Beschluss vom Verwaltungsgericht Aachen - 4 K 2507/21.A
Tenor
Das Verwaltungsgericht Aachen erklärt sich für unzuständig und verweist den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Ansbach.
1
G r ü n d e :
2Der Rechtsstreit ist nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 83 Satz 1 VwGO i. V. m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG an das gemäß § 52 Nr. 5 VwGO und § 1 Abs. 2 Nr. 4 BayAGVwGO örtlich zuständige Verwaltungsgericht Ansbach zu verweisen.
3Die örtliche Zuständigkeit folgt zum insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der Klageerhebung aus der Auffangvorschrift des § 52 Nr. 5 VwGO. Danach ist in allen anderen (i.e. nicht von § 52 Nr. 1 bis 4 VwGO erfassten) Fällen das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Beklagte seinen Sitz, Wohnsitz oder in Ermangelung dessen seinen Aufenthalt hat oder seinen letzten Wohnsitz oder Aufenthalt hatte.
4I. § 52 Nr. 5 VwGO ist einschlägig, da sich die örtliche Zuständigkeit nicht aus den vorrangigen § 52 Nr. 1 bis 4 VwGO ergibt.
51. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich insbesondere nicht aus § 52 Nr. 2 Satz 3 VwGO. Danach ist in Streitigkeiten nach dem Asylgesetz das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Ausländer nach dem Asylgesetz seinen Aufenthalt zu nehmen hat; ist eine örtliche Zuständigkeit danach nicht gegeben, bestimmt sie sich nach Nummer 3.
6Der Kläger, für den nach Auskunft der Bezirksregierung N. keine Zuweisungsentscheidung nach § 50 Abs. 4 AsylG erlassen wurde, unterlag zum Zeitpunkt der Klagerhebung am 8. Dezember 2021 keiner Aufenthaltsverpflichtung nach dem Asylgesetz (mehr). Im Zuge seines letzten (zweiten) Asylfolgeantrags vom 6. November 2021 ist keine Aufenthaltsverpflichtung nach dem Asylgesetz entstanden. Dieser führte nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens. Der Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet war deshalb nicht gemäß § 55 Abs. 1 AsylG gestattet und hatte demnach keine räumliche Beschränkung gemäß § 56 AsylG zur Folge.
7Vgl. dazu: Funke-Kaiser/Fritz/Vormeier, in: GK-AsylG, Stand: 25. Dezember 2021, § 71 Rn. 145 ff.,
8Es galt auch keine Aufenthaltsbeschränkung aus den früheren Asylverfahren fort. Nach § 71 Abs. 7 Satz 1 AsylG gilt die letzte räumliche Beschränkung fort, solange keine andere Entscheidung ergeht, wenn der Aufenthalt des Ausländers während des früheren Asylverfahrens räumlich beschränkt war. Die §§ 59a und 59b AsylG gelten gemäß § 71 Abs. 7 Satz 2 AsylG entsprechend.
9Nach dem Wortlaut ("des früheren Asylverfahrens") kommt allein eine Fortgeltung von Beschränkungen im Rahmen des letzten - dem (zweiten) Asylfolgeverfahren vorangegangenen - Asylverfahrens in Betracht, das der Kläger mit seinem Asylfolgeantrag vom 14. Dezember 2020 eingeleitet hatte.
10Eine räumliche Beschränkung aus diesem Asylfolgeverfahren, das zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hatte, ist jedenfalls gemäß § 71 Abs. 7 Satz 2 i. V. m. § 59a AsylG erloschen. Nach § 59a Abs. 1 Satz 1 AsylG erlischt die räumliche Beschränkung nach § 56 AsylG, wenn sich der Ausländer seit drei Monaten ununterbrochen erlaubt, geduldet oder gestattet im Bundesgebiet aufhält. Für den Dreimonatszeitraum sind alle Zeiträume nach Entstehen der räumlichen Beschränkung berücksichtigungsfähig.
11Vgl. VG Minden, Beschluss vom 17. Juni 2021 - 1 K 1514/21.A -, juris, Rn. 16 f.
12Nach § 59a Abs. 1 Satz 2 AsylG erlischt die räumliche Beschränkung abweichend von Satz 1 nicht, solange die Verpflichtung des Ausländers fortbesteht, in der für seine Aufnahme zuständigen Aufnahmeeinrichtung zu wohnen.
13Dies zugrunde gelegt war der Dreimonatszeitraum zum Zeitpunkt der Klageerhebung erreicht, da der Kläger zunächst eine Aufenthaltsgestattung besaß und sein Aufenthalt anschließend geduldet wurde. Er war auch nicht verpflichtet, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen. Eine solche Verpflichtung ergab sich nicht aus § 47 Abs. 1 AsylG. Dieser ist bei Asylfolgeanträgen unmittelbar nicht anwendbar.
14Vgl. Heusch, in: Kluth/ders. (Hrsg.), BeckOK AuslR, § 47 AsylG (Stand: 1. Oktober 2021), Rn. 3.
15Auch aus § 71 Abs. 2 Satz 2 AsylG i. V. m. § 47 AsylG folgte keine solche Verpflichtung, da keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Kläger das Bundesgebiet zwischenzeitlich - also nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung seines früheren Asylantrags und vor erneuter Asylantragstellung - verlassen hatte.
162. § 52 Nr. 3 VwGO ist ebenfalls nicht einschlägig. Nach dieser Vorschrift ist bei allen anderen Anfechtungsklagen vorbehaltlich der Nummern 1 und 4 das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Verwaltungsakt erlassen wurde. Ist er von einer Behörde, deren Zuständigkeit sich auf mehrere Verwaltungsgerichtsbezirke erstreckt, oder von einer gemeinsamen Behörde mehrerer oder aller Länder erlassen, so ist das Verwaltungsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Beschwerte seinen Sitz oder Wohnsitz hat. Fehlt ein solcher innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Behörde, so bestimmt sich die Zuständigkeit nach Nummer 5.
17Der streitgegenständliche Bescheid wurde vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) erlassen. Dessen Zuständigkeit erstreckt sich auf mehrere Verwaltungsgerichtsbezirke. Da der Kläger zum Zeitpunkt der Klageerhebung seinen Wohnsitz nicht (mehr) im Bundesgebiet hatte, bestimmt sich die Zuständigkeit nach § 52 Nr. 5 VwGO.
18II. Die Anwendung des § 52 Nr. 5 VwGO führt zur Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts Ansbach.
19"Beklagter" i. S. d. § 52 Nr. 5 VwGO ist das Bundesamt, da bei Klagen gegen den Staat auf die Behörde abzustellen ist, die für ihn gehandelt hat oder handeln soll.
20Vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Februar 2020 - 1 AV 1.20 -, juris, Rn. 6.
21Außenstellen des Bundesamtes sind unbeschadet ihrer räumlichen Ausgliederung lediglich unselbständige Organisationseinheiten und keine eigenständigen Behörden im Sinne des Verwaltungsverfahrensrechts.
22Vgl. VG Aachen, Beschluss vom 18. März 2004 - 6 K 291/04.A -, juris, Rn. 16 f.
23Das Bundesamt hat seinen Sitz in Nürnberg, im Zuständigkeitsbereich des Verwaltungsgerichts Ansbach.
24Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 83 Satz 2 VwGO).
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- VwGO § 83 2x
- § 55 Abs. 1 AsylG 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 59a und 59b AsylG 2x (nicht zugeordnet)
- § 71 Abs. 2 Satz 2 AsylG 1x (nicht zugeordnet)
- § 59a Abs. 1 Satz 2 AsylG 1x (nicht zugeordnet)
- § 59a AsylG 1x (nicht zugeordnet)
- GVG § 17a 1x
- VwGO § 52 9x
- 1 K 1514/21 1x (nicht zugeordnet)
- § 47 AsylG 2x (nicht zugeordnet)
- § 1 Abs. 2 Nr. 4 BayAGVwGO 1x (nicht zugeordnet)
- § 71 Abs. 7 Satz 2 AsylG 1x (nicht zugeordnet)
- § 56 AsylG 2x (nicht zugeordnet)
- § 50 Abs. 4 AsylG 1x (nicht zugeordnet)
- 6 K 291/04 1x (nicht zugeordnet)
- § 71 Abs. 7 Satz 1 AsylG 1x (nicht zugeordnet)