Urteil vom Verwaltungsgericht Düsseldorf - 28 K 7550/20.A
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der am 00.00.2019 in Deutschland geborene Kläger ist aserbaidschanischer Staatsangehöriger. Seine Eltern betreiben in Deutschland Asylverfahren (Mutter: Az. 0000000‑425, Vater: Az. 0000000 – 425). Das Asylfolgeverfahren des Vaters des Klägers wurde durch Gerichtsbescheid vom 24. November 2020, rechtskräftig seit dem 20. Januar 2021 abgelehnt. Am 31. Juli 2019 wurde ein Asylantrag durch seine gesetzlichen Vertreter gestellt. Individuelle Gründe wurden für den Kläger nicht geltend gemacht.
3Mit Bescheid vom 25. November 2020 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, und den Asylantrag sowie den Antrag auf subsidiären Schutz ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen. Es forderte den Kläger zur Ausreise innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung auf und drohte ihm für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise die Abschiebung nach Aserbaidschan an. Ferner wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
4Ausweislich der Postzustellungsurkunde hat die Deutsche Post AG am 28. November 2020 erfolglos versucht, den Bescheid an die Mutter des Klägers zu übergeben. Weiter geht aus der Urkunde hervor, dass die Einlegung in den Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung und die Ersatzzustellung in der Gemeinschaftseinrichtung nicht möglich war und deshalb eine Niederlegung des Bescheides in der Agentur A. , P. 0 in H. erfolgt ist sowie eine schriftliche Mitteilung über die Niederlegung in den Briefkasten der Gemeinschaftseinrichtung erfolgt ist.
5Am 16. Dezember 2020 hat der Kläger Klage erhoben. Er trägt vor, es gebe in der Gemeinschaftsunterkunft keine persönlichen Briefkästen. Der Außendienstmitarbeiter der Gemeinde habe den Eltern des Klägers den Bescheid erst am 3. Dezember 2020 zugestellt.
6Der Kläger beantragt,
7die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 25. November 2020 zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG zuzuerkennen,
8hilfsweise,
9subsidiären Schutz nach § 4 AsylG zuzuerkennen,
10hilfsweise,
11festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG hinsichtlich Aserbaidschan bestehen.
12Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
13die Klage als unzulässig abzuweisen.
14Sie trägt vor, der Bescheid gelte am 28. November 2020 als zugestellt. Damit sei die Klage verfristet.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten im hiesigen Verfahren, dem Verfahren der Mutter des Klägers sowie des Vaters des Klägers Bezug genommen.
16Entscheidungsgründe:
17Das Gericht konnte über die Klage verhandeln und entscheiden, ohne dass die Beklagte an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten bei der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 VwGO).
18Die am 16. Dezember 2020 erhobene Klage gegen den Bescheid vom 25. November 2020 ist verfristet und damit bereits unzulässig.
19Gemäß § 74 Abs. 1 Halbs. 1 AsylG muss die Klage gegen Entscheidungen nach dem AsylG innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung erhoben werden. Der streitgegenständliche Bescheid vom 25. November 2020 wurde ausweislich der Postzustellungsurkunde, der Beweiskraft zukommt (§§ 182 Abs. 1 Satz 2, 418 ZPO), am 28. November 2020 ordnungsgemäß durch Niederlegung zugestellt. Die Zustellerin hat in der Postzustellungsurkunde vermerkt, dass der Bescheid in der Agentur A. niedergelegt und die schriftliche Mitteilung über die Niederlegung in den Briefkasten der Gemeinschaftsunterkunft eingelegt wurde.
20Die Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Ersatzzustellung liegen vor.
21Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 VwZG gelten für die Ausführung der Zustellung mittels Postzustellungsurkunde die §§ 177 bis 182 ZPO entsprechend. Wird die Person in einer Gemeinschaftsunterkunft, in der sie wohnt, nicht angetroffen, kann das Schriftstück nach § 178 Abs. 1 Nr. 3 ZPO dem Leiter der Einrichtung oder einen dazu ermächtigten Vertreter zugestellt werden. Die Zustellung an den Leiter einer Gemeinschaftseinrichtung kann jedoch erst dann erfolgen, wenn die unmittelbare Zustellung an den Adressaten nicht möglich ist. Ist auch die Ersatzzustellung an den Leiter der Einrichtung nicht möglich, ist grds. nach § 181 ZPO (Ersatzzustellung durch Niederlegung) zu verfahren. Nach § 181 Abs. 1 Satz 2 bis 5 ZPO ist dabei das zuzustellende Schriftstück bei einer von der Post dafür bestimmten Stelle niederzulegen und über die Niederlegung eine schriftliche Mitteilung abzugeben, wobei das Schriftstück mit der Abgabe der schriftlichen Mitteilung als zugestellt gilt (§ 181 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Ersatzzustellung nach § 180 ZPO (Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten) ist dagegen in einer Gemeinschaftseinrichtung grds. nicht vorgesehen. Ist eine Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht möglich, ist das Schriftstück regelmäßig durch Niederlegung (§ 181 ZPO) zuzustellen.
22Vgl. Schultzky in: Zöller, ZPO. 32. Aufl. 2018, § 180 Rn. 4.
23Unterhält der Adressat in der Gemeinschaftseinrichtung hingegen (ausnahmsweise) einen eigenen Briefkasten, so muss jedoch auch § 180 ZPO nach seinem Normzweck Anwendung finden. In diesen Fällen kann das Schriftstück im zur Wohnung gehörenden Briefkasten eingelegt werden, wobei mit der Einlegung das Schriftstück als zugestellt gilt.
24Vgl. VG Augsburg, B.v. 17.11.2016 – Au 3 S 16.32189 – juris; VG Ansbach, B.v. 5.9.2013 – AN 11 S 13.30599 – juris.
25Nach den Angaben der Eltern des Klägers sind in der Gemeinschaftsunterkunft C.----weg 00 in H. an den jeweiligen Zimmern der Bewohner jedoch keine Briefkästen angebracht. Es existiert lediglich ein Gemeinschaftsbriefkasten.
26Unter Berücksichtigung der obigen Grundsätze wurde dem Kläger der Bescheid am 28. November 2020 ordnungsgemäß durch Niederlegung zugestellt. Da eine Ersatzzustellung nach § 180 ZPO durch Einlegen in den „zur Wohnung gehörenden Briefkasten“ durch den Postbediensteten nicht möglich ist, steht diese vorrangige Form der Ersatzzustellung der hier tatsächlich durchgeführten (nachrangigen) Ersatzzustellung durch Niederlegung nach § 181 ZPO nicht entgegen.
27Auch im Übrigen bestehen gegen die Ordnungsgemäßheit der Ersatzzustellung durch Niederlegung keine Bedenken. Nachdem der Adressat persönlich nicht angetroffen wurde, eine Ersatzzustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht möglich war und kein zur Wohnung gehörender Briefkasten im Sinne des § 180 ZPO existiert, hat die Postbedienstete den Bescheid niedergelegt und die Mitteilung „in der bei gewöhnlichen Briefen üblichen Weise“ abgegeben, indem die schriftliche Mitteilung in den Gemeinschaftsbriefkasten der Einrichtung eingelegt worden ist. Dieses Vorgehen ist nicht zu beanstanden.
28Dementsprechend gilt der Bescheid vom 25. November 2020 am 28. November 2020 als zugestellt. Die Klagefrist begann am Tag nach der Zustellung, also am So, 29. November 2020, zu laufen und endete mit Ablauf des Mo, 14. Dezember 2020 (§ 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB). Dass den Eltern des Klägers der Bescheid erst am 3. Dezember 2020 übergeben worden sein soll, ist nach den vorstehenden Ausführungen irrelevant.
29Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gem. § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 30 RVG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
30Rechtsmittelbelehrung:
31Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung die Zulassung der Berufung beantragt werden. Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster.
32Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
331. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
342. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
353. ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.
36Der Antrag ist schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
37Der Antrag kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) eingereicht werden.
38In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen.
39Im Berufungs- und Berufungszulassungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen.Die Antragsschrift soll möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
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