Urteil vom Verwaltungsgericht Freiburg - A 1 K 867/06

Tenor

A 1 K 867/06

Nr. 3 und - soweit darin die Abschiebung des Klägers in die Demokratische Republik Kongo angedroht wird - auch die Nr. 4 des Bundesamtsbescheids vom 4.5.2000 werden aufgehoben. Die Beklagte - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - wird verpflichtet zugunsten des Klägers festzustellen, dass betreffend die Demokratische Republik Kongo ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK vorliegt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens tragen der Kläger 3/4 und die Beklagte 1/4.

Tatbestand

 
Der Kläger, ein am 24.2.1975 geborener Staatsangehöriger der Demokratischen Republik Kongo, stellte am 30.12.1999 einen Asylfolgeantrag. Sein erstes Asylverfahren, zwecks dessen Durchführung er im Februar 1996 nach Deutschland eingereist war, blieb erfolglos; das die Asylklage abweisende Urteil des VG Karlsruhe vom 25.3.1998 (A 9 K 11094/96) war mit Zustellung des die Berufungszulassung ablehnenden Beschlusses des VGH Baden-Württemberg vom 29.6.1999 (A 13 S 1104/98) rechtskräftig geworden. Zur Begründung seines neuerlichen Asylbegehrens machte der Kläger geltend, er sei seit 2.5.1999 Gründungsmitglied des FDC und dort verantwortlich für Öffentlichkeitsarbeit. Ebenfalls seit diesem Zeitpunkt werde die regimekritische Zeitung „Eveil“ von ihm herausgegeben.
Mit Bescheid des Bundesamts vom 4.5.2000, zugestellt am 24.5.2000, wurde der Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter abgelehnt und festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs.1 AuslG und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen. Schließlich wurde dem Kläger die Abschiebung in sein Heimatland angedroht.
Der Kläger hat am 30.5.2000 Klage erhoben. Das Verfahren hat zunächst förmlich vom 13.9.2000 bis zum 17.8.2004 beruht. Nachdem der Kläger auf eine gerichtliche Betreibensaufforderung vom 17.1.2006 nicht reagiert hatte, stellte das erkennende Gericht unter Annahme der Klagerücknahmefiktion des § 81 AsylVfG das Verfahren am 22.2.2006 ein. Am 22.12.2006 erhob der Kläger „Gegenvorstellung“, bereits am 17.3.2006 hatte er zuvor einen Folgeantrag beim Bundesamt gestellt, auf den hin dieses unter dem 3.5.2007 die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens abgelehnt hatte. Nachdem das Gericht mitgeteilt hatte, dass die Voraussetzungen für die Klagerücknahmefiktion nicht vorgelegen hätten, hob das Bundesamt den Bescheid vom 3.5.2007 unter dem 14.5.2007 auf. Im Rahmen des fortgeführten Ursprungsprozesses beantragt der Kläger,
den Bescheid des Bundesamts vom 4.5.2000 aufzuheben und die Beklagte - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen sowie ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen;
hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass betreffend die Demokratische Republik Kongo Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Dem Gericht liegen die Bundesamtsakten beider Asylverfahren des Klägers vor. Auf den Inhalt dieser Akten wird ergänzend ebenso verwiesen, wie auf die wechselseitigen Schriftsätze und die den Beteiligten vorab übermittelte Erkenntnismittelliste. Der Kläger ist in der mündlichen Verhandlung informatorisch angehört worden. Wegen Einzelheiten seiner Angaben wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.
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Beim Kläger liegen zwar zur Überzeugung des Gerichts aufgrund seiner exilpolitischen Betätigung (subjektive) Nachfluchtgründe vor. Allerdings hat er diese jenseits der maßgeblichen Dreimonatsfrist des § 51 Abs.3 VwVfG vorgebracht (zur Geltung der §§ 71 AsylVfG, 51 VwVfG für jeden einzelnen Wiederaufgreifensgrund: BVerwG, Urt. v. 10.2.1998 - 9 C 28/97 -, NVwZ 1998, 861). Seine exilpublizistische Tätigkeit für die Zeitschrift „Eveil“ hat er erst am 30.12.1999 geltend gemacht, obwohl sein erstes Asylverfahren bereits seit Juni 1999 (Zustellung des VGH-Beschlusses an den Kläger) unanfechtbar abgeschlossen war. Ungeachtet des § 28 Abs. 2 AsylVfG ist hierdurch die Einräumung einer Rechtsposition nach Art. 16 a Abs. 1 GG und nach § 60 Abs. 1 AufenthG unmöglich geworden, weil diese Schutzgewährungen Element des Asylfolgeantrags und mithin abschließend in §§ 71 Abs. 1 AsylVfG, 51 Abs. 1 bis Abs. 3 VwVfG geregelt sind. Darauf, dass das Bundesamt in seinem Bescheid vom 4.5.2000 ausweislich der „Tenorierung“ und Begründung ein weiteres Asylverfahren durchgeführt und anschließend (negativ) in der Sache entschieden hat, kommt es nicht an. Maßgeblich für die Frage der Verfahrensrelevanz (Beachtlichkeit) eines Folgeantrags ist insoweit allein die durch das Gericht erkannte Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (ausführlich dazu: VG Freiburg, Beschluss vom 15.8.2003 - A 1 K 11051/03 - VENSA).
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Dem Kläger ist jedoch Abschiebungsschutz zu gewähren. Zu seinen Gunsten ist nämlich die Anwendung des mit dem Hilfsantrag zur Entscheidung gestellten (zum Rangverhältnis der Streitgegenstände vgl. zum alten Recht: BVerwG, Urt. v. 26.6.2002 - 1 C 17/01 - InfAuslR 2003, 74 = NVwZ 2003, 356) § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht gehindert gewesen. Jenseits des § 71 AsylVfG, welcher nur den Asylantrag im Sinne von § 13 AsylVfG betrifft, kann sich nämlich aus §§ 51 Abs. 5, 48, 49 VwVfG und einer in deren Rahmen i.V.m. Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1, Abs. 2 GG gebotenen Ermessensreduzierung auf Null ein Anspruch auf Wiederaufgreifen des abgeschlossenen früheren Verwaltungsverfahrens, eine Aufhebung des unanfechtbar gewordenen Verwaltungsakts und eine neue - jetzt günstige - Sachentscheidung zum Vorliegen von Abschiebungshindernissen dann ergeben, wenn diese tatsächlich vorliegen. Auf den Zeitpunkt der Geltendmachung kommt es wegen des materiellen Schutzgehalts der Grundrechte nicht an (BVerwG, Urt. v. 20.10.2004 - 1 C 15/03 - InfAuslR 2005, 120; Urt. v. 21.3.2000 - 9 C 41/99 -, NVwZ 2000, 940; Urt. v. 7.9.1999 - 1 C 6.99 -, InfAuslR 2000, 16; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 4.1.2000 - A 14 S 786/99 -, VBlBW 2000, 368; vgl. nunmehr auch BVerfG, Beschl. v. 21.6.2000 - 2 BvR 1989/97 -, DVBl. 2000, 179). Das gilt auch für die Fälle, in denen einer erneuten asyl- bzw. flüchtlingsrechtlichen - d.h. Art. 16a Abs. 1 GG und § 60 Abs. 1 AufenthG betreffenden - Sachentscheidung des Bundesamts Hindernisse entgegenstehen, die sich aus der Anwendung der - formal bzw. normspezifisch präkludierend wirkenden - Absätze 2 und 3 des § 51 VwVfG ergeben (a.A. möglicherweise VGH Bad.-Württ., Urt. v. 20.7.1999 - A 9 S 96/99). In Verbindung mit der Pflicht, auch im Asylfolgeverfahren in der Sache durchzuentscheiden (grundlegend: BVerwG, Urt. v. 10.2.1998, a.a.O.; bestätigt im Urt. v. 20.10.2004, a.a.O.), hat das Verwaltungsgericht einen asylrechtlich verfahrensirrelevanten bzw. unbeachtlichen Asylvortrag gleichwohl unter dem Gesichtspunkt eines Abschiebungshindernisses zu würdigen (vgl. allgemein zur materiellen Doppelrelevanz eines Sachverhalts unter den Gesichtspunkten „Asyl“ und „Abschiebungshindernis“: BVerwG, Urt. v. 17.10.1995 - 9 C 9/95 -, DVBl. 1996, 203). Eine solche abschließende gerichtliche Prüfung gelangt vorliegend zu dem Ergebnis, dass wegen konkreter Gefahr für Leib, Gesundheit, Freiheit und Leben des Klägers dem Bundesamt keine andere Ermessensentscheidung als diejenige der Feststellung des Vorliegens eines Abschiebungshindernisses eingeräumt ist.
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Dem Kläger drohen zur Überzeugung des Gerichts im Fall einer heutigen Rückkehr wegen seines exilpolitischen Engagements unter den Schutzbereich des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK (bzw. Art. 15 b RiL 2004/83/EG) fallende Menschenrechtsverletzungen. Abschiebungsschutz nach diesen Vorschriften kann beanspruchen, wem im Zielland der Abschiebung landesweit - also ohne zumutbare inländische Fluchtalternative - die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung droht. Da Art. 3 EMRK ebenso wie das Asylrecht nicht vor den allgemeinen Folgen von Naturkatastrophen, Bürgerkriegen und anderen bewaffneten Konflikten schützt, setzt der Begriff der Behandlung ein geplantes, vorsätzliches, auf eine bestimmte Person gerichtetes Handeln voraus. Relevant im Sinne dieser Vorschrift sind deshalb grundsätzlich nur Misshandlungen durch staatliche Organe. Der Begriff der Gefahr in dieser Vorschrift ist kein anderer als der in der „beachtlichen Wahrscheinlichkeit“ des asylrechtlichen Prognosemaßstabs mit der Konsequenz einer erforderlichen einzelfallbezogenen, individuell bestimmten Gefährdungssituation angelegte Gefährdungsbegriff. Die besondere Schwere des Eingriffs ist auch bei § 60 Abs. 2 bis Abs. 7 AufenthG im Rahmen der gebotenen qualifizierenden Betrachtungsweise und nach Maßgabe des genannten Maßstabs im Sinne einer Gewichtung, Abwägung und zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts zu berücksichtigen (vgl. zu § 53 AuslG: BVerwG, Urt. v. 2.9.1997 - 9 C 40/96 -, DVBl. 1998, 271 [unter Auseinandersetzung mit den Urteilen des EGMR vom 29.4.1997, InfAuslR 1997, 333 und vom 2.5.1997, InfAuslR 1997, 381]).
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Diese Voraussetzungen sind beim Kläger erfüllt. Betreffend die Frage relevanter Gefährdungslagen wegen exilpolitischer Betätigung macht sich das Gericht zunächst die - materiell auch auf Art. 3 EMRK übertragbaren - Ausführungen der obergerichtlichen Rechtsprechung (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 24.7.2003 - A 6 S 971/01 und Urt. v. 13.11.2002 - A 6 S 967/01; OVG Münster, Urt. v. 18.4.2002 - 4 A 3113/95.A) zu eigen. Kongolesen sind danach nicht allein schon wegen exilpolitischer Betätigung in Deutschland generell gefährdet. Exilpolitische Betätigungen kongolesischer Staatsbürger sind für das Kabila-Regime aber dann von Interesse ist, wenn sie als Ausdruck einer ernst zu nehmenden Gegnerschaft gewertet werden können. Das setzt zum einen voraus, dass der jeweilige kongolesische Staatsbürger eine „exponierte“ Tätigkeit entfaltet, die von einer breiten Öffentlichkeit in Deutschland wahrgenommen werden kann und bei der er selbst „eigenes Gesicht“ gewinnt. Nach ihrem Inhalt muss es sich um Aktivitäten handeln, die das Kabila-Regime in einer Weise diskreditieren, dass die bilateralen Beziehungen zwischen dem Gastland und der DR Kongo mit Folgen für die vom Regime angestrebte Verbesserung der internationalen Kooperation belastet werden können. Erst dann kann auch davon ausgegangen werden, dass kongolesische Stellen die exilpolitischen Aktivitäten des Betreffenden wahr- und ernstnehmen (vgl. dazu, dass nicht schon die exilpolitische Tätigkeit an sich, sondern die Kenntnis des Verfolgerstaats von dieser maßgebliches Prognosekriterium ist: VGH Bad.-Württ., Urt. v. 27.10.1997 - A 12 S 2595/96).
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Die konkrete Rückkehrgefährdung des Klägers ergibt sich vorliegend zur Überzeugung des Gerichts aus seiner nachhaltigen Mitwirkung an der exilpolitischen Zeitschrift „Eveil“. Seit Gründung dieser Zeitschrift im Mai 1999 wirkt er als Herausgeber - stets namentlich im Impressum genannt - an der Entstehung dieser durchweg regimekritischen und in wechselnder Auflagenstärke von bis zu 2000 Exemplaren/Jahr sowohl in Europa (vgl. die im Impressum genannten Mitarbeiter in anderen Ländern) als auch im Kongo verbreiteten Schrift mit. Ferner veröffentlicht(e) er darin in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen (ebenfalls mit Namen versehene) eigene Beiträge. Auch wenn sich der Kläger durchaus weniger kundig gezeigt hat als die „Eveil“-Vorsitzende M. (vgl. Entscheidung vom 17.3.2006 in deren Asylverfahren A 1 K 10785/03) und der Generalbevollmächtigte M. (vgl. Entscheidung vom 10.3.2006 in dessen Asylverfahren A 1 K 10786/03), so hat das Gericht keinen Zweifel an der Echtheit seines Engagements. Denn als Herausgeber obliegt ihm die Gewährleistung eher organisatorischer, gleichwohl jedoch nicht weniger wichtiger Aktivitäten wie Sammeln von Material, Sichtung eingereichter Beiträge der „Mitglieder“ (das sind die Verfasser von Artikeln) und schließlich die Aufbereitung, bevor die Herstellung des Printmediums durch die Druckerei erfolgt.
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Der Kläger ist schließlich vor allem auch enger Mitarbeiter und Vertrauensperson des Gründers, Herausgebers und Chefredakteurs der „Eveil“, Herrn P.. Damit gilt letztlich aber auch für den Kläger, was das Gericht für die Flüchtlingsanerkennung nach § 51 Abs. 1 AuslG des Herrn P. festgestellt hat (vgl. Urteil vom 26.7.1999 - A 1 K 10175/96 - EAS.14/15). Das Gericht geht deshalb davon aus, dass diese vielschichtigen, umfangreichen langjährigen exilpolitischen/-publizistischen Tätigkeiten des Klägers für das Kabila-Regime von Repressionsinteresse und ferner von erheblichem Ausforschungsinteresse betreffend die offensichtlich einflussreiche und jetzt fast 12 Jahre im Exil lebende Person des P. sind. Kehrte der Kläger in den Kongo zurück, wäre er „Informant“ erster Wahl betreffend Struktur, Arbeitsweise, Finanzierung und personelle Zusammensetzung eines wichtigen Teilbereichs der kongolesischen Opposition in Europa. Personen wie er stellen für den kongolesischen Staat auch und gerade im Ausland eine politische Herausforderung bzw. Bedrohung dar. Aufgrund ihrer lebendigen Aktivitäten sind sie in der Lage, die zahlreichen politischen und humanitären Missstände anzuprangern, ohne dass das Regime unmittelbar eingreifen könnte. Auch wenn Erkenntnisse über Beobachtungs- und Ausforschungstätigkeiten durch Informanten in Europa nicht bestehen - typischerweise ist hier die asylrechtliche Verfolgungsprognose in besonderem Maße auf Vermutungen angewiesen -, stellt das Vorhandensein einer relevanten Anzahl von Exilkongolesen in Europa - dort speziell in Belgien, Frankreich, Großbritannien und Deutschland - ein gewichtiges Indiz für (auch) geheimdienstartige Ausforschungsbestrebungen der Machthaber und mithin eine überaus sichere Wahrnehmung der Aktivitäten des Klägers dar. In der Zeit der nunmehr über 10-jährigen Kabila-Herrschaft (erst Vater, dann Sohn) sind zweifellos Informationswege zwischen für die Sicherheit zuständigen staatlichen Stellen in der DR Kongo und dem Ausland aufgebaut worden. Das Gericht erachtet es deshalb für unzweifelhaft, dass die vorliegend betroffene kongolesische Auslandsopposition im Blickfeld der Machthaber in Kinshasa steht. Auf der Grundlage der zur innenpolitischen Lage vorhandenen Erkenntnisquellen muss damit aber davon ausgegangen werden, dass auf eine exiloppositionelle Betätigung vom kongolesischen Staat, erhält er Kenntnis davon, nicht anders reagiert wird, als auf oppositionelle Tätigkeiten im Inland. Gerade diese aber werden immer wieder mit menschrechtswidriger Repression beantwortet.
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Ob im Schreiben der kongolesischen Botschaft Stockholm vom 2.3.2000 an den (damaligen) kongolesischen Innenminister Kakudji - darin wird der Kläger namentlich neben 19 anderen Personen als Regierungsgegner bezeichnet - eine weitere Bestätigung für eine Gefährdung des Klägers liegt, konnte folglich dahinstehen. Mit Blick auf die Veröffentlichung dieses Schreibens in der „Eveil“ Nr. 8 (Januar bis März 2001) hätten zumindest Zweifel an der heutigen Relevanz (über 6 Jahre später) bestanden.
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Eine Auswertung der Erkenntnisquellen aus jüngster Zeit steht dieser Gefährdungseinschätzung zugunsten des Klägers nicht entgegen, sondern bestätigt diese letztlich. Zwar fehlen letztlich Referenzfälle für Übergriffe auf zurückkehrende Mitglieder bzw. Anhänger von Oppositionsparteien. Entsprechendes gilt für regimekritische Autoren. Eine tatsächliche Festnahme eines im November 2004 aus Europa zurückgekehrten Kongolesen am Flughafen Ndjili ist nicht belegbar, nachdem Ermittlungsergebnisse des Auswärtigen Amts dafür sprechen, dass diese Person im März 2005 - offenbar erneut, aber jetzt nicht aus Europa sondern - aus Äthiopien einreiste und mit falschen Dokumenten bei der Einreise fest gehalten wurde (AA, Lagebericht vom 14.5.2005). Das AA schätzt die Mitgliedschaft in einer Auslandorganisation der kongolesischen Opposition und die Teilnahme an Kundgebungen gegen die kongolesische Regierung nicht als gefährlich ein (Lageberichte vom 14.12.2005, vom 9.5.2005 und vom 28.5.2004). Wie das AA allerdings bei anderer Gelegenheit feststellt (Auskunft 7.12.2004 an VG Münster), ist es nicht auszuschließen, dass exilkongolesische Vereinigungen in der Bundesrepublik von den kongolesischen Behörden wahrgenommen werden. Im konkreten Fall einer „Exilregierung der Demokratischen Republik Kongo“ hätten Erkundigungen beim kongolesischen Innenministerium und bei verschiedenen kongolesischen Behörden allerdings keinen Hinweis dafür ergeben, dass die benannte Organisation von diesen Stellen „wahrgenommen bzw. ernst genommen“ werde. Was ein an den Staatspräsidenten Kabila gerichtetes kritisches Schreiben des betreffenden Klägers angehe, so würden in der kongolesischen Presse täglich Stellungnahmen veröffentlicht, die die aktuelle kongolesische Regierung sowie den Staatspräsidenten in ähnlicher bzw. in weit schärferer Weise kritisierten, ohne nach Kenntnis des AA nachteilige Folgen für die Verfasser zu haben (ebenso Auskunft 2.8.2004 an VG Aachen). In ständiger Auskunftspraxis des Jahres 2003 weist das AA daraufhin, in den letzten Wochen und Monaten seien zahlreiche hochrangige Oppositionelle unbehelligt in den Kongo zurückgekehrt. Das stehe im Zusammenhang mit dem Amnestiedekret Nr. 03/001 vom 15.4.2003 (in anderen Auskünften wie z. B. derjenigen vom 19.9.2003 an OVG Münster bezeichnet als Amnestiedekret „Nr. 003/001 vom 14.4.2003“), welches neben Kriegshandlungen auch politische und Meinungsdelikte in der Zeit zwischen 2.8.1998 und 4.4.2003 betreffe (Auskünfte 13.6.2003 an OVG Münster, 15.12.2003 an VG Frankfurt/Oder und 16.12.2003 an VG Regensburg). Nach Machtübernahme durch Joseph Kabila habe sich die Situation sogar für ehemalige Mobutu-Leute positiv geändert. Verwandte von Kengo wa Dondo (mehrfachen Premierminister unter Mobutu) lebten unbehelligt in Kinshasa. Die Mobutisten-Partei MPR sei offiziell zugelassen worden, das Führungspersonal dieser Partei habe ungehindert am innerkongolesischen Dialog in Sun City (25.2. bis 19.4.2002) teilnehmen können. Die Parteivorsitzende der MPR sei schließlich Kandidatin für den Posten des Vizepräsidenten der politischen Opposition. Sogar Mobutu-Offiziere seien durch Kabila an die Spitze der Armee ernannt worden und auch ehemalige Mitglieder des Sicherheitsdienstes SNIP hätten unbehelligt in den Kongo zurückkehren können (Auskunft 31.3.2003 an OVG Münster). Angesichts des Amnestiedekrets, welches Vertretern ehemaliger Rebellenorganisationen und anderen Oppositionellen ermöglichen sollte, an Verhandlungen für eine Übergangsregierung teilzunehmen, erachtet es das AA nicht für ersichtlich, dass die einfache Mitgliedschaft in Exilorganisationen zu einer Verdächtigung führen könne. Die kongolesische Regierung messe exilpolitischen Tätigkeiten in Deutschland anders als in Belgien und Frankreich keine Bedeutung zu, die kongolesische Botschaft in Deutschland überwache nach Einschätzung des AA exilpolitische Tätigkeiten nicht in nennenswerter Weise (Auskunft 9.9.2003 an VG Gelsenkirchen, Lagebericht vom 4.8.2003 und Auskunft 7.1.2003 an VG Oldenburg).
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Zu einer Relativierung der bislang in der Rechtsprechung entwickelten Gefährdungseinschätzung bei besonders aktiven Oppositionspolitikern können diese Erkenntnisse hingegen nicht führen. So liegen andererseits dem Bundesnachrichtendienst nämlich durchaus Hinweise vor, dass der militärische Geheimdienst DEMIAP seine Überwachungstätigkeit auf Aktivitäten Intellektueller und ehemaliger Offiziere insbesondere in den Ländern Belgien, USA, Frankreich und Deutschland konzentriert (Auskunft 9.11.2004 an VG Münster). Ferner ergibt sich mittelbar aus der Auskunft des AA vom 7.12.2004 an das VG Münster, dass Auslandsaktivitäten der Opposition durchaus wahrgenommen werden, sonst könnte dort nicht die Rede von einem „Ernst-nehmen“ durch kongolesische Stellen sein. Nicht zu verkennen ist in diesem Zusammenhang schließlich, dass das Kabila-Regime bzw. seine Vollzugs- und Sicherheitsorgane immer wieder gewaltsam und unberechenbar auf regimekritische und öffentlichkeitswirksame Äußerungen aus Kreisen der Opposition, Presse und Menschenrechtsorganisationen im eigenen Land reagieren (vgl. aus jüngster Zeit, jeweils mit Referenzfällen: 20. Bericht des UN-Generalsekretärs vom 28.12.2005 zur UN-Mission im Kongo [MONUC], Seite 11; Länderbericht des britischen Innenministeriums vom Oktober 2005 Ziffer 6.15 ff.; Amnesty International, Jahresberichte 2005 und 2004 sowie Auskünfte vom 4.6.2004 an VG München und 2.9.2003 an VG Lüneburg; UNHCR, Erwägungen zum Schutz von Asylbewerbern und Flüchtlingen aus der DR Kongo, Oktober 2003, Rnrn. 301-313 = Seite 82-84). Im Zusammenhang mit der Einleitung der Übergangsphase weist ferner der UNHCR in seiner Stellungnahme vom 9.11.2003 an das VG München (betreffend eine Einschätzung der Gefährdungslage bei (exil)politisch tätigen Asylbewerbern aus der DR Kongo) darauf hin, dass die zivilen Oppositionsparteien UDPS und PALU angesichts ihrer Ablehnungshaltung gegenüber der Übergangsregierung nunmehr verstärkt als destabilisierender Faktor eingeschätzt würden. Die Behörden in Kinshasa reagierten deshalb sehr empfindlich auf Aktivitäten dieser Parteien. Entsprechendes müsse für die Einschätzung exilpolitischer Aktivitäten gelten, wobei hier nicht so sehr die (formale) Funktion der betreffenden Personen innerhalb der Parteistruktur, sondern ihre (faktische) Aktivität und öffentlichkeitswirksame Betätigung ausschlaggebend sei, wenn es darum gehe, ob sie zur Kenntnis der kongolesischen Auslandsdienste und ins Visier der kongolesischen Behörden gelange. In seinem umfangreichen Bericht vom Oktober 2003 (Erwägungen zum Schutz von Asylbewerbern und Flüchtlingen, a.a.O., Rnr. 314 = Seite 84/85) stellt der UNHCR fest, dass solche bekannt gewordenen Exilpolitiker bei Rückkehr genau befragt würden; das dann bestehende Gefährdungsrisiko für die Person hänge davon ab, durch welche Stelle die Befragung erfolge und welche Schutzmöglichkeiten die Familie dieser Person in Form von Beziehungen zu den Behörden habe. Es spricht vor diesem Hintergrund nichts dafür, oppositionelle und regimekritische Aktivitäten im Ausland würden als bedeutungslos erachtet und bei Rückkehr entsprechend herausragender Aktivisten ungeahndet gelassen. Das gilt umso mehr, als der Flughafen Kinshasa ein geeignetes „Nadelöhr“ für das Herausfiltern unliebsamer Personen ist.
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An dieser zuletzt für den Zeitpunkt Mitte 2006 aufgestellten Gefährdungsprognose für zurückkehrende herausgehobene Exilpolitiker bzw. Exilpublizisten hält das Gericht auch etwas mehr als ein Jahr später fest. Zwar haben Ende 2006 durch die Vereinten Nationen begleitete demokratische Wahlen im Kongo stattgefunden. Um ein fassbares Geschehen, welches eine Zäsur hin zur Entstehung eines nunmehr für den Kläger sicheren Ortes der Rückkehr begründet hätte, handelt es sich dabei jedoch nicht. Ebensowenig wie ein lediglich gerade erreichter „Stand der Dinge" innerhalb eines ständig wechselnden Geschehens ohne weiteres zu Gunsten eines Asylsuchenden einen objektiven Nachfluchttatbestand begründen kann (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 13.5.1993 - 9 C 59/92 - InfAuslR 1993, 354), muss sich ein bis vor Kurzem beachtlich wahrscheinlich gefährdeter Rückkehrer Prozesse und Abläufe innerhalb länger dauernder Entwicklungen gefährdungsmindernd entgegenhalten lassen, wenn diese nicht eindeutig eine völlig neue Tendenz zur (positiven) Veränderung des Geschehens anzeigen. Eine solche positive Veränderungen kann bislang Kongo jedoch nicht festgestellt werden, betrachtet man nur unmittelbar vor sowie nach den Wahlen vom 15.11.2006 erfolgten Menschenrechtsverletzungen (vgl. ausführlich Institut für Afrika-Kunde, Auskunft vom 4.8.2006 an VG München sowie Amnesty International, Auskunft vom 3.4.2007 an VG Kassel).
20 
Das Gericht schließt sich letztlich der zutreffenden Zusammenfassung bzw. Bewertung an, die das German Institute of Global and Area Studies (Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien - vormals Deutsches Übersee-Institut) in seiner Auskunft vom 9.3.2007 an das VG Kassel formuliert hat. Es darf danach „… nicht außer Acht bleiben, dass die DR Kongo und vormals Zaire in den fast fünf Jahrzehnten seit der Unabhängigkeit noch nie eine Entwicklung genommen haben, die langfristig zu staatlicher Konsolidierung und politischer Stabilität geführt hätte. Vielmehr gibt es seit Jahrzehnten einen Wechsel zwischen labilen, oberflächlich bisweilen stabil wirkenden Entwicklungsphasen und Phasen völliger Instabilität - wie jene Zeit nach dem Ende der Mobutu-Herrschaft, in der durch Kriegswirren der staatliche Bestand, die nationale Einheit und die territoriale Integrität der DR Kongo auf dem Spiel standen. Die grundsätzlich nie behobene Fragilität dieses Staates hatte zur Folge, dass in Zaire und später der DR Kongo Rechtsstaatlichkeit und Demokratie keine Chance hatten, sondern politische Systeme der Korruption und Repression gediehen. Diese strukturelle Schwäche wird derzeit durch eine Phase politischer Stabilisierung überdeckt, die durch die Wahlen von 2006, die Regierungsbildung 2007 und die damit einhergehende weitgehende Wiederherstellung staatlicher Strukturen gekennzeichnet ist. Diese Entwicklung wird begleitet von einem politischen Pluralismus, den die derzeitige Regierung und Präsident Kabila nur auf dem Hintergrund einer zumindest scheinbaren Stabilisierung zulassen können. Sie betreiben damit gleichzeitig Imagepflege gegenüber dem Ausland, insbesondere den internationalen Gebern, die eine politische Öffnung zur Bedingung für ihre Unterstützung machen. Die bisherige Geschichte der DR Kongo zeigt jedoch, dass eine solche Phase rasch bis manchmal sogar abrupt zu Ende gehen kann. Das Land ist politisch keinesfalls stabil und auch nicht rasch tragfähig stabil zu machen, weil seine weltmarktabhängige, vom Krieg zerrüttete Wirtschaft strukturell zu heterogen und zu schwach ist, um eine solche politische Stabilität zu stützen. Als Stabilität verhindernde Faktoren kommen die außergewöhnlich große ethnische Heterogenität, die gewaltige Unterschiedlichkeit der Kulturen in den diversen, z. T. weit voneinander entfernten kongolesischen Landesteilen sowie nicht zuletzt die Fortdauer gewaltsamer Konflikte vor allem in östlichen Landesteilen hinzu. Durch diese Schwächen und Risiken kann sich auch das Verhalten der Regierung und der Staatsorgane gegenüber Oppositionellen wieder in Richtung verstärkter Repression ändern, falls dies den Regierenden in Kinshasa unter dem Gesichtspunkt, dass Machterhalt die erste aller Prioritäten bleibt, geboten erscheint. Angesichts der immer wieder von unliebsamen Überraschungen geprägten Geschichte des Landes ist diese Perspektive alles andere als eine von Pessimismus geprägte Utopie …“.
21 
Die Abschiebungsandrohung ist mit Blick auf die Zielstaatswahl teilrechtswidrig und insoweit aufzuheben. Liegen nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich der Abschiebung in einen bestimmten Zielstaat vor, führt dies dann zur Teilrechtswidrigkeit einer diesen Zielstaat benennenden Abschiebungsandrohung des Bundesamtes, wenn „nicht in diesen Staat abgeschoben werden darf" (§ 59 Abs. 3 Satz 2 AufenthG). Das ist bezüglich § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG dann der Fall, wenn - wie hier - nach der Begründung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts ein „zwingendes Abschiebungshindernis" vorliegt, weil sich aus Art. 2 GG ergibt, dass die Ausländerbehörde von der nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur im Regelfall („soll") gebotenen Aussetzung der Abschiebung auch nicht im Ausnahmefall absehen darf (VG Freiburg, Urt. v. 15.6.2005 - A 1 K 11832/03 - VENSA; vgl. entsprechend zu § 53 Abs. 6 AuslG: BVerwG, Urt. v. 22.12.1997 - 1 C 14.96 - InfAuslR 1998, 217).
22 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, 83 b AsylVfG.

Gründe

 
Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.
10 
Beim Kläger liegen zwar zur Überzeugung des Gerichts aufgrund seiner exilpolitischen Betätigung (subjektive) Nachfluchtgründe vor. Allerdings hat er diese jenseits der maßgeblichen Dreimonatsfrist des § 51 Abs.3 VwVfG vorgebracht (zur Geltung der §§ 71 AsylVfG, 51 VwVfG für jeden einzelnen Wiederaufgreifensgrund: BVerwG, Urt. v. 10.2.1998 - 9 C 28/97 -, NVwZ 1998, 861). Seine exilpublizistische Tätigkeit für die Zeitschrift „Eveil“ hat er erst am 30.12.1999 geltend gemacht, obwohl sein erstes Asylverfahren bereits seit Juni 1999 (Zustellung des VGH-Beschlusses an den Kläger) unanfechtbar abgeschlossen war. Ungeachtet des § 28 Abs. 2 AsylVfG ist hierdurch die Einräumung einer Rechtsposition nach Art. 16 a Abs. 1 GG und nach § 60 Abs. 1 AufenthG unmöglich geworden, weil diese Schutzgewährungen Element des Asylfolgeantrags und mithin abschließend in §§ 71 Abs. 1 AsylVfG, 51 Abs. 1 bis Abs. 3 VwVfG geregelt sind. Darauf, dass das Bundesamt in seinem Bescheid vom 4.5.2000 ausweislich der „Tenorierung“ und Begründung ein weiteres Asylverfahren durchgeführt und anschließend (negativ) in der Sache entschieden hat, kommt es nicht an. Maßgeblich für die Frage der Verfahrensrelevanz (Beachtlichkeit) eines Folgeantrags ist insoweit allein die durch das Gericht erkannte Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (ausführlich dazu: VG Freiburg, Beschluss vom 15.8.2003 - A 1 K 11051/03 - VENSA).
11 
Dem Kläger ist jedoch Abschiebungsschutz zu gewähren. Zu seinen Gunsten ist nämlich die Anwendung des mit dem Hilfsantrag zur Entscheidung gestellten (zum Rangverhältnis der Streitgegenstände vgl. zum alten Recht: BVerwG, Urt. v. 26.6.2002 - 1 C 17/01 - InfAuslR 2003, 74 = NVwZ 2003, 356) § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht gehindert gewesen. Jenseits des § 71 AsylVfG, welcher nur den Asylantrag im Sinne von § 13 AsylVfG betrifft, kann sich nämlich aus §§ 51 Abs. 5, 48, 49 VwVfG und einer in deren Rahmen i.V.m. Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1, Abs. 2 GG gebotenen Ermessensreduzierung auf Null ein Anspruch auf Wiederaufgreifen des abgeschlossenen früheren Verwaltungsverfahrens, eine Aufhebung des unanfechtbar gewordenen Verwaltungsakts und eine neue - jetzt günstige - Sachentscheidung zum Vorliegen von Abschiebungshindernissen dann ergeben, wenn diese tatsächlich vorliegen. Auf den Zeitpunkt der Geltendmachung kommt es wegen des materiellen Schutzgehalts der Grundrechte nicht an (BVerwG, Urt. v. 20.10.2004 - 1 C 15/03 - InfAuslR 2005, 120; Urt. v. 21.3.2000 - 9 C 41/99 -, NVwZ 2000, 940; Urt. v. 7.9.1999 - 1 C 6.99 -, InfAuslR 2000, 16; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 4.1.2000 - A 14 S 786/99 -, VBlBW 2000, 368; vgl. nunmehr auch BVerfG, Beschl. v. 21.6.2000 - 2 BvR 1989/97 -, DVBl. 2000, 179). Das gilt auch für die Fälle, in denen einer erneuten asyl- bzw. flüchtlingsrechtlichen - d.h. Art. 16a Abs. 1 GG und § 60 Abs. 1 AufenthG betreffenden - Sachentscheidung des Bundesamts Hindernisse entgegenstehen, die sich aus der Anwendung der - formal bzw. normspezifisch präkludierend wirkenden - Absätze 2 und 3 des § 51 VwVfG ergeben (a.A. möglicherweise VGH Bad.-Württ., Urt. v. 20.7.1999 - A 9 S 96/99). In Verbindung mit der Pflicht, auch im Asylfolgeverfahren in der Sache durchzuentscheiden (grundlegend: BVerwG, Urt. v. 10.2.1998, a.a.O.; bestätigt im Urt. v. 20.10.2004, a.a.O.), hat das Verwaltungsgericht einen asylrechtlich verfahrensirrelevanten bzw. unbeachtlichen Asylvortrag gleichwohl unter dem Gesichtspunkt eines Abschiebungshindernisses zu würdigen (vgl. allgemein zur materiellen Doppelrelevanz eines Sachverhalts unter den Gesichtspunkten „Asyl“ und „Abschiebungshindernis“: BVerwG, Urt. v. 17.10.1995 - 9 C 9/95 -, DVBl. 1996, 203). Eine solche abschließende gerichtliche Prüfung gelangt vorliegend zu dem Ergebnis, dass wegen konkreter Gefahr für Leib, Gesundheit, Freiheit und Leben des Klägers dem Bundesamt keine andere Ermessensentscheidung als diejenige der Feststellung des Vorliegens eines Abschiebungshindernisses eingeräumt ist.
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Dem Kläger drohen zur Überzeugung des Gerichts im Fall einer heutigen Rückkehr wegen seines exilpolitischen Engagements unter den Schutzbereich des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK (bzw. Art. 15 b RiL 2004/83/EG) fallende Menschenrechtsverletzungen. Abschiebungsschutz nach diesen Vorschriften kann beanspruchen, wem im Zielland der Abschiebung landesweit - also ohne zumutbare inländische Fluchtalternative - die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung droht. Da Art. 3 EMRK ebenso wie das Asylrecht nicht vor den allgemeinen Folgen von Naturkatastrophen, Bürgerkriegen und anderen bewaffneten Konflikten schützt, setzt der Begriff der Behandlung ein geplantes, vorsätzliches, auf eine bestimmte Person gerichtetes Handeln voraus. Relevant im Sinne dieser Vorschrift sind deshalb grundsätzlich nur Misshandlungen durch staatliche Organe. Der Begriff der Gefahr in dieser Vorschrift ist kein anderer als der in der „beachtlichen Wahrscheinlichkeit“ des asylrechtlichen Prognosemaßstabs mit der Konsequenz einer erforderlichen einzelfallbezogenen, individuell bestimmten Gefährdungssituation angelegte Gefährdungsbegriff. Die besondere Schwere des Eingriffs ist auch bei § 60 Abs. 2 bis Abs. 7 AufenthG im Rahmen der gebotenen qualifizierenden Betrachtungsweise und nach Maßgabe des genannten Maßstabs im Sinne einer Gewichtung, Abwägung und zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts zu berücksichtigen (vgl. zu § 53 AuslG: BVerwG, Urt. v. 2.9.1997 - 9 C 40/96 -, DVBl. 1998, 271 [unter Auseinandersetzung mit den Urteilen des EGMR vom 29.4.1997, InfAuslR 1997, 333 und vom 2.5.1997, InfAuslR 1997, 381]).
13 
Diese Voraussetzungen sind beim Kläger erfüllt. Betreffend die Frage relevanter Gefährdungslagen wegen exilpolitischer Betätigung macht sich das Gericht zunächst die - materiell auch auf Art. 3 EMRK übertragbaren - Ausführungen der obergerichtlichen Rechtsprechung (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 24.7.2003 - A 6 S 971/01 und Urt. v. 13.11.2002 - A 6 S 967/01; OVG Münster, Urt. v. 18.4.2002 - 4 A 3113/95.A) zu eigen. Kongolesen sind danach nicht allein schon wegen exilpolitischer Betätigung in Deutschland generell gefährdet. Exilpolitische Betätigungen kongolesischer Staatsbürger sind für das Kabila-Regime aber dann von Interesse ist, wenn sie als Ausdruck einer ernst zu nehmenden Gegnerschaft gewertet werden können. Das setzt zum einen voraus, dass der jeweilige kongolesische Staatsbürger eine „exponierte“ Tätigkeit entfaltet, die von einer breiten Öffentlichkeit in Deutschland wahrgenommen werden kann und bei der er selbst „eigenes Gesicht“ gewinnt. Nach ihrem Inhalt muss es sich um Aktivitäten handeln, die das Kabila-Regime in einer Weise diskreditieren, dass die bilateralen Beziehungen zwischen dem Gastland und der DR Kongo mit Folgen für die vom Regime angestrebte Verbesserung der internationalen Kooperation belastet werden können. Erst dann kann auch davon ausgegangen werden, dass kongolesische Stellen die exilpolitischen Aktivitäten des Betreffenden wahr- und ernstnehmen (vgl. dazu, dass nicht schon die exilpolitische Tätigkeit an sich, sondern die Kenntnis des Verfolgerstaats von dieser maßgebliches Prognosekriterium ist: VGH Bad.-Württ., Urt. v. 27.10.1997 - A 12 S 2595/96).
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Die konkrete Rückkehrgefährdung des Klägers ergibt sich vorliegend zur Überzeugung des Gerichts aus seiner nachhaltigen Mitwirkung an der exilpolitischen Zeitschrift „Eveil“. Seit Gründung dieser Zeitschrift im Mai 1999 wirkt er als Herausgeber - stets namentlich im Impressum genannt - an der Entstehung dieser durchweg regimekritischen und in wechselnder Auflagenstärke von bis zu 2000 Exemplaren/Jahr sowohl in Europa (vgl. die im Impressum genannten Mitarbeiter in anderen Ländern) als auch im Kongo verbreiteten Schrift mit. Ferner veröffentlicht(e) er darin in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen (ebenfalls mit Namen versehene) eigene Beiträge. Auch wenn sich der Kläger durchaus weniger kundig gezeigt hat als die „Eveil“-Vorsitzende M. (vgl. Entscheidung vom 17.3.2006 in deren Asylverfahren A 1 K 10785/03) und der Generalbevollmächtigte M. (vgl. Entscheidung vom 10.3.2006 in dessen Asylverfahren A 1 K 10786/03), so hat das Gericht keinen Zweifel an der Echtheit seines Engagements. Denn als Herausgeber obliegt ihm die Gewährleistung eher organisatorischer, gleichwohl jedoch nicht weniger wichtiger Aktivitäten wie Sammeln von Material, Sichtung eingereichter Beiträge der „Mitglieder“ (das sind die Verfasser von Artikeln) und schließlich die Aufbereitung, bevor die Herstellung des Printmediums durch die Druckerei erfolgt.
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Der Kläger ist schließlich vor allem auch enger Mitarbeiter und Vertrauensperson des Gründers, Herausgebers und Chefredakteurs der „Eveil“, Herrn P.. Damit gilt letztlich aber auch für den Kläger, was das Gericht für die Flüchtlingsanerkennung nach § 51 Abs. 1 AuslG des Herrn P. festgestellt hat (vgl. Urteil vom 26.7.1999 - A 1 K 10175/96 - EAS.14/15). Das Gericht geht deshalb davon aus, dass diese vielschichtigen, umfangreichen langjährigen exilpolitischen/-publizistischen Tätigkeiten des Klägers für das Kabila-Regime von Repressionsinteresse und ferner von erheblichem Ausforschungsinteresse betreffend die offensichtlich einflussreiche und jetzt fast 12 Jahre im Exil lebende Person des P. sind. Kehrte der Kläger in den Kongo zurück, wäre er „Informant“ erster Wahl betreffend Struktur, Arbeitsweise, Finanzierung und personelle Zusammensetzung eines wichtigen Teilbereichs der kongolesischen Opposition in Europa. Personen wie er stellen für den kongolesischen Staat auch und gerade im Ausland eine politische Herausforderung bzw. Bedrohung dar. Aufgrund ihrer lebendigen Aktivitäten sind sie in der Lage, die zahlreichen politischen und humanitären Missstände anzuprangern, ohne dass das Regime unmittelbar eingreifen könnte. Auch wenn Erkenntnisse über Beobachtungs- und Ausforschungstätigkeiten durch Informanten in Europa nicht bestehen - typischerweise ist hier die asylrechtliche Verfolgungsprognose in besonderem Maße auf Vermutungen angewiesen -, stellt das Vorhandensein einer relevanten Anzahl von Exilkongolesen in Europa - dort speziell in Belgien, Frankreich, Großbritannien und Deutschland - ein gewichtiges Indiz für (auch) geheimdienstartige Ausforschungsbestrebungen der Machthaber und mithin eine überaus sichere Wahrnehmung der Aktivitäten des Klägers dar. In der Zeit der nunmehr über 10-jährigen Kabila-Herrschaft (erst Vater, dann Sohn) sind zweifellos Informationswege zwischen für die Sicherheit zuständigen staatlichen Stellen in der DR Kongo und dem Ausland aufgebaut worden. Das Gericht erachtet es deshalb für unzweifelhaft, dass die vorliegend betroffene kongolesische Auslandsopposition im Blickfeld der Machthaber in Kinshasa steht. Auf der Grundlage der zur innenpolitischen Lage vorhandenen Erkenntnisquellen muss damit aber davon ausgegangen werden, dass auf eine exiloppositionelle Betätigung vom kongolesischen Staat, erhält er Kenntnis davon, nicht anders reagiert wird, als auf oppositionelle Tätigkeiten im Inland. Gerade diese aber werden immer wieder mit menschrechtswidriger Repression beantwortet.
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Ob im Schreiben der kongolesischen Botschaft Stockholm vom 2.3.2000 an den (damaligen) kongolesischen Innenminister Kakudji - darin wird der Kläger namentlich neben 19 anderen Personen als Regierungsgegner bezeichnet - eine weitere Bestätigung für eine Gefährdung des Klägers liegt, konnte folglich dahinstehen. Mit Blick auf die Veröffentlichung dieses Schreibens in der „Eveil“ Nr. 8 (Januar bis März 2001) hätten zumindest Zweifel an der heutigen Relevanz (über 6 Jahre später) bestanden.
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Eine Auswertung der Erkenntnisquellen aus jüngster Zeit steht dieser Gefährdungseinschätzung zugunsten des Klägers nicht entgegen, sondern bestätigt diese letztlich. Zwar fehlen letztlich Referenzfälle für Übergriffe auf zurückkehrende Mitglieder bzw. Anhänger von Oppositionsparteien. Entsprechendes gilt für regimekritische Autoren. Eine tatsächliche Festnahme eines im November 2004 aus Europa zurückgekehrten Kongolesen am Flughafen Ndjili ist nicht belegbar, nachdem Ermittlungsergebnisse des Auswärtigen Amts dafür sprechen, dass diese Person im März 2005 - offenbar erneut, aber jetzt nicht aus Europa sondern - aus Äthiopien einreiste und mit falschen Dokumenten bei der Einreise fest gehalten wurde (AA, Lagebericht vom 14.5.2005). Das AA schätzt die Mitgliedschaft in einer Auslandorganisation der kongolesischen Opposition und die Teilnahme an Kundgebungen gegen die kongolesische Regierung nicht als gefährlich ein (Lageberichte vom 14.12.2005, vom 9.5.2005 und vom 28.5.2004). Wie das AA allerdings bei anderer Gelegenheit feststellt (Auskunft 7.12.2004 an VG Münster), ist es nicht auszuschließen, dass exilkongolesische Vereinigungen in der Bundesrepublik von den kongolesischen Behörden wahrgenommen werden. Im konkreten Fall einer „Exilregierung der Demokratischen Republik Kongo“ hätten Erkundigungen beim kongolesischen Innenministerium und bei verschiedenen kongolesischen Behörden allerdings keinen Hinweis dafür ergeben, dass die benannte Organisation von diesen Stellen „wahrgenommen bzw. ernst genommen“ werde. Was ein an den Staatspräsidenten Kabila gerichtetes kritisches Schreiben des betreffenden Klägers angehe, so würden in der kongolesischen Presse täglich Stellungnahmen veröffentlicht, die die aktuelle kongolesische Regierung sowie den Staatspräsidenten in ähnlicher bzw. in weit schärferer Weise kritisierten, ohne nach Kenntnis des AA nachteilige Folgen für die Verfasser zu haben (ebenso Auskunft 2.8.2004 an VG Aachen). In ständiger Auskunftspraxis des Jahres 2003 weist das AA daraufhin, in den letzten Wochen und Monaten seien zahlreiche hochrangige Oppositionelle unbehelligt in den Kongo zurückgekehrt. Das stehe im Zusammenhang mit dem Amnestiedekret Nr. 03/001 vom 15.4.2003 (in anderen Auskünften wie z. B. derjenigen vom 19.9.2003 an OVG Münster bezeichnet als Amnestiedekret „Nr. 003/001 vom 14.4.2003“), welches neben Kriegshandlungen auch politische und Meinungsdelikte in der Zeit zwischen 2.8.1998 und 4.4.2003 betreffe (Auskünfte 13.6.2003 an OVG Münster, 15.12.2003 an VG Frankfurt/Oder und 16.12.2003 an VG Regensburg). Nach Machtübernahme durch Joseph Kabila habe sich die Situation sogar für ehemalige Mobutu-Leute positiv geändert. Verwandte von Kengo wa Dondo (mehrfachen Premierminister unter Mobutu) lebten unbehelligt in Kinshasa. Die Mobutisten-Partei MPR sei offiziell zugelassen worden, das Führungspersonal dieser Partei habe ungehindert am innerkongolesischen Dialog in Sun City (25.2. bis 19.4.2002) teilnehmen können. Die Parteivorsitzende der MPR sei schließlich Kandidatin für den Posten des Vizepräsidenten der politischen Opposition. Sogar Mobutu-Offiziere seien durch Kabila an die Spitze der Armee ernannt worden und auch ehemalige Mitglieder des Sicherheitsdienstes SNIP hätten unbehelligt in den Kongo zurückkehren können (Auskunft 31.3.2003 an OVG Münster). Angesichts des Amnestiedekrets, welches Vertretern ehemaliger Rebellenorganisationen und anderen Oppositionellen ermöglichen sollte, an Verhandlungen für eine Übergangsregierung teilzunehmen, erachtet es das AA nicht für ersichtlich, dass die einfache Mitgliedschaft in Exilorganisationen zu einer Verdächtigung führen könne. Die kongolesische Regierung messe exilpolitischen Tätigkeiten in Deutschland anders als in Belgien und Frankreich keine Bedeutung zu, die kongolesische Botschaft in Deutschland überwache nach Einschätzung des AA exilpolitische Tätigkeiten nicht in nennenswerter Weise (Auskunft 9.9.2003 an VG Gelsenkirchen, Lagebericht vom 4.8.2003 und Auskunft 7.1.2003 an VG Oldenburg).
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Zu einer Relativierung der bislang in der Rechtsprechung entwickelten Gefährdungseinschätzung bei besonders aktiven Oppositionspolitikern können diese Erkenntnisse hingegen nicht führen. So liegen andererseits dem Bundesnachrichtendienst nämlich durchaus Hinweise vor, dass der militärische Geheimdienst DEMIAP seine Überwachungstätigkeit auf Aktivitäten Intellektueller und ehemaliger Offiziere insbesondere in den Ländern Belgien, USA, Frankreich und Deutschland konzentriert (Auskunft 9.11.2004 an VG Münster). Ferner ergibt sich mittelbar aus der Auskunft des AA vom 7.12.2004 an das VG Münster, dass Auslandsaktivitäten der Opposition durchaus wahrgenommen werden, sonst könnte dort nicht die Rede von einem „Ernst-nehmen“ durch kongolesische Stellen sein. Nicht zu verkennen ist in diesem Zusammenhang schließlich, dass das Kabila-Regime bzw. seine Vollzugs- und Sicherheitsorgane immer wieder gewaltsam und unberechenbar auf regimekritische und öffentlichkeitswirksame Äußerungen aus Kreisen der Opposition, Presse und Menschenrechtsorganisationen im eigenen Land reagieren (vgl. aus jüngster Zeit, jeweils mit Referenzfällen: 20. Bericht des UN-Generalsekretärs vom 28.12.2005 zur UN-Mission im Kongo [MONUC], Seite 11; Länderbericht des britischen Innenministeriums vom Oktober 2005 Ziffer 6.15 ff.; Amnesty International, Jahresberichte 2005 und 2004 sowie Auskünfte vom 4.6.2004 an VG München und 2.9.2003 an VG Lüneburg; UNHCR, Erwägungen zum Schutz von Asylbewerbern und Flüchtlingen aus der DR Kongo, Oktober 2003, Rnrn. 301-313 = Seite 82-84). Im Zusammenhang mit der Einleitung der Übergangsphase weist ferner der UNHCR in seiner Stellungnahme vom 9.11.2003 an das VG München (betreffend eine Einschätzung der Gefährdungslage bei (exil)politisch tätigen Asylbewerbern aus der DR Kongo) darauf hin, dass die zivilen Oppositionsparteien UDPS und PALU angesichts ihrer Ablehnungshaltung gegenüber der Übergangsregierung nunmehr verstärkt als destabilisierender Faktor eingeschätzt würden. Die Behörden in Kinshasa reagierten deshalb sehr empfindlich auf Aktivitäten dieser Parteien. Entsprechendes müsse für die Einschätzung exilpolitischer Aktivitäten gelten, wobei hier nicht so sehr die (formale) Funktion der betreffenden Personen innerhalb der Parteistruktur, sondern ihre (faktische) Aktivität und öffentlichkeitswirksame Betätigung ausschlaggebend sei, wenn es darum gehe, ob sie zur Kenntnis der kongolesischen Auslandsdienste und ins Visier der kongolesischen Behörden gelange. In seinem umfangreichen Bericht vom Oktober 2003 (Erwägungen zum Schutz von Asylbewerbern und Flüchtlingen, a.a.O., Rnr. 314 = Seite 84/85) stellt der UNHCR fest, dass solche bekannt gewordenen Exilpolitiker bei Rückkehr genau befragt würden; das dann bestehende Gefährdungsrisiko für die Person hänge davon ab, durch welche Stelle die Befragung erfolge und welche Schutzmöglichkeiten die Familie dieser Person in Form von Beziehungen zu den Behörden habe. Es spricht vor diesem Hintergrund nichts dafür, oppositionelle und regimekritische Aktivitäten im Ausland würden als bedeutungslos erachtet und bei Rückkehr entsprechend herausragender Aktivisten ungeahndet gelassen. Das gilt umso mehr, als der Flughafen Kinshasa ein geeignetes „Nadelöhr“ für das Herausfiltern unliebsamer Personen ist.
19 
An dieser zuletzt für den Zeitpunkt Mitte 2006 aufgestellten Gefährdungsprognose für zurückkehrende herausgehobene Exilpolitiker bzw. Exilpublizisten hält das Gericht auch etwas mehr als ein Jahr später fest. Zwar haben Ende 2006 durch die Vereinten Nationen begleitete demokratische Wahlen im Kongo stattgefunden. Um ein fassbares Geschehen, welches eine Zäsur hin zur Entstehung eines nunmehr für den Kläger sicheren Ortes der Rückkehr begründet hätte, handelt es sich dabei jedoch nicht. Ebensowenig wie ein lediglich gerade erreichter „Stand der Dinge" innerhalb eines ständig wechselnden Geschehens ohne weiteres zu Gunsten eines Asylsuchenden einen objektiven Nachfluchttatbestand begründen kann (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 13.5.1993 - 9 C 59/92 - InfAuslR 1993, 354), muss sich ein bis vor Kurzem beachtlich wahrscheinlich gefährdeter Rückkehrer Prozesse und Abläufe innerhalb länger dauernder Entwicklungen gefährdungsmindernd entgegenhalten lassen, wenn diese nicht eindeutig eine völlig neue Tendenz zur (positiven) Veränderung des Geschehens anzeigen. Eine solche positive Veränderungen kann bislang Kongo jedoch nicht festgestellt werden, betrachtet man nur unmittelbar vor sowie nach den Wahlen vom 15.11.2006 erfolgten Menschenrechtsverletzungen (vgl. ausführlich Institut für Afrika-Kunde, Auskunft vom 4.8.2006 an VG München sowie Amnesty International, Auskunft vom 3.4.2007 an VG Kassel).
20 
Das Gericht schließt sich letztlich der zutreffenden Zusammenfassung bzw. Bewertung an, die das German Institute of Global and Area Studies (Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien - vormals Deutsches Übersee-Institut) in seiner Auskunft vom 9.3.2007 an das VG Kassel formuliert hat. Es darf danach „… nicht außer Acht bleiben, dass die DR Kongo und vormals Zaire in den fast fünf Jahrzehnten seit der Unabhängigkeit noch nie eine Entwicklung genommen haben, die langfristig zu staatlicher Konsolidierung und politischer Stabilität geführt hätte. Vielmehr gibt es seit Jahrzehnten einen Wechsel zwischen labilen, oberflächlich bisweilen stabil wirkenden Entwicklungsphasen und Phasen völliger Instabilität - wie jene Zeit nach dem Ende der Mobutu-Herrschaft, in der durch Kriegswirren der staatliche Bestand, die nationale Einheit und die territoriale Integrität der DR Kongo auf dem Spiel standen. Die grundsätzlich nie behobene Fragilität dieses Staates hatte zur Folge, dass in Zaire und später der DR Kongo Rechtsstaatlichkeit und Demokratie keine Chance hatten, sondern politische Systeme der Korruption und Repression gediehen. Diese strukturelle Schwäche wird derzeit durch eine Phase politischer Stabilisierung überdeckt, die durch die Wahlen von 2006, die Regierungsbildung 2007 und die damit einhergehende weitgehende Wiederherstellung staatlicher Strukturen gekennzeichnet ist. Diese Entwicklung wird begleitet von einem politischen Pluralismus, den die derzeitige Regierung und Präsident Kabila nur auf dem Hintergrund einer zumindest scheinbaren Stabilisierung zulassen können. Sie betreiben damit gleichzeitig Imagepflege gegenüber dem Ausland, insbesondere den internationalen Gebern, die eine politische Öffnung zur Bedingung für ihre Unterstützung machen. Die bisherige Geschichte der DR Kongo zeigt jedoch, dass eine solche Phase rasch bis manchmal sogar abrupt zu Ende gehen kann. Das Land ist politisch keinesfalls stabil und auch nicht rasch tragfähig stabil zu machen, weil seine weltmarktabhängige, vom Krieg zerrüttete Wirtschaft strukturell zu heterogen und zu schwach ist, um eine solche politische Stabilität zu stützen. Als Stabilität verhindernde Faktoren kommen die außergewöhnlich große ethnische Heterogenität, die gewaltige Unterschiedlichkeit der Kulturen in den diversen, z. T. weit voneinander entfernten kongolesischen Landesteilen sowie nicht zuletzt die Fortdauer gewaltsamer Konflikte vor allem in östlichen Landesteilen hinzu. Durch diese Schwächen und Risiken kann sich auch das Verhalten der Regierung und der Staatsorgane gegenüber Oppositionellen wieder in Richtung verstärkter Repression ändern, falls dies den Regierenden in Kinshasa unter dem Gesichtspunkt, dass Machterhalt die erste aller Prioritäten bleibt, geboten erscheint. Angesichts der immer wieder von unliebsamen Überraschungen geprägten Geschichte des Landes ist diese Perspektive alles andere als eine von Pessimismus geprägte Utopie …“.
21 
Die Abschiebungsandrohung ist mit Blick auf die Zielstaatswahl teilrechtswidrig und insoweit aufzuheben. Liegen nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich der Abschiebung in einen bestimmten Zielstaat vor, führt dies dann zur Teilrechtswidrigkeit einer diesen Zielstaat benennenden Abschiebungsandrohung des Bundesamtes, wenn „nicht in diesen Staat abgeschoben werden darf" (§ 59 Abs. 3 Satz 2 AufenthG). Das ist bezüglich § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG dann der Fall, wenn - wie hier - nach der Begründung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts ein „zwingendes Abschiebungshindernis" vorliegt, weil sich aus Art. 2 GG ergibt, dass die Ausländerbehörde von der nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur im Regelfall („soll") gebotenen Aussetzung der Abschiebung auch nicht im Ausnahmefall absehen darf (VG Freiburg, Urt. v. 15.6.2005 - A 1 K 11832/03 - VENSA; vgl. entsprechend zu § 53 Abs. 6 AuslG: BVerwG, Urt. v. 22.12.1997 - 1 C 14.96 - InfAuslR 1998, 217).
22 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, 83 b AsylVfG.

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