Urteil vom Verwaltungsgericht Freiburg - A 6 K 733/17

Tenor

Die Beklagte wird verpflichtet, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom wird aufgehoben, soweit er dem entgegensteht.

Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Tatbestand

 
Die Kläger sind syrische Staatsangehörige, sunnitischen Glaubens, turkmenischer Volkszugehörigkeit. Sie begehren die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
Die Klägerin Ziff. 1 ist die Mutter des minderjährigen Klägers Ziff.2, ihres ehelichen Sohnes. Sie sind in den Jahren 1969 (Kläger Ziff. 1) bzw. 2009 (Kläger Ziff. 2) jeweils in Damaskus geboren (...).
Mit dem im Tenor genannten Bescheid erkannte die Beklagte den Klägern den subsidiären Schutzstatus zu (Ziff. 1) und lehnte im Übrigen ihren Asylantrag ab (Ziff. 2).
Die näheren Einzelheiten zu den Daten ihrer Einreise, Asylantragstellung, Anhörung im Asylverfahren sowie zu den wesentlichen von ihnen vorgetragenen Asylgründen ergeben sich aus dem Tatbestand dieses Bescheids, auf den das Gericht in entsprechender Anwendung des § 77 Abs. 2 AsylG hiermit Bezug nimmt, da er zwischen den Beteiligten unstreitig ist.
Gegen die Ablehnung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft haben die Kläger nach Zustellung dieses Bescheids die vorliegende Klage beim Verwaltungsgericht erhoben.
Sie machen, wie schon bei ihrer Anhörung beim Bundesamt, im Wesentlichen - und von der Beklagten unbestritten - geltend, sie hätten in einem Dorf nahe Damaskus gelebt. Etwa Ende 2013 hätten Regierungssoldaten den Ort angegriffen und viele getötet. Auch Verwandte seien getötet worden. Sie hätten sich fünf Tage lang verstecken müssen und danach überall Leichen gesehen. Es habe auch immer Scharfschützen des Regimes gegeben. Ihr Haus sei auch angeschossen worden. Viele Nachbarn und auch Verwandte seien beim Angriff von Assads Soldaten getötet worden. Sie hätten damals trotz der Checkpoints noch mit dem Bus in die Türkei fliehen können. Dort hätten sie sich ca. 3 Jahre lang aufgehalten. Ihr Mann sei mit einem der Söhne auch in Deutschland. Ein anderer Sohn sei noch in Griechenland, er sei gerade 17 Jahre alt.
Die Kläger beantragen, bei sachdienlicher Auslegung ihres Klagebegehrens (§§ 86 Abs. 3, 88 VwGO),
die Beklagte zu verpflichten, ihnen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen und den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 2.2.2017 bezüglich der Nr. 2 aufzuheben, soweit damit die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft abgelehnt wurde.
Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Akten der Beklagten (jeweils ein Heft) Bezug genommen.
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Ferner wird Bezug genommen auf die öffentlich zugängliche Erkenntnismittelliste des Gerichts zu Syrien (auf der internet-Seite des Verwaltungsgerichts unter „Themen und Aktuelles“ - dort unter „Erkenntnismittelliste“ abrufbar http://www.vgfreiburg.de/pb/,Lde/Erkenntnismittellisten).

Entscheidungsgründe

 
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Das Gericht entscheidet im Einverständnis der Beteiligten durch den Berichterstatter und ohne mündliche Verhandlung (§§ 87a Abs.2 und Abs. 3, 101 Abs. 2 VwGO).
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Die zulässige Klage ist begründet.
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Der angefochtene Bescheid der Bundesamts für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, soweit damit unter Ziff.2 unter anderem die Flüchtlingseigenschaft abgelehnt wird. Denn die Kläger haben im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) einen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1, Abs. 4 AsylG (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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Der Flüchtlingsanerkennung steht der Umstand nicht entgegen, dass die Kläger sich nach ihrer Ausreise aus Syrien ca. 2 1/2 Jahre lange in einem Flüchtlingslager in der Türkei aufgehalten haben.
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Insoweit mag es sich zwar um einen Drittstaat gehandelt haben, in dem sie vor Verfolgung sicher waren. Die in einem solchen Fall an einen mehr als dreimonatigen Aufenthalt in einem solchen Land die Vermutung der Verfolgungssicherheit anknüpfende und den Asylschutz wegen der anderweit gefundenen Sicherheit ausschließende Vorschrift des § 27 Abs. 1 und Abs. 3 AsylG gilt jedoch ihrem klaren Wortlaut nach nur bezüglich des Asylgrundrechts aus Art. 16a Abs. 1 GG, hingegen nicht bezüglich der Flüchtlingsanerkennung.
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Das Bundesverwaltungsgericht hat seinerzeit zwar entschieden, dass der in § 27 AsylG enthaltene Gedanke der Subsidiarität des internationalen Flüchtlingsschutzes auch in Bezug auf die Flüchtlingsanerkennung Anwendung finde, mit der Folge, dass eine Flüchtlingsanerkennung nach der GFK in Deutschland als einem Zweit-oder Drittzufluchtsland nicht verlangt werden könne, wenn der betreffende Ausländer bereits in einem sonstigen Drittstaat vor Verfolgung tatsächlich sicher gewesen sei und voraussichtlich bleiben werde und seine Rückkehr bzw. Rückführung in diesen Staat möglich sei (vgl. BVerwG, U. v. 8.2.2005 - 1 C 29/03 -, juris = Inf AuslR 2005, 339; siehe zum anderweitigen Schutz und der Subsidiarität des Flüchtlingsschutzes ansatzweise auch Tiedemann, Flüchtlingsrecht, 2015, S.53, Ziff. 3.2.1.9).
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Später hat das Bundesverwaltungsgericht jedoch diese Rechtsprechung ausdrücklich eingeschränkt (BVerwG, U. v. 4.9.2012 - 10 C 13/11 -, juris Rn. 15,16) und ausgeführt, die Frage, ob ein Ausländer bereits in einem Drittstaat anderweit sicher vor Verfolgung gewesen sei, sei bei der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach dem in § 29 AsylG umgesetzten unionsrechtlichen Konzept des „ersten Asylstaats“ (Art. 25 und 26 der EU-AsylVf-RL [2005/85/EG]) nur für die Beachtlichkeit des Asylantrags von Bedeutung. Habe das Bundesamt hingegen den Asylantrag nicht gem. § 29 AsylG unter Verweis darauf bereits als „unbeachtlich“ abgelehnt, dass die Voraussetzungen der Art. 25 und 26 EU-AsylVf-RL vorlägen, sondern vielmehr - wie im vorliegenden Fall - in der Sache entschieden, so bleibe im Rahmen der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für eine materiellrechtliche Subsidiarität des Flüchtlingsschutzes kein Raum mehr. Das frühere Urteil (BVerwG, U. v. 8.2.2005 - 1 C 29/03) sei insoweit „überholt“.
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Nach allem steht der Aufenthalt der Kläger in der - verfolgungsfreien - Türkei der Flüchtlingsanerkennung nicht entgegen, zumal hier eine Rückkehr oder Rückschiebung in die Türkei - wie sie nach § 27 AsylG [entspr.] bzw. nach Art. 25, 26 EU-AsylVf-RL in jedem Fall erforderlich wäre, für die Kläger nicht möglich ist, da sie in der Türkei schon kein formales Aufenthaltsrecht und erst recht nicht die Rechtsstellung von Flüchtlingen nach der GFK eingeräumt bekommen haben, sondern lediglich geduldet und nicht nach Syrien abgeschoben worden sind.
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1. Der mithin nicht von vornherein ausgeschlossene Anspruch der Kläger auf Flüchtlingsanerkennung ergibt sich daraus, dass ihnen bei einer Rückkehr nach Syrien dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG droht.
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Die deshalb zu gewährende Flüchtlingsanerkennung verdrängt als exklusive Spezialnorm die bereits (bestandskräftig) gewährte Zuerkennung subsidiären Schutzes, die, wie sich schon aus seiner Bezeichnung „subsidiär“, aber auch aus Art. 2 f QRL eindeutig ergibt, nur demjenigen gewährt werden kann, der die Voraussetzungen für eine Flüchtlingsanerkennung „nicht erfüllt“. Wegen dieses exklusiven Alternativverhältnisses der beiden Schutzformen erweist sich die Bezeichnung „Aufstockungsklage“ als irreführend, die für Klagen - wie die vorliegende - gelegentlich verwendet wird, welche trotz bereits gewährten subsidiären Schutzes auf Flüchtlingsanerkennung abzielen (siehe etwa Pressemitteilung des BayVGH v. 13.12.2016 -http://www.vgh.bayern.de/media/bayvgh/presse/pressemitteilung_aufstockungsklagen_syrer.pdf).
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Die drohende Verfolgungsgefahr nach § 3 Abs. 1 AsylG ergibt sich hier schon allein wegen der illegalen Ausreise sowie der Asylantragstellung und dem längerem Verbleib im westlichen Ausland.
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Insoweit ist es hier unerheblich, ob bereits vor der Einreise nach Deutschland bei der Ausreise aus Syrien eine Verfolgung vorlag oder unmittelbar drohte (sogenannte „Vorverfolgung“) und somit eine „Flucht“ aus dem Heimatland stattgefunden hat. Denn die für eine Flüchtlingsanerkennung erforderliche, „begründete Furcht“ vor einer - bei Rückkehr in den Heimatstaat drohenden „Verfolgung“, kann auch auf nach dem Verlassen des Heimatstaates eingetretenen Ereignissen oder vom Antragsteller an den Tag gelegten Aktivitäten beruhen (Art.5 Abs. 2 und 2 QRL, Erwägungsgrund zur QRL, Ziff. 25 [„refugie sur place“], § 28 Abs. 1a AsylG; Art. 1 A 2 GFK: „außerhalb des Landes“; in der früheren Rechtsprechung des BVerwG ist schon seinerzeit die aus einer („selbstverursachten“) illegalen Ausreise und Asylantragstellung im westlichen Ausland für jeden Iraker bei einer Rückkehr in den - wie Syrien - von der Baath-Partei totalitär beherrschten Irak resultierende Verfolgungsgefahr ohne Weiteres als asylerheblicher Nachfluchtgrund anerkannt worden, weil das in hohem unduldsame totalitäre Regime bereits für sich genommen belanglose Handlungen als Ausdruck fehlender Loyalität und abweichender politischer Gesinnung ansehe und wegen dieser latenten Gefährdungslage eine Asylantragstellung nicht rechtsmissbräuchlich sei: BVerwG, U. v. 15.7.1986 - 9 C 323/85 -, juris, Rn. 9, 11, 12).
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Was die die oben genannte Verfolgungsgefahr für zurückkehrende Syrer wegen illegaler Ausreise, Asylantragstellung und Aufenthalt im westlichen Ausland angeht, schließt sich das Gericht in vollem Umfang und nach eingehender eigenständiger Überprüfung den überzeugenden und ausführlich begründeten auf einer umfassenden Würdigung der vorliegenden Erkenntnisquellen beruhenden, öffentlich zugänglichen und der Beklagten bekannten Entscheidungen der 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Freiburg sowie des Verwaltungsgerichts Sigmaringen und des Verwaltungsgerichts Karlsruhe an, auf die hiermit vollinhaltlich verwiesen und Bezug genommen wird (VG Freiburg, U. v. 13.12.2016 - A 5 K 2096/16 -, juris, VG Sigmaringen, U. v. 23.11.2016 - A 5 K 1372/16 -, juris und VG Karlsruhe, U. v. 29.11.2016 - A 8 K 3877/16 -, juris; beide Entscheidungen sind nicht nur in juris sondern kostenlos und im Volltext auch über das Portal Landesrecht Baden-Württemberg Bürgerservice http://www.landesrecht-bw.de/jportal/portal/page/bsbawueprod.psml unter der Rubrik Rechtsprechung und Eingabe des Aktenzeichens abrufbar). Auf die vollständige oder auszugsweise Wiedergabe dieser Entscheidungen wird an dieser Stelle verzichtet.
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Sie gelangen im Wesentlichen zu folgendem Ergebnis:
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Syrern, die illegal aus Syrien ausgereist sind und sich längere Zeit im westlichen Ausland aufgehalten und dort einen Asylantrag gestellt haben, droht, selbst wenn sie vor ihrer Ausreise nicht individuell verfolgt waren, im Falle ihrer Rückkehr nach Syrien dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine menschenrechtswidrige Verfolgung durch den syrischen Staat in Form von Inhaftierung, Verhör unter Folter und Verschwindenlassen, die an ihre unterstellte illoyale, oppositionelle Gesinnung anknüpft bzw. der Aufklärung eines solchen Verdachts dient. Auch wenn es infolge fehlender Abschiebungen nach Syrien in den letzten Jahren praktisch kaum Erkenntnisse über das Schicksal von Syrern gegeben hat, die nach längerem Aufenthalt im westlichen Ausland nach Syrien zurückkehrten, lässt sich eine entsprechende Prognose auf die bisherigen Auskünfte über die routinemäßige, häufig mit Folter verbundene Befragung von Auslandsrückkehrern sowie insbesondere auf die Erkenntnisse über den allgemeinen totalitären, Menschenrechte missachtenden und pauschal überall Opposition vermutenden Charakter des syrischen Regimes sowie seiner Vorgehensweise gegenüber vermeintlich Verdächtigen, - auch Frauen, Kindern oder völlig Unbeteiligten - stützen. Eine freiwillige Rückkehr nach Syrien ist auf legalem Wege nicht möglich, ohne dass das Regime infolge seiner strengen Grenzkontrollen davon Kenntnis erlangt. Eine illegale Rückkehr ins Land kann nicht angesonnen werden und Gebiete, die nicht vom syrischen Regime kontrolliert würden, sind für Auslandsrückkehrer nicht legal bzw. gefährdungsfrei erreichbar.
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Ergänzend ist dem Folgendes hinzuzufügen:
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Auch die neuesten Auskünfte (zwei Auskünfte des Auswärtigen Amtes [AA], jeweils vom 02.01.2017 an das VG Düsseldorf zu dessen Aktenzeichen 5 K 7480/16.A bzw. 5 K 7221/16; Auskunft des AA v. 23.02.2017 an VGH Bad.-Württ.; Auskunft des Deutschen Orient Institutes [DOI] v. 01.02.2017 an VGH Kassel und v. 22.02.2017 an VGH Bad.-Württ.) geben keinen Anlass, von der oben dargestellten Gefahreneinschätzung abzuweichen.
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Nach wie vor ist eine Einreise für („freiwillige“) Rückkehrer auf dem Luftweg nur über den - schon immer von den Geheimdiensten des Regimes streng kontrollierten - Flughafen Damaskus und auch nur von wenigen arabischen Nachbarländern aus und auf dem Landweg von den Nachbarländern Syriens aus offiziell nur an einigen wenigen offenen Grenzübergängen möglich. Hinzukommt, dass bei Reisen durch Syrien selbst eine Reihe von Kontrollposten verschiedenster bewaffneter Akteure zu passieren sind. Eine legale, offizielle Einreise ist nur in die von der syrischen Regierung kontrollierten Gebiete von Libanon und Jordanien aus möglich. Die übrigen Gebiete, die etwa an den Irak oder die Türkei grenzen, sind nicht ungefährdet von außen zugänglich, da Grenzübergänge gesperrt sind oder die Gebiete mit wechselndem Frontverlauf Kampfzonen darstellen. Eine zumutbare - weil offiziell, legal und hinsichtlich anderer Gefährdungen (Krieg, Wegelagerer, Naturkatastrophen) gefährdungsfrei mögliche - freiwillige Rückkehr in den Heimatstaat, ggf. in dabei zu unterstellender Begleitung von Familienangehörigen, ist also nach wie vor überhaupt nur in Gebiete theoretisch vorstellbar, in denen das Assad-Regime Kontrolle ausübt (so schon damals zu den verschiedenen Rückkehr- und Einreisevarianten in den von den Syrern kontrollierten Libanon OVG NRW, U. v. 11.03.1992 - 4 A 10205/90 -, juris, Rn. 49 -53). Wie aktuell aufgrund der tagesaktuellen Berichterstattung als allgemein bekannt vorausgesetzt werden kann, steht das Assad-Regime - insbesondere infolge russischer Unterstützung - auch keineswegs kurz vor dem Untergang, sondern hat sich im Gegenteil wieder weiter stabilisiert.
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Eine solche freiwillige Rückkehrmöglichkeit ist bei der Gefahrenprognose im Asyl- und Flüchtlingsrecht hypothetisch in den Blick zu nehmen, insbesondere wenn sich durch eine freiwillige Rückkehr Verfolgungsgefahren vermeiden lassen, die im Falle der zwangsweisen Rückkehr als Abgeschobener infolge der damit verbundenen Vorabinformation und Kontakte zwischen Abschiebestaat und Zielstaat entstehen können (vgl. BVerwG, U. v. 29.05.2008 - 10 C 11.07 - juris, Rn. 19 und B. v. 21.02.2006 - 1 B 107.05 - juris, Rn. 4 sowie v. 15.04.1997 - 9 C 38.96 - juris, Rn. 27, U. v. 03.11.1992 - 9 C 21.92 - juris, Rn. 12 und U. v. 06.03.1990 - 9 C 14.89 -, juris, Rn. 13 - 15 ). Allerdings ist in der Rechtsprechung auch anerkannt, dass gegenüber einer freiwilligen Ausreise und Rückkehr eine Abschiebung eher den der Prognose hypothetisch zugrunde zu legenden Regelfall darstellt, weil regelmäßig aufnahmebereite Drittstaaten, Reisemöglichkeiten und finanzielle Mittel fehlen und unterstellt werden kann, dass niemand freiwillig in ein Gebiet reist, in dem ihm seiner Behauptung und subjektiven Einschätzung nach Folter und Misshandlung drohen. Zudem werden selbst durch eine freiwillige Rückkehr gar nicht notwendige Gefahren vermieden, wie sie sonst bei einer Abschiebung durch deren vorherige Ankündigung an den Zielstaat entstehen. Denn auch für eine freiwillige Rückkehr bedarf es häufig zunächst vorab der Besorgung gültiger Papiere bei der Auslandsvertretung des eigenen Heimatstaates, dem damit der konkrete - und mangels sonstiger ersichtlicher Aufenthaltszwecke regelmäßig auf einer Asylantragstellung beruhende - Aufenthalt des Rückkehrers im Aufnahmestaat bekannt wird (vgl. BVerfG, B. v. 07.11.1994 - 2 BvR 1375/94 - juris, Rn. 21 und VGH Bad.-Württ., B. v. 29.10.2013 - A 11 S 2046/13 - juris, Rn. 8).
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Vor allem aber genügt es bei einer Gefahrenprognose regelmäßig nicht, nur die Einreise über einen Flughafen oder zentralen Grenzkontrollpunkt in den Blick zu nehmen, sondern es sind auch verschiedene weitere potentielle Festnahmeszenarien zu prüfen, die sich auch danach noch auf der Weiterreise ins Landesinnere beim Passieren von Checkpoints an Straßen oder Busbahnhöfen oder Verkehrsknotenpunkten oder am Zielort selbst noch ergeben können (so ausdrücklich VGH Bad.-Württ., U. v. 29.11.1991 - A 16 S 1731/89 -, juris, Rn. 30 ff. seinerzeit zur Prognose bei Rückkehr in das - wie heute Syrien - bürgerkriegsumkämpfte Sri Lanka). Selbst wenn es also einem syrischen Auslandsrückkehrer gelingen mag, einen syrischen Grenzkontrollpunkt unkontrolliert oder zumindest unbehelligt zu passieren, weil hier - auch mit Blick auf eine möglicherweise große Zahl von Rückkehrern - nicht automatisch und ausnahmslos jeder syrische Auslandsrückkehrer verhaftet, befragt und gefoltert wird, ist damit eine Verfolgungsgefahr noch nicht überstanden oder gar dauerhaft gebannt, sondern kann sich auch noch bei den genannten nachfolgenden Kontrollen realisieren.
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Zwar liegen auch nach den oben genannten neuesten Auskünften nach wie vor keine Erkenntnisse über systematische Befragungen von Asylbewerbern nach Auslandsrückkehr und Verfolgungsmaßnahmen allein wegen Auslandsaufenthalts vor und eine verlässliche Aussage, ob nur in Einzelfällen oder eher auf breiter Ebene solche Maßnahmen erfolgen, wird für „nicht möglich“ gehalten. Andererseits wird hervorgehoben, dass die syrischen Sicherheitskräfte nach wie vor einem Freund-Feind-Schema-Denken folgen und ohne jegliche Beschränkungen und Kontrolle im rechtsfreien Raum nach Belieben agieren, wozu nach wie vor die Anwendung der Folter im Allgemeinen und in größerem Maßstab zählt.
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Auch soweit in der Auskunft des DOI (v. 22.02.2017 an VGH Bad.- Württ.) ausgeführt wird, eine „flächendeckende Erfassung“ syrischer (rückkehrender) Einreisender nach Syrien sei angesichts der nur noch eingeschränkt funktionsfähigen staatlichen syrischen Verwaltungsstrukturen „nicht realistisch“, weil eine einwandfrei funktionierende Verwaltung fehle, die auf Meldedatenbanken etc. zurückgreifen könne, gibt dies für die Annahme eines geringeren Maßes an Verfolgungswahrscheinlichkeit nichts her. Denn umso mehr steht zu erwarten, dass dann die Sicherheitskräfte bei Kontrollen (an der Grenze, an Checkpoints, aber auch in den vom Regime gehaltenen Städten und Ortschaften) entsprechende Informationslücken und Datenregisterdefizite durch direkte Befragungen (nach dem Woher und Wohin, nach Namen, bisheriger Herkunftsregion usw. - so DOI a.a.O.) zu ergänzen suchen, welche nach allen vorliegenden Berichten regelmäßig mit einem äußersten Maß an Brutalität durchgeführt werden, um den Fragen Nachdruck zu verleihen. Im Zuge solcher Befragungen aber, wie sie jederzeit und überall in Syrien an Checkpoints und im Alltagsleben vorkommen können, wird ein nach (womöglich bereits illegaler) Ausreise, Asylantragstellung im westlichen Ausland und längerem Aufenthalt dort zunächst (bis dahin noch unbemerkt) nach Syrien zurückgekehrter Syrer „früher oder später“ gezwungen sein, diese - seiner Biografie unumkehrbar anhaftenden - Umstände preiszugeben, was dann wiederum zu weiteren mit Folter gekoppelten Befragungsmaßnahmen führt, die der Aufklärung des daran anknüpfenden Verdachts der Regimegegnerschaft dienen (vgl. dazu, dass es für eine wohlbegründete Verfolgungsfurcht ausreicht, wenn ein Antragsteller aufgrund seiner politischen Biografie „früher oder später“ mit den Heimatbehörden in Konflikt geraten wird, UNHCR, Handbuch der Flüchtlingsanerkennung, Genf, Dezember 2011, dt. Version 2013, Ziff. 83, http://www.unhcr.de/fileadmin/rechtsinfos/fluechtlingsrecht/1_international/1_1_voelkerrecht/ 1_1_2/FR_int_vr_handb-Hand buch.pdf).
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Der jüngste Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe (SFH v. 2193.2017: Syrien-Rückkehr) bestätigt aufgrund vieler Detailinformationen umfassend das oben dargestellte Bild und kommt zum Ergebnis, dass die Furcht eines jeden aus dem westlichen Exil zurückkehrenden Syrers vor Verhaftung und Misshandlung durch das Regime aufgrund vieler konkreter Anhaltspunkte für das Verhalten der neben ihrer politischen Ausrichtung auch durch Profitgier (Erpressung, Lösegelder) motivierten Sicherheitskräfte eine wohlbegründete Basis hat (zu der auch ökonomischen Triebfeder des syrischen politischen Verfolgungsapparats detailliert auch Stefan Gassel, „Sieg auf Trümmern“ in der Zeitschrift „stern“ vom 08.12.2016, S.63).
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In diesem Zusammenhang ist es nach Ansicht des Gerichts auch von Bedeutung, dass dem syrischen Geheimdienst, der nach allen in den oben genannten Urteilen zitierten Auskünften durchaus auch die Szene der in Westeuropa um Asyl nachsuchenden Syrer ausspioniert, nicht entgangen sein kann, dass ein jeder Syrer (ausweislich der dem Gericht aus den zahlreichen Asylverfahren vorliegenden Anhörungsprotokollen) regelmäßig beim Bundesamt auch danach befragt wird, ob und inwieweit er Angaben zu vor der Ausreise womöglich von ihm beobachteten Kriegsverbrechen machen kann. Vor diesem Hintergrund aber, wird sich den Mitarbeitern der insgesamt siebzehn verschiedenen Geheimdienste, auf die das Assad Regime seine Macht stützt und die schon infolge dieser Konkurrenzsituation unter dem Druck stehen, durch entsprechende „Fahndungserfolge“ ihre Existenz zu legitimieren, die Frage geradezu aufdrängen, was der betreffende Syrer bei seiner Anhörung in Deutschland auf diese Frage womöglich geantwortet hat. Entsprechende Befragungen werden daher auch darauf abzielen, mögliche das Regime belastende Zeugen oder auch nur einer solchen Zeugenschaft potentiell verdächtige Auslandsrückkehrer ausfindig zu machen, um durch deren Neutralisierung sicherzustellen, dass die mittlerweile vielfachen Bestrebungen erschwert oder verhindert werden, Material für Anklagen gegen Vertreter des Regimes zu sammeln, um sie so eines Tages womöglich der von ihnen verübten Kriegsverbrechen und Menschheitsverbrechen anklagen zu können (vgl. zu den Bestrebungen der internationalen Strafverfolgung der syrischen Kriegsverbrechen Human Rights Watch (HRW) vom 20.10.2016: „Verfolgung von Kriegsverbrechen in Europa“ - Kurzzusammenfassung https://www.hrw.org/de/news/2016/10/20/verfolgung-von-kriegsverbrechen-europa; Human Rights Watch (HRW) vom 20.10.2016: „Fragen und Antworten: Straflosigkeit in Syrien und Irak beginnt zu bröckeln“ - 23-seitige Dokumentation über die Verfolgung von Kriegsverbrechern aus Syrien in westeuropäischen Ländern -https://www.hrw.org/de/news/2016/10/20/ fragen-und-antworten-straflosigkeit-syrien-und-im-irak-beginnt-zu-broeckeln; Europäischer Rat - Rat der Europäischen Union vom 16.03.2015: „Schlussfolgerungen des Rates zur EU-Regionalstrategie für Syrien und Irak“, Ziff.13, 19, 20: „brutaler Krieg des Assad-Regimes gegen das eigene Volk, massive Menschenrechtsverletzungen“, Sanktionen gegen das Assad-Regime und seine Unterstützter, EU-Sanktions-Liste von Personen und Einrichtungen im März 2015 um weitere 13 Eintragungen erweitert, Aufruf der EU an UN Sicherheitsrat, den Internationalen Strafgerichtshof mit Lage in Syrien zu befassen - http://data.consilium.eu ro pa.eudoc/document/ST-7267-2015-INIT/de/pdf; siehe auch: Der Tagesspiegel v. 02.03.2017, „Kriegsverbrechen in Syrien - Strafanzeigen gegen Assads Handlanger“ über die Einleitung von Strafverfahren in Deutschland - unter www.tagesspiegel.de und FAZ v. 02.03.2017 „Zugriff in Düsseldorf - Mutmaßlicher syrischer Kriegsverbrecher festgenommen“ - unter www.faz.net).
37 
Soweit demgegenüber in der bisher veröffentlichten obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. BayVGH, U. v. 12.12.2016 - 21 B 16.30338 -, juris, Rn. 61; OVG NRW, U. v. 21.02.2017 - 14 A 2316/16.A -, juris, Rn. 31 - 49; OVG SLH, U. v. 23.11.2016 - 3 LB 17/16 -, juris, Rn. 37; OVG RP, U. v. 16.12.2016 - 1 A 10922/16 -, juris, Rn. 16) eine Syrerin allein wegen ihres Auslandsaufenthalts im westlichen Ausland und der dortigen Asylantragstellung drohende Gefahr einer auf unterstellte abweichende politische Gesinnung zielenden Verfolgung im Wesentlichen unter Hinweis darauf verneint wird, dass belastbares Zahlenmaterial und Referenzfälle fehlten und dass nach der allgemeinen Lebenserfahrung wegen der großen Zahl der diese Kriterien erfüllenden Syrer dem Assad Regime nicht pauschal unterstellt werden könne, es verdächtige ernsthaft jeden einzelnen von ihnen einer regimefeindlichen Einstellung, vermag das Gericht dem nicht zu folgen. Gibt es keine Referenzfälle, weil es mangels einer vorhandenen Abschiebepraxis bzw. nennenswerten Zahl freiwilliger Rückkehrer aus dem westlichen Ausland (zur Praxis gegenüber nur aus den direkt angrenzenden Nachbarländern Syriens Zurückkehrenden BayVGH, U. v. 12.12.2016 - 21 B 16.30338 -, juris, Rn. 85 m.w.Nw.) an relevantem Fallmaterial fehlt, so rechtfertigt dies nicht einfach eine Ablehnung einer Flüchtlingsanerkennung, was zu einer Abschiebung und damit verbunden gewissermaßen zur Durchführung eines „Lebendversuchs“ führen würde, sondern es ist vielmehr ausgehend von dem Gesamtcharakter des Regimes eine auf dessen Strukturmerkmale und Verhaltensmuster abstellende Gefahrenprognose anzustellen (so ausdrücklich VGH Bad.-Württ., U. v. 29.11.1991 - A 16 S 1731/98 -, juris, Rn. 55 zur Rückkehrergefährdung in Sri Lanka), die hier angesichts des syrischen Regimes mit seinen mannigfachen Übergriffen selbst auf erkennbar Unverdächtige und Schuldlose (durch Fassbomben, Übergriffe auf Zivilisten, Sippenhaft, Folter an Kindern und Greisen, willkürliches Verschwindenlassen eher zufällig Festgenommener etc.) nur zugunsten der Schutzsuchenden ausgehen kann. Denn in Fällen, in denen keine weiteren erfolgversprechenden Ermittlungsansätze mehr zur Verfügung stehen und sich etwa Zahlen und Relationswerte für eine Verfolgungsprognose schlichtweg nicht ermitteln lassen, ist eine Prognose aufgrund einer wertenden Betrachtung geboten, die auch das Gewicht der betroffenen Rechtsgüter (Gefahren für Leib und Leben durch Folter, Misshandlung oder Tötung) in den Blick nimmt und an die Annahme einer Verfolgungswahrscheinlichkeit keine überspannten, sondern entsprechend herabgestufte Anforderungen stellt und berücksichtigt, dass faktische Grenzen der Ermittlungsmöglichkeiten nicht zwangsläufig zu Lasten des Schutzsuchenden gehen dürfen, sondern es im Interesse eines wirksamen und menschenrechtsfreundlichen Flüchtlingsschutzes und des unionsrechtlichen Grundsatzes des „effet utile“ zugunsten des Schutzsuchenden bei dieser nicht mehr weiteren Aufklärbarkeit bewenden lässt, wenn sich für eine Gefahrenprognose aus anderen Umständen noch eine nicht völlig realitätsferne, rein hypothetische, sondern plausible Schlussfolgerung ableiten lässt (so ausdrücklich VGH Bad.-Württ., U. v. 12.06.2013 - A 11 S 757/13 -, juris, Rn. 24, 63, 108, 115, 116 [118]).
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Solche Umstände sind hier aber nach wie vor gegeben. Der jüngste (nach Abschluss der Untersuchungen im Dezember 2016 am Anfang des Jahres 2017 veröffentlichte) Bericht von amnesty international über tausende, völlig willkürliche summarische Hinrichtungen in den Gefängnissen des Regimes deckt zwar nur den Zeitraum 2011 bis 2015 ab, weist aber darauf hin, dass jeder Anhaltspunkt dafür fehle, diese Praxis könne mittlerweile überholt sein („Human Slaughterhouse - Masshangings and Extermination in Saydnay Prison, Syria“, 2017, S. 6, als Volltext unter https://www. amnesty.org/en/documents/mde24/5415/2017/en/).
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Einer der wenigen Berichte aus Syrien selbst (siehe den Artikel des deutschen Journalisten Stefan Gassel, „Sieg auf Trümmern“ in der Zeitschrift „stern“ vom 08.12.2016, S.63) verdeutlicht, dass das syrische Regime nach wie vor einem krassen Freund-Feind-Denken verhaftet ist. Selbst zweieinhalb Jahre nach der Eroberung von Homs lebten die Menschen dort, „ganz gleich ob Assad-Gegner oder Assad-Anhänger“ in ständiger Angst, würden dauernd von Sicherheitskräften an Checkpoints durchsucht und kontrolliert. In Homs gebe es von der Regierung verordnete staatliche Seminare, in denen Bürger „zivilen Frieden“ wieder erlernen sollten. Wer nicht teilnehme, mache sich als Staatsfeind verdächtig.
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Im Übrigen zeigen die detaillierten, aktuellen und regelmäßigen Hintergrundbericht der „Stiftung Wissenschaft und Politik“ - SWP (unter https://www.swp-berlin.org/suchergebnisse/?q=syrien), dass das Regime nach wie vor mit aller Härte gegen jeglichen auch nur vermeintlich illoyalen Bürger vorgeht.
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In einem Interview Assads mit der „Komsomolskaja Prawda“ v. 14.10.2016 (Volltext unter - http://www.neopresse.com/politik/naherosten/praesident-assad-im-interview-mit-der-prawda/) legt dieser ausführlich dar, dass er sich überall von Terroristen umzingelt und angegriffen sieht und insbesondere glaubt, einer Verschwörung des Westens ausgesetzt zu sein. Aus Europa würden junge Muslime als Terroristen nach Syrien geschickt. Es gelte, sie körperlich zu vernichten. Auch solche Äußerungen des ranghöchsten Vertreters eines Regimes können einen Anhaltspunkt dafür darstellen, wie voraussichtlich ein Regime eigenen Staatsangehörigen begegnet, die aus dem westlichen Ausland zurückkehren, nämlich mit Misstrauen (für die Verwertung der Äußerungen eines Ministers im Hinblick auf eine Gefahreneinschätzung etwa VGH Bad.-Württ., U. v. 12.06.2013 - A 11 S 757/13 -, juris, Rn. 111).
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Dass der Charakter eines Regimes für die Frage der Gefahr einer Verfolgung und ihre auf (vermeintliche) Gegnerschaft gerichteten Zielrichtung relevant ist, hat das Bundesverwaltungsgericht schon früher zu dem (seinerzeit gleichfalls von der Baath-Partei totalitär beherrschten) an Syrien angrenzenden Nachbarland Irak entschieden, nämlich ausgeführt, aus der illegalen Ausreise und der Asylantragstellung im westlichen Ausland resultiere eine Gefahr einer politischen Verfolgung, weil das in hohem unduldsame, einseitig ideologisch beherrschte totalitäre Regime bereits für sich genommen belanglose Handlungen als Ausdruck fehlender Loyalität und abweichender politischer Gesinnung ansehe und wegen dieser latenten Gefährdungslage eine Asylantragstellung nicht rechtsmissbräuchlich sei: BVerwG, U. v. 15.7.1986 - 9 C 323/85 -, juris, Rn. 9, 11, 12).
43 
Der jüngste Bericht der SFH (v. 21.03.2017 - Syrien: Rückkehr) bestätigt das Bild eines Systems rücksichtsloser institutionalisierter Gewalt. Die Syrien-Expertin und Journalistin, Helberg, hat diesen Charakter des alle Bereiche und Institutionen des Landes bis in den letzten Winkel durchdringenden, auf systematischer Gewalt aufgebauten Assad Regimes in ihren Berichten immer wieder beschrieben (zuletzt Beitrag in der Sendung „Hart aber fair“ - am 11.04.2017; siehe ferner http://www.kristinhelberg.de/ und Helberg, Brennpunkt Syrien - Einblicke in ein verschlossenes Land, 2.Aufl. 2014, insbes. Kapitel 8 und 3).
44 
Die Länderinformation zu Syrien des Österreichischen Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (Stand 5.1.2017) kommt ebenfalls aufgrund zahlreicher Quellen zum Ergebnis, dass Rückkehrern, die im Ausland einen Asylantrag gestellt haben, willkürliche Verhaftung und Folter drohen (a.a.O., Ziff. 18), dass eine große Zahl von Checkpoints das Land übersät (Ziff.14) und das Sippenhaft praktiziert wird (Ziff.13).
45 
Das ergibt sich auch aus der Herkunftslandinformation Syrien des UNCHR vom Februar 2017 (dt. Version: April 2017) (dort unter II. , S. 5).
46 
2. Im Falle der Kläger treten zu dieser allgemeinen Feststellung individuelle gefahrerhöhende Umstände hinzu.
47 
In seinen aktuellen Erwägungen zum Schutzbedarf hat der UNHCR Risikoprofile beschrieben, bei deren Erfüllung die betreffende Person wahrscheinlich internationalen Schutz im Sinne der Genfer Konvention benötige (UNHCR International Protection Considerations with Regard to People Fleeing the Syrian Arab Republic, S. 22). So drohe eine asylrelevante Verfolgung unter anderem Personen, die Mitglied religiöser Gruppen seien, aber auch Wehrdienstverweigerern und Deserteuren der Streitkräfte der Regierung. Nach den der Kammer vorliegenden Erkenntnisquellen (US State Department, Country Report on Human Rights Practices for 2015,; SFH, Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015,., S. 26; Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 10.09.2015 zu Syrien: Reflexverfolgung; UNHCR International Protection Considerations with Regard to People Fleeing the Syrian Arab Republic) werden auch Familienangehörige politisch Verfolgter, und dabei insbesondere Frauen und Kinder, zum Ziel von Vergeltungsaktionen. Dabei kommt es zu willkürlichen Festnahmen, Isolationshaft, Folter und anderen Misshandlungen, sexueller Gewalt, sowie standrechtlichen Hinrichtungen (vgl. hierzu ausführlich VG Sigmaringen, Urt. v. 23.11.2016 - A 5 K 1495/16 -, juris).
48 
Im Hinblick hierauf ist von Bedeutung, dass die Kläger bei einer Rückkehr mit einer individuell erhöhten Wahrscheinlichkeit Gefahr laufen, von den syrischen Sicherheitskräften als Regimegegner angesehen und verfolgt zu werden.
49 
Denn die Kläger sind als Sunniten Mitglieder einer Glaubensgemeinschaft, die in Syrien den größten Teil der Regimegegner ausmacht (Wissenschaftlicher Dienst des Bundestags, Zur Situation religiöser Minderheiten in Irak und Syrien, 2016, S. 14 f). Die Zugehörigkeit zu dieser - wenngleich in Syrien die Mehrheit bildende - religiösen Gruppe führt auch der UNHCR ausdrücklich als weiter gefahrerhöhend an.
50 
Zudem stammen die Kläger aus einem Vorort von Damaskus (Jdeidet Al-Fadel) , der offenbar 2013 teilweise von Rebellen gehalten worden ist, die sich schwere Kämpfe mit Regierungstruppen geliefert haben, und dessen zivile Einwohner der syrische Staat, wie seine wahllosen Flächenbombardierungen u.a. mit Fassbomben auf zahlreiche eindeutig nur zivile Wohngebiete zeigen, pauschal und ohne jede Rücksicht der Gegnerschaft zum Regime verdächtigt und sie deshalb auszumerzen sucht (vgl. https://www.theglobeandmail.com/ news/world/syria-live/how-a-damascus-suburb-turned-into-a-killing-zone/article11494205/). Die syrische Regierung unterstellt den Einwohner von umkämpften Gemeinden allein wegen ihrer physischen Präsenz dort pauschal eine oppositionelle Gesinnung und „bestraft“ sie dafür systematisch und gezielt gegen die Zivilbevölkerung gerichteten Luftangriffen, Beschießungen, Belagerungen, Artilleriebeschuss, Aushungern, Verhaftungen, usw. (so ausführlich und detailliert UNHCR, Herkunftslandinformation Syrien vom Februar 2017 [dt. Version: April 2017], IV. 1. S. 15 -29). Die Verwandten und Nachbarn der Kläger wurden getötet. Ihr Haus wurde beschossen. Sie mussten sich wegen der Scharfschützen des Regimes als Zivilisten verstecken. Verfolgung haben sie mithin schon erlitten. Insofern hat der syrische Staat genau besehen bereits vor der Ausreise der Kläger (und vielen anderen gegenüber) im Gewande des Bürgerkriegs und unter dem Deckmantel der Bekämpfung bewaffneter Aufständischer bereits eine politische Verfolgung betrieben (vgl. dazu BVerfG, B. v. 10.7.1989 - 2 BvR 502/86 -, juris, Rn. 56). Das stellt gem. Art. 4 Abs. 4 QRL einen Umstand dar, der eine beachtliche Gefahr der Wiederholung einer solchen Verfolgung indiziert, da die Beklagte bisher keine stichhaltigen Gründe dafür vorgetragen hat, dass eine solche Wiederholungsgefahr ausgeschlossen wäre.
51 
Darüber hinaus ist sind die Kläger als Turkmenen Mitglieder einer ethnischen Minderheit. Diese Zugehörigkeit stuft der UNHCR ebenfalls als gefahrerhöhend ein (UNHCR International Protection Considerations with Regard to People Fleeing the Syrian Arab Republic, a. a. O. S. 23).
52 
3. Der Klägerin Ziff. 1 und dem minderjährigen - heute 8 Jahre alten - Kläger Ziff.2 droht ungeachtet der oben unter 1. und 2. dargestellten Gefahren, im Falle ihrer Rückkehr, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung gem. § 3 Abs. 1 AsylG auch schon deshalb, weil ihnen zwar möglicherweise nicht bereits selbst eine eigene abweichende politische Gesinnung oder Regimefeindlichkeit auch nur unterstellt werden wird (§ 3 b Abs. 2 AsylG), weil sie aber als enge Familienangehörige von Kriegsdienstverweigerern bzw. als regimefeindlich auch nur Verdächtigten (hier der Ehemann/Vater der Klägerin Ziff.1/des Klägers Ziff. 2, sowie ihre im westlichen Ausland befindlichen volljährigen Söhne/Brüder) ernsthaft Gefahr laufen, in Sippenhaft, (oder nach heutigem moderneren Sprachgebrauch: „Reflexverfolgung“) d.h. stellvertretend für diese durch Verfolgungsmaßnahmen in Anspruch genommen zu werden, nämlich inhaftiert, misshandelt oder gefoltert zu werden, um entweder von ihnen Informationen über deren Verbleib zu erzwingen, oder aber, um dadurch Druck auf die eigentlich der Regimefeindlichkeit verdächtigten oder als Kriegsdienstverweigerer gesuchten Familienangehörigen auszuüben, sich zu stellen bzw. für das Regime zu kämpfen oder aber schließlich, um diese dadurch mittelbar für ihre Regimefeindlichkeit/ Kriegsdienstverweigerung zu bestrafen.
53 
Auf die Frage, inwieweit sie - etwa infolge ihrer Minderjährigkeit - womöglich gar nicht in der Lage sind, überhaupt eine abweichende politische Einstellung haben, die ihnen vom Regime auch nur unterstellt werden könnte, oder ob sie überhaupt über Informationen verfügen, deren Kenntnis ihnen unterstellt und abgepresst werden könnte, kommt es in diesem Zusammenhang nicht zwingend an. Vielmehr erweist sich schon ihre drohende Inanspruchnahme als Geisel/Druckmittel bzw. als stellvertretendes Bestrafungsobjekt jedenfalls deshalb als flüchtlingsrechtlich relevant, weil sie damit als Angehörige einer „sozialen Gruppe“, nämlich nur deshalb verfolgt werden, weil sie das unverfügbare, unverzichtbare bzw. hinsichtlich der Kinder sogar angeborene persönliche Merkmal einer Verwandtschaft/familiären Verbundenheit mit dem eigentlich als Regimefeind oder Kriegsdienstverweigerer gesuchten Familienangehörigen aufweisen (§ 3 b Abs. 1 Nr. 4 a AsylG; so ausdrücklich VG Berlin, U. v. 7.7.2011 - 33 K 79.10.A -, juris, Rn. 50; siehe dazu, dass die Gefahr einer stellvertretenden Inanspruchnahme als Geisel usw. anstelle des eigentlich politisch Verfolgten und Gesuchten ihrerseits gegenüber dem als Geisel genommenen Familienangehörigen eine eigene politische Verfolgung im Sinne des Asylgrundrechts aus Art. 16a Abs. 1 GG darstellt, schon BVerfG, Beschl. v. 22.11.1996 - 2 BvR 1753/96 - AuAS 1997, 6; siehe auch BVerfG, B. v. 19.12.1984 - 2 BvR 1517/84 -, juris = NVwZ 1985, 260).
54 
Für eine solche eigene Verfolgung von engen Familienangehörigen politisch Verfolgter spricht bereits eine (widerlegliche) Regelvermutung. Das ist nicht nur hinsichtlich einer politischen Verfolgung im Sinne des Art. 16a Abs. 1 GG in der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt (BVerwG, U. v. 27.4.1982 - 9 C 1070/81 -, juris, Rn., 13, 14 und U. v. 2.7.1985 - 9 C 35/84 -, juris, Rn. 7, 10 sowie U. v. 13.1.1987 - 9 C 53.86 -,juris= NVwZ 1987, 505, m.w.N und U. v. 26.4.1988 - 9 C 28/86 -, juris, Rn.5 -10), sondern wird auch im Rahmen des Unionsrecht, nämlich der Qualifikationsrichtlinie (QRL), anerkannt, die in ihrem Erwägungsgrund Ziff. 36 ausführt: „Familienangehörige sind allein aufgrund der Tatsache, dass sie mit dem Flüchtling verwandt sind, in der Regel gefährdet, in einer Art und Weise verfolgt zu werden, dass ein Grund für die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus gegeben sein kann“.
55 
Diese Regelvermutung beruht nach der genannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts darauf, dass „unduldsame Staaten dazu neigen, anstelle des politischen Gegners, dessen sie nicht habhaft werden können, auf ihnen besonders nahestehende und von ihnen abhängige Personen zurückzugreifen und sie gewissermaßen stellvertretend oder zusätzlich für den Hauptadressaten von Verfolgungsmaßnahmen in Anspruch zu nehmen. Zu diesem potentiell besonders gefährdeten Personenkreis gehören minderjährige Kinder politisch Verfolgter sowie deren Ehegatten. Sind Fälle festgestellt worden, in denen der Verfolgerstaat den Ehegatten oder minderjährige Kinder politisch Verfolgter asylrechtlich relevanten Verfolgungsmaßnahmen unterworfen hat, greift eine aus dem Schutzgedanken des Art. 16a Abs. 1 GG folgende Vermutung dafür ein, dass auch demjenigen Ehegatten oder Kind, über dessen Asylantrag zu entscheiden ist, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit das gleiche Schicksal droht, ohne dass in einem solchen Fall weiter geprüft und bewiesen werden müsste, ob die festgestellten Verfolgungsfälle Ausdruck einer allgemeinen Praxis des Verfolgerstaates sind und auch und gerade im konkreten Fall erwartet werden müssen oder ob die ihnen zugrundeliegenden Umstände zwingende Rückschlüsse auf die eigene Verfolgungsgefahr desjenigen gestatten, der sich auf sie als Vergleichsfälle beruft“ (vgl. zu alldem auch VG Freiburg, U. v. 20.01.2017 - A 5 K 1903/16).
56 
Diese Rechtsprechung zur Regelvermutung ist nicht dadurch überholt, dass einfachgesetzlich engen Familienangehörige (Ehegatten, minderjährige ledige Kinder) eines Flüchtlings in § 26 AsylG Abs. 1 bis 3 , Abs. 5 S. 1 und S. 2 AsylG ohne weitere Voraussetzungen der (Familien-) Flüchtlingsstatus eingeräumt wird.
57 
Denn dies gilt nur unter der Voraussetzung, dass dem Stammberechtigten, von dem das Familienmitglied seinen Familienflüchtlingsstatus ableitet, unanfechtbar die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, so dass in diesem Fall nicht auf die Regelvermutung zurückgegriffen werden muss, um dem betreffenden Familienmitglied den Flüchtlingsstatus gewähren zu können. Die Regelung des § 26 soll zwar nach dem Willen des Gesetzgebers (vgl. BT-Drs. v. 15.4.2013 - 17/13063, S. 11, 21) unter anderem auch der Tatsache Rechnung getragen werden, „dass bei Familienangehörigen häufig eine vergleichbare Bedrohungslage wie beim Stammberechtigten vorliegen wird“, sie dient aber vor allem dazu, zur erleichterten Rechtsanwendung ohne die Voraussetzung des Nachweises oder zumindest einer Vermutung einer eigenen politischen Verfolgung den Familienmitgliedern einen gleichen Rechtsstatus einzuräumen und die insoweit auch aus Art. 23 Abs. 2 QRL erwachsende unionsrechtliche Verpflichtung zu erfüllen, die ihrem klaren Wortlaut nach überhaupt nur dann eingreift, wenn diese Familienmitglieder „selbst nicht die Voraussetzungen für die Gewährung dieses Schutzes erfüllen“. Insofern wollte der Gesetzgeber zur Vereinfachung der Verwaltungs- und Rechtssprechungspraxis die Möglichkeit eröffnen, von einer u.U. schwierigen Prüfung eigener Verfolgungsgründe der Familienmitglieder absehen und diesen unabhängig davon den Flüchtlingsstatus gewähren zu können (vgl. Bodenbender in: GK-AsylG, Rn. 6 zu § 26 AsylG, unter Verweis auf BT-Drucks. 11/6960, S. 29 ff.). Es handelt sich mithin um eine, von einer eigenen Verfolgung oder einer zumindest dafür sprechenden Regelvermutung einer solchen Verfolgung unabhängige, einfachgesetzliche, weder durch Art. 16a Abs. 1 GG noch durch die GFK gebotene Vergünstigung (vgl. Bodenbender, a.a.O., Rn. 16 - 18 [12 ]). Diese erst nach der (im vorliegenden Fall aktuelle fehlenden) unanfechtbarer Anerkennung des Stammberechtigten eingreifende Möglichkeit einer Statusgewährung müssen sich die Kläger, die sich im vorliegenden Verfahren aktuell auf eine ihnen im Wege der Sippenhaft selbst bereits drohende Verfolgung berufen, nicht entgegenhalten lassen, sondern können bereits aktuell eine Prüfung dieser abgeleiteten eigenen Verfolgungsgründe und bejahendenfalls eine daran anknüpfende Zuerkennung eines eigenen Flüchtlingsstatus unabhängig von den Voraussetzungen des § 26 AsylG beanspruchen (so auch VG Sigmaringen, U. v. 23.11.2016 - A 5 K 1495/16 -, juris, Rn. 115 unter Verweis auf VGH Bad.-Württ., U. v. 27.6.1995 - A 14 S 1686/94 -, juris; ebenso auch VG Göttingen, U. v. 22. 3.2017 - 3 A 25/17 -, juris, Rn. 150).
58 
Die genannten Voraussetzungen für die Regelvermutung zugunsten einer - mithin ohne Rücksicht auf die ungeachtet der Regelung des § 26 AsylG selbständig zu prüfenden - eigenen Verfolgungsgefahr für Familienangehörige sind hier erfüllt. Aus den vorstehenden Ausführungen zur Lage in Syrien, die durch einen andauernden Bürgerkrieg und durch ein um seinen Machterhalt mit allen Mitteln kämpfendes Regime gekennzeichnet ist, ergibt sich ohne weiteres, dass Syrien ein „unduldsamer Staat“ im oben genannten Sinn ist. Darüber hinaus sind nicht nur einzelne Fälle von Verfolgung der Angehörigen politisch Verfolgter bekannt geworden, sondern nach der Auskunftslage ist die Verfolgung von Angehörigen, Frauen und Kindern durch das Assad-Regime eine in Syrien geradezu weitverbreitete häufige Praxis. Diese erstreckt sich sogar auf Kleinkinder und - wenn es etwa um die pauschale Auslöschung aller Menschen in einem wegen der vermeintlichen oder gegebenen Regimefeindlichkeit seiner Bewohner angegriffenen Stadtviertel geht - unter Umständen sogar auf Säuglinge. Auch sonst ist den Berichten zu entnehmen, dass das Regime ganz offensichtlich keine Altersgrenzen kennt, was nicht verwundert, da sich insbesondere Kleinkinder besonders wegen ihrer besonderen Schutzbedürftigkeit (aus Sicht eines grausamen und mit allen verbrecherischen Mitteln agierenden Gewaltstaates wie dem Syrischen) „besonders gut als Druckmittel im Rahmen einer gegen die Eltern gerichteten Verfolgung „eignen“. Insoweit schließt sich das Gericht insbesondere den ausführlichen und überzeugenden Ausführungen an, die das Verwaltungsgericht Sigmaringen in seiner o.g. Entscheidung dazu aufgrund der Analyse der Quellenlage gemacht hat, aber auch der übrigen jüngeren insoweit stattgebenden Rechtsprechung weiterer Verwaltungsgerichte (VG Sigmaringen, U. v. 23.11.2016 - a % K 1495/16 -, juris, Rn. 115 - 120 zur Annahme einer Verfolgungsgefahr auch für sogar nur 5-jährige bzw. 12- oder 13-jährige Kläger; ausdrücklich im Anschluss an diese Entscheidung ebenso - bezüglich 7-,bzw. 8-jähriger Kläger - auch VG Göttingen, U. v. 22. 3.2017 - 3 A 25/17 -, juris, Rn. 150 - 162 unter Auswertung weiter, noch aktuellerer Erkenntnisquellen; VG Münster, U. v. 8.3.2017 - 8a K 3540/16.A -, juris, Rn. 87 - 90; VG Oldenburg, U. v. 20.2.2017 - 2 A 6163/16 -, juris, Rn. 25 unter ausdrücklicher Aufgabe seiner bisherigen, eine Sippenhaft jedenfalls für Kinder bis zum Alter von 11-Jahren ausschließenden Rechtsprechung; a.A. VG Braunschweig, U. v. 27.3.2017 - 9 A 479/16 -, juris, Rn. 75, 76: keine Reflexverfolgung für Angehörige von Deserteuren).
59 
Das Gericht sieht sich insoweit auch durch die eigene Auswertung der Quellenlage in dieser Einschätzung bestätigt (vgl. Eva Maria Kröger, Artikel in: Welt/N24, v. 8.8.2016:- https://www.welt.de/politik/ausland/article157531501/Nicht-alle-Frauen-werden-vergewaltigt-Aber-alle-gefoltert.html: Unter Bezugnahme auf ihr Interview mit Joumana Seif, Juristin und Gründerin des „Syrian Networks for Womens Rights“ sowie mit der Menschenrechtsaktivistin Sema Nasser, die 4.000 Fälle verhafteter syrischer Frauen dokumentiert hat, berichtet die Journalistin Eva Maria Kröger davon, dass das syrische Regime seit Beginn des Krieges 2011 mindestens 200.000 Männer, Frauen und Kinder, darunter schätzungsweise 50.000 Frauen verhaftet hat. Das sind nach Schätzungen der Womens League International for Peace and Freedom 14 mal mehr Frauen, als in der Gewalt des IS. Auch die Frauen werden in den Gefängnissen gefoltert und gezielt und massiv sexueller Gewalt unterworfen und vergewaltigt. Diese Gewalt zähle zu den Pfeilern der Macht des Assad-Regimes. Frauen werden nicht nur verhaftet, um von ihnen als Mütter/Schwestern/Töchter/Ehefrauen von Oppositionellen oder der Opposition auch nur verdächtigten Männern Informationen zu erpressen oder um Druck auf die Männer auszuüben oder diese mittelbar zu bestrafen, sondern geraten auch völlig willkürlich an Straßencheckpoints in Kontrollen, die mit Verhaftung enden, oder werden infolge von Verwechslungen verhaftet, oder dann, wenn sie sich bei Sicherheitskräften nach dem Schicksal anderer Personen erkundigen, oder humanitäre Hilfe leisten; Human Rights Watch (HRW) vom 3.7.2014, „Syrien: Auswirkungen des Krieges auf Frauen“, www.hrw. org/de/news/2014/07/03/syrien-auswirkungen-des-krieges-auf-frauen:unter Verweis auf einen Link zu einem 47-seitigen Bericht: „We are still here: Women on the Front Line of Syrias Conflict“ bestätigt HRW die Verfolgung von Frauen durch das syrische Regime, sie würden „willkürlich“ verhaftet, als Angehörige männlicher Verdächtiger gefoltert, bzw. häufig auch schon dann, wenn sie nur humanitäre Hilfe leisteten; Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic vom 3.2.2016 (A/HRC(31/CRP.1): Vom Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen eingesetzte „Unabhängige Internationalen Untersuchungskommission zu Syrien“ - 25-seitiger englischer Untersuchungsbericht „Out of Sight, out of Mind: Deaths in Detention in the Syrian Arab Repbulic“. http://www.ohchr.org/EN/HRBodies/HRC/IICISyria/Pages/Independent International Commission.aspx , dort Link zu dem Bericht vom 22.2.2016 bzw. direkt der Bericht unter: http://www.ohchr.org/Documents/HRBodies/HRCouncil/CoISyria/A-HRC-31-68.pdf: Dieser Bericht deckt den Zeitraum von 10.2.2011 bis 30.11.2015 ab, beruht auf 621 Interviews und umfangreichem Dokumentarmaterial. Danach gibt es ein landesweites (auch abseits der Schlachtfelder) weit verbreitetes Muster der willkürlichen Gewalt des syrischen Regimes gegenüber Zivilisten, hauptsächlich männlichen, über 15 Jahre alten, aber auch gegenüber Frauen, Kindern, Greisen. Diese werden alle ausnahmslos brutal gefoltert oder willkürlich getötet bei Massenverhaftungen, Hausdurchsuchungen, an Checkpoints und in Krankenhäusern. Die Verhaftungen zielen auf Zivilisten, denen man entweder „Unterstützung der Opposition“ unterstellt oder „mangelnde Loyalität zum Regime“, aber auch auf die bloßen Bewohner von Oppositionellen kontrollierter Gebiete, Familienangehörige Verdächtigter, „Sympathisanten des Aufstandes“.(Ziff. 17,18 des Berichts).Kinder (sogar erst 7 Jahre oder 13 Jahre) zählen dabei ebenso zu den Folteropfern/Tötungsopfern wie Frauen oder Alte (Ziff. 22 des Berichts).Der Bericht listet detailliert die beteiligten syrischen staatlichen Sicherheitsdienste und die Verantwortlichkeiten auf, enthält Namen, Karten von Folterzentren etc. (auch die Haftplätze und Verbrechen der verschiedenen Oppositionsgruppen im Land werden in dem Bericht detailliert dokumentiert).Die Misshandlungen zielen auf Informationsgewinnung aber auch einfach auf Einschüchterung der Verhaftete oder aber auch nur Dritter bzw. auf Bestrafung (direkt des Verhafteten oder mittelbar durch dessen Verhaftung der Bestrafung von Dritten).(Ziff. 86 des Berichts).Die Zivilbevölkerung als solche ist das primäre Ziel der Attacken, systematische und weitverbreitete Attacken gegen Zivilisten durch willkürliche Verhaftungen und gewaltsames Verschwindenlassen (Ziff. 88 und 97).
60 
Human Rights Watch (HRW), Bericht vom 13.9.2013 - „Syrien: Regierungskräfte verüben Massenexekutionen - Neue Beweise für mindestens 284 Hinrichtungen in Küstenorten“: Verweis auf - hier verlinkt anklickbaren - 68-seitigen Bericht: „No One´s Left: Summary Executions by Syrian Forces in al-Bayda and Baniyas“ Pauschale Massenexekutionen auch von Frauen, Kindern, Säuglingen, in aufständischen Orten; ganze Familien wurden pauschal, summarisch exekutiert.
61 
Human Rights Watch (HRW), Executive Director, Kenneth Roth vom 23.9.2015: „Assads Krieg gegen Zivilisten“ (https://www.hrw.org/de/news/2015/09/23/assads-krieg-gegen-zivilisten) Die Zivilisten in Aufstandsgebieten sind wahllos generelles Angriffsziel der staatlichen Syrischen Kräfte. Diese greifen rücksichtslos gegenüber den Zivilisten, mit Bombardements tief hinein in Gebiete auch abseits eigentlicher Kampfzonen an. Das Ziel ist die Vernichtung bzw. Vertreibung jeglicher oppositioneller Bevölkerung. Ganze Wohngegenden werden gezielt zerstört, Zivilisten gezielt vertrieben.
62 
Human Rights Watch (HRW): Bericht vom 30.1.2014: „Syrien/Tausende Wohnhäuser rechtswidrig zerstört - Satellitenbilder zeigen ausgelöschte Stadtteile“ https://www.hrw.org/ de/news/2014/01/30/syrien-tausende-wohnhauser-rechtswidrig-zerstort Verweis auf - hier verlinkt anklickbaren- 38-seitigen englischen Bericht: „Razed to the Ground: Syrias Unlawful Neighbourhood Demolitions in 2012-2013“: Großangelegte Zerstörungen, die keinem notwendigen militärischen Zweck dienen und augenscheinlich darauf abzielen, Zivilisten zu bestrafen, dafür dass sie pauschal der Unterstützung der Rebellen verdächtigt werden. Kriegstaktik: Ganze Stadteile ausradieren, manchmal kilometerweit abseits der eigentlichen Kampfzone.
63 
Deutsche Orient Institut (DOI), Auskunft v. 1.2.2017 an HessVGH - Ziff.2, wonach ein „nennenswerter Grad an Sippenhaft zu erkennen ist“.
64 
Österr. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) - Länderbericht Syrien, Stand 5.1.2017: Ziff.6 - „Vergewaltigung und sexueller Missbrauch von Frauen, Männern und auch Minderjährigen sind weitverbreitet und werden auch als Kriegstaktik eingesetzt… Das Regime foltert auch Frauen und Kinder, welche sich in seinem Gewahrsam befinden. …Opfer von Folter werden auch Mitglieder oder Verwandte von Mitgliedern bewaffneter Gruppen… Ziff. 8.4. Auch Familien von Deserteuren und Kriegsdienstverweigerern haben mit Konsequenzen zu rechnen. Eine Familie könnte von der Regierung unter Druck gesetzt werden, wenn der Deserteur dadurch vielleicht gefunden werden kann. Familienmitglieder (auch weibliche) können festgenommen werden, um den Deserteur dazu zu bringen, sich zu stellen. Manchmal wird ein Bruder oder Vater eines Deserteurs ersatzweise zur Armee rekrutiert. …Ziff. 13: Vergewaltigungen gegen Frauen, aber auch gegen Männer und Kinder, welche als der Opposition zugehörig wahrgenommen werden, werden eingesetzt um diese zu terrorisieren oder zu bestrafen… Auch an Checkpoints sowie bei Hausdurchsuchungen kommt es zu Vergewaltigungen und sexuellen Übergriffen.
65 
Schwarz, Subsidiäre Flüchtlingspolitik, Asylmagazin 4/2017, S-. 145[147] - Bericht aus der Rechtsberatungspraxis der Oase e.V.-Berlin: In diesen Fällen (Anmerkung: in denen sich ein Regimeanhänger absetzt, weil er die Assad-Politik nicht länger mittragen kann) berichten die Betroffenen auch von „Entführungen der Kinder oder Gefangennahme von Verwandten, die nur gegen Geldzahlung freigelassen wurden“.
66 
Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH)- Auskunft und Länderanalyse - Syrien , 21.3.2017: S. 8: An der Grenze wird auch überprüft, ob Familienangehörige gesucht werden. Auch dabei kann es zu Verhaftungen kommen“. S. 11: „ Familienangehörige von Aktivisten sind besonders gefährdet, bei ihrer Rückkehr verhaftet oder misshandelt zu werden“.
67 
Die nach allem gerechtfertigte Regelvermutung einer den Klägern insoweit drohenden eigenen flüchtlingsrechtlich relevanten, an ihre Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie (des eigentlich Verdächtigten/Gesuchten) anknüpfenden Verfolgung, hat die Beklagte nicht widerlegt. Vielmehr wird die Vermutung hier sogar durch die vorliegenden Berichte gerade bekräftigt und bestätigt.
68 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 83b AsylG gerichtskostenfrei.

Gründe

 
13 
Das Gericht entscheidet im Einverständnis der Beteiligten durch den Berichterstatter und ohne mündliche Verhandlung (§§ 87a Abs.2 und Abs. 3, 101 Abs. 2 VwGO).
14 
Die zulässige Klage ist begründet.
15 
Der angefochtene Bescheid der Bundesamts für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, soweit damit unter Ziff.2 unter anderem die Flüchtlingseigenschaft abgelehnt wird. Denn die Kläger haben im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) einen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1, Abs. 4 AsylG (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
16 
Der Flüchtlingsanerkennung steht der Umstand nicht entgegen, dass die Kläger sich nach ihrer Ausreise aus Syrien ca. 2 1/2 Jahre lange in einem Flüchtlingslager in der Türkei aufgehalten haben.
17 
Insoweit mag es sich zwar um einen Drittstaat gehandelt haben, in dem sie vor Verfolgung sicher waren. Die in einem solchen Fall an einen mehr als dreimonatigen Aufenthalt in einem solchen Land die Vermutung der Verfolgungssicherheit anknüpfende und den Asylschutz wegen der anderweit gefundenen Sicherheit ausschließende Vorschrift des § 27 Abs. 1 und Abs. 3 AsylG gilt jedoch ihrem klaren Wortlaut nach nur bezüglich des Asylgrundrechts aus Art. 16a Abs. 1 GG, hingegen nicht bezüglich der Flüchtlingsanerkennung.
18 
Das Bundesverwaltungsgericht hat seinerzeit zwar entschieden, dass der in § 27 AsylG enthaltene Gedanke der Subsidiarität des internationalen Flüchtlingsschutzes auch in Bezug auf die Flüchtlingsanerkennung Anwendung finde, mit der Folge, dass eine Flüchtlingsanerkennung nach der GFK in Deutschland als einem Zweit-oder Drittzufluchtsland nicht verlangt werden könne, wenn der betreffende Ausländer bereits in einem sonstigen Drittstaat vor Verfolgung tatsächlich sicher gewesen sei und voraussichtlich bleiben werde und seine Rückkehr bzw. Rückführung in diesen Staat möglich sei (vgl. BVerwG, U. v. 8.2.2005 - 1 C 29/03 -, juris = Inf AuslR 2005, 339; siehe zum anderweitigen Schutz und der Subsidiarität des Flüchtlingsschutzes ansatzweise auch Tiedemann, Flüchtlingsrecht, 2015, S.53, Ziff. 3.2.1.9).
19 
Später hat das Bundesverwaltungsgericht jedoch diese Rechtsprechung ausdrücklich eingeschränkt (BVerwG, U. v. 4.9.2012 - 10 C 13/11 -, juris Rn. 15,16) und ausgeführt, die Frage, ob ein Ausländer bereits in einem Drittstaat anderweit sicher vor Verfolgung gewesen sei, sei bei der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach dem in § 29 AsylG umgesetzten unionsrechtlichen Konzept des „ersten Asylstaats“ (Art. 25 und 26 der EU-AsylVf-RL [2005/85/EG]) nur für die Beachtlichkeit des Asylantrags von Bedeutung. Habe das Bundesamt hingegen den Asylantrag nicht gem. § 29 AsylG unter Verweis darauf bereits als „unbeachtlich“ abgelehnt, dass die Voraussetzungen der Art. 25 und 26 EU-AsylVf-RL vorlägen, sondern vielmehr - wie im vorliegenden Fall - in der Sache entschieden, so bleibe im Rahmen der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für eine materiellrechtliche Subsidiarität des Flüchtlingsschutzes kein Raum mehr. Das frühere Urteil (BVerwG, U. v. 8.2.2005 - 1 C 29/03) sei insoweit „überholt“.
20 
Nach allem steht der Aufenthalt der Kläger in der - verfolgungsfreien - Türkei der Flüchtlingsanerkennung nicht entgegen, zumal hier eine Rückkehr oder Rückschiebung in die Türkei - wie sie nach § 27 AsylG [entspr.] bzw. nach Art. 25, 26 EU-AsylVf-RL in jedem Fall erforderlich wäre, für die Kläger nicht möglich ist, da sie in der Türkei schon kein formales Aufenthaltsrecht und erst recht nicht die Rechtsstellung von Flüchtlingen nach der GFK eingeräumt bekommen haben, sondern lediglich geduldet und nicht nach Syrien abgeschoben worden sind.
21 
1. Der mithin nicht von vornherein ausgeschlossene Anspruch der Kläger auf Flüchtlingsanerkennung ergibt sich daraus, dass ihnen bei einer Rückkehr nach Syrien dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG droht.
22 
Die deshalb zu gewährende Flüchtlingsanerkennung verdrängt als exklusive Spezialnorm die bereits (bestandskräftig) gewährte Zuerkennung subsidiären Schutzes, die, wie sich schon aus seiner Bezeichnung „subsidiär“, aber auch aus Art. 2 f QRL eindeutig ergibt, nur demjenigen gewährt werden kann, der die Voraussetzungen für eine Flüchtlingsanerkennung „nicht erfüllt“. Wegen dieses exklusiven Alternativverhältnisses der beiden Schutzformen erweist sich die Bezeichnung „Aufstockungsklage“ als irreführend, die für Klagen - wie die vorliegende - gelegentlich verwendet wird, welche trotz bereits gewährten subsidiären Schutzes auf Flüchtlingsanerkennung abzielen (siehe etwa Pressemitteilung des BayVGH v. 13.12.2016 -http://www.vgh.bayern.de/media/bayvgh/presse/pressemitteilung_aufstockungsklagen_syrer.pdf).
23 
Die drohende Verfolgungsgefahr nach § 3 Abs. 1 AsylG ergibt sich hier schon allein wegen der illegalen Ausreise sowie der Asylantragstellung und dem längerem Verbleib im westlichen Ausland.
24 
Insoweit ist es hier unerheblich, ob bereits vor der Einreise nach Deutschland bei der Ausreise aus Syrien eine Verfolgung vorlag oder unmittelbar drohte (sogenannte „Vorverfolgung“) und somit eine „Flucht“ aus dem Heimatland stattgefunden hat. Denn die für eine Flüchtlingsanerkennung erforderliche, „begründete Furcht“ vor einer - bei Rückkehr in den Heimatstaat drohenden „Verfolgung“, kann auch auf nach dem Verlassen des Heimatstaates eingetretenen Ereignissen oder vom Antragsteller an den Tag gelegten Aktivitäten beruhen (Art.5 Abs. 2 und 2 QRL, Erwägungsgrund zur QRL, Ziff. 25 [„refugie sur place“], § 28 Abs. 1a AsylG; Art. 1 A 2 GFK: „außerhalb des Landes“; in der früheren Rechtsprechung des BVerwG ist schon seinerzeit die aus einer („selbstverursachten“) illegalen Ausreise und Asylantragstellung im westlichen Ausland für jeden Iraker bei einer Rückkehr in den - wie Syrien - von der Baath-Partei totalitär beherrschten Irak resultierende Verfolgungsgefahr ohne Weiteres als asylerheblicher Nachfluchtgrund anerkannt worden, weil das in hohem unduldsame totalitäre Regime bereits für sich genommen belanglose Handlungen als Ausdruck fehlender Loyalität und abweichender politischer Gesinnung ansehe und wegen dieser latenten Gefährdungslage eine Asylantragstellung nicht rechtsmissbräuchlich sei: BVerwG, U. v. 15.7.1986 - 9 C 323/85 -, juris, Rn. 9, 11, 12).
25 
Was die die oben genannte Verfolgungsgefahr für zurückkehrende Syrer wegen illegaler Ausreise, Asylantragstellung und Aufenthalt im westlichen Ausland angeht, schließt sich das Gericht in vollem Umfang und nach eingehender eigenständiger Überprüfung den überzeugenden und ausführlich begründeten auf einer umfassenden Würdigung der vorliegenden Erkenntnisquellen beruhenden, öffentlich zugänglichen und der Beklagten bekannten Entscheidungen der 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Freiburg sowie des Verwaltungsgerichts Sigmaringen und des Verwaltungsgerichts Karlsruhe an, auf die hiermit vollinhaltlich verwiesen und Bezug genommen wird (VG Freiburg, U. v. 13.12.2016 - A 5 K 2096/16 -, juris, VG Sigmaringen, U. v. 23.11.2016 - A 5 K 1372/16 -, juris und VG Karlsruhe, U. v. 29.11.2016 - A 8 K 3877/16 -, juris; beide Entscheidungen sind nicht nur in juris sondern kostenlos und im Volltext auch über das Portal Landesrecht Baden-Württemberg Bürgerservice http://www.landesrecht-bw.de/jportal/portal/page/bsbawueprod.psml unter der Rubrik Rechtsprechung und Eingabe des Aktenzeichens abrufbar). Auf die vollständige oder auszugsweise Wiedergabe dieser Entscheidungen wird an dieser Stelle verzichtet.
26 
Sie gelangen im Wesentlichen zu folgendem Ergebnis:
27 
Syrern, die illegal aus Syrien ausgereist sind und sich längere Zeit im westlichen Ausland aufgehalten und dort einen Asylantrag gestellt haben, droht, selbst wenn sie vor ihrer Ausreise nicht individuell verfolgt waren, im Falle ihrer Rückkehr nach Syrien dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine menschenrechtswidrige Verfolgung durch den syrischen Staat in Form von Inhaftierung, Verhör unter Folter und Verschwindenlassen, die an ihre unterstellte illoyale, oppositionelle Gesinnung anknüpft bzw. der Aufklärung eines solchen Verdachts dient. Auch wenn es infolge fehlender Abschiebungen nach Syrien in den letzten Jahren praktisch kaum Erkenntnisse über das Schicksal von Syrern gegeben hat, die nach längerem Aufenthalt im westlichen Ausland nach Syrien zurückkehrten, lässt sich eine entsprechende Prognose auf die bisherigen Auskünfte über die routinemäßige, häufig mit Folter verbundene Befragung von Auslandsrückkehrern sowie insbesondere auf die Erkenntnisse über den allgemeinen totalitären, Menschenrechte missachtenden und pauschal überall Opposition vermutenden Charakter des syrischen Regimes sowie seiner Vorgehensweise gegenüber vermeintlich Verdächtigen, - auch Frauen, Kindern oder völlig Unbeteiligten - stützen. Eine freiwillige Rückkehr nach Syrien ist auf legalem Wege nicht möglich, ohne dass das Regime infolge seiner strengen Grenzkontrollen davon Kenntnis erlangt. Eine illegale Rückkehr ins Land kann nicht angesonnen werden und Gebiete, die nicht vom syrischen Regime kontrolliert würden, sind für Auslandsrückkehrer nicht legal bzw. gefährdungsfrei erreichbar.
28 
Ergänzend ist dem Folgendes hinzuzufügen:
29 
Auch die neuesten Auskünfte (zwei Auskünfte des Auswärtigen Amtes [AA], jeweils vom 02.01.2017 an das VG Düsseldorf zu dessen Aktenzeichen 5 K 7480/16.A bzw. 5 K 7221/16; Auskunft des AA v. 23.02.2017 an VGH Bad.-Württ.; Auskunft des Deutschen Orient Institutes [DOI] v. 01.02.2017 an VGH Kassel und v. 22.02.2017 an VGH Bad.-Württ.) geben keinen Anlass, von der oben dargestellten Gefahreneinschätzung abzuweichen.
30 
Nach wie vor ist eine Einreise für („freiwillige“) Rückkehrer auf dem Luftweg nur über den - schon immer von den Geheimdiensten des Regimes streng kontrollierten - Flughafen Damaskus und auch nur von wenigen arabischen Nachbarländern aus und auf dem Landweg von den Nachbarländern Syriens aus offiziell nur an einigen wenigen offenen Grenzübergängen möglich. Hinzukommt, dass bei Reisen durch Syrien selbst eine Reihe von Kontrollposten verschiedenster bewaffneter Akteure zu passieren sind. Eine legale, offizielle Einreise ist nur in die von der syrischen Regierung kontrollierten Gebiete von Libanon und Jordanien aus möglich. Die übrigen Gebiete, die etwa an den Irak oder die Türkei grenzen, sind nicht ungefährdet von außen zugänglich, da Grenzübergänge gesperrt sind oder die Gebiete mit wechselndem Frontverlauf Kampfzonen darstellen. Eine zumutbare - weil offiziell, legal und hinsichtlich anderer Gefährdungen (Krieg, Wegelagerer, Naturkatastrophen) gefährdungsfrei mögliche - freiwillige Rückkehr in den Heimatstaat, ggf. in dabei zu unterstellender Begleitung von Familienangehörigen, ist also nach wie vor überhaupt nur in Gebiete theoretisch vorstellbar, in denen das Assad-Regime Kontrolle ausübt (so schon damals zu den verschiedenen Rückkehr- und Einreisevarianten in den von den Syrern kontrollierten Libanon OVG NRW, U. v. 11.03.1992 - 4 A 10205/90 -, juris, Rn. 49 -53). Wie aktuell aufgrund der tagesaktuellen Berichterstattung als allgemein bekannt vorausgesetzt werden kann, steht das Assad-Regime - insbesondere infolge russischer Unterstützung - auch keineswegs kurz vor dem Untergang, sondern hat sich im Gegenteil wieder weiter stabilisiert.
31 
Eine solche freiwillige Rückkehrmöglichkeit ist bei der Gefahrenprognose im Asyl- und Flüchtlingsrecht hypothetisch in den Blick zu nehmen, insbesondere wenn sich durch eine freiwillige Rückkehr Verfolgungsgefahren vermeiden lassen, die im Falle der zwangsweisen Rückkehr als Abgeschobener infolge der damit verbundenen Vorabinformation und Kontakte zwischen Abschiebestaat und Zielstaat entstehen können (vgl. BVerwG, U. v. 29.05.2008 - 10 C 11.07 - juris, Rn. 19 und B. v. 21.02.2006 - 1 B 107.05 - juris, Rn. 4 sowie v. 15.04.1997 - 9 C 38.96 - juris, Rn. 27, U. v. 03.11.1992 - 9 C 21.92 - juris, Rn. 12 und U. v. 06.03.1990 - 9 C 14.89 -, juris, Rn. 13 - 15 ). Allerdings ist in der Rechtsprechung auch anerkannt, dass gegenüber einer freiwilligen Ausreise und Rückkehr eine Abschiebung eher den der Prognose hypothetisch zugrunde zu legenden Regelfall darstellt, weil regelmäßig aufnahmebereite Drittstaaten, Reisemöglichkeiten und finanzielle Mittel fehlen und unterstellt werden kann, dass niemand freiwillig in ein Gebiet reist, in dem ihm seiner Behauptung und subjektiven Einschätzung nach Folter und Misshandlung drohen. Zudem werden selbst durch eine freiwillige Rückkehr gar nicht notwendige Gefahren vermieden, wie sie sonst bei einer Abschiebung durch deren vorherige Ankündigung an den Zielstaat entstehen. Denn auch für eine freiwillige Rückkehr bedarf es häufig zunächst vorab der Besorgung gültiger Papiere bei der Auslandsvertretung des eigenen Heimatstaates, dem damit der konkrete - und mangels sonstiger ersichtlicher Aufenthaltszwecke regelmäßig auf einer Asylantragstellung beruhende - Aufenthalt des Rückkehrers im Aufnahmestaat bekannt wird (vgl. BVerfG, B. v. 07.11.1994 - 2 BvR 1375/94 - juris, Rn. 21 und VGH Bad.-Württ., B. v. 29.10.2013 - A 11 S 2046/13 - juris, Rn. 8).
32 
Vor allem aber genügt es bei einer Gefahrenprognose regelmäßig nicht, nur die Einreise über einen Flughafen oder zentralen Grenzkontrollpunkt in den Blick zu nehmen, sondern es sind auch verschiedene weitere potentielle Festnahmeszenarien zu prüfen, die sich auch danach noch auf der Weiterreise ins Landesinnere beim Passieren von Checkpoints an Straßen oder Busbahnhöfen oder Verkehrsknotenpunkten oder am Zielort selbst noch ergeben können (so ausdrücklich VGH Bad.-Württ., U. v. 29.11.1991 - A 16 S 1731/89 -, juris, Rn. 30 ff. seinerzeit zur Prognose bei Rückkehr in das - wie heute Syrien - bürgerkriegsumkämpfte Sri Lanka). Selbst wenn es also einem syrischen Auslandsrückkehrer gelingen mag, einen syrischen Grenzkontrollpunkt unkontrolliert oder zumindest unbehelligt zu passieren, weil hier - auch mit Blick auf eine möglicherweise große Zahl von Rückkehrern - nicht automatisch und ausnahmslos jeder syrische Auslandsrückkehrer verhaftet, befragt und gefoltert wird, ist damit eine Verfolgungsgefahr noch nicht überstanden oder gar dauerhaft gebannt, sondern kann sich auch noch bei den genannten nachfolgenden Kontrollen realisieren.
33 
Zwar liegen auch nach den oben genannten neuesten Auskünften nach wie vor keine Erkenntnisse über systematische Befragungen von Asylbewerbern nach Auslandsrückkehr und Verfolgungsmaßnahmen allein wegen Auslandsaufenthalts vor und eine verlässliche Aussage, ob nur in Einzelfällen oder eher auf breiter Ebene solche Maßnahmen erfolgen, wird für „nicht möglich“ gehalten. Andererseits wird hervorgehoben, dass die syrischen Sicherheitskräfte nach wie vor einem Freund-Feind-Schema-Denken folgen und ohne jegliche Beschränkungen und Kontrolle im rechtsfreien Raum nach Belieben agieren, wozu nach wie vor die Anwendung der Folter im Allgemeinen und in größerem Maßstab zählt.
34 
Auch soweit in der Auskunft des DOI (v. 22.02.2017 an VGH Bad.- Württ.) ausgeführt wird, eine „flächendeckende Erfassung“ syrischer (rückkehrender) Einreisender nach Syrien sei angesichts der nur noch eingeschränkt funktionsfähigen staatlichen syrischen Verwaltungsstrukturen „nicht realistisch“, weil eine einwandfrei funktionierende Verwaltung fehle, die auf Meldedatenbanken etc. zurückgreifen könne, gibt dies für die Annahme eines geringeren Maßes an Verfolgungswahrscheinlichkeit nichts her. Denn umso mehr steht zu erwarten, dass dann die Sicherheitskräfte bei Kontrollen (an der Grenze, an Checkpoints, aber auch in den vom Regime gehaltenen Städten und Ortschaften) entsprechende Informationslücken und Datenregisterdefizite durch direkte Befragungen (nach dem Woher und Wohin, nach Namen, bisheriger Herkunftsregion usw. - so DOI a.a.O.) zu ergänzen suchen, welche nach allen vorliegenden Berichten regelmäßig mit einem äußersten Maß an Brutalität durchgeführt werden, um den Fragen Nachdruck zu verleihen. Im Zuge solcher Befragungen aber, wie sie jederzeit und überall in Syrien an Checkpoints und im Alltagsleben vorkommen können, wird ein nach (womöglich bereits illegaler) Ausreise, Asylantragstellung im westlichen Ausland und längerem Aufenthalt dort zunächst (bis dahin noch unbemerkt) nach Syrien zurückgekehrter Syrer „früher oder später“ gezwungen sein, diese - seiner Biografie unumkehrbar anhaftenden - Umstände preiszugeben, was dann wiederum zu weiteren mit Folter gekoppelten Befragungsmaßnahmen führt, die der Aufklärung des daran anknüpfenden Verdachts der Regimegegnerschaft dienen (vgl. dazu, dass es für eine wohlbegründete Verfolgungsfurcht ausreicht, wenn ein Antragsteller aufgrund seiner politischen Biografie „früher oder später“ mit den Heimatbehörden in Konflikt geraten wird, UNHCR, Handbuch der Flüchtlingsanerkennung, Genf, Dezember 2011, dt. Version 2013, Ziff. 83, http://www.unhcr.de/fileadmin/rechtsinfos/fluechtlingsrecht/1_international/1_1_voelkerrecht/ 1_1_2/FR_int_vr_handb-Hand buch.pdf).
35 
Der jüngste Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe (SFH v. 2193.2017: Syrien-Rückkehr) bestätigt aufgrund vieler Detailinformationen umfassend das oben dargestellte Bild und kommt zum Ergebnis, dass die Furcht eines jeden aus dem westlichen Exil zurückkehrenden Syrers vor Verhaftung und Misshandlung durch das Regime aufgrund vieler konkreter Anhaltspunkte für das Verhalten der neben ihrer politischen Ausrichtung auch durch Profitgier (Erpressung, Lösegelder) motivierten Sicherheitskräfte eine wohlbegründete Basis hat (zu der auch ökonomischen Triebfeder des syrischen politischen Verfolgungsapparats detailliert auch Stefan Gassel, „Sieg auf Trümmern“ in der Zeitschrift „stern“ vom 08.12.2016, S.63).
36 
In diesem Zusammenhang ist es nach Ansicht des Gerichts auch von Bedeutung, dass dem syrischen Geheimdienst, der nach allen in den oben genannten Urteilen zitierten Auskünften durchaus auch die Szene der in Westeuropa um Asyl nachsuchenden Syrer ausspioniert, nicht entgangen sein kann, dass ein jeder Syrer (ausweislich der dem Gericht aus den zahlreichen Asylverfahren vorliegenden Anhörungsprotokollen) regelmäßig beim Bundesamt auch danach befragt wird, ob und inwieweit er Angaben zu vor der Ausreise womöglich von ihm beobachteten Kriegsverbrechen machen kann. Vor diesem Hintergrund aber, wird sich den Mitarbeitern der insgesamt siebzehn verschiedenen Geheimdienste, auf die das Assad Regime seine Macht stützt und die schon infolge dieser Konkurrenzsituation unter dem Druck stehen, durch entsprechende „Fahndungserfolge“ ihre Existenz zu legitimieren, die Frage geradezu aufdrängen, was der betreffende Syrer bei seiner Anhörung in Deutschland auf diese Frage womöglich geantwortet hat. Entsprechende Befragungen werden daher auch darauf abzielen, mögliche das Regime belastende Zeugen oder auch nur einer solchen Zeugenschaft potentiell verdächtige Auslandsrückkehrer ausfindig zu machen, um durch deren Neutralisierung sicherzustellen, dass die mittlerweile vielfachen Bestrebungen erschwert oder verhindert werden, Material für Anklagen gegen Vertreter des Regimes zu sammeln, um sie so eines Tages womöglich der von ihnen verübten Kriegsverbrechen und Menschheitsverbrechen anklagen zu können (vgl. zu den Bestrebungen der internationalen Strafverfolgung der syrischen Kriegsverbrechen Human Rights Watch (HRW) vom 20.10.2016: „Verfolgung von Kriegsverbrechen in Europa“ - Kurzzusammenfassung https://www.hrw.org/de/news/2016/10/20/verfolgung-von-kriegsverbrechen-europa; Human Rights Watch (HRW) vom 20.10.2016: „Fragen und Antworten: Straflosigkeit in Syrien und Irak beginnt zu bröckeln“ - 23-seitige Dokumentation über die Verfolgung von Kriegsverbrechern aus Syrien in westeuropäischen Ländern -https://www.hrw.org/de/news/2016/10/20/ fragen-und-antworten-straflosigkeit-syrien-und-im-irak-beginnt-zu-broeckeln; Europäischer Rat - Rat der Europäischen Union vom 16.03.2015: „Schlussfolgerungen des Rates zur EU-Regionalstrategie für Syrien und Irak“, Ziff.13, 19, 20: „brutaler Krieg des Assad-Regimes gegen das eigene Volk, massive Menschenrechtsverletzungen“, Sanktionen gegen das Assad-Regime und seine Unterstützter, EU-Sanktions-Liste von Personen und Einrichtungen im März 2015 um weitere 13 Eintragungen erweitert, Aufruf der EU an UN Sicherheitsrat, den Internationalen Strafgerichtshof mit Lage in Syrien zu befassen - http://data.consilium.eu ro pa.eudoc/document/ST-7267-2015-INIT/de/pdf; siehe auch: Der Tagesspiegel v. 02.03.2017, „Kriegsverbrechen in Syrien - Strafanzeigen gegen Assads Handlanger“ über die Einleitung von Strafverfahren in Deutschland - unter www.tagesspiegel.de und FAZ v. 02.03.2017 „Zugriff in Düsseldorf - Mutmaßlicher syrischer Kriegsverbrecher festgenommen“ - unter www.faz.net).
37 
Soweit demgegenüber in der bisher veröffentlichten obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. BayVGH, U. v. 12.12.2016 - 21 B 16.30338 -, juris, Rn. 61; OVG NRW, U. v. 21.02.2017 - 14 A 2316/16.A -, juris, Rn. 31 - 49; OVG SLH, U. v. 23.11.2016 - 3 LB 17/16 -, juris, Rn. 37; OVG RP, U. v. 16.12.2016 - 1 A 10922/16 -, juris, Rn. 16) eine Syrerin allein wegen ihres Auslandsaufenthalts im westlichen Ausland und der dortigen Asylantragstellung drohende Gefahr einer auf unterstellte abweichende politische Gesinnung zielenden Verfolgung im Wesentlichen unter Hinweis darauf verneint wird, dass belastbares Zahlenmaterial und Referenzfälle fehlten und dass nach der allgemeinen Lebenserfahrung wegen der großen Zahl der diese Kriterien erfüllenden Syrer dem Assad Regime nicht pauschal unterstellt werden könne, es verdächtige ernsthaft jeden einzelnen von ihnen einer regimefeindlichen Einstellung, vermag das Gericht dem nicht zu folgen. Gibt es keine Referenzfälle, weil es mangels einer vorhandenen Abschiebepraxis bzw. nennenswerten Zahl freiwilliger Rückkehrer aus dem westlichen Ausland (zur Praxis gegenüber nur aus den direkt angrenzenden Nachbarländern Syriens Zurückkehrenden BayVGH, U. v. 12.12.2016 - 21 B 16.30338 -, juris, Rn. 85 m.w.Nw.) an relevantem Fallmaterial fehlt, so rechtfertigt dies nicht einfach eine Ablehnung einer Flüchtlingsanerkennung, was zu einer Abschiebung und damit verbunden gewissermaßen zur Durchführung eines „Lebendversuchs“ führen würde, sondern es ist vielmehr ausgehend von dem Gesamtcharakter des Regimes eine auf dessen Strukturmerkmale und Verhaltensmuster abstellende Gefahrenprognose anzustellen (so ausdrücklich VGH Bad.-Württ., U. v. 29.11.1991 - A 16 S 1731/98 -, juris, Rn. 55 zur Rückkehrergefährdung in Sri Lanka), die hier angesichts des syrischen Regimes mit seinen mannigfachen Übergriffen selbst auf erkennbar Unverdächtige und Schuldlose (durch Fassbomben, Übergriffe auf Zivilisten, Sippenhaft, Folter an Kindern und Greisen, willkürliches Verschwindenlassen eher zufällig Festgenommener etc.) nur zugunsten der Schutzsuchenden ausgehen kann. Denn in Fällen, in denen keine weiteren erfolgversprechenden Ermittlungsansätze mehr zur Verfügung stehen und sich etwa Zahlen und Relationswerte für eine Verfolgungsprognose schlichtweg nicht ermitteln lassen, ist eine Prognose aufgrund einer wertenden Betrachtung geboten, die auch das Gewicht der betroffenen Rechtsgüter (Gefahren für Leib und Leben durch Folter, Misshandlung oder Tötung) in den Blick nimmt und an die Annahme einer Verfolgungswahrscheinlichkeit keine überspannten, sondern entsprechend herabgestufte Anforderungen stellt und berücksichtigt, dass faktische Grenzen der Ermittlungsmöglichkeiten nicht zwangsläufig zu Lasten des Schutzsuchenden gehen dürfen, sondern es im Interesse eines wirksamen und menschenrechtsfreundlichen Flüchtlingsschutzes und des unionsrechtlichen Grundsatzes des „effet utile“ zugunsten des Schutzsuchenden bei dieser nicht mehr weiteren Aufklärbarkeit bewenden lässt, wenn sich für eine Gefahrenprognose aus anderen Umständen noch eine nicht völlig realitätsferne, rein hypothetische, sondern plausible Schlussfolgerung ableiten lässt (so ausdrücklich VGH Bad.-Württ., U. v. 12.06.2013 - A 11 S 757/13 -, juris, Rn. 24, 63, 108, 115, 116 [118]).
38 
Solche Umstände sind hier aber nach wie vor gegeben. Der jüngste (nach Abschluss der Untersuchungen im Dezember 2016 am Anfang des Jahres 2017 veröffentlichte) Bericht von amnesty international über tausende, völlig willkürliche summarische Hinrichtungen in den Gefängnissen des Regimes deckt zwar nur den Zeitraum 2011 bis 2015 ab, weist aber darauf hin, dass jeder Anhaltspunkt dafür fehle, diese Praxis könne mittlerweile überholt sein („Human Slaughterhouse - Masshangings and Extermination in Saydnay Prison, Syria“, 2017, S. 6, als Volltext unter https://www. amnesty.org/en/documents/mde24/5415/2017/en/).
39 
Einer der wenigen Berichte aus Syrien selbst (siehe den Artikel des deutschen Journalisten Stefan Gassel, „Sieg auf Trümmern“ in der Zeitschrift „stern“ vom 08.12.2016, S.63) verdeutlicht, dass das syrische Regime nach wie vor einem krassen Freund-Feind-Denken verhaftet ist. Selbst zweieinhalb Jahre nach der Eroberung von Homs lebten die Menschen dort, „ganz gleich ob Assad-Gegner oder Assad-Anhänger“ in ständiger Angst, würden dauernd von Sicherheitskräften an Checkpoints durchsucht und kontrolliert. In Homs gebe es von der Regierung verordnete staatliche Seminare, in denen Bürger „zivilen Frieden“ wieder erlernen sollten. Wer nicht teilnehme, mache sich als Staatsfeind verdächtig.
40 
Im Übrigen zeigen die detaillierten, aktuellen und regelmäßigen Hintergrundbericht der „Stiftung Wissenschaft und Politik“ - SWP (unter https://www.swp-berlin.org/suchergebnisse/?q=syrien), dass das Regime nach wie vor mit aller Härte gegen jeglichen auch nur vermeintlich illoyalen Bürger vorgeht.
41 
In einem Interview Assads mit der „Komsomolskaja Prawda“ v. 14.10.2016 (Volltext unter - http://www.neopresse.com/politik/naherosten/praesident-assad-im-interview-mit-der-prawda/) legt dieser ausführlich dar, dass er sich überall von Terroristen umzingelt und angegriffen sieht und insbesondere glaubt, einer Verschwörung des Westens ausgesetzt zu sein. Aus Europa würden junge Muslime als Terroristen nach Syrien geschickt. Es gelte, sie körperlich zu vernichten. Auch solche Äußerungen des ranghöchsten Vertreters eines Regimes können einen Anhaltspunkt dafür darstellen, wie voraussichtlich ein Regime eigenen Staatsangehörigen begegnet, die aus dem westlichen Ausland zurückkehren, nämlich mit Misstrauen (für die Verwertung der Äußerungen eines Ministers im Hinblick auf eine Gefahreneinschätzung etwa VGH Bad.-Württ., U. v. 12.06.2013 - A 11 S 757/13 -, juris, Rn. 111).
42 
Dass der Charakter eines Regimes für die Frage der Gefahr einer Verfolgung und ihre auf (vermeintliche) Gegnerschaft gerichteten Zielrichtung relevant ist, hat das Bundesverwaltungsgericht schon früher zu dem (seinerzeit gleichfalls von der Baath-Partei totalitär beherrschten) an Syrien angrenzenden Nachbarland Irak entschieden, nämlich ausgeführt, aus der illegalen Ausreise und der Asylantragstellung im westlichen Ausland resultiere eine Gefahr einer politischen Verfolgung, weil das in hohem unduldsame, einseitig ideologisch beherrschte totalitäre Regime bereits für sich genommen belanglose Handlungen als Ausdruck fehlender Loyalität und abweichender politischer Gesinnung ansehe und wegen dieser latenten Gefährdungslage eine Asylantragstellung nicht rechtsmissbräuchlich sei: BVerwG, U. v. 15.7.1986 - 9 C 323/85 -, juris, Rn. 9, 11, 12).
43 
Der jüngste Bericht der SFH (v. 21.03.2017 - Syrien: Rückkehr) bestätigt das Bild eines Systems rücksichtsloser institutionalisierter Gewalt. Die Syrien-Expertin und Journalistin, Helberg, hat diesen Charakter des alle Bereiche und Institutionen des Landes bis in den letzten Winkel durchdringenden, auf systematischer Gewalt aufgebauten Assad Regimes in ihren Berichten immer wieder beschrieben (zuletzt Beitrag in der Sendung „Hart aber fair“ - am 11.04.2017; siehe ferner http://www.kristinhelberg.de/ und Helberg, Brennpunkt Syrien - Einblicke in ein verschlossenes Land, 2.Aufl. 2014, insbes. Kapitel 8 und 3).
44 
Die Länderinformation zu Syrien des Österreichischen Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (Stand 5.1.2017) kommt ebenfalls aufgrund zahlreicher Quellen zum Ergebnis, dass Rückkehrern, die im Ausland einen Asylantrag gestellt haben, willkürliche Verhaftung und Folter drohen (a.a.O., Ziff. 18), dass eine große Zahl von Checkpoints das Land übersät (Ziff.14) und das Sippenhaft praktiziert wird (Ziff.13).
45 
Das ergibt sich auch aus der Herkunftslandinformation Syrien des UNCHR vom Februar 2017 (dt. Version: April 2017) (dort unter II. , S. 5).
46 
2. Im Falle der Kläger treten zu dieser allgemeinen Feststellung individuelle gefahrerhöhende Umstände hinzu.
47 
In seinen aktuellen Erwägungen zum Schutzbedarf hat der UNHCR Risikoprofile beschrieben, bei deren Erfüllung die betreffende Person wahrscheinlich internationalen Schutz im Sinne der Genfer Konvention benötige (UNHCR International Protection Considerations with Regard to People Fleeing the Syrian Arab Republic, S. 22). So drohe eine asylrelevante Verfolgung unter anderem Personen, die Mitglied religiöser Gruppen seien, aber auch Wehrdienstverweigerern und Deserteuren der Streitkräfte der Regierung. Nach den der Kammer vorliegenden Erkenntnisquellen (US State Department, Country Report on Human Rights Practices for 2015,; SFH, Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015,., S. 26; Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 10.09.2015 zu Syrien: Reflexverfolgung; UNHCR International Protection Considerations with Regard to People Fleeing the Syrian Arab Republic) werden auch Familienangehörige politisch Verfolgter, und dabei insbesondere Frauen und Kinder, zum Ziel von Vergeltungsaktionen. Dabei kommt es zu willkürlichen Festnahmen, Isolationshaft, Folter und anderen Misshandlungen, sexueller Gewalt, sowie standrechtlichen Hinrichtungen (vgl. hierzu ausführlich VG Sigmaringen, Urt. v. 23.11.2016 - A 5 K 1495/16 -, juris).
48 
Im Hinblick hierauf ist von Bedeutung, dass die Kläger bei einer Rückkehr mit einer individuell erhöhten Wahrscheinlichkeit Gefahr laufen, von den syrischen Sicherheitskräften als Regimegegner angesehen und verfolgt zu werden.
49 
Denn die Kläger sind als Sunniten Mitglieder einer Glaubensgemeinschaft, die in Syrien den größten Teil der Regimegegner ausmacht (Wissenschaftlicher Dienst des Bundestags, Zur Situation religiöser Minderheiten in Irak und Syrien, 2016, S. 14 f). Die Zugehörigkeit zu dieser - wenngleich in Syrien die Mehrheit bildende - religiösen Gruppe führt auch der UNHCR ausdrücklich als weiter gefahrerhöhend an.
50 
Zudem stammen die Kläger aus einem Vorort von Damaskus (Jdeidet Al-Fadel) , der offenbar 2013 teilweise von Rebellen gehalten worden ist, die sich schwere Kämpfe mit Regierungstruppen geliefert haben, und dessen zivile Einwohner der syrische Staat, wie seine wahllosen Flächenbombardierungen u.a. mit Fassbomben auf zahlreiche eindeutig nur zivile Wohngebiete zeigen, pauschal und ohne jede Rücksicht der Gegnerschaft zum Regime verdächtigt und sie deshalb auszumerzen sucht (vgl. https://www.theglobeandmail.com/ news/world/syria-live/how-a-damascus-suburb-turned-into-a-killing-zone/article11494205/). Die syrische Regierung unterstellt den Einwohner von umkämpften Gemeinden allein wegen ihrer physischen Präsenz dort pauschal eine oppositionelle Gesinnung und „bestraft“ sie dafür systematisch und gezielt gegen die Zivilbevölkerung gerichteten Luftangriffen, Beschießungen, Belagerungen, Artilleriebeschuss, Aushungern, Verhaftungen, usw. (so ausführlich und detailliert UNHCR, Herkunftslandinformation Syrien vom Februar 2017 [dt. Version: April 2017], IV. 1. S. 15 -29). Die Verwandten und Nachbarn der Kläger wurden getötet. Ihr Haus wurde beschossen. Sie mussten sich wegen der Scharfschützen des Regimes als Zivilisten verstecken. Verfolgung haben sie mithin schon erlitten. Insofern hat der syrische Staat genau besehen bereits vor der Ausreise der Kläger (und vielen anderen gegenüber) im Gewande des Bürgerkriegs und unter dem Deckmantel der Bekämpfung bewaffneter Aufständischer bereits eine politische Verfolgung betrieben (vgl. dazu BVerfG, B. v. 10.7.1989 - 2 BvR 502/86 -, juris, Rn. 56). Das stellt gem. Art. 4 Abs. 4 QRL einen Umstand dar, der eine beachtliche Gefahr der Wiederholung einer solchen Verfolgung indiziert, da die Beklagte bisher keine stichhaltigen Gründe dafür vorgetragen hat, dass eine solche Wiederholungsgefahr ausgeschlossen wäre.
51 
Darüber hinaus ist sind die Kläger als Turkmenen Mitglieder einer ethnischen Minderheit. Diese Zugehörigkeit stuft der UNHCR ebenfalls als gefahrerhöhend ein (UNHCR International Protection Considerations with Regard to People Fleeing the Syrian Arab Republic, a. a. O. S. 23).
52 
3. Der Klägerin Ziff. 1 und dem minderjährigen - heute 8 Jahre alten - Kläger Ziff.2 droht ungeachtet der oben unter 1. und 2. dargestellten Gefahren, im Falle ihrer Rückkehr, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung gem. § 3 Abs. 1 AsylG auch schon deshalb, weil ihnen zwar möglicherweise nicht bereits selbst eine eigene abweichende politische Gesinnung oder Regimefeindlichkeit auch nur unterstellt werden wird (§ 3 b Abs. 2 AsylG), weil sie aber als enge Familienangehörige von Kriegsdienstverweigerern bzw. als regimefeindlich auch nur Verdächtigten (hier der Ehemann/Vater der Klägerin Ziff.1/des Klägers Ziff. 2, sowie ihre im westlichen Ausland befindlichen volljährigen Söhne/Brüder) ernsthaft Gefahr laufen, in Sippenhaft, (oder nach heutigem moderneren Sprachgebrauch: „Reflexverfolgung“) d.h. stellvertretend für diese durch Verfolgungsmaßnahmen in Anspruch genommen zu werden, nämlich inhaftiert, misshandelt oder gefoltert zu werden, um entweder von ihnen Informationen über deren Verbleib zu erzwingen, oder aber, um dadurch Druck auf die eigentlich der Regimefeindlichkeit verdächtigten oder als Kriegsdienstverweigerer gesuchten Familienangehörigen auszuüben, sich zu stellen bzw. für das Regime zu kämpfen oder aber schließlich, um diese dadurch mittelbar für ihre Regimefeindlichkeit/ Kriegsdienstverweigerung zu bestrafen.
53 
Auf die Frage, inwieweit sie - etwa infolge ihrer Minderjährigkeit - womöglich gar nicht in der Lage sind, überhaupt eine abweichende politische Einstellung haben, die ihnen vom Regime auch nur unterstellt werden könnte, oder ob sie überhaupt über Informationen verfügen, deren Kenntnis ihnen unterstellt und abgepresst werden könnte, kommt es in diesem Zusammenhang nicht zwingend an. Vielmehr erweist sich schon ihre drohende Inanspruchnahme als Geisel/Druckmittel bzw. als stellvertretendes Bestrafungsobjekt jedenfalls deshalb als flüchtlingsrechtlich relevant, weil sie damit als Angehörige einer „sozialen Gruppe“, nämlich nur deshalb verfolgt werden, weil sie das unverfügbare, unverzichtbare bzw. hinsichtlich der Kinder sogar angeborene persönliche Merkmal einer Verwandtschaft/familiären Verbundenheit mit dem eigentlich als Regimefeind oder Kriegsdienstverweigerer gesuchten Familienangehörigen aufweisen (§ 3 b Abs. 1 Nr. 4 a AsylG; so ausdrücklich VG Berlin, U. v. 7.7.2011 - 33 K 79.10.A -, juris, Rn. 50; siehe dazu, dass die Gefahr einer stellvertretenden Inanspruchnahme als Geisel usw. anstelle des eigentlich politisch Verfolgten und Gesuchten ihrerseits gegenüber dem als Geisel genommenen Familienangehörigen eine eigene politische Verfolgung im Sinne des Asylgrundrechts aus Art. 16a Abs. 1 GG darstellt, schon BVerfG, Beschl. v. 22.11.1996 - 2 BvR 1753/96 - AuAS 1997, 6; siehe auch BVerfG, B. v. 19.12.1984 - 2 BvR 1517/84 -, juris = NVwZ 1985, 260).
54 
Für eine solche eigene Verfolgung von engen Familienangehörigen politisch Verfolgter spricht bereits eine (widerlegliche) Regelvermutung. Das ist nicht nur hinsichtlich einer politischen Verfolgung im Sinne des Art. 16a Abs. 1 GG in der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt (BVerwG, U. v. 27.4.1982 - 9 C 1070/81 -, juris, Rn., 13, 14 und U. v. 2.7.1985 - 9 C 35/84 -, juris, Rn. 7, 10 sowie U. v. 13.1.1987 - 9 C 53.86 -,juris= NVwZ 1987, 505, m.w.N und U. v. 26.4.1988 - 9 C 28/86 -, juris, Rn.5 -10), sondern wird auch im Rahmen des Unionsrecht, nämlich der Qualifikationsrichtlinie (QRL), anerkannt, die in ihrem Erwägungsgrund Ziff. 36 ausführt: „Familienangehörige sind allein aufgrund der Tatsache, dass sie mit dem Flüchtling verwandt sind, in der Regel gefährdet, in einer Art und Weise verfolgt zu werden, dass ein Grund für die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus gegeben sein kann“.
55 
Diese Regelvermutung beruht nach der genannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts darauf, dass „unduldsame Staaten dazu neigen, anstelle des politischen Gegners, dessen sie nicht habhaft werden können, auf ihnen besonders nahestehende und von ihnen abhängige Personen zurückzugreifen und sie gewissermaßen stellvertretend oder zusätzlich für den Hauptadressaten von Verfolgungsmaßnahmen in Anspruch zu nehmen. Zu diesem potentiell besonders gefährdeten Personenkreis gehören minderjährige Kinder politisch Verfolgter sowie deren Ehegatten. Sind Fälle festgestellt worden, in denen der Verfolgerstaat den Ehegatten oder minderjährige Kinder politisch Verfolgter asylrechtlich relevanten Verfolgungsmaßnahmen unterworfen hat, greift eine aus dem Schutzgedanken des Art. 16a Abs. 1 GG folgende Vermutung dafür ein, dass auch demjenigen Ehegatten oder Kind, über dessen Asylantrag zu entscheiden ist, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit das gleiche Schicksal droht, ohne dass in einem solchen Fall weiter geprüft und bewiesen werden müsste, ob die festgestellten Verfolgungsfälle Ausdruck einer allgemeinen Praxis des Verfolgerstaates sind und auch und gerade im konkreten Fall erwartet werden müssen oder ob die ihnen zugrundeliegenden Umstände zwingende Rückschlüsse auf die eigene Verfolgungsgefahr desjenigen gestatten, der sich auf sie als Vergleichsfälle beruft“ (vgl. zu alldem auch VG Freiburg, U. v. 20.01.2017 - A 5 K 1903/16).
56 
Diese Rechtsprechung zur Regelvermutung ist nicht dadurch überholt, dass einfachgesetzlich engen Familienangehörige (Ehegatten, minderjährige ledige Kinder) eines Flüchtlings in § 26 AsylG Abs. 1 bis 3 , Abs. 5 S. 1 und S. 2 AsylG ohne weitere Voraussetzungen der (Familien-) Flüchtlingsstatus eingeräumt wird.
57 
Denn dies gilt nur unter der Voraussetzung, dass dem Stammberechtigten, von dem das Familienmitglied seinen Familienflüchtlingsstatus ableitet, unanfechtbar die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, so dass in diesem Fall nicht auf die Regelvermutung zurückgegriffen werden muss, um dem betreffenden Familienmitglied den Flüchtlingsstatus gewähren zu können. Die Regelung des § 26 soll zwar nach dem Willen des Gesetzgebers (vgl. BT-Drs. v. 15.4.2013 - 17/13063, S. 11, 21) unter anderem auch der Tatsache Rechnung getragen werden, „dass bei Familienangehörigen häufig eine vergleichbare Bedrohungslage wie beim Stammberechtigten vorliegen wird“, sie dient aber vor allem dazu, zur erleichterten Rechtsanwendung ohne die Voraussetzung des Nachweises oder zumindest einer Vermutung einer eigenen politischen Verfolgung den Familienmitgliedern einen gleichen Rechtsstatus einzuräumen und die insoweit auch aus Art. 23 Abs. 2 QRL erwachsende unionsrechtliche Verpflichtung zu erfüllen, die ihrem klaren Wortlaut nach überhaupt nur dann eingreift, wenn diese Familienmitglieder „selbst nicht die Voraussetzungen für die Gewährung dieses Schutzes erfüllen“. Insofern wollte der Gesetzgeber zur Vereinfachung der Verwaltungs- und Rechtssprechungspraxis die Möglichkeit eröffnen, von einer u.U. schwierigen Prüfung eigener Verfolgungsgründe der Familienmitglieder absehen und diesen unabhängig davon den Flüchtlingsstatus gewähren zu können (vgl. Bodenbender in: GK-AsylG, Rn. 6 zu § 26 AsylG, unter Verweis auf BT-Drucks. 11/6960, S. 29 ff.). Es handelt sich mithin um eine, von einer eigenen Verfolgung oder einer zumindest dafür sprechenden Regelvermutung einer solchen Verfolgung unabhängige, einfachgesetzliche, weder durch Art. 16a Abs. 1 GG noch durch die GFK gebotene Vergünstigung (vgl. Bodenbender, a.a.O., Rn. 16 - 18 [12 ]). Diese erst nach der (im vorliegenden Fall aktuelle fehlenden) unanfechtbarer Anerkennung des Stammberechtigten eingreifende Möglichkeit einer Statusgewährung müssen sich die Kläger, die sich im vorliegenden Verfahren aktuell auf eine ihnen im Wege der Sippenhaft selbst bereits drohende Verfolgung berufen, nicht entgegenhalten lassen, sondern können bereits aktuell eine Prüfung dieser abgeleiteten eigenen Verfolgungsgründe und bejahendenfalls eine daran anknüpfende Zuerkennung eines eigenen Flüchtlingsstatus unabhängig von den Voraussetzungen des § 26 AsylG beanspruchen (so auch VG Sigmaringen, U. v. 23.11.2016 - A 5 K 1495/16 -, juris, Rn. 115 unter Verweis auf VGH Bad.-Württ., U. v. 27.6.1995 - A 14 S 1686/94 -, juris; ebenso auch VG Göttingen, U. v. 22. 3.2017 - 3 A 25/17 -, juris, Rn. 150).
58 
Die genannten Voraussetzungen für die Regelvermutung zugunsten einer - mithin ohne Rücksicht auf die ungeachtet der Regelung des § 26 AsylG selbständig zu prüfenden - eigenen Verfolgungsgefahr für Familienangehörige sind hier erfüllt. Aus den vorstehenden Ausführungen zur Lage in Syrien, die durch einen andauernden Bürgerkrieg und durch ein um seinen Machterhalt mit allen Mitteln kämpfendes Regime gekennzeichnet ist, ergibt sich ohne weiteres, dass Syrien ein „unduldsamer Staat“ im oben genannten Sinn ist. Darüber hinaus sind nicht nur einzelne Fälle von Verfolgung der Angehörigen politisch Verfolgter bekannt geworden, sondern nach der Auskunftslage ist die Verfolgung von Angehörigen, Frauen und Kindern durch das Assad-Regime eine in Syrien geradezu weitverbreitete häufige Praxis. Diese erstreckt sich sogar auf Kleinkinder und - wenn es etwa um die pauschale Auslöschung aller Menschen in einem wegen der vermeintlichen oder gegebenen Regimefeindlichkeit seiner Bewohner angegriffenen Stadtviertel geht - unter Umständen sogar auf Säuglinge. Auch sonst ist den Berichten zu entnehmen, dass das Regime ganz offensichtlich keine Altersgrenzen kennt, was nicht verwundert, da sich insbesondere Kleinkinder besonders wegen ihrer besonderen Schutzbedürftigkeit (aus Sicht eines grausamen und mit allen verbrecherischen Mitteln agierenden Gewaltstaates wie dem Syrischen) „besonders gut als Druckmittel im Rahmen einer gegen die Eltern gerichteten Verfolgung „eignen“. Insoweit schließt sich das Gericht insbesondere den ausführlichen und überzeugenden Ausführungen an, die das Verwaltungsgericht Sigmaringen in seiner o.g. Entscheidung dazu aufgrund der Analyse der Quellenlage gemacht hat, aber auch der übrigen jüngeren insoweit stattgebenden Rechtsprechung weiterer Verwaltungsgerichte (VG Sigmaringen, U. v. 23.11.2016 - a % K 1495/16 -, juris, Rn. 115 - 120 zur Annahme einer Verfolgungsgefahr auch für sogar nur 5-jährige bzw. 12- oder 13-jährige Kläger; ausdrücklich im Anschluss an diese Entscheidung ebenso - bezüglich 7-,bzw. 8-jähriger Kläger - auch VG Göttingen, U. v. 22. 3.2017 - 3 A 25/17 -, juris, Rn. 150 - 162 unter Auswertung weiter, noch aktuellerer Erkenntnisquellen; VG Münster, U. v. 8.3.2017 - 8a K 3540/16.A -, juris, Rn. 87 - 90; VG Oldenburg, U. v. 20.2.2017 - 2 A 6163/16 -, juris, Rn. 25 unter ausdrücklicher Aufgabe seiner bisherigen, eine Sippenhaft jedenfalls für Kinder bis zum Alter von 11-Jahren ausschließenden Rechtsprechung; a.A. VG Braunschweig, U. v. 27.3.2017 - 9 A 479/16 -, juris, Rn. 75, 76: keine Reflexverfolgung für Angehörige von Deserteuren).
59 
Das Gericht sieht sich insoweit auch durch die eigene Auswertung der Quellenlage in dieser Einschätzung bestätigt (vgl. Eva Maria Kröger, Artikel in: Welt/N24, v. 8.8.2016:- https://www.welt.de/politik/ausland/article157531501/Nicht-alle-Frauen-werden-vergewaltigt-Aber-alle-gefoltert.html: Unter Bezugnahme auf ihr Interview mit Joumana Seif, Juristin und Gründerin des „Syrian Networks for Womens Rights“ sowie mit der Menschenrechtsaktivistin Sema Nasser, die 4.000 Fälle verhafteter syrischer Frauen dokumentiert hat, berichtet die Journalistin Eva Maria Kröger davon, dass das syrische Regime seit Beginn des Krieges 2011 mindestens 200.000 Männer, Frauen und Kinder, darunter schätzungsweise 50.000 Frauen verhaftet hat. Das sind nach Schätzungen der Womens League International for Peace and Freedom 14 mal mehr Frauen, als in der Gewalt des IS. Auch die Frauen werden in den Gefängnissen gefoltert und gezielt und massiv sexueller Gewalt unterworfen und vergewaltigt. Diese Gewalt zähle zu den Pfeilern der Macht des Assad-Regimes. Frauen werden nicht nur verhaftet, um von ihnen als Mütter/Schwestern/Töchter/Ehefrauen von Oppositionellen oder der Opposition auch nur verdächtigten Männern Informationen zu erpressen oder um Druck auf die Männer auszuüben oder diese mittelbar zu bestrafen, sondern geraten auch völlig willkürlich an Straßencheckpoints in Kontrollen, die mit Verhaftung enden, oder werden infolge von Verwechslungen verhaftet, oder dann, wenn sie sich bei Sicherheitskräften nach dem Schicksal anderer Personen erkundigen, oder humanitäre Hilfe leisten; Human Rights Watch (HRW) vom 3.7.2014, „Syrien: Auswirkungen des Krieges auf Frauen“, www.hrw. org/de/news/2014/07/03/syrien-auswirkungen-des-krieges-auf-frauen:unter Verweis auf einen Link zu einem 47-seitigen Bericht: „We are still here: Women on the Front Line of Syrias Conflict“ bestätigt HRW die Verfolgung von Frauen durch das syrische Regime, sie würden „willkürlich“ verhaftet, als Angehörige männlicher Verdächtiger gefoltert, bzw. häufig auch schon dann, wenn sie nur humanitäre Hilfe leisteten; Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic vom 3.2.2016 (A/HRC(31/CRP.1): Vom Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen eingesetzte „Unabhängige Internationalen Untersuchungskommission zu Syrien“ - 25-seitiger englischer Untersuchungsbericht „Out of Sight, out of Mind: Deaths in Detention in the Syrian Arab Repbulic“. http://www.ohchr.org/EN/HRBodies/HRC/IICISyria/Pages/Independent International Commission.aspx , dort Link zu dem Bericht vom 22.2.2016 bzw. direkt der Bericht unter: http://www.ohchr.org/Documents/HRBodies/HRCouncil/CoISyria/A-HRC-31-68.pdf: Dieser Bericht deckt den Zeitraum von 10.2.2011 bis 30.11.2015 ab, beruht auf 621 Interviews und umfangreichem Dokumentarmaterial. Danach gibt es ein landesweites (auch abseits der Schlachtfelder) weit verbreitetes Muster der willkürlichen Gewalt des syrischen Regimes gegenüber Zivilisten, hauptsächlich männlichen, über 15 Jahre alten, aber auch gegenüber Frauen, Kindern, Greisen. Diese werden alle ausnahmslos brutal gefoltert oder willkürlich getötet bei Massenverhaftungen, Hausdurchsuchungen, an Checkpoints und in Krankenhäusern. Die Verhaftungen zielen auf Zivilisten, denen man entweder „Unterstützung der Opposition“ unterstellt oder „mangelnde Loyalität zum Regime“, aber auch auf die bloßen Bewohner von Oppositionellen kontrollierter Gebiete, Familienangehörige Verdächtigter, „Sympathisanten des Aufstandes“.(Ziff. 17,18 des Berichts).Kinder (sogar erst 7 Jahre oder 13 Jahre) zählen dabei ebenso zu den Folteropfern/Tötungsopfern wie Frauen oder Alte (Ziff. 22 des Berichts).Der Bericht listet detailliert die beteiligten syrischen staatlichen Sicherheitsdienste und die Verantwortlichkeiten auf, enthält Namen, Karten von Folterzentren etc. (auch die Haftplätze und Verbrechen der verschiedenen Oppositionsgruppen im Land werden in dem Bericht detailliert dokumentiert).Die Misshandlungen zielen auf Informationsgewinnung aber auch einfach auf Einschüchterung der Verhaftete oder aber auch nur Dritter bzw. auf Bestrafung (direkt des Verhafteten oder mittelbar durch dessen Verhaftung der Bestrafung von Dritten).(Ziff. 86 des Berichts).Die Zivilbevölkerung als solche ist das primäre Ziel der Attacken, systematische und weitverbreitete Attacken gegen Zivilisten durch willkürliche Verhaftungen und gewaltsames Verschwindenlassen (Ziff. 88 und 97).
60 
Human Rights Watch (HRW), Bericht vom 13.9.2013 - „Syrien: Regierungskräfte verüben Massenexekutionen - Neue Beweise für mindestens 284 Hinrichtungen in Küstenorten“: Verweis auf - hier verlinkt anklickbaren - 68-seitigen Bericht: „No One´s Left: Summary Executions by Syrian Forces in al-Bayda and Baniyas“ Pauschale Massenexekutionen auch von Frauen, Kindern, Säuglingen, in aufständischen Orten; ganze Familien wurden pauschal, summarisch exekutiert.
61 
Human Rights Watch (HRW), Executive Director, Kenneth Roth vom 23.9.2015: „Assads Krieg gegen Zivilisten“ (https://www.hrw.org/de/news/2015/09/23/assads-krieg-gegen-zivilisten) Die Zivilisten in Aufstandsgebieten sind wahllos generelles Angriffsziel der staatlichen Syrischen Kräfte. Diese greifen rücksichtslos gegenüber den Zivilisten, mit Bombardements tief hinein in Gebiete auch abseits eigentlicher Kampfzonen an. Das Ziel ist die Vernichtung bzw. Vertreibung jeglicher oppositioneller Bevölkerung. Ganze Wohngegenden werden gezielt zerstört, Zivilisten gezielt vertrieben.
62 
Human Rights Watch (HRW): Bericht vom 30.1.2014: „Syrien/Tausende Wohnhäuser rechtswidrig zerstört - Satellitenbilder zeigen ausgelöschte Stadtteile“ https://www.hrw.org/ de/news/2014/01/30/syrien-tausende-wohnhauser-rechtswidrig-zerstort Verweis auf - hier verlinkt anklickbaren- 38-seitigen englischen Bericht: „Razed to the Ground: Syrias Unlawful Neighbourhood Demolitions in 2012-2013“: Großangelegte Zerstörungen, die keinem notwendigen militärischen Zweck dienen und augenscheinlich darauf abzielen, Zivilisten zu bestrafen, dafür dass sie pauschal der Unterstützung der Rebellen verdächtigt werden. Kriegstaktik: Ganze Stadteile ausradieren, manchmal kilometerweit abseits der eigentlichen Kampfzone.
63 
Deutsche Orient Institut (DOI), Auskunft v. 1.2.2017 an HessVGH - Ziff.2, wonach ein „nennenswerter Grad an Sippenhaft zu erkennen ist“.
64 
Österr. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) - Länderbericht Syrien, Stand 5.1.2017: Ziff.6 - „Vergewaltigung und sexueller Missbrauch von Frauen, Männern und auch Minderjährigen sind weitverbreitet und werden auch als Kriegstaktik eingesetzt… Das Regime foltert auch Frauen und Kinder, welche sich in seinem Gewahrsam befinden. …Opfer von Folter werden auch Mitglieder oder Verwandte von Mitgliedern bewaffneter Gruppen… Ziff. 8.4. Auch Familien von Deserteuren und Kriegsdienstverweigerern haben mit Konsequenzen zu rechnen. Eine Familie könnte von der Regierung unter Druck gesetzt werden, wenn der Deserteur dadurch vielleicht gefunden werden kann. Familienmitglieder (auch weibliche) können festgenommen werden, um den Deserteur dazu zu bringen, sich zu stellen. Manchmal wird ein Bruder oder Vater eines Deserteurs ersatzweise zur Armee rekrutiert. …Ziff. 13: Vergewaltigungen gegen Frauen, aber auch gegen Männer und Kinder, welche als der Opposition zugehörig wahrgenommen werden, werden eingesetzt um diese zu terrorisieren oder zu bestrafen… Auch an Checkpoints sowie bei Hausdurchsuchungen kommt es zu Vergewaltigungen und sexuellen Übergriffen.
65 
Schwarz, Subsidiäre Flüchtlingspolitik, Asylmagazin 4/2017, S-. 145[147] - Bericht aus der Rechtsberatungspraxis der Oase e.V.-Berlin: In diesen Fällen (Anmerkung: in denen sich ein Regimeanhänger absetzt, weil er die Assad-Politik nicht länger mittragen kann) berichten die Betroffenen auch von „Entführungen der Kinder oder Gefangennahme von Verwandten, die nur gegen Geldzahlung freigelassen wurden“.
66 
Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH)- Auskunft und Länderanalyse - Syrien , 21.3.2017: S. 8: An der Grenze wird auch überprüft, ob Familienangehörige gesucht werden. Auch dabei kann es zu Verhaftungen kommen“. S. 11: „ Familienangehörige von Aktivisten sind besonders gefährdet, bei ihrer Rückkehr verhaftet oder misshandelt zu werden“.
67 
Die nach allem gerechtfertigte Regelvermutung einer den Klägern insoweit drohenden eigenen flüchtlingsrechtlich relevanten, an ihre Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie (des eigentlich Verdächtigten/Gesuchten) anknüpfenden Verfolgung, hat die Beklagte nicht widerlegt. Vielmehr wird die Vermutung hier sogar durch die vorliegenden Berichte gerade bekräftigt und bestätigt.
68 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 83b AsylG gerichtskostenfrei.

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