsichtsmöglichkeiten - v.a. in Fällen von Terrorismusverdacht - vielfältigen Einschränkungen.
42Vgl. Schweizerischen Flüchtlingshilfe: Zugang zu verfahrensrelevanten Akten, 01.02.2019, S. 5 ff.
43Das räumt freilich nicht die Tatsache aus der Welt, dass das in Kopie vorgelegte Dokument im konkreten Fall gerade einen Code enthält. Das ergibt schlichtweg keinen Sinn, wenn es sich doch um eine nicht elektronisch einsehbare Verschlusssache handeln soll. Zu dem angegebenen Code äußerte sich der Kläger zu 1., der sich ansonsten mit der Frage des Zugangs zu e-devlet und UYAP sowohl über seinen Prozessbevollmächtigten als auch durch das vorgelegte Anwaltsschreiben durchaus ausführlich auseinandersetzte, auch nicht von sich aus. Erst in der mündlichen Verhandlung auf den angegebenen Code angesprochen, erklärte er, er habe es versucht, aber, wenn man die Seite aufrufe, werde man auf e-devlet umgeleitet, und dort müsste man sich einloggen; die Zugangsdaten habe er aber nicht. Hier drängt sich die Frage auf, warum er diesen angeblichen Versuch nicht von sich aus erwähnte, was doch im Anbetracht seiner sonstigen Auseinandersetzung mit der Thematik durchaus nahgelegen hätte.
44Das Gericht sieht vor dem Hintergrund des unglaubhaften Vorbingens und unabhängig davon aufgrund der die Anklageschrift betreffenden Ungereimtheiten keine Veranlassung zu weiteren Aufklärungsmaßnahmen. Ungeachtet dessen wurde die Anklageschrift ohnehin nicht im Original vorgelegt und zudem ist eine Überprüfung der Echtheit türkischer Dokumente aus dem Justizbereich derzeit in der Regel nicht möglich. Dies betrifft sämtliche Dokumente aus Ermittlungs- und Strafverfahren.
45Vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei vom 03.06.2021 (Stand: April 2021), S. 24.
46Insofern ist in diesem Zusammenhang - wie schon in der mündlichen Verhandlung erläutert - nochmals anzumerken, dass die Mitteilung des Auswärtigen Amtes vom 11.12.2019 nicht geeignet ist, dass Vorbringen des Klägers zu 1. zu stützen. Vielmehr kommt darin lediglich zum Ausdruck, dass die türkischen Behörden Dritten keine Auskünfte geben und das Auswärtige Amt sich (insbesondere seit der Festnahme eines seiner Vertrauensanwälte) außerstande sieht, entsprechende Ermittlungen durchzuführen.
472. Das Gericht nimmt dem Kläger zu 1. auch nicht ab, dass er überhaupt Mitglied der DBP und / oder der HDP gewesen sein und sich für diese engagiert haben soll.
48Es hat schon aufgrund seiner unglaubhaften Angaben zum angeblichen Verfolgungsgeschehen und somit zum Kern des Vorbringens keinen Anlass, seinem Vortrag im Übrigen Glauben zu schenken.
49Unabhängig davon war der Kläger zu 1. nicht in der Lage, seine angebliche politische Tätigkeit anschaulich zu beschreiben. Beim Bundesamt beschränkte er sich diesbezüglich auf die pauschale Schilderung, am 24.06.2018 sei er bei den Wahlen verantwortlich für die Stimmzettelbox der HDP gewesen, er habe an Demonstrationen der HDP teilgenommen und Plakate, Werbung und Artikel für diese verteilt. Auf ausdrückliche Bitte, zu schildern, was er innerhalb der letzten zwei Jahre für die Parteien gemacht habe bzw. wie weit er in die Öffentlichkeit getreten sei, gab er an, sie hätten z.B. Organisationen (gemeint wohl: Demonstrationen) organisiert und Werbeplakate für die HDP verteilt; offiziell sei er nur für die Überwachung der Wahlurne zuständig gewesen und habe dazu von der Wahlkommission Geld bekommen; zuletzt sei er im Januar kontaktiert worden, ob er bei den Wahlen am 31.03. wieder als Beobachter der Wahlurne arbeiten könne. Das ist mehr als dürftig und bleibt oberflächlich. In der mündlichen Verhandlung bestätigte sich dieser Eindruck. Auf explizite Bitte um genaue Schilderung seiner Aktivitäten für die Partei, beschränkte er sich auf die Angaben, er sei, soweit er Zeit gehabt habe, ins Parteibüro gegangen, habe sich an Seminaren, Gesprächen, Kundgebungen und Demonstrationen beteiligt und bei Letzteren z.B. Fahnen und Plakate an Teilnehmer verteilt. Pauschaler geht es kaum.
50Außerdem blieben seine Äußerungen zu den Motiven für sein Engagement vage. Auf entsprechende Nachfrage in der mündlichen Verhandlung bekundete er, sie seien ja Kurden und wollten ihre Identität nicht verlieren. Das ist völlig oberflächlich und im Übrigen ohne persönlichen Bezug gänzlich allgemein gehalten. Seine weitere Darstellung, das Ziel sei es gewesen, möglichst viele Leute auf ihre Politik aufmerksam zu machen und sie dazu zu bringen, sich den Aktivitäten anzuschließen, viele Kurden seien über das Ziel der Partei gar nicht informiert, es sei auch keine Partei ausschließlich für kurdische Belange, sondern für die ganze Türkei, beschreibt nur die Ziele der Partei bei ihrer Tätigkeit, nicht aber seine eigenen persönlichen Motive, sich überhaupt dort zu engagieren.
51Insofern hat das Gericht keinen Anlass, davon auszugehen, dass es sich bei dem beim Bundesamt vorgelegten Parteiausweis um ein echtes Dokument bzw. um etwas anderes als eine bloße Gefälligkeitsbescheinigung handelt.
52Unabhängig davon würde selbst eine unterstellte Mitgliedschaft bei der DBP und / oder der HDP sowie diesbezügliches Engagement für sich genommen keine flüchtlingsrelevante Verfolgungsgefahr begründen.
53Der nun gewaltsam ausgetragene Kurdenkonflikt ließ auch die politische Vertretung der kurdischen Minderheit zum Ziel staatlicher Repressalien werden. Die meisten politisch Oppositionellen können sich nicht mehr frei und unbehelligt am politischen Prozess beteiligen. Abgeordnete mehrerer Parteien sind von der Immunitätsaufhebung 2016 betroffen, besonders auch die links-kurdische Partei HDP. Die HDP zog in der Parlamentswahl am 07.06.2015 mit 13,1 % der Stimmen erstmals als Partei ins Parlament ein, nachdem sie zuvor durch unabhängige Kandidaten vertreten gewesen war. Nachfolgend gelang ihr der Wiedereinzug ins Parlament und dies trotz Einschränkungen ihres Wahlkampfs u.a. durch die Inhaftierung ihres Spitzenkandidaten Demirtas. Im Zuge von Anklagen wegen angeblicher Verstöße gegen Anti-Terror-Gesetze verloren die meisten der HDP-Parlamentsabgeordneten zunächst ihre Immunität und nach rechtskräftiger Verurteilung verloren neun Abgeordnete der HDP auch ihr Parlamentsmandat. Auch auf lokaler Ebene versucht die Regierung, den Einfluss der HDP und von deren Schwesterpartei DBP zu verringern. Genauso wie vielen der HDP-Abgeordneten wird vielen DBP-Mitgliedern Unterstützung der PKK vorgeworfen. Kommunalverwaltungen und Bürgermeister wurden in zahlreichen Fällen überwiegend im kurdisch geprägten Südosten der Türkei mit der Begründung einer Nähe zu terroristischen Organisationen (PKK, vereinzelt Gülen-Bewegung) abgesetzt und durch sogenannte staatliche Treuhändler ersetzt. Bei den Kommunalwahlen 2019 verweigerten die lokalen Wahlräte einer Reihe von Wahlsiegern der HDP die Ernennung zum Bürgermeister und ernannten stattdessen die zweitplatzierten Kandidaten (meist: AKP). Seither wurden weitere HDP-Bürgermeister abgesetzt und teilweise im Zusammenhang mit strafrechtlichen Ermittlungen in U-Haft genommen. Die abgesetzten Bürgermeister werden vom Innenministerium in der Regel durch die von der Zentralregierung ernannten Gouverneure jeweiliger Provinzen bzw. Bezirke als Treuhänder ersetzt. Teilen der Basis der HDP und der DBP werden Verbindungen zur PKK sowie zu deren politischer Dachorganisation KCK nachgesagt. Strafverfolgung gegen die PKK und die KCK betrifft insofern nicht selten auch Mitglieder der HDP und DBP, wobei eine Mitgliedschaft (bisher) allein kein Grund für die Einleitung strafrechtlicher Maßnahmen ist. Die Aufnahme von strafrechtlichen Ermittlungen ist immer einzelfallabhängig. Bei mehreren Verhaftungswellen im Südosten des Landes sowie in den Ballungszentren Istanbul, Ankara und Izmir wurden seit Mitte 2011 auch Journalisten, Akademiker, Gewerkschafter und Rechtsanwälte inhaftiert. Nach Schätzungen aus März 2020 befanden sich ca. 5.000 Funktionäre und Mitglieder der HDP in Haft, auch wegen kritischer öffentlicher Äußerungen gegen den Militäreinsatz in Afrin. Der Druck auf die HDP und die DBP dauert an. 2020 setzten sich die Festnahmen und Amtsenthebungen von gewählten HDP-Bürgermeistern ebenso fort wie die Verhaftungen und Anklagen gegen andere Vertreter der HDP und DBP. Ende September 2020 hat der Generalstaatsanwalt von Ankara Haftbefehle gegen 82 Politiker der HDP ausgestellt und danach angekündigt, die Aufhebung der Immunität von sieben HDP-Abgeordneten zu beantragen. Die Bemühungen um die „Zerschlagung" der HDP gipfeln in dem inzwischen beim türkischen Verfassungsgericht eingereichten Parteiverbotsantrag, der vom türkischen Verfassungsgericht zur Entscheidung angenommen wurde.
54Vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei vom 03.06.2021 (Stand: April 2021), S. 8 f.; „Gericht lässt Verbotsverfahren gegen HDP zu“, tagesschau.de, 21.06.2021, abrufbar unter: https://www.tagesschau.de/ausland/tuerkei-hdp-verbotsklage-101.html; VG Berlin, Urteil vom 30.11.2021 - 37 K 16/18 A -, juris Rn. 49; VG Dresden, Urteil vom 02.08.2021 - 3 K 1255/20.A -, juris S. 11 f. m.w.N.; VG Augsburg, Urteile vom 21.07.2021 - Au 8 K 20.30407 -, juris Rn. 43 m.w.N. und vom 25.05.2021 - Au 6 K 19.30581 -, juris Rn. 24 ff.; VG Oldenburg, Urteil vom 02.06.2021 - 5 A 4362/17 -, juris S. 9 ff. m.w.N.; VG Wiesbaden, Urteil vom 10.05.2021 - 3 K 6240/17.WI.A -, juris S. 15 ff. m.w.N.; VG Kassel, Urteil vom 29.04.2021 - 5 K 74/19.KS.A -, juris, Rn. 43 f. m.w.N.
55Auch unter Berücksichtigung der vorgenannten Umstände besteht indes eine Verfolgungsgefahr bei niedrigschwelligen Aktivitäten ohne Hinzutreten besonderer Umstände regelmäßig nicht.
56Vgl. VG Berlin, Urteil vom 30.11.2021 - 37 K 16/18 A -, juris Rn. 49; VG Dresden, Urteil vom 02.08.2021 - 3 K 1255/20.A -, juris S. 11 f. m.w.N.; VG Augsburg, Urteil vom 21.07.2021 - Au 8 K 20.30407 -, juris Rn. 45 m.w.N.; VG Oldenburg, Urteil vom 02.06.2021 - 5 A 4362/17 -, juris S. 9 ff. m.w.N.; VG Kassel, Urteil vom 29.04.2021 - 5 K 74/19.KS.A -, juris Rn. 45.
57Insofern vermögen beispielsweise die Teilnahme an Demonstrationen für kurdische Angelegenheiten als einfaches Parteimitglied der HDP / DBP oder sogar vereinzelte Festnahmen bzw. Befragungen oder ein verstärktes Betroffensein von Polizeikontrollen grundsätzlich ohne Hinzutreten besonderer Anhaltspunkte keine Verfolgungsgefahr zu begründen. Eine verfolgungsrelevante Rückkehrgefährdung kommt nur bei Personen in Betracht, bei denen Besonderheiten vorliegen, etwa weil sie in das Fahndungsregister eingetragen sind, gegen sie ein Ermittlungs- oder Strafverfahren anhängig ist oder sie sich in besonders exponierter Weise exilpolitisch betätigt haben und deshalb in das Visier der türkischen Sicherheitsbehörden geraten sind, weil sie als potentielle Unterstützer etwa der PKK oder anderer terroristischer Organisationen angesehen werden.
58Vgl. VG Dresden, Urteil vom 02.08.2021 - 3 K 1255/20.A -, juris S. 11 f.; VG Oldenburg, Urteil vom 02.06.2021 - 5 A 4362/17 -, juris S. 9 ff., m.w.N.; VG Kassel, Urteil vom 29.04.2021 - 5 K 74/19.KS.A -, juris Rn. 45 f. m.w.N.
59Gemessen hieran ist - selbst wenn man die Parteizugehörigkeit und die behaupteten Parteiaktivitäten des Klägers zu 1. isoliert betrachtet als wahr unterstellt - nicht von einer Verfolgungsgefahr für die Kläger auszugehen. Es ist nicht feststellbar, dass sich der Kläger zu 1. derart exponiert hätte, dass der türkische Staat an seiner Verfolgung und / oder der seiner Familie ein Interesse haben könnte. Es ist weder aus seinem Vortrag noch anderweitig ersichtlich, dass seine Aktivitäten über das hinausgehen, was bei einer allgemeinen Parteimitgliedschaft am unteren Ende der Skala möglich ist.
603. Die Kläger haben zuletzt keine Verfolgung wegen ihrer Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Kurden zu befürchten. Kurden sind in der Türkei keiner Gruppenverfolgung ausgesetzt.
61Vgl. BayVGH, Beschlüsse vom 10.02.2020 - 24 ZB 20.30271 -, juris Rn. 6 und vom 26.10.2018 - 9 ZB 18.32678 -, juris Rn. 9; SächsOVG, Beschluss vom 09.04.2019 - 3 A 358/19.A -, juris Rn. 13; VG Berlin, Urteil vom 30.11.2021 - 37 K 16/18 A -, juris Rn. 52; VG Wiesbaden, Urteil vom 17.05.2021 - 3 K 4180/17.WI.A -, juris, S. 22 ff. m.w.N.; VG Stuttgart, Urteil vom 19.03.2021 - A 18 K 2788/20 -, juris S. 18 ff.; VG Köln, Urteile vom 07.10.2020 - 22 K 1855/18.A -, juris Rn. 39 f. m.w.N. und vom 12.08.2020 - 22 K 13926/17.A -, juris Rn. 22 ff.; VG München, Beschluss vom 12.06.2020 - M 1 S 20.30514 -, juris Rn. 21 und zur Lage der Kurden allgemein Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei vom 03.06.2021 (Stand: April 2021) S. 10 f.
62II. Weiterhin sind keine Gründe für die Zuerkennung subsidiären (internationalen) Schutzes nach § 4 AsylG gegeben.
63Danach ist ein Ausländer subsidiär schutzberechtigt, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht, wobei nach S. 2 als solcher die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts (Nr. 3) gilt. Dafür ist vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen nichts ersichtlich.
64III. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor.
651. Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der EMRK ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Über diese Norm werden die Schutzregeln der EMRK in innerstaatliches Recht inkorporiert. Sowohl aus der Systematik als auch der Entstehungsgeschichte folgt jedoch, dass es insoweit nur um zielstaatsbezogenen Abschiebungsschutz geht. Inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse, abgeleitet aus Art. 8 EMRK, ziehen regelmäßig nur eine Duldung gemäß § 60a Abs. 2 AufenthG nach sich. In Betracht kommt damit vor allem ein Abschiebungsverbot nach Art. 3 EMRK (Verbot der Folter). Hier ist aber vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen nicht ersichtlich, welches Menschenrecht der EMRK im konkreten Fall der Kläger ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG begründen könnte. Insbesondere erscheint es ihnen möglich, ihren Lebensunterhalt zu sichern. Das Gericht hat keine Zweifel daran, dass der junge und arbeitsfähige Kläger zu 1., der nach eigenen Angaben die Universität besucht und ein zweijähriges Studium zum Computer-Programmierer abgeschlossen hat, als Selbstständiger im handwerklichen Bereich und Mitbetreiber einer Cafeteria tätig war und über ein gutes Einkommen verfügte, in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt sowie den seiner Kernfamilie zu erwirtschaften. Unabhängig davon haben beide Kläger übereinstimmend angegeben, die wirtschaftlichen Verhältnisse ihrer jeweiligen Familie seien sehr gut, sodass sie im Bedarfsfall auf finanzielle Unterstützung zurückgreifen könnten.
662. Auch die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.
67a) Ein Abschiebungsverbot ergibt sich nicht aus dem Gesundheitszustand der Klägerin zu 2. Es ist keine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nach § 60 Abs. 7 AufenthG feststellbar.
68Eine solche ist nur gegeben bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist (§ 60 Abs. 7 Satz 2 und 3 AufenthG).
69Nach §§ 60 Abs. 7 Satz 2, 60a 2c Sätze 2 bis 4 AufenthG muss der Ausländer eine Erkrankung durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.
70Das vorgelegte Attest der Fachärztin für Nervenheilkunde Dr. B. vom 27.04.2019 genügt diesen Anforderungen nichts ansatzweise. Zunächst ist es schon aufgrund Zeitablaufs nicht mehr geeignet, Aufschluss über den aktuellen Gesundheitszustand der Klägerin zu 2. zu geben. Davon losgelöst fehlt es an jeglichen Angaben zur Methode der Tatsachenerhebung und zur fachlich-medizinischen Beurteilung. Vielmehr erschöpft es sich in der Wiedergabe der Angaben der Klägerin zu 2. gegenüber der Ärztin. Wie Letztere zu der pauschal aufgestellten Behauptung kommt, die Symptome würden glaubhaft geschildert, ist anhand des Attests nicht nachvollziehbar. Unabhängig davon ergeben sich auch keine Anhaltspunkte für eine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde. Im Attest ist lediglich vermerkt, die Klägerin zu 2. sei in der Bewältigung des Alltags erheblich beeinträchtigt. Dieser vagen Formulierung ist schon nicht zu entnehmen, was damit überhaupt genau gemeint sein soll. Erst recht ergibt sich hieraus keine Erkrankung, die dem Schweregrad nach die Anforderungen für ein Abschiebungshindernis erfüllen würde. Soweit die Klägerin zu 2. beim Bundesamt behauptet hat, die Panikattacken seien lebensbedrohlich, weil sie keine Luft bekomme, ist dies nicht durch ärztliche Unterlagen belegt. Ungeachtet dessen nimmt das Gericht ihr diese Behauptung auch nicht ab. Denn sie hat andererseits vorgetragen, die ihr verschriebenen Medikamente habe sie aufgrund ihres Kinderwunsches nicht nehmen können. Der Arzt habe gesagt, sie solle Antidepressiva kaufen, aber das habe sie nicht getan. In Anbetracht dieses Verhaltens können die Probleme so schlimm nicht sein. Wer nicht atmen kann und sich demnach in akuter Todesangst befinden müsste, würde sich wohl kaum gegen Medikamente entscheiden.
71b) Die Kläger können sich auch nicht mit Erfolg auf die allgemeine Lage in der Türkei berufen. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfasst grundsätzlich nur einzelfallbezogene, individuell bestimmte Gefährdungssituationen, da bei allgemeinen Gefahren gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG i.V.m. § 60a AufenthG über die Gewährung von Abschiebungsschutz im Wege politischer Leitentscheidungen entschieden werden soll (Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG). Grundsätzlich sind das Bundesamt und die Verwaltungsgerichte an diese gesetzgeberische Kompetenzentscheidung gebunden. Sie dürfen Ausländern, die einer gefährdeten Gruppe angehören, für die aber ein Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG nicht besteht, nur dann im Einzelfall ausnahmsweise Schutz vor einer Abschiebung in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 AufenthG zusprechen, wenn eine Abschiebung Verfassungsrecht, insbesondere die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 GG verletzen würde. Dies ist nur dann der Fall, wenn der Ausländer im Zielstaat der Abschiebung einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre, die landesweit besteht oder der der Ausländer nicht ausweichen kann.
72Vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 12.07.2011 - 1 C 2.01 -, juris.
73Dafür ist vor dem Hintergrund der vorherigen Ausführungen nichts ersichtlich.
74IV. Die Ausreiseaufforderung mit der Abschiebungsandrohung beruht auf den §§ 34 Abs. 1 und 38 AsylG i.V.m. § 59 Abs. 1 bis 3 AufenthG.
75V. Schließlich ist die Anordnung und Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 und 3 AufenthG nicht zu beanstanden. Gegen die Ermessensentscheidung des Bundesamtes, das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung zu befristen, ist nach Maßgabe des sich aus § 114 Satz 1 VwGO ergebenden (eingeschränkten) Prüfungsumfangs nichts zu erinnern. Das Bundesamt hat eine Frist gewählt, die im mittleren Bereich des Fünfjahresrahmes liegt. Besondere Umstände, die eine abweichende Befristung nahe legen könnten, sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist es nicht zu beanstanden, dass das Bundesamt den Aufenthalt von Cousins und Tante in Deutschland nicht zum Anlass genommen hat, eine kürzere Frist zu setzen, da diese nicht zur Kernfamilie zählen.
76Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit des Verfahrens folgt aus § 83 b AsylG.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- 37 K 16/18 3x (nicht zugeordnet)
- 3 K 4180/17 1x (nicht zugeordnet)
- 5 K 74/19 3x (nicht zugeordnet)
- 3 A 358/19 1x (nicht zugeordnet)
- 22 K 1855/18 1x (nicht zugeordnet)
- § 59 Abs. 1 bis 3 AufenthG 1x (nicht zugeordnet)
- 3 K 1255/20 3x (nicht zugeordnet)
- 5 A 4362/17 3x (nicht zugeordnet)
- 22 K 13926/17 1x (nicht zugeordnet)
- 18 K 2788/20 1x (nicht zugeordnet)
- § 3b AsylG 1x (nicht zugeordnet)
- 3 K 6240/17 1x (nicht zugeordnet)
- § 3d AsylG 1x (nicht zugeordnet)
- § 3 Abs. 1 AsylG 1x (nicht zugeordnet)
- § 3c AsylG 1x (nicht zugeordnet)
- § 3a AsylG 1x (nicht zugeordnet)
- 1 A 1139/13 1x (nicht zugeordnet)