Beschluss vom Verwaltungsgericht Düsseldorf - 29 L 253/22
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2Der am 6. Februar 2022 sinngemäß gestellte Antrag,
3den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zu verpflichten, dem Antragsteller nach der erfolgten COVID-19-Erkrankung, die durch einen positiven PCR-Test festgestellt worden ist, einen Genesenenstatus von sechs statt drei Monaten einzuräumen,
4hat keinen Erfolg.
5Dabei kann dahinstehen, ob der statthafte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in Form der Regelungsanordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO überhaupt zulässig und insbesondere das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis gegeben ist. Der Antragsteller hat sich mit seinem Begehren vor der Antragstellung bei Gericht nicht an den Antragsgegner gewandt und diesem, soweit ersichtlich, auch nicht den positiven PCR-Test vorgelegt.
6Der Antrag ist jedenfalls unbegründet.
7Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht bereits vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung (ZPO) muss der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft machen. Eine Vorwegnahme der Hauptsache – wie sie hier der Antragsteller begehrt – kommt dabei im Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO nur ausnahmsweise aus Gründen effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz (GG)) in Betracht, nämlich dann, wenn das Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache für den Antragsteller schlechthin unzumutbar wäre. Dies setzt unter dem Gesichtspunkt der Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs voraus, dass das Rechtsschutzbegehren in der Hauptsache schon aufgrund der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes lediglich anzustellenden summarischen Prüfung bei Anlegung eines strengen Maßstabes an die Erfolgsaussichten erkennbar Erfolg haben wird. Außerdem muss der Antragsteller – im Rahmen des Anordnungsgrundes – glaubhaft machen, dass ihm ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstehen, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre.
8Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 11. Februar 2021 – 6 B 1769/20 –, juris Rn. 4.
9Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
10Es liegt bereits kein Anordnungsgrund vor. Schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre, hat der Antragsteller nicht hinreichend dargelegt. Er trägt allein vor, der Genesenenstatus habe für ihn eine hohe Bedeutung für die Freiheit. Inwiefern dem Antragsteller schwere und unzumutbare Nachteile drohen, wenn er nicht mehr als genesene Person gilt, kann das Gericht diesem allgemein gehaltenen Hinweis nicht entnehmen. Das gilt erst recht vor dem Hintergrund der ab März geplanten weitreichenden Lockerungen. Der Antragsteller kann sich zudem impfen lassen; dies verschafft ihm die gleichen Vorteile wie der Genesenenstatus. Weshalb eine Impfung nicht möglich oder unzumutbar sein soll, hat er nicht vorgetragen.
11Der Antragsteller hat auch keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Ihm steht nach der im Eilverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung gegen den Antragsgegner kein Anspruch auf Gewährung eines Genesenenstatus für sechs Monate zu.
12Weder die landesrechtlichen noch die bundesrechtlichen Bestimmungen sehen die behördliche Gewährung des Genesenenstatus vor. Der Genesenenstatus einer Person folgt vielmehr allein aus dem Besitz eines auf sie ausgestellten Genesenennachweises. § 2 Nr. 4 der Verordnung zur Regelung von Erleichterungen und Ausnahmen von Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung – SchAusnahmV) vom 8. Mai 2021, zuletzt geändert durch Art. 1 V vom 14. Januar 2022 BAnz AT 14.01.2022 V1) bestimmt, dass eine genesene Person eine asymptomatische Person ist, die im Besitz eines auf sie ausgestellten Genesenennachweises ist.
13Die Anforderungen an einen Genesenennachweis ergeben sich aus § 2 Nr. 5 SchAusnahmV. Danach ist ein Genesenennachweis ein Nachweis hinsichtlich des Vorliegens eines durch vorherige Infektion erworbenen Immunschutzes gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 in deutscher, englischer, französischer oder italienischer Sprache in verkörperter oder digitaler Form, wenn der Nachweis den vom Robert Koch-Institut im Internet unter der Adresse www.rki.de/covid-19-genesenennachweis unter Berücksichtigung des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft veröffentlichten Vorgaben hinsichtlich folgender Kriterien entspricht: a) Art der Testung zum Nachweis der vorherigen Infektion, b) Zeit, die nach der Testung zum Nachweis der vorherigen Infektion vergangen sein muss, oder Nachweis zur Aufhebung der aufgrund der vorherigen Absonderung, c) Zeit, die die Testung zum Nachweis der vorherigen Infektion höchstens zurückliegen darf.
14Mit Wirkung vom 15. Januar 2022 muss dem Robert Koch-Institut (RKI) zufolge ein Genesenennachweis aus fachlicher Sicht folgenden Vorgaben entsprechen: a) Die Testung zum Nachweis der vorherigen Infektion muss durch eine Labordiagnostik mittels Nukleinsäurenachweis (PCR, PoC-PCR oder weitere Methoden der Nukleinsäureamplifikationstechnik) erfolgt sein, b) das Datum der Abnahme des positiven Tests muss mindestens 28 Tage zurückliegen, c) das Datum der Abnahme des positiven Tests darf höchstens 90 Tage zurückliegen.
15Als Genesenennachweis ist somit das in verkörperter oder digitaler Form vorliegende, personalisierte, positive Testergebnis als solches anzusehen, soweit der Test den in § 2 Nr. 5 SchAusnahmV normierten Anforderungen und den fachlichen Vorgaben des RKI entspricht.
16Vgl. VG Berlin, Beschluss vom 20. September 2021 – 14 L 512/21 –, juris Rn. 12 unter Verweis auf die Begründung zu § 2 SchAusnahmV, BT-Drs. 19/29257, S. 15.
17Im Falle des Antragstellers ist dies das Testergebnis der Medizinischen Laboratorien E. mit dem Entnahmedatum 30. Januar 2022. Eines weiteren Umsetzungsaktes durch eine Behörde in einem Verwaltungsverfahren bedarf es nicht.
18Der Antragsgegner oder andere Behörden haben auch nicht die Befugnis, einer Person den Genesenenstatus aus anderen Gründen zu gewähren oder von den Vorgaben der SchAusnahmV abzuweichen. § 28c des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) ermächtigt die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung für Personen, bei denen von einer Immunisierung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 auszugehen ist, Erleichterungen oder Ausnahmen von Geboten und Verordnungen nach dem fünften Abschnitt dieses Gesetzes zu regeln. Die Landesregierungen haben eine Regelungsbefugnis gemäß § 28c Satz 4 IfSG, § 7 SchAusnahmV hinsichtlich der Erleichterungen und Ausnahmen von landesrechtlichen Geboten oder Verboten für geimpfte Personen, genesene Personen und getestete Personen. Bei welchen Personen von einer Immunisierung auszugehen ist, bestimmt hingegen allein die Bundesregierung durch die SchAusnahmV.
19Sein Ziel, für die Dauer von sechs Monaten als Genesener zu gelten, kann der Antragsteller auch nicht im Wege einer Verpflichtung des Antragsgegners zur Ausstellung eines Genesenennachweises mit einer Gültigkeitsdauer von sechs Monaten erreichen. Für einen solchen Anspruch fehlt es an einer Anspruchsgrundlage. Das Gericht hat daher von einer dahingehenden Auslegung des Antrags abgesehen.
20Die Ausstellung eines behördlichen Genesenennachweises, sei es durch den Antragsgegner, sei es durch eine andere Behörde, ist weder durch Bundes- noch durch Landesrecht vorgesehen. Daher besteht auf die Erteilung eines solchen Nachweises, ggf. mit einem bestimmten Inhalt, auch kein Anspruch. Entspricht ein positives Testergebnis den Anforderungen des § 2 Nr. 5 SchAusnahmV und den im Internet veröffentlichten Vorgaben des RKI, folgen daraus unmittelbar die in der SchAusnahmV vorgesehenen oder entsprechend von den Landesregierungen erlassenen Erleichterungen oder Ausnahmen von Geboten und Verordnungen nach §§ 2 ff. IfSG, ohne dass es hierfür noch des Verwaltungsvollzugs bedürfte. Die Rechtsfolgen treten unmittelbar kraft Gesetzes ein. Ebenso wenig wie beim Genesenenstatus kommt dem Antragsgegner oder einer anderen Behörde die Möglichkeit zu, abweichend von den Vorgaben des § 2 Nr. 5 SchAusnahmV einen Gesenenennachweis auszustellen, der den Genesenenstatus sowie die landes- oder bundesrechtlich für genesene Personen vorgesehenen Erleichterungen oder Ausnahmen vermittelt.
21Dementsprechend enthalten weder die Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronaschutzverordnung – CoronaSchVO vom 11. Januar 2022 in der ab dem 28. Februar 2022 gültigen Fassung noch die Verordnung zur Testung in Bezug auf einen direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 und zur Regelung von Absonderungen nach § 30 des Infektionsschutzgesetzes vom 24. November 2021 in der ab dem 28. Februar 2022 gültigen Fassung (Corona-Test-und-Quarantäneverordnung - CoronaTestQuarantäneVO) Regelungen zur Ausstellung von Genesenennachweisen.
22Soweit § 2 Abs. 8 CoronaSchVO zur Definition einer genesenen Person auf die Anlage 2 der Verordnung verweist, kann der Antragsteller hieraus nichts für sich herleiten. Die Anlage legt unter Buchstabe B „Genesenennachweis“ fest, dass als genesene Person im Sinne der Coronaschutzverordnung gilt, wer nachweist, dass eine positive Testung auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 durch eine Labordiagnostik mittels Nukleinsäurenachweis (PCR, PoC-PCR oder weitere Methoden der Nukleinsäureamplifikationstechnik) erfolgt ist, das Datum der Abnahme des positiven Tests mindestens 28 Tage zurückliegt und das Datum der Abnahme des positiven Tests höchstens 90 Tage zurückliegt.
23Sollte der Landesverordnungsgeber mit dem Verweis auf die Bestimmungen in der Anlage eine eigenständige Regelung des Genesenennachweises treffen wollen, dürfte ihm hierfür die Regelungsbefugnis fehlen. Die Bundesregierung hat von der gesetzlichen Ermächtigung in § 28c IfSG durch Erlass der SchAusnahmV Gebrauch gemacht und in den Vorschriften der § 2 Nr. 4 und 5 SchAusnahmV definiert, wer eine genesene Person ist und welchen Vorgaben der Genesenennachweis entsprechen muss. Für eine landesrechtliche Regelung dürfte daneben kein Raum mehr sein.
24Hierauf kommt es vorliegend jedoch nicht an. Denn auch aus der Anlage zur CoronaSchVO, die die Vorgaben des RKI zum Genesenennachweis wiedergibt, folgt kein Anspruch des Antragstellers gegen den Antragsgegner auf Ausstellung eines Genesenennachweises mit einer Gültigkeitsdauer von sechs Monaten.
25Ein Anspruch ergibt sich ferner nicht aus § 22 Abs. 4a IfSG. Nach dieser Vorschrift hat die zur Durchführung oder Überwachung einer Testung in Bezug auf einen positiven Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 befugte Person jede Durchführung oder Überwachung einer solchen Testung unverzüglich zu dokumentieren (Genesenendokumentation). Andere als in Satz 1 genannte Personen dürfen eine dort genannte Testung nicht dokumentieren. Die Genesenendokumentation muss das Datum der Testung, den Namen der getesteten Person und deren Geburtsdatum sowie Name und Anschrift der zur Durchführung oder Überwachung der Testung befugten Person und Angaben zur Testung, einschließlich der Art der Testung enthalten (§ 22 Abs. 4b IfSG). Abgesehen davon, dass der Antragsgegner nicht zur Durchführung oder Überwachung einer Testung befugt ist, hilft dem Antragsteller die nur Tatsachen enthaltende Dokumentation seiner Testung nicht weiter. Ihm geht es allein um die „Gültigkeitsdauer“ seines Tests.
26Auch § 22 Abs. 6 Satz 1 IfSG stellt keine geeignete Anspruchsgrundlage dar. Die Vorschrift bestimmt, dass die Durchführung oder Überwachung einer Testung in Bezug auf einen positiven Erregernachweis des Coronavirus auf Wunsch der betroffenen Person in einem digitalen Zertifikat zu bescheinigen ist. Das digitale Zertifikat stellt lediglich eine andere Form des Genesenennachweises dar. Es hat keinen anderen Inhalt als der Nachweis in verkörperter Form. Die Ausstellung dieses Zertifikats obliegt zudem nach der genannten Norm nicht etwa dem Antragsgegner, sondern erfolgt entweder „durch die zur Durchführung oder Überwachung der Testung berechtigte Person“ (vgl. § 22 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 IfSG) oder unter bestimmten Voraussetzungen nachträglich durch Ärzte oder Apotheker (vgl. § 22 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 IfSG). Dabei ist für das technische Generieren des Zertifikats allein das RKI zuständig, an das zu diesem Zweck bestimmte Daten übermittelt werden müssen (vgl. § 22 Abs. 6 Satz 3 IfSG).
27Analog dazu ergibt sich auch kein Anspruch auf Ausstellung eines Genesenennachweises mit einer Gültigkeitsdauer von sechs Monaten aus Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2021/953 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2021 vom 14. Juni 2021(VO EU 2021/953), ABl. L 221/13. Danach stellt jeder Mitgliedstaat auf Antrag die Genesungszertifikate nach Art. 3 Absatz 1 Buchstabe c aus. Das Zertifikat wird von den Mitgliedstaaten oder benannten Stellen, die im Namen der Mitgliedstaaten handeln, in digitalem oder papiergestütztem Format oder in beiden Formaten ausgestellt (Art. 3 Abs. 2 VO EU 2021/953).
28In Deutschland erfolgt dies durch die soeben dargestellte Genesenendokumentation gemäß § 22 Abs. 4a IfSG sowie auf Wunsch der betroffenen Person durch die Ausstellung eines digitalen Zertifikats (§ 22 Abs. 6 IfSG). Die Regelung in § 22 Abs. 6 IfSG für die Ausstellung von COVID-19-Genesenenzertifikaten war vom Bundesgesetzgeber im Vorgriff auf die erwartete EU-Verordnung mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weitere Gesetze vom 28. Mai 2021 (BGBl 2021,1174) in das Infektionsschutzgesetz eingefügt worden. Ausweislich der Begründung der Beschlussempfehlung und des Berichtes des Ausschusses für Gesundheit sollte durch die nationale Regelung sichergestellt werden, dass eine Ausstellung des entsprechenden Zertifikates auch bereits vor Inkrafttreten der maßgeblichen europäischen Rechtsakte erfolgen kann. Dadurch sollte gewährleistet werden, dass unmittelbar mit der Bereitstellung der technischen Lösung in Deutschland Zertifikate ausgestellt werden können, die EU-weit nutzbar sind.
29Bundestagsdrucksache 19/29870, Seite 32.
30Mit der Regelung in § 22 Abs. 6 IfSG hat die Bundesrepublik Deutschland die EU-Verordnung in vollem Umfang umgesetzt. Das Genesungszertifikat nach Art. 3 Abs. 1 Buchstabe c VO EU 2021/953 hat keinen über die (digitale oder papiergestützte) Genesenendokumention hinausgehenden Inhalt. Es handelt sich der Bestimmung zufolge um ein Zertifikat, aus dem hervorgeht, dass der Inhaber nach einem positiven Ergebnis eines NAAT-Tests, der von Fachkräften im Gesundheitswesen oder von geschultem Personal durchgeführt wurde, von einer SARS-CoV-2-Infektion genesen ist. Bescheinigt werden mit dem Zertifikat danach lediglich die in Art. 3 Abs. 1 Buchstabe c VO EU 2021/953 genannten Tatsachen. Eine bestimmte Gültigkeitsdauer des NAAT-Tests gehört nicht dazu.
31Nur vorsorglich und für den Fall, dass der Antragsgegner Bescheinigungen über das Vorliegen einer vorherigen Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 ausstellen sollte, weist das Gericht darauf hin, dass sich ein Anspruch gegen den Antragsgegner auf Ausstellung eines Genesenennachweises auch nicht aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung ergibt.
32Sollte eine entsprechende Verwaltungspraxis bestehen, wie es offenbar in mehreren Kommunen der Fall zu sein scheint, gibt es hierfür, wie oben ausgeführt, keine gesetzliche Grundlage. Für die Ausstellung eines behördlichen Nachweises, der die Rechtsstellung als „Genesener“ vermitteln soll, wird es allerdings mit Blick auf den Vorbehalt des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG) einer gesetzlichen Grundlage bedürfen. Denn damit ist zwar kein Grundrechtseingriff verbunden. Ein Gesetz kann aber auch dann erforderlich sein, wenn die Handlungen der Exekutive sich für das Grundrecht ähnlich relevant darstellen und sich auswirken wie ein Grundrechtseingriff.
33Vgl. Grzeszick, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Werkstand 94. Erg.-Lfg. Januar 2021, Art. 20 Rn. 117.
34Dies dürfte vorliegend im Hinblick auf die weitreichenden Erleichterungen oder Ausnahmen von infektionsschutzrechtlichen Geboten und Verordnungen, die aus dem Status des Genesenen folgen, zu bejahen sein. Das gilt schon deshalb, weil die Nachweise einer Immunisierung oder negativen Testung bei allen Personen in den in § 4 Absätze 1 bis 3 CoronaSchVO genannten Einrichtungen und Angeboten von den für diese Einrichtungen und Angebote verantwortlichen Personen oder ihren Beauftragten zu kontrollieren sind (§ 4 Abs. 6 CoronaSchVO). Diese werden bei Vorlage einer behördlichen Bescheinigung über eine nachgewiesene Immunlage annehmen, dass es sich um eine genesene Person handelt, obwohl dies nach der Gesetzeslage ggf. tatsächlich nicht der Fall ist. Gewähren die verantwortlichen Personen Zugang zu einer Einrichtung oder einem Angebot, obwohl die Person nicht immunisiert ist, müssen sie mit einer Geldbuße rechnen (§ 8 Nr. 7 CoronaSchVO). Die Ausstellung eines entsprechenden „amtlichen“ Zertifikats ohne rechtliche Grundlage dürfte daher rechtswidrig sein und sich ein subjektives Recht des Antragstellers schon deswegen hieraus nicht ableiten lassen. Es gibt keine Gleichheit im Unrecht.
35VG Berlin, Beschluss vom 20. September 2021 – 14 L 512/21 -, juris Rn. 19 unter Verweis auf Kischel, in: Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, 47. Ed., Stand 15. Mai 2021, Art. 3 Rn. 115 m.w.N.
36Es kann offen bleiben, ob die Bestimmung der Vorgaben für einen Genesenennachweis durch Veröffentlichung des Robert Koch-Instituts im Internet, wie in § 2 Nr. 5 SchAusnahmV vorgesehen, den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt.
37Verneinend: VG Osnabrück, Beschluss vom 4. Februar 2022 – 3 B 4/22 –, juris; VG Halle (Saale), Beschluss vom 16. Februar 2022 – 1 B 41/22 HAL –, juris Rn. 20: VG Hamburg, Beschluss vom 14. Februar 2022 – 14 E 414/22 –, juris Rn. 20; VG Ansbach, Beschluss vom 11. Februar 2022 – AN 18 S 22.00234 –, juris Rn. 40.
38Denn selbst wenn die Vorschrift unwirksam sein sollte, fehlt es an einer Anspruchsgrundlage für die begehrte Ausstellung eines Genesenennachweises mit einer Gültigkeitsdauer von sechs Monaten durch den Antragsgegner.
39Schließlich kann der Antragsteller sein Ziel eines Genesenenstatus von sechs Monaten auch nicht mit einem gegen den Antragsgegner gerichteten Feststellungsantrag erreichen. Zwar kann ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO auch auf die vorläufige Feststellung zum Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses gerichtet sein. Unter Rechtsverhältnis sind die aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer Rechtsnorm des öffentlichen Rechts sich ergebenden rechtlichen Beziehungen einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache zu verstehen. Zwischen dem Antragsteller und dem Antragsgegner existiert kein solches feststellungsfähiges Rechtsverhältnis. Der Antragsgegner hat, wie oben dargelegt, keine Möglichkeit, die Vorschriften in § 2 Nr. 4 und 5 SchAusnahmV gegenüber dem Antragsteller zu konkretisieren oder zu individualisieren und Anordnungen für den Einzelfall zu treffen.
40Der Antragsteller ist gleichwohl nicht rechtsschutzlos gestellt. In Fällen wie dem vorliegenden, in dem eine Norm unmittelbar Rechte und Pflichten der Betroffenen begründet, ohne dass eine Konkretisierung oder Individualisierung der rechtlichen Beziehungen zwischen Normgeber und Normadressat durch Verwaltungsvollzug erforderlich ist, kommt eine gegen den Normgeber gerichtete Feststellungsklage in Betracht.
41Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2010 – 8 C 19/09 –, juris Rn. 30; Urteil vom 12. September 2019 - 3 C 3/18 -, juris Rn. 26 ff.
42Der Antragsteller wird danach Rechtsschutz im Wege einer gegen den Normgeber gerichteten Feststellungsklage bzw. einer einstweiligen Anordnung erlangen können.
43Ebenso: VG Berlin, Beschluss vom 18. Februar 2022 – 14 L 15/22 –, juris.
44Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) und trägt wegen der hier begehrten Vorwegnahme der Hauptsache Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit,
45NVwZ-Beilage 2013, 57 ff.,
46Rechnung.
47Rechtsmittelbelehrung:
48(1) Gegen die Entscheidung über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet.
49Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
50Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) eingeht.
51Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
52Die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründungsschrift sind durch einen Prozessbevollmächtigten einzureichen. Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen.
53Die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründungsschrift sollen möglichst 3- fach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
54(2) Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
55Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
56Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
57Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt.
58Die Beschwerdeschrift soll möglichst 3-fach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
59War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
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Referenzen
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- § 28c IfSG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 123 5x
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- § 28c Satz 4 IfSG 1x (nicht zugeordnet)
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- IfSG § 22 Impfausweis 10x
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