Beschluss vom Verwaltungsgericht Freiburg - A 4 K 10752/17

Tenor

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

 
Die Entscheidung ergeht gemäß § 76 Abs. 4 S. 1 AsylG durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin.
Der Antrag des Antragstellers, eines 1990 geborenen sri lankischen Staatsangehörigen, auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen den Bescheid des Bundesamts vom 30.11.2017, mit dem sein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, festgestellt wurde, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5, 7 AufenthG nicht vorliegen, und seine Abschiebung nach Malta angeordnet wurde, ist statthaft; denn der Gesetzgeber hat die aufschiebende Wirkung der Klage ausgeschlossen (§ 80 Abs. 5 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 75 Abs. 1 AsylG).
Der Antrag ist auch sonst zulässig, aber nicht begründet. Für die gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu treffende Entscheidung des Gerichts über die sofortige Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung ist maßgeblich, dass das öffentliche Interesse an ihrer sofortigen Vollziehbarkeit höher wiegt als das Interesse des Antragstellers daran, nicht schon jetzt nach Malta überstellt zu werden.
1. Das - auch im Ausschluss der aufschiebende Wirkung der Klage von Gesetzes wegen zum Ausdruck kommende - öffentliche Interesse an der Wahrung der Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten, wie sie die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rats vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-Verordnung), regelt, ist von hohem Gewicht. Die Regelungen der Verordnung sind Ausdruck einer gemeinsamen Asylpolitik der Mitgliedstaaten, die ihrerseits ein wesentlicher Bestandteil des Ziels der Europäischen Union ist, schrittweise einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts aufzubauen, der allen offen steht, die wegen besonderer Umstände rechtmäßig in der Union um Schutz nachsuchen (vgl. Nr. 2 der der Verordnung vorangestellten Erwägungen). Zu diesen Regeln gehören klare, auch Grundrechte und humanitäre Erwägungen berücksichtigende Kriterien dazu, welcher Mitgliedstaat für die Entscheidung über einen Asylantrag zuständig ist (Art. 7 ff. Dublin III-VO). Die Begründung einer ausschließlichen Zuständigkeit eines Mitgliedsstaats (Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO) lässt es nicht zu, dass Personen, die um Flüchtlingsschutz nachsuchen, selbst den Staat bestimmen, in dem sie Flüchtlingsschutz erhalten wollen, so wenig wie sich Asylsuchende innerhalb des Bundesgebiets das Bundesland oder den Ort aussuchen dürfen, in dem sie sich - aus oft nachvollziehbaren Gründen - bessere Aufnahmebedingungen oder eine günstigere Entscheidung im Asylverfahren versprechen. Die Regelungen der Dublin III-Verordnung schließen es aus naheliegenden Erwägungen auch aus, dass sich ein Asylantragsteller nach Ablehnung seines Asylantrags in einen anderen Mitgliedstaat begibt, um dort ein weiteres Asylverfahren zu betreiben (Art. 18 Dublin III-VO). Es liegt auf der Hand, dass die Nichtbeachtung der unionsrechtlich begründeten Zuständigkeitskriterien die jeweiligen Asylsysteme der betroffenen Mitgliedstaaten zusätzlich belastet.
In die Abwägung dieses hohen öffentlichen Interesses mit dem Interesse eines Antragstellers, der Abschiebungsanordnung vorerst nicht nachkommen zu müssen, ist zunächst einzustellen, ob sich die Abschiebungsanordnung bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen vorläufigen Beurteilung im Klageverfahren voraussichtlich als rechtmäßig oder als rechtswidrig erweisen wird. Dies gilt grundsätzlich auch hinsichtlich des besonders gewichtigen Einwands systemischer Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in einem Mitgliedstaat, welche die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinn von Art. 4 EU-GRCh (bzw. wortgleich Art. 3 EMRK) mit sich bringen. Dabei ist freilich im Anwendungsbereich der Dublin-III-Verordnung die Wertung des Unionsrechts zu beachten, dass grundsätzlich in jedem Mitgliedstaat angemessene, durch das Unionsrecht vereinheitlichte Aufnahmebedingungen herrschen, die Mindeststandards festlegen (vgl. EuGH, Urteil vom 07.06.2016 - C-63/15 - Ghezelbash -, juris).
Bestehen danach keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung oder ist diese gar offensichtlich rechtmäßig, kann der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung - wie sonst auch in Fällen der gesetzlich angeordneten Vollziehbarkeit eines Verwaltungsakts - schon deshalb abgelehnt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.01.2017 - 2 BvR 2013/16 -, juris). Ein Überwiegen des Suspensivinteresses ist hingegen jedenfalls dann zu bejahen, wenn besondere, in der Person des Asylbewerbers liegende Gründe oder die allgemeinen Aufnahmebedingungen die Rücküberstellung in einen anderen Mitgliedstaat mit der Folge, dass das Hauptsacheverfahren in Deutschland von dort aus betrieben werden muss, als unzumutbar erscheinen lassen (BVerfG, Beschluss vom 17.01.2017 - 2 BvR 2013/16 -, a.a.O.). Insoweit greift das Bundesverfassungsgericht auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zurück, in der anerkannt ist, dass die Rückführung eines Flüchtlings in einen anderen Konventionsstaat eine Verletzung des Art. 3 EMRK auch durch den rückführenden Staat darstellen kann, wenn den Behörden bekannt ist oder bekannt sein muss, dass dem Asylbewerber dort gegen Art. 3 EMRK verstoßende Bedingungen drohen.
2. Dies zugrunde gelegt, unterliegt die angefochtene Abschiebungsanordnung keinen ernstlichen Zweifeln, auch wenn nicht alle sich im Hauptsacheverfahren stellenden rechtlichen Fragen in der Rechtsprechung bereits geklärt sind.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylG).
2.1 Die Anordnung der Abschiebung des Antragstellers nach Malta beruht auf § 34a Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG. Die Voraussetzungen dieser Vorschriften liegen vor. Malta ist für den Asylantrag des Antragstellers zuständig (Art. 3 Abs. 1 Satz 2, Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO). Dies gilt gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d) Dublin III-VO auch für den Fall, dass der Asylantrag des Antragstellers in Malta bereits bestandskräftig abgelehnt worden ist. Die maltesischen Behörden haben dem Übernahmeersuchen des Bundesamts vom 22.11.2017 fristgerecht gemäß Art. 22 Abs. 1 Dublin III-VO, nämlich bereits mit Schreiben vom 29.11.2017 stattgegeben; Malta ist daher - auch gegenwärtig noch - verpflichtet, den Antragsteller aufzunehmen.
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2.2 Es ist auch nicht anzunehmen, dass es sich deshalb als unmöglich erweist, den Antragsteller nach Malta zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gäbe, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asyl-Antragsteller in Malta systemische Schwachstellen aufwiesen, die zugleich eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 EU-GRCh mit sich bringen (Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO).
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2.2.1 Die den Zuständigkeitsregeln der Dublin III-Verordnung zugrunde liegende Wertung des Gesetzgebers, dass grundsätzlich in jedem Mitgliedstaat angemessene, durch das Unionsrecht vereinheitlichte Aufnahmebedingungen rechtlich und tatsächlich herrschen, die Mindeststandards festlegen, bedarf dann, wenn hierzu hinreichender Anlass besteht, der Überprüfung. Dabei kommt der verfahrensrechtlichen Sachaufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) in Fällen, in denen es um die Beurteilung der Aufnahmebedingungen in einem Drittstaat als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK geht, sogar verfassungsrechtliches Gewicht zu. Die fachgerichtliche Beurteilung solcher möglicherweise gegen Art. 3 EMRK verstoßender Aufnahmebedingungen muss daher, jedenfalls wenn diese ernsthaft zweifelhaft sind - etwa weil dies in der jüngsten Vergangenheit noch von der Bundesregierung und der EU-Kommission bejaht wurde, wodurch der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens erschüttert ist -, auf einer hinreichend verlässlichen, auch ihrem Umfang nach zureichenden tatsächlichen Grundlage beruhen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 21.04.2016 - 2 BvR 273/16 -, juris).
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Die Wertung des Unionsrechts, dass grundsätzlich in jedem Mitgliedstaat angemessene, durch das Unionsrecht vereinheitlichte Aufnahmebedingungen herrschen, die Mindeststandards festlegen, ist allerdings nicht schon bei einzelnen Verstößen gegen asylrechtliche Normen und auch nicht bereits bei einzelnen Grundrechtsverletzungen durch den zuständigen Mitgliedstaat widerlegt. Die Überstellung von Schutzsuchenden ist vielmehr erst dann mit Art. 4 EU-GRCh und Art. 3 EMRK unvereinbar, wenn das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in dem Mitgliedstaat allgemein so mangelhaft sind, dass im konkreten (und das heißt in jedem) Einzelfall die tatsächliche Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK besteht (EGMR, Entscheidung vom 21.12.2011, a.a.O.; Entscheidung vom 10.12.2013 - 53792/09 -; BVerwG, Beschluss vom 23.03.2017 - 1 C 17.16 -, juris). Das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 -, juris; OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris).
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2.2.2 In Bezug auf Malta lassen sich nach aktuellem Stand der Erkenntnisse systemische Schwachstellen gegenwärtig nicht (mehr) feststellen, und zwar weder im Hinblick auf das Asylsystem als solches, noch im Hinblick auf die Aufnahmebedingungen von Asylbewerbern (so i.Erg. auch VG Leipzig, Beschluss vom 17.01.2018 - 6 L 1284/17.A -, juris; VG Bayreuth, Beschluss vom 20.11.2017 - B 6 S 17.51015 -, juris; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 18.08.2017 - 9a K 961/16.A -, juris).
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Soweit in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung bis in die jüngere Vergangenheit bezogen auf Malta ernstzunehmende Anhaltspunkte für das Bestehen systemischer Mängel gesehen wurden (vgl. z.B. VG Arnsberg, Beschluss vom 29.08.2017 - 5 L 2272/17.A -, juris; VG München, Beschluss vom 19.05.2016 - M 26 S 16.50281 -, juris; VG Magdeburg, Urteil vom 26.01.2016 - 8 A 108/16 -, juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 09.04.2015 - 8 L 1100/15.A -, juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 30.03.2015 - 7a L 340/15.A, juris; vgl. auch VG Freiburg, Beschluss vom 19.05.2017 - A 4 K 2222/17 -), berücksichtigen diese Entscheidungen die aktuellen Entwicklungen des maltesischen Asylrechts nicht. Ausweislich der aktuellen Erkenntnismittel (AA, Auskunft an VG Freiburg vom 11.12.2017 - AA, Auskunft vom 11.12.2017 -; ACCORD, Anfragebeantwortung zu Malta: Informationen zur Lage von AsylbewerberInnen (Versorgung, Unterbringung, Inhaftierung, Zugang zu Asylverfahren), 17.05.2017 - ACCORD, Lage von Asylbewerbern -; UNHCR, Beyond Detention; a global strategy to support governments to end the detention of asylum-seekers and refugees 2014-2019 - UNHCR, Beyond Detention -; aida, Country Report: Malta, Update 2017, Stand 31.12.2017 - aida, Country Report: Malta -; Amnesty International Report 2016/17 zur weltweiten Lage der Menschenrechte, Stand 12/2016 - AI International Report -) kam es im Dezember 2015 zu umfassenden Änderungen in der maltesischen Asylgesetzgebung - dem „Immigration Act“, „Refugees Act“ und „Care Orders Act“ sowie diversen Durchführungsrechtsakten - im Sinne einer Umsetzung der in der Richtlinien des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (Aufnahmerichtlinie - RL/2013/33/EU -), und der Richtlinie zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Asylverfahrensrichtlinie - RL/2013/32/EU) enthaltenen Regelungen mit der Folge, dass nunmehr eine andere Beurteilung der für Asylbewerber in Malta geltenden Rechtslage gerechtfertigt ist. Im Einzelnen:
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2.2.2.1 Ein wesentlicher Kritikpunkt in der Rechtsprechung waren in der Vergangenheit die Inhaftierungspraxis und die Haftbedingungen bei Dublin-Rückkehrern, da sie mit der Aufnahmerichtlinie nicht in Einklang stünden.
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2.2.2.1.1 Nach den umfassenden Gesetzesänderungen Ende 2015 gibt es nach aktueller Auskunftslage (AA, Auskunft vom 11.12.2017; ACCORD, Lage von Asylbewerbern; UNHCR, Beyond Detention) gegenwärtig jedoch nur noch sechs Haftgründe für Asylbewerber, die denjenigen in Art. 8 Abs. 3 RL/2013/33/EU entsprechen und eine Inhaftierung für einen Zeitraum von höchstens neun Monaten ermöglichen. Darüber hinaus können die Behörden gegenüber Personen, bei denen sie damit rechnen, dass sie sich absetzen, lediglich für einen Zeitraum von bis zu neun Monaten bestimmte Maßnahmen verhängen (z.B. Melde- oder Wohnsitzverpflichtungen, Stellung einer Bürgschaft) (ACCORD, Lage von Asylbewerbern; aida, Country Report: Malta). Eine automatische und verpflichtende Haft von Asylbewerbern gibt es im maltesischen Recht damit nicht mehr, allerdings laufen Asylbewerber, die Malta ohne Erlaubnis verlassen haben, ebenso Gefahr, nach ihrer Rücküberstellung angezeigt, vor ein Strafgericht gebracht und zu einer Geldstrafe bzw. einer Haftstrafe von bis zu zwei Jahren verurteilt zu werden (AA, Auskunft vom 11.12.2017), wie Asylbewerber, die mit falschen Dokumenten irregulär nach Malta einreisen (ACCORD, Lage von Asylbewerbern). Im Falle von Inhaftierungen stehen den Inhaftierten kostenlose rechtliche Beratung, Dolmetscherleistungen und Rechtsschutzmöglichkeiten zu; nach sieben Tagen sowie erneut nach zwei Monaten sind außerdem automatische Haftüberprüfungen vorgesehen (AA, Auskunft vom 11.12.2017; aida, Country Report: Malta; ACCORD, Lage von Asylbewerbern).
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In der Praxis wird von den - beschränkten - Möglichkeiten der Inhaftierung nur noch selten Gebrauch gemacht; im Jahr 2017 waren insgesamt 43 Asylbewerber in Haft mit einer durchschnittlichen Haftzeit von 56 Tagen, in den meisten Fällen wegen ungeklärter Identität (aida, Country Report: Malta). Alternativen zur Haft werden in der Praxis, soweit möglich, genutzt (aida, Country Report: Malta). Soweit es noch rechtliche Möglichkeiten zur Inhaftierung zum Zweck der Durchführung eines Asylverfahrens gibt, werden diese in der Praxis nicht mehr angewendet (aida, Country Report: Malta). Konkrete Verstöße im Zusammenhang mit Inhaftierungen konnten nicht mehr festgestellt werden, allenfalls werden in einzelnen Erkenntnismitteln Bedenken geäußert, ob die Auslegung der Haftregelungen in Ermangelung von Verfahrensgarantien in allen Fällen Rechtsgrundsätze wie das Verhältnismäßigkeitsgebot wahre (UNHCR, Beyond Detention; AI International Report). Rechtsanwälte erhalten in der Praxis ebenso wie NGOs Zugang zu den Inhaftierten, wenn es auch teilweise Schwierigkeiten gibt, etwa weil die Inhaftierten ihre Rechte nicht kennen (aida, Country Report: Malta); jedenfalls in der Berufungsinstanz werden Asylbewerber effektiv rechtlich beraten, während sie im ersten Rechtszug teilweise auf die Unterstützung durch NGOs angewiesen sind (AA, Auskunft vom 11.12.2017).
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2.2.2.1.2 Hinsichtlich der Haftbedingungen sieht die neue Rechtslage vor, dass Asylbewerber in eigenen, von anderen Gefangenen getrennten Gefängnissen mit Zugang zu Außengelände und getrennten Räumlichkeiten für männliche und weibliche Asylbewerber untergebracht werden sollen; für Familien sollen eigene Unterbringungsmöglichkeiten geschaffen werden, um ihre Privatsphäre zu schützen (UNHCR, Beyond Detention). Auch im Übrigen sollen die Haftbedingungen verbessert werden (etwa hinsichtlich Zugang zur medizinischen Versorgung, Zugang zu Telefon, Räumlichkeiten für Gespräche mit NGOs, Freizeitmöglichkeiten etc.) (aida, Country Report: Malta).
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Die Haftbedingungen sind in der Praxis allerdings nach wie vor schwierig; so ist davon die Rede, die sanitären und hygienischen Verhältnisse seien problematisch, es gebe unzureichende Möglichkeiten, die Räumlichkeiten zu heizen bzw. zu kühlen, die existierende ärztliche Versorgung für die Asylsuchenden stoße auf sprachliche Schwierigkeiten und reiche nicht aus, um allen medizinischen Erfordernissen zu genügen, es stehe wenig Platz für persönliche Gegenstände zur Verfügung und es fehle an Zeitungen, Internetzugang und Gegenständen für die Freizeitbeschäftigung (aida, Country Report: Malta).
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2.2.2.1.3 Dass systemische Schwachstellen des Asylverfahrens in Bezug auf die mögliche Inhaftierung von Asylbewerbern bzw. die in der Haft herrschenden Verhältnisse bestünden, lässt sich auf Grundlage der aktuellen Erkenntnismittel nicht mehr feststellen.
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So entspricht die Rechtslage hinsichtlich der Inhaftierungsgründe Europäischem Recht; soweit darüber hinaus die illegale Einreise aus bzw. unberechtigte Ausreise aus Malta strafrechtlich verfolgt und ggf. mit Strafhaft geahndet werden, bestehen hiergegen keine grundsätzlichen rechtlichen Bedenken.
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Auch was die sonstigen Haftbedingungen angeht, so mögen diese zwar nach wie vor Mängel und gravierende Unzulänglichkeiten aufweisen; eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vermag die Kammer im Sinne von Art. 3 EMRK hierin jedoch nicht zu erkennen. Etwas anderes ergibt sich nicht aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Dieser hatte im Fall Abdi Mahamud v. Malta (Urteil vom 03.08.2016 - 56796/13 -) die in Malta herrschenden Haftbedingungen für eine somalische Asylbewerberin als Verstoß gegen Art. 3 EMRK angesehen und dies vor allem mit der aufgrund einer Erkrankung bestehenden besonderen Vulnerabilität der Asylbewerberin begründet, welche dazu geführt habe, dass in einer Gesamtschau der Umstände, insbesondere dem Umstand, dass sie über Wochen hinweg keine Möglichkeit hatte, sich im Außengelände aufzuhalten, den kritikwürdigen Zuständen des Außengeländes in der übrigen Zeit, den unzureichenden Maßnahmen zum Schutz vor Kälte, dem Mangel an weiblichem Personal und der geringen Privatsphäre sowie dem Umstand, dass diese mangelhaften Verhältnisse über 16 Monate hinweg andauerten, der Aufenthalt in der Haftanstalt als erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK zu bewerten gewesen sei. Diese - auch innerhalb des Europäischen Gerichtshofs nicht unumstrittene (vgl. partly dissenting opinion von Richter Sajo) - Entscheidung vermag schon deshalb die Annahme, dass gegenwärtig systemische Schwachstellen während der Inhaftierung von Asylbewerbern bestehen, nicht zu begründen, weil das Urteil die Haftbedingungen des Jahres 2012 - mithin vor den zahlreichen Gesetzesänderungen insbesondere auch im Hinblick auf die Haftgründe und die höchstzulässige Haftdauer - in den Blick nimmt. Außerdem begründete der Gerichtshof seine Entscheidung mit den konkreten Haftumständen, die für sich für die kranke und daher vulnerable weibliche Asylbewerberin in ihrer Kumulierung als erniedrigende Behandlung dargestellt hätten; dass die Haftbedingungen für Asylbewerber in Malta allgemein gegen Art. 3 EMRK verstoßen haben, es sich folglich um systemische Mängel handelte, lässt sich der Entscheidung dagegen nicht entnehmen. Nichts anderes ergibt sich aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in der Rechtssache Aden Ahmed v. Malta (Urteil vom 09.12.2013 - 55352/12 -). Auch hier ging es um Haftbedingungen in den Jahren 2009 bis 2012; nach Auffassung des Gerichtshofs stellten sich die konkreten Haftbedingungen, die durch fehlende Privatsphäre und teilweise nicht bestehende und im Übrigen unzureichende Aufenthaltsmöglichkeiten im Außengelände sowie unzureichenden Schutz gegen Kälte und Hitze und ungeeignetes Essen gekennzeichnet waren, in einer Gesamtschau aufgrund der spezifischen Vergangenheit der Klägerin, einer eritreischen Asylbewerberin, ihrer psychischen Probleme und ihrer anfälligen Gesundheit auch deshalb als Verstoß gegen Art. 3 EMRK dar, weil diese Zustände über einen Zeitraum von mehr als 14 Monaten Haft andauerten. Auch diese den konkreten Einzelfall würdigende Entscheidung vermag einen Rückschluss auf - zumal gegenwärtig bestehende - systemische Schwachstellen auch für männliche Asylbewerber in Malta aufgrund unzureichender Haftbedingungen nicht zu begründen.
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Lassen sich mithin ernsthafte Anhaltspunkte für einen Verstoß der Haftbedingungen gegen Art. 3 EMRK nicht feststellen, kann dahinstehen, ob der Antragsteller als im Rahmen des Dublin-Systems Zurückgeführter überhaupt Gefahr liefe, in Malta inhaftiert zu werden.
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2.2.2.2 Ein zweiter wesentlicher Kritikpunkt galt dem Umstand, dass bei Antragstellern, die Malta durch Flucht aus behördlichem Gewahrsam oder irreguläre Ausreise verlassen haben, das Verfahren eingestellt und nur bei Vorliegen von Wiederaufgreifensgründen fortgeführt wurde, was, so die Rechtsprechung, gegen Art. 28 Abs. 2 der der RL/2013/33/EU und das dort auch enthaltene Gebot des „non-refoulement“ verstoße.
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Auch dieser Vorwurf lässt sich nach Umsetzung der RL/2013/33/EU und RL/2013/32/EU in nationales maltesisches Recht und Verankerung des Refoulement-Verbots in Art. 14 Refugees Act nicht mehr aufrecht erhalten. Nach aktueller Rechtslage (vgl. AA, Auskunft vom 11.12.2017) wird bei Ausreise das Verfahren unterbrochen oder das Asylbegehren abgelehnt, wobei letzteres nur dann der Fall ist, wenn der Antrag in Folge einer angemessenen Überprüfung als unbegründet erachtet wird. Der rückkehrende Asylbewerber hat dann die Möglichkeit, einen neuen Antrag, der nicht als Folgeantrag gilt, zu stellen, oder zu verlangen, dass sein Verfahren wiedereröffnet wird. Etwas anderes gilt erst nach dem Ablauf von neun Monaten; nach dieser Frist gilt der Antrag, wie auch in Art. 29 Abs. 2 UAbs. 2 RL/2013/32/EU vorgesehen, als Folgeantrag. Soweit das Asylverfahren wiederaufgenommen wird, steht es im Ermessen der Behörde, das Verfahren in dem Stadium wieder aufzunehmen, in dem es unterbrochen wurde; es findet eine Vollprüfung des Asylbegehrens statt. Bereits die Stellung eines Asylantrages hat bis zur endgültigen Entscheidung aufschiebende Wirkung. Dies gilt auch für den Fall, dass das Asylverfahren eines Dublin-Rückkehrers wiederaufgenommen wird. Lediglich für den Fall, dass der erneute Asylantrag infolge einer mehr als neunmonatigen Unterbrechung als Asylfolgeantrag zu werten ist, tritt die aufschiebende Wirkung nur dann ein, wenn der Folgeantrag nicht zur Verzögerung der Abschiebung eingelegt wurde. Rücküberstellte Asylbewerber haben dieselben Rechtsschutzmöglichkeiten wie Asylbewerber, die erstmals in Malta einen Antrag stellen.
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Erkenntnisse dazu, dass rückgeführte Asylbewerber entgegen der Rechtslage Gefahr laufen, aus Malta in ihre Heimat abgeschoben zu werden, liegen dem Auswärtigen Amt nicht vor (AA, Auskunft vom 11.12.2017); auch aus den sonstigen Erkenntnismitteln ergibt sich kein Hinweis darauf, dass die nationalen Regelungen zur aufschiebenden Wirkung eines Asylantrags in der Praxis - zumal regelhaft - nicht eingehalten würden.
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2.2.2.3 Auch im Übrigen sind unter Zugrundelegung der aktuellen Erkenntnismittel systemische Mängel bei Durchführung des Asylverfahrens im maltesischen Recht weder für Asylbewerber, die erstmalig einen Asylantrag in Malta stellen, noch für solche, die im Rahmen des Dublin-Verfahrens nach Malta zurückgeführt werden, zu erkennen.
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Mit EU-Mitteln wurde für Asylbewerber, die nach Malta einreisen, ein neues Erstaufnahmezentrum eingerichtet, in dem die neuankommenden Asylbewerber medizinisch untersucht, ID-behandelt und befragt werden, wobei jedem Asylbewerber ein Bearbeiter zugeordnet ist (ACCORD, Lage von Asylbewerbern; aida, Country Report: Malta). Die Unterbringung erfolgt anschließend - nach spätestens sieben Tagen - regelmäßig in offenen Zentren mit Schlafräumen unterschiedlicher Größe sowie gemeinsame Kochgelegenheiten und Duschen, wobei die Qualitätsstandards zwischen den Unterkünften variieren; insgesamt werden die Lebensbedingungen in den offenen Zentren als sehr schwierig beschrieben, wobei hier insbesondere auf den niedrigen Hygienegrad, starke Überbelegung sowie schlechte Bausubstanz erwähnt werden (ACCORD, Lage von Asylbewerbern). Für Nahrungsmittel und Bekleidung erhalten die Asylbewerber, sofern sie nicht bereitgestellt werden, für einen nicht von vornherein begrenzten Zeitraum - gesetzlich nicht betraglich geregelte und von NGOs als zu niedrig qualifizierte - Geldbeträge oder Gutscheine; Anspruch auf Sozialhilfe besteht nicht. Ferner haben sie kostenlosen, wenn auch durch Sprachbarrieren und eingeschränkte Transportmöglichkeiten faktisch mitunter beschränkten Zugang zur staatlichen Gesundheitsfürsorge sowie - im Falle von Kindern - zu Bildungseinrichtungen. Wenn die materielle Versorgung - aus welchen Gründen auch immer - reduziert oder gestrichen wird, bleibt der Zugang zur Gesundheitsversorgung in Form medizinischer Notversorgung und unbedingt erforderlicher Behandlung von Krankheiten und schweren psychischen Störungen bestehen. Asylbewerber in offenen Zentren dürfen sich auf der Insel frei bewegen, müssen allerdings regelmäßig in der Unterkunft ihre Anwesenheit durch Unterschriftsleistung dokumentieren (aida, Country Report: Malta). Einige Familien, alleinstehende Frauen und unbegleitete Minderjährige werden in speziellen Unterkünften untergebracht. Insgesamt verfügt Malta (Stand Februar 2017) über etwa 2.200 Plätze in offenen Zentren, von denen Ende 2017 913 Plätze belegt waren (aida, Country Report: Malta).
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Die Antragstellung erfolgt durch Ausfüllen eines Formulars (Preliminary Questionnaire). Nach persönlicher Anhörung und unter Hinzuziehung eines Dolmetschers ergeht die Entscheidung über das Asylgesuch; Asylbewerber haben unter den gleichen Bedingungen wie maltesische Staatsangehörige Anspruch auf kostenlose Rechtshilfe. Gegen eine ablehnende Entscheidung des Refugee Commissioners kann der Asylbewerber binnen zwei Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung Berufung beim Refugees Appeals Board einlegen. Die Einlegung der Berufung, die nicht als gerichtliches Verfahren, sondern als Verwaltungsverfahren ausgestaltet ist, hat aufschiebende Wirkung. Im Rahmen des Berufungsverfahrens kann eine erneute Anhörung des Asylantragstellers stattfinden. Gegen die Entscheidung des Refugees Appeals Board ist, wenngleich gesetzlich nicht vorgesehen, eine gerichtliche Überprüfung der Entscheidung möglich, die auf die Überprüfung der Umstände, unter denen die betroffene Verwaltungsbehörde zu ihrer Entscheidung gekommen ist, beschränkt ist; auch im gerichtlichen Verfahren haben Asylbewerber Anspruch auf kostenlose Rechtshilfe (AA, Auskunft vom 11.12.2017; aida, Country Report: Malta). Dieses Verfahren gilt gleichermaßen für Dublin-Rückkehrer, deren Asylverfahren wieder aufgenommen wurde.
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Systemische Mängel der rechtlichen Grundlagen bzw. der tatsächlichen Ausgestaltung des maltesischen Asylverfahrens sind vor diesem Hintergrund nicht zu erkennen.
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2.3 Zuletzt liegt auch die weitere Voraussetzung für den Erlass der Abschiebungsanordnung nach § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylG vor, dass die Durchführbarkeit der Abschiebung nach Malta feststeht. In diesem Sinne bestimmt § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG, dass in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge auch darüber zu befinden ist, ob die Voraussetzungen nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen. Neben diesen zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten, hier also solchen bezüglich Maltas, umfasst die Prüfung des Bundesamtes auch der Abschiebung entgegenstehende inländische Vollzugshindernisse. Allerdings sind im vorliegenden Fall weder zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote noch inlandbezogene Vollstreckungshindernisse vorgetragen oder sonst ersichtlich.
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2.4 Bestehen danach keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung, kann der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung keinen Erfolg haben, überwiegt vielmehr das eingangs dargestellt hohe öffentliche Interesse an der Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung das Interesse des Antragstellers, jedenfalls bis zu einer Entscheidung über seine Klage im Bundesgebiet bleiben zu können. Sein Klageverfahren kann er ggf. zumutbar von Malta aus betreiben.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83b AsylG).
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Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

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