Beschluss vom Verwaltungsgericht Düsseldorf - 14 L 3058/14
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2I.
3Der am 0.0.1983 geborene Antragsteller ist im Besitz einer Fahrerlaubnis der Klasse B.
4Beim Antragsteller sind die nachfolgend tabellarisch aufgelisteten punkterelevanten Ereignisse vorgefallen. Die Spalte „Punkte insg.“ gibt den vom Gericht errechneten Gesamtpunktestand wieder. Hinsichtlich der einzelnen Zuwiderhandlungen und anderen Ereignisse wird auf die Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
5Lfd. Nr. |
Datum/ Tattag |
Ereignis |
Rechts-/ Bestandskraft |
Tilgung |
Punkte einzeln |
Punkte insg. |
1. |
18.02.2011 |
OWi Geschwindigkeit |
21.04.2011 |
1 |
1 |
|
2. |
20.03.2011 |
OWi Geschwindigkeit |
12.05.2011 |
1 |
2 |
|
3. |
17.11.2011 |
OWi Geschwindigkeit |
20.01.2012 |
3 |
5 |
|
4. |
01.03.2012 |
OWi Geschwindigkeit |
15.05.2012 |
3 |
8 |
|
5. |
16.04.2012 |
OWi Geschwindigkeit |
07.09.2012 |
3 |
11 |
|
6. |
19.07.2012 |
Verwarnung (§ 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StVG a.F.) |
||||
7. |
20.08.2012 |
OWi Geschwindigkeit |
01.11.2012 |
3 |
14 |
|
8. |
13.11.2012 |
Anordnung Aufbauseminar (§ 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StVG a.F.), zugestellt: 15.11.2012 |
||||
9. |
21.01.2013 |
OWi Nutzung Mobiltelefon |
26.03.2013 |
1 |
15 |
|
10. |
06.03.2013 |
Entzug der Fahrerlaubnis, zugestellt: 09.03.2013,bestandskräftig |
||||
11. |
26.04.2013 |
Vorlage Bescheinigung Aufbauseminar |
||||
12. |
26.04.2013 |
Neuerteilung Fahrerlaubnis |
||||
13. |
29.04.2013 |
Verwarnung (§ 4 Abs. 3 Satz1 Nr. 2 StVG a.F.) |
||||
14. |
18.12.2013 |
OWi Geschwindigkeit |
14.08.2014 |
3 (alte Rechtslage) 2 (neue Rechtslage |
18 (alte Rechtslage) 8 (neue Rechtslage) |
|
15. |
20.03.2014 |
Vorlage Bescheinigung verkehrspsych. Beratung |
||||
16. |
01.05.2014 |
Umrechnung der Punkte |
6 |
|||
17. |
27.10.2014 |
Mitteilung neuer Punktestand durch KBA |
8 |
|||
18. |
27.10.2014 |
Anhörung |
||||
19. |
17.11.2014 |
Entziehung Fahrerlaubnis (§ 4 Abs. 5 Nr. 3 StVG n.F.), zugestellt: 18.11.2014 |
||||
20. |
12.12.2014 |
Klage und Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz |
Die Antragsgegnerin sprach gegenüber dem Antragsteller mit Schreiben vom 19.07.2012 eine Verwarnung nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Straßenverkehrsgesetz a.F. (StVG) aus. Zugleich wies sie ihn auf die Möglichkeit der freiwilligen Teilnahme an einem Aufbauseminar hin. Von dieser Möglichkeit machte der Antragsteller keinen Gebrauch.
7Mit Bescheid vom 13.11.2012, mittels Postzustellungsurkunde zugestellt am 15.11.2012, ordnete die Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller die Teilnahme an einem Aufbauseminar bis spätestens zum 13.02.2013 gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StVG an. Sie informierte den Antragsteller zudem, dass die Fahrerlaubnis zu entziehen sei, wenn er der Aufforderung nicht fristgerecht nachkomme.
8Der Antragsteller legte der Antragsgegnerin innerhalb der gesetzten Frist keine Bescheinigung vor, so dass ihm nach entsprechender Anhörung mit Bescheid vom 06.03.2013 die Fahrerlaubnis entzogen wurde. Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller keine Klage erhoben.
9Der Antragsteller legte der Antragsgegnerin unter dem 26.04.2013 eine Bescheinigung über die Teilnahme an einem Aufbauseminar gemäß § 4 Abs. 8 StVG vor, so dass ihm die Fahrerlaubnis wieder erteilt wurde. Gleichzeitig wies die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 29.04.2013 darauf hin, dass der Punkte stand nun 15 Punkte betrage und die Möglichkeit der freiwilligen Teilnahme an einer verkehrspsychologischen Beratung mit einem Punkterabatt bestehe. Sie teilte weiter mit, dass bei Erreichen von 18 Punkten mit der Entziehung der Fahrerlaubnis zu rechnen sei.
10Am 20.03.2014 legte der Antragsteller eine Bescheinigung der Teilnahme an einer verkehrspsychologischen Beratung vor.
11Der Punktestand von 15 wurde nach Inkrafttreten des neuen StVG am 01.05.2014 (StVG n. F.) in 6 Punkte umgerechnet. Nach der Rechtskraft der Tat vom 18.12.2013 am 14.08.2014 teilte das Kraftfahrtbundesamt der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 15.10.2014 einen Gesamtpunktestand von 8 Punkten mit.
12Unter dem 27.10.2014 hörte die Antragsgegnerin den Antragsteller schriftlich zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis an. Nach der Umrechnung betrage der Punktestand 8 Punkte. Ein Punkterabatt könne aufgrund der Teilnahme an der verkehrspsychologischen Beratung nicht gewährt werden, da der Antragsteller zu diesem Zeitpunkt aufgrund der Tat vom 18.12.2013 bereits 18 Punkte erreicht hatte.
13Mit Ordnungsverfügung vom 17.11.2014, mittels Postzustellungsurkunde zugestellt am 18.11.2014, entzog die Antragsgegnerin dem Antragsteller gemäß § 4 Abs. 5 Nr. 3 StVG n.F. die Fahrerlaubnis. Sie wies ihn darauf hin, dass eine Klage gegen die Verfügung gemäß § 4 Abs. 9 StVG keine aufschiebende Wirkung habe und forderte ihn auf, seinen Führerschein innerhalb einer Woche nach Zustellung der Ordnungsverfügung abzugeben. Für den Fall, dass er dieser Verpflichtung nicht nachkomme, drohte sie die Einziehung des Führerscheins unter Anwendung des unmittelbaren Zwangs an. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, zulasten des Antragstellers seien 8 Punkte im Verkehrszentralregister eingetragen. Es sei daher von seiner Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen auszugehen.
14Der Antragsteller hat am 12.12.2014 Klage erhoben und einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt.
15Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, er sei selbständiger Unternehmer und daher zwingend auf die Fahrerlaubnis angewiesen. Der Punktestand sei zudem auf 7 Punkte zu reduzieren, da der Verkehrsverstoß vom 18.12.2013 erst nach dem 1.5.2014 im Fahreignungsregister gespeichert worden sei. Unter Berücksichtigung des Tattagprinzips habe sich daher für den Antragsteller ein Stand von 8 Punkten ergeben, bevor er die nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 StVG n.F. zwingend vorgesehene Verwarnung erhalten habe.
16Der Antragsteller beantragt,
17die aufschiebende Wirkung seiner Klage (14 K 8363/14) gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 17.11.2014 anzuordnen.
18Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß,
19den Antrag abzulehnen.
20Sie wiederholt im Wesentlichen die Ausführungen in ihrer Ordnungsverfügung. Ergänzend führt sie aus, bei Erreichen eines Punktestandes von 8 oder mehr Punkten im Fahreignungsregister sei die Nichteignung des Fahrerlaubnisinhabers erwiesen. Hinsichtlich der Entziehung sei ihr kein Ermessen eingeräumt.
21II.
22Der Antrag hat keinen Erfolg.
23Gemäß § 4 Abs. 9 des Straßenverkehrsgesetzes in der Fassung vom 01.05.2014 (StVG n. F.) hat eine Anfechtungsklage gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß Abs. 5 S. 1 Nr. 3 StVG n. F. keine aufschiebende Wirkung. Die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) käme nur dann in Betracht, wenn die Anordnung der Behörde offensichtlich rechtswidrig wäre oder wenn aus anderen Gründen ein überwiegendes Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung anzuerkennen wäre. Beides ist nicht der Fall.
24Bedenken gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 17.11.2014 sind nicht ersichtlich. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 3 n. F. Nach dieser Vorschrift hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich 8 oder mehr Punkte nach dem Punktesystem ergeben, denn dann gilt der Betroffene als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist in Verfahren gemäß § 80 Abs. 5 VwGO grundsätzlich der Zeitpunkt der (letzten) Behördenentscheidung, hier also der 17.11.2014.
25Die Bewertung der Ordnungswidrigkeiten nach dem Punktesystem ist von der Behörde korrekt vorgenommen worden. Die von der Antragsgegnerin getroffene Entziehung der Fahrerlaubnis war gemäß § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 3 StVG n. F. zwingend. Irgendein Ermessen, welches der Antragsgegnerin die Möglichkeit eingeräumt hätte, von der Entziehung abzusehen, war ihr nicht eingeräumt. Gemäß § 4 Abs. 5 S. 4 StVG n. F. bzw. § 4 Abs. 3 Satz 2 StVG bis zum 01.05.2014 gültige Fassung (StVG a. F.) ist die Antragsgegnerin bei Maßnahmen nach Satz 1 an die rechtskräftige Entscheidung über die Straftat oder Ordnungswidrigkeit gebunden.
26Die Antragsgegnerin ist zutreffend von einem Punktestand von nunmehr 8 Punkten ausgegangen. Das Stufenverfahren nach § 4 Abs. 3 StVG a. F. wurde ordnungsgemäß durchgeführt: Im Einzelnen:
27Die Antragsgegnerin hat den Antragsteller mit Schreiben vom 19.07.2012 bei einem damaligen Punktestand von 8 Punkten gemäß § 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 StVG a. F. verwarnt. Bei einem Stand von 14 Punkten hat die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 13.11.2012 die Teilnahme an einem Aufbauseminar angeordnet (vgl. § 4 S. 1 Abs. 3 Nr. 2 StVG a. F.). Der Antragsteller wurde in diesem Bescheid auch ordnungsgemäß gemäß § 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 S. 3 StVG a. F. verwarnt. Die Fahrerlaubnisbehörde hat den Antragsteller darüber unterrichtet, dass ihm bei Erreichen von 18 Punkten die Fahrerlaubnis entzogen wird. Mit Schreiben vom 29.04.2013 hat die Antragsgegenerin den Antragsteller zudem darauf hingewiesen, dass er zwecks Erreichens eines Punkterabatts die Möglichkeit einer verkehrspsychologischen Beratung hat.
28Somit hat die Antragsgegnerin sämtliche nach dem alten Recht vorzunehmende Verwarnungen vorgenommen, so dass der am 01.05.2014 geltende Punktestand von 15 in 6 Punkte umzurechnen war. Nach dem Erteilen dieser korrekten Verwarnungen ist dann durch die Eintragung der Tat vom 18.12.2013 der Punktestand auf 8 gestiegen, so dass zu diesem Zeitpunkt die Antragsgegnerin verpflichtet war, dem Antragsteller die Fahrerlaubnis zu entziehen, ohne nochmals nach Inkrafttreten des neuen Rechts die Verwarnungen zu wiederholen. Denn es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des neuen Fahrerlaubnisregisters die Absicht verfolgt hat, dass die Fahrerlaubnisbehörden in jedem Fall die bereits erteilten Verwarnungen nach dem alten Recht unter Bezugnahme auf die neuen Vorschriften wiederholen.
29Insofern ist der vorliegende Fall von dem Sachverhalt zu unterscheiden, den das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen mit Beschluss vom 28.10.2014 (7 L 1506/14 – juris) zu entscheiden hatte. Denn – soweit ersichtlich – hatte sich bei dem dortigen Antragsteller der Stand von 8 Punkten ergeben, bevor ihm überhaupt irgendeine Verwarnung – sei es nach dem alten oder dem neuen Recht – zugegangen war.
30Die Verpflichtung zur Führerscheinabgabe ergab sich aus § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG n. F.. Ein Ermessen wird der Behörde insoweit nicht eingeräumt. Die mit der Fahrerlaubnisentziehung verbundene Zwangsmittelandrohung war gemäß §§ 57 Abs. 1 Nr. 2, 60, 63 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes – VwVG – rechtmäßig.
31Schließlich sind auch keine sonstigen Gründe ersichtlich, die trotz der offensichtlichen Rechtmäßigkeit der Verfügung vom 17.11.2014 für ein Überwiegen des Aufschubinteresses des Antragstellers sprechen. Vielmehr überwiegt das Interesse an größtmöglicher Sicherheit des Straßenverkehrs hier das Aufschubinteresse des Antragstellers auch deshalb, weil ungeachtet der rechtlichen Bewertung im Einzelnen die seit Jahren andauernden Verkehrsverstöße des Antragstellers für seine fehlende Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen sprechen. Dies gilt auch im Hinblick darauf, dass der Antragsteller in beruflicher Hinsicht auf den Führerschein angewiesen ist.
32Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
33Die Streitwertfestsetzung ist nach §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 und Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) erfolgt. Sie berücksichtigt, dass nach gefestigter Rechtsprechung des zuständigen Senats des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen in Hauptsachenverfahren für eine Fahrerlaubnisentziehung ein Streitwert von 5.000,00 Euro anzusetzen ist. Dieser Wert war für das einstweilige Rechtsschutzverfahren auf die Hälfte zu reduzieren.
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