Beschluss vom Verwaltungsgericht Freiburg - 3 K 1826/18

Tenor

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die vorläufige Teilnahme des Antragstellers an dem Praktikum im Rahmen der Ausbildung für den mittleren Polizeivollzugsdienst sicherzustellen. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Der mit Ziffer 3 des Schriftsatzes vom 01.03.2018 gestellte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 123 VwGO) hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Der mit Ziffer 1 des Schriftsatzes gestellte Hauptantrag sowie der mit Ziffer 2 gestellte (erste) Hilfsantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO (analog) auf Feststellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 21.02.2018 sind jedoch nicht statthaft und daher abzulehnen.
Der Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 21.02.2018 gegen die Verfügung der Hochschule für Polizei Baden-Württemberg - Institut für Ausbildung und Training, Institutsbereich Ausbildung Lahr -vom 25.01.2018, mit der die mit Verfügung vom 26.07.2017 angeordnete Überweisung des Antragstellers zur Durchführung des Praktikums im Rahmen der Ausbildung für den mittleren Polizeivollzugsdienst für den Zeitraum vom 01.09.2017 bis 31.08.2018 zum Polizeipräsidium Freiburg/Polizeirevier ... aufgehoben und die Dienstverrichtung beim Institutsbereich Ausbildung Lahr angeordnet wurde, ist nicht nach § 80 Abs. 5 VwGO analog statthaft, da es sich bei der Verfügung vom 25.01.2018 nicht um einen Verwaltungsakt handelt.
Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst - wie der Antragsteller, der seit 01.09.2016 die Ausbildung für den mittleren Polizeivollzugsdienst durchläuft - haben noch kein funktionelles Amt inne. Wenn sie an eine andere Ausbildungsstelle zugewiesen werden, liegt daher begrifflich keine - als Verwaltungsakt zu qualifizierende - Versetzung oder Abordnung vor, sondern nur eine sog. „Überweisung“ (vgl. Kienzler/Stehle, Beamtenrecht Baden-Württemberg, 2. Aufl. 2014, Rnrn. 153, 161; Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Teil B Vor §§ 13 ff. BeamtStG, Rn. 163; Schnellenbach/Bodanowitz, Beamtenrecht in der Praxis, 9. Aufl. 2010, § 4 Rn. 2). Mangels eines eigenen Aufgabenbereichs - Dienstpostens - ist der Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst nicht einmal „umsetzungsfähig“ (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.11.2003 - 1 A 1094/01.PVL -, juris) - abgesehen davon, dass es sich bei der Umsetzung nicht um einen Verwaltungsakt handelt. Liegt damit keine das statusrechtliche oder funktionelle Amt (vgl. dazu Schnellenbach/Bodanowitz, a.a.O., § 3 Rn. 10 ff.) berührende Maßnahme vor, fehlt es an der nach § 35 LVwVfG erforderlichen Außenwirkung.
Da es sich damit bei der Überweisung vom 26.07.2017 nicht um einen Verwaltungsakt handelt, so gilt gleiches auch für die mit Verfügung vom 25.01.2018 vorgenommene Aufhebung dieser Überweisung sowie für die Anordnung, dass der Antragsteller ab 29.01.2018 wieder Dienst beim Institutsbereich Ausbildung Lahr zu verrichten hat. Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus der dadurch bewirkten Unterbrechung des zwölfmonatigen Praktikums. Dieses ist zwar wesentlicher Teil des Vorbereitungsdienstes (§§ 3 Abs. 1 Nr. 2, 17 ff. der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für den mittleren Polizeivollzugsdienst vom 11.02.2016 - APrOmPVD -, GBl. 2016, 165) und muss vor Zulassung zur Laufbahnprüfung erfolgreich absolviert worden sein (§ 21 Abs. 2 APrOmPVD). Soweit eine Unterbrechung des Praktikums zu Fehlzeiten führen sollte, die eine Wiederholung des Praktikums erforderlich machen, und soweit die Unterbrechung die Zulassung des Antragstellers zur Laufbahnprüfung infrage stellen sollte, handelt es sich aber um mittelbare Folgen, die nicht Teil des Regelungsgehalts der Verfügung vom 25.01.2018 und von dieser nicht bezweckt sind (zu diesem Erfordernis für das Merkmal der Außenwirkung vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, Anh § 42 Rnrn. 70, 90). Dass die Aufhebung der Überweisung zum Praktikum - wie noch auszuführen sein wird - den Antragsteller in seinen Ausbildungsrechten verletzt bzw. keine amtsangemessene Beschäftigung darstellt, führt zur Rechtswidrigkeit der Maßnahme, macht sie aber nicht zu einer Regelung mit Außenwirkung.
Da es sich bei der Aufhebung der Überweisung nicht um einen Verwaltungsakt handelt, ist auch der hilfsweise gestellte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des hiergegen erhobenen Widerspruchs, nicht statthaft.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel der Verpflichtung des Antragsgegners, die vorläufige Teilnahme des Antragstellers an dem Praktikum im Rahmen der Ausbildung für den mittleren Polizeivollzugsdienst sicherzustellen, hat jedoch Erfolg. Der Antragsteller hat sowohl einen Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Die Notwendigkeit einer gerichtlichen Eilentscheidung (Anordnungsgrund) folgt zumindest daraus, dass nach dem derzeitigen Stand der Erkenntnis durch die weitere Unterbrechung des Praktikums voraussichtlich Ausbildungsfehlzeiten entstehen werden, die jedenfalls eine teilweise Wiederholung dieses Ausbildungsabschnitts erforderlich machen. Nach § 6 Abs. 1 S. 1 APrOmPVD kann die Prüfungsbehörde, wenn innerhalb eines Ausbildungsabschnitts mehr als ein Fünftel des theoretischen oder des praktischen Unterrichts durch Fehlzeiten aufgrund von Krankheit oder aus sonstigen Gründen versäumt wird, auf schriftlichen oder elektronischen Antrag der Anwärterin oder des Anwärters die Wiederholung des Ausbildungsabschnitts genehmigen. Diese Vorschrift gilt während des Praktikums entsprechend (§ 6 Abs. 2 S. 1 APrOmPVD). Die Fehlzeiten beziehen sich dabei auf die zu erbringende Arbeitszeit im jeweiligen sechsmonatigen Praktikumsabschnitt nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 APrOmPVD (§ 6 Abs. 2 S. 2 APrOmPVD). Hiernach ist getrennt für das sechsmonatige Einführungspraktikum sowie das sich daran anschließende sechsmonatige Aufbaupraktikum zu beurteilen, ob Fehlzeiten von mehr als einem Fünftel vorliegen. Offenbleiben kann, ob dies bei dem vom Antragsteller am 01.09.2017 angetretenen Einführungspraktikum der Fall ist, das bis 28.02.2018 andauern sollte, aber aufgrund der Aufhebung der Überweisung am 25.01.2018 endete. Dem Antragsteller droht aber schon deshalb eine zeitliche Verzögerung der Ausbildung um mindestens sechs Monate, sofern er das ursprünglich für den Zeitraum 01.03.2018 bis 31.08.2018 vorgesehene Aufbaupraktikum erst zu einem Zeitpunkt antreten kann, nachdem bereits mehr als ein Fünftel der in diesem Zeitraum zu erbringenden Arbeitszeit verstrichen ist. Dieser Zeitverlust ist aus Sicht der Kammer nicht zumutbar.
Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass eine abschließende Entscheidung über die Entlassung des Antragstellers aus dem Beamtenverhältnis unmittelbar bevorsteht. Zwar hat der Antragsgegner den Antragsteller bereits mit Schreiben vom 29.01.2018 im Hinblick auf eine mögliche Entlassung wegen mangelnder persönlicher Eignung nach § 23 Abs. 4 BeamtStG i.V.m. § 31 Abs. 4 LBG angehört. Soweit er aber in der Antragserwiderung ausführt, es sei nicht zu erwarten, dass das Verfahren so lange andauere, dass auch der Ausbildungsabschnitt „Aufbaupraktikum“ wiederholt werden müsse, erscheint dies in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht (mehr) realistisch, zumal eine abschließende Stellungnahme des Antragstellers im Entlassungsverfahren noch nicht vorliegt und auch nicht beurteilt werden kann, ob weitere Aufklärungsmaßnahmen, etwa ärztliche Untersuchungen des Antragstellers durchzuführen sind. Ein Fünftel der während des Aufbaupraktikums zu erbringenden Arbeitszeit sind - bei monatsbezogener Betrachtungsweise - 1,2 Monate. Damit wären bereits mit Ablauf des 06.04.2018, also bereits in ca. zwei Wochen Fehlzeiten entstanden, die eine Wiederholung des Aufbaupraktikums erforderlich machen. Das Entlassungsverfahren dürfte bis dahin kaum abgeschlossen sein.
Der Antragsteller kann auch beanspruchen, dass ihm die Teilnahme am Praktikum (wieder) ermöglicht wird. Die mit Verfügung vom 25.01.2018 vorgenommene Aufhebung der Überweisung des Antragstellers zur Durchführung des Praktikums und dessen gleichzeitige Überweisung an den Institutsbereich Ausbildung Lahr sind rechtswidrig. Dies ergibt sich aus der Einstellung des Antragstellers in das Beamtenverhältnis auf Widerruf, das der Ableistung eines Vorbereitungsdienstes für den mittleren Polizeivollzugsdienst dient (§§ 4 Abs. 4a BeamtStG, 8 Abs. 1 S. 1 LVOPol) und auf den Erwerb der Laufbahnbefähigung für den mittleren Polizeivollzugsdienst abzielt (§ 10 LVOPol). Die Organisationsgewalt des Dienstherrn bei Überweisungen von Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst ist insbesondere durch die Ausbildungsvorschriften eingeschränkt (vgl. Schütz/Maiwald, a.a.O., Rn. 164). Die Ausbildungs- und Prüfungsordnung für den mittleren Polizeivollzugsdienst sieht aber die Beschäftigung eines Polizeimeisteranwärters, die keinem der Ausbildungsabschnitte nach § 3 Abs. 1 APrOmPVD zugeordnet ist, nicht vor. Um eine solche Beschäftigung handelt es sich bei dem vom Antragsteller seit dem 29.01.2018 beim Institutsbereich Ausbildung Lahr zu verrichtenden Dienst.
10 
Der Anspruch des Antragstellers auf Teilnahme an der Ausbildung im Rahmen des Vorbereitungsdienstes für den mittleren Polizeivollzugsdienst ist auch weder durch ein sofort vollziehbares Verbot der Führung der Dienstgeschäfte aus zwingenden dienstlichen Gründen (§ 39 BeamtStG) noch durch eine sofort vollziehbare Entlassung aus dem Beamtenverhältnis (§ 23 Abs. 4 BeamtStG) ausgeschlossen bzw. suspendiert. Ob zumindest die Voraussetzungen für ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte im Hinblick auf die vom Antragsgegner geltend gemachten Zweifel hinsichtlich der persönlichen Eignung des Antragstellers vorliegen, die insbesondere dem Tragen einer Waffe entgegenstehen sollen, lässt die Kammer an dieser Stelle offen.
11 
Dem Antragsteller ist nach alledem die Fortsetzung des bis 31.08.2018 vorgesehenen Praktikums zu ermöglichen. Dem Antragsgegner bleibt es unbenommen, einen Antrag auf Abänderung des vorliegenden Beschlusses gemäß § 80 Abs. 7 VwGO analog zu stellen, sofern er bis 31.08.2018 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte oder eine Entlassung des Antragstellers aus dem Beamtenverhältnis angeordnet haben oder eine solche Verfügung bestandskräftig geworden sein sollte.
12 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 S. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1 und 2 GKG. Dabei geht die Kammer davon aus, dass durch den Erlass der einstweiligen Anordnung eine - zumindest teilweise - Vorwegnahme der Hauptsache bewirkt wird, so dass der in der Hauptsache festzusetzende Auffangstreitwert zu Grunde zu legen ist (Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013).

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen

This content does not contain any references.