Beschluss vom Verwaltungsgericht Freiburg - NC 6 K 8606/17

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

Der zulässige Antrag, der auf vorläufige Zuteilung eines Studienplatzes im 1. Fachsemester Zahnmedizin gerichtet ist, hat keinen Erfolg. Die Antragstellerin hat keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Über die festgesetzte Zahl von Studienplätzen hinaus gibt es keine weiteren Studienplätze.
Die Zahl der von der Antragsgegnerin im Studienjahr 2017/2018 aufzunehmenden Studienanfänger im Fach Zahnmedizin wurde durch die Verordnung des Wissenschaftsministeriums über die Festsetzung von Zulassungszahlen für die Studiengänge im zentralen Vergabeverfahren der Stiftung für Hochschulzulassung im Wintersemester 2017/2018 und im Sommersemester 2018 (Zulassungszahlenverordnung Zentrales Vergabeverfahren 2017/2018 - ZZVO Zentrales Vergabeverfahren 2017/2018 vom 31.05.2017 - GBl. S. 291) auf 85 Studenten/Jahr, nämlich auf 43 im Wintersemester und 42 im Sommersemester, festgesetzt.
Damit ist die Ausbildungskapazität der Antragsgegnerin für diese Studienhalbjahre erschöpft.
1. Nach der Kapazitätsberechnung der Antragsgegnerin („Kapazitätsakte Zahnheilkunde Studienjahr 2017/18, Stand: 1.10.2017“ [im Folgenden: KapA]), stehen unter Berücksichtigung des personellen Lehrangebots im Studienjahr 2017/2018 nur 72,64, d.h. 73 Studienplätze zur Verfügung (KapA S. 19), was gegenüber dem Vorjahreswert (70,92) eine Erhöhung um 2 Studienplätze bedeutet (zu den Änderungen KapA S. 19).
Ungeachtet dieser gem. § 6 KapVO VII (v. 14.6.2002 - GBl. 2002, 271 i.d.F. v. 9.7.2013 - GBl. 2013, 251, zuletzt geändert durch VO vom 28.6.2016, GBl. 2016, 385) nach der personellen Ausstattung berechneten Aufnahmekapazität wurde aber auf Vorschlag der Antragsgegnerin (§ 4 Abs. 1 S. 2 KapVO VII) eine um 12 Studienplätze höhere Zahl von sogar 85 Studienplätzen festgesetzt im Sinne konstanter Ausbildungsverhältnisse unter Inkaufnahme überobligatorischer Anstrengungen, wobei ohnehin die limitierten Sachressourcen (41 Phantomarbeitsplätze) die Ausbildungsmöglichkeiten begrenzen (siehe die Stellungnahme der Antragsgegnerin zum rechnerischen Ergebnis einer Kapazität von 73 Studienplätzen - KapA S. 19).
Diese - kapazitätsgünstige - freiwillige Übernahme einer Überlast durch die Antragsgegnerin ist kapazitätsrechtlich nicht zu beanstanden. Eine Hochschule kann im Rahmen ihres durch die Lehrfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) eingeräumten Gestaltungs- und Beurteilungsspielraums die mit der Überbelegung ihrer Lehrveranstaltungen verbundene Qualitätsminderung der Ausbildung in Kauf nehmen, solange sie damit nicht gegen das aus dem Grundrecht der zugelassenen Studierenden aus Art. 12 Abs. 1 GG resultierende Verbot einer kapazitätsrechtlich „unzulässigen Niveauunterschreitung“ verstößt (zur Zulässigkeit einer Überlast bzw. Überbuchung: VGH Bad.-Württ., Beschlüsse v. 17.1.2012 - NC 9 S 2775/10 -, juris, Rdnr. 10 und v. 24.1.2012 - 9 S 3310/11 -, juris, Rdnr. 22 sowie OVG NdS, B. v. 20.2.2013 - 2 NB 386/12 -, juris, Rdnr. 25, ausführlich dazu m.w.N. auch VG Freiburg, B. v. 3.11.2016 - NC 6 K 3480/16 - juris, Rdnr. 6).
Eine solche kapazitätsgünstige Festsetzung einer höheren als der errechneten Zulassungszahl kann die Rechte von Zulassungsbewerbern unter keinem denkbaren Gesichtspunkt verletzen (so VGH Bad.-Württ., B. v. 9.2.1994 - NC 9 S 131/91 -, juris, Rdnr.15 und unter Verweis darauf Beschlüsse v. 14.3.2016 - NC 9 S 2497/15 und v. 14.3.2016 - NC 9 S 2022/15 -).
Ihr fehlt auch nicht die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage (siehe insoweit OVG RP, B. v. 23.2.2016 - 6 B 10083/16 -, juris, Rdnr. 4 - 7, wonach einer Hochschule - von gesetzlich geregelten Ausnahmen abgesehen - kein Ermessen zustehe, höhere Zulassungszahlen festzusetzen als der ermittelten Aufnahmekapazität entspreche). Vielmehr sieht § 4 Abs. 1 S. 2 KapVO VII ausdrücklich vor, dass die Hochschule dem Wissenschaftsministerium nicht nur den Kapazitätsbericht vorzulegen hat, der eine Darstellung der Ermittlung der errechneten Aufnahmekapazität umfasst, sondern verbunden damit dem Ministerium zugleich einen „Vorschlag“ zur Festsetzung der Zulassungszahl machen kann. Ein solches Vorschlagsrecht wäre aber sinnlos, wenn es darauf reduziert wäre, lediglich die Festsetzung der errechneten Zulassungszahl vorschlagen zu können. Dem steht auch nicht etwa entgegen, dass nach § 14 Abs. 3 KapVO VII eine „Erhöhung“ der errechneten Kapazitätszahl „nur“ unter den dort genannten Voraussetzungen in Betracht kommt. Denn diese Vorschrift bezieht sich allein auf das nach dem zweiten Abschnitt der KapVO VII errechnete Ergebnis und stellt nur einen der Überprüfungstatbestände des dritten Abschnitts dar, nach denen - wie z.B. bei Berücksichtigung des Schwunds (§ 16 KapVO VII) - im Zuge zusätzlicher Berechnungen die im zweiten Abschnitt errechneten Ergebnisse nach oben oder unten zu korrigieren sind und dann erst das eigentliche Rechenergebnis feststeht. Gleiches gilt auch hinsichtlich § 20 KapVO VII, wonach (nur) bei neuen Studiengängen bzw. Modellstudiengängen (§ 6 Abs. 2 S. 2 Staatsvertrag) Zulassungszahlen „abweichend von den Bestimmungen des zweiten und dritten Abschnitts der KapVO VII“ festgesetzt werden können.
Erfolgt die Festsetzung einer höheren als der errechneten Zulassungszahl auf Vorschlag der Hochschule durch Verordnung des Wissenschaftsministeriums (ZZVO), so liegt darin auch keine Vergabe von Studienplätzen „außerhalb der durch die maßgebliche Zulassungszahlenverordnung festgesetzten Kapazität und auch sonst ohne normative Grundlage in einem nicht hierfür vorgesehenen Verfahren“, was andernfalls wegen Verstoßes gegen den Gesetzesvorbehalt verfassungswidrig wäre (vgl. StGH Bad.-Württ., U. v. 30.5.2016 - 1 VB 15/15 -, juris, Rdnr. 53 ff und 61).
10 
Dass die von der Antragsgegnerin vorgelegte, auf die personellen Kapazitäten abstellende Berechnung der Ausbildungskapazität an einer Fehlerquote leiden würde, deren Berichtigung zu einer Erhöhung der errechneten Zahl der Studienplätze (73) um mehr als 16,4 % führen, d.h. sogar noch mehr als die festgesetzten 85 Studienplätze ergeben würde (vgl. dazu auch VGH Bad.-Württ., Beschlüsse v. 14.3.2016, a.a.O.), ist weder ersichtlich noch substantiiert dargelegt.
11 
2. Auf die errechnete personelle Kapazität kommt es hier allerdings ohnehin nicht entscheidend an. An der Universität Freiburg sind nämlich für den Studiengang Zahnmedizin - nach wie vor - lediglich 41 Labor- bzw. sog. Phantomarbeitsplätze vorhanden (KapA S. 19). Die Zahl dieser für die Ausbildung wesentlichen 41 Phantomarbeitsplätze stellt aber nach ständiger Rechtsprechung der Kammer und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg an der Universität Freiburg einen gem. § 14 Abs. 2 Nr. 5 KapVO VII auch durch höhere personelle Ausbildungskapazitäten nicht zu überwindenden ausstattungsbedingten Engpass für die Zulassung weiterer Studienbewerber dar (vgl. VG Freiburg, B. v. 3.11.2016 - NC 6 K 3480/16 -, juris, Rdnr. 12 sowie Urteile v. 27.11.2014 - NC 6 K 2788/14 -, juris, Rdnr. 13, v. 30.7.2014 - NC 6 K 1298/14 -, juris, Rdnr. 15 und v. 12.2.2014 - NC 6 K 2379/13 -, juris, Rdnr. 14 ff; ebenso VGH Bad-Württ., Beschlüsse v. 5.5.2014 - NC 9 S 964/13 -, v. 24.5.2012 - NC 9 S 193/12 -, v. 28.6.2010 - NC 9 S 1254/10 -und - NC 9 S 1056/10 -, juris, Rdnr. 4 ff - sowie v. 30.9.2008 - NC 9 S 2234/08 -). Auf diese Entscheidungen wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen. Das Vorbringen der Antragstellerin gibt keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung.
12 
Nicht zu beanstanden ist es in diesem Zusammenhang, dass die Antragsgegnerin, die Zahl der Studienplätze gleichwohl auf 85 festgesetzt hat, obwohl die je Semester zur Verfügung stehende Zahl von 41 Labor-/Phantomarbeitsplätzen rechnerisch nur eine Jahreskapazität von 82 (= 2 x 41) Studienplätzen ergibt. Auch diese Überbelegung um 3 Studienplätze (2 im WS und 1 im SS) stellt nämlich eine kapazitätsrechtlich zulässige, kapazitätsgünstige freiwillige Übernahme einer Überlast dar. Sie liegt noch im Rahmen dessen, was die Antragsgegnerin unter Inkaufnahme überobligatorischer Anstrengungen (dazu KapA Anl. 5 - S. 19 -) und unter Hintanstellung von Qualitätsbedenken im Rahmen ihrer Lehrfreiheit gerade noch an Steigerung der effizienten Ausnutzung der vorhandenen Arbeitsplätze verantworten kann, ohne den Anspruch der zugelassenen Studierenden (Art. 12 Abs. 1 GG) auf Schutz vor einer unzulässigen Unterschreitung des Niveaus ihrer Ausbildung (s. o. 1.) sowie den Anspruch künftiger Patienten (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) auf Schutz ihrer Gesundheit vor unzureichend ausgebildeten Zahnmedizinern zu missachten (dazu VG Freiburg, B. v. 27.11.2014 - NC 6 K 2788/14 -, juris, Rdnr. 14 und U. v. 12.2.2014 - NC 6 K 2379/13 -, juris, Rdnrn. 21, 26, 27 und 29; siehe auch schon B. v. 19.12.2012 - NC 6 K 1852/12 -, juris, Rdnrn. 5 - 10).
13 
Dass die Antragsgegnerin trotz der nur vorhandenen 41 Phantomarbeitsplätze die Zahl der Studienplätze nicht noch durch weitere personelle und organisatorische Anstrengungen zur effektiveren Ausnutzung dieser Plätze auf 92 erhöht und festgesetzt hat, - wie ihr dies noch im Studienjahr 2014/15 möglich war - ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Die mit dem Land vereinbarte befristete Zusatzkapazität von 7 Anfängerstudienplätzen endete zum WS 2014/2015 (vgl. dazu im Einzelnen den Beschluss der Kammer vom 19.10.2015 - NC 6 K 2357/15 -, juris, Rdnr. 10). Das Sonderprogramm trug hier nur einer speziellen Sondersituation (doppelter Abiturjahrgang 2012) Rechnung, die jetzt nicht mehr vorliegt, so dass sich vorliegend auch kein Anspruch auf Verlängerung dieses Programms etwa aus Gründen der Gleichbehandlung bzw. der Selbstbindung der Verwaltung ergeben kann (zu diesem Sonderprogramm und seiner zeitlichen Begrenztheit auch schon VG Freiburg, U. v. 27.11.2014 - NC 6 K 2788/14 -, juris, Rdnr. 12 und U. v. 30.7.2014 - NC 6 K 1298/14 -, juris, Rdnrn. 14, 25, 26 sowie U. v. 12.2.2014 - NC 6 K 2379/13 -, juris, Rdnrn. 24, 25).
14 
Mit der schon für das Studienjahr WS 2015/16 und SS 2016, die anschließenden Studienjahre und nun auch für das aktuelle Studienjahr WS 2017/2018 und SS 2018 auf das „Normalniveau“ (siehe dazu VG Freiburg, U. v. 12.2.2014 - NC 6 K 2379/13 -, juris, Rdnr. 24) festgesetzten Zahl von 85 Studienanfängern/Jahr (43 im WS und 42 im SS) ist nach allem die Ausbildungskapazität der Antragsgegnerin für das Studienhalbjahr erschöpft.
15 
Diese Studienplätze sind auch ausweislich der von der Antragsgegnerin vorgelegten Belegungsliste (Stand 8.11.2017) alle vergeben, wonach insgesamt sogar 44 Studierende zum WS 2017/2018 im 1. Fachsemester im Studiengang Zahnmedizin wirksam zugelassen worden sind. Unzulässige Doppelbelegungen weist diese Liste nicht auf.
16 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 1 GKG. Im Hochschulzulassungsrecht ist auch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes der im Hauptsacheverfahren geltende Auffangstreitwert zugrunde zu legen (vgl. VGH Bad.-Württ., B. v. 12.5.2009 - NC 9 S 240/09 - und B. v. 12.8.2014 - NC 9 S 958/14 -).

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