Beschluss vom Verwaltungsgericht Freiburg - 3 K 614/19

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Der Antrag, dem Antragsgegner im Wege einer Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO vorläufig aufzugeben, über die Aussagegenehmigung und deren Umfang des Zeugen Kriminalhauptkommissar ... unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts ermessensfehlerfrei zu entscheiden, ist zwar zulässig, aber nicht begründet.
1. Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet. Der Streit um die Erteilung einer Aussagegenehmigung ist eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art im Sinne des § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO. Im Hauptsacheverfahren handelt es sich um eine "Klage aus dem Beamtenverhältnis" im Sinne des § 54 Abs. 1 BeamtStG, auch wenn der Antragsteller selbst kein Beamter ist. Maßgebend ist, dass der geltend gemachte Anspruch im Beamtenrecht seine Grundlage hat, also auf Bestimmungen gestützt wird, die nur Träger hoheitlicher Gewalt berechtigen oder verpflichten. Die Streitsache ist nicht durch § 23 Abs. 1 EGGVG der ordentlichen Gerichtsbarkeit zugewiesen, weil die Erteilung bzw. Versagung einer Aussagegenehmigung für einen Zeugen im Strafprozess keine Entscheidung einer Justizbehörde auf dem Gebiet der Strafrechtspflege, sondern eine verwaltungsbehördliche Maßnahme ist (vgl. zur Sperrerklärung nach § 96 StPO: BVerwG, Urteil vom 27.04.1984 - 1 C 10.84 -, juris Rn. 13 ff.; vgl. ferner BVerwG, Urteile vom 02.12.1969 - VI C 138.67 -, juris Rn. 16, vom 24.06.1982 - 2 C 91.81 -, juris Rn. 32 und vom 13.08.1999 - 2 VR 1.99 -, juris Rn. 19; VG Düsseldorf, Beschluss vom 29.06.2015 - 13 L 1133/15 -, juris Rn. 4 f.; VG Berlin, Beschluss vom 01.06.2018 - 28 L 267.18 -, juris Rn. 15).
Der vorliegende Antrag ist in Anbetracht des aus der Antragsbegründung ersichtlichen Begehrens des Antragstellers sachdienlich dahingehend auszulegen, dass nicht nur eine - mangels Eröffnung von Ermessen rechtlich nicht mögliche – ermessensfehlerfreie Neubescheidung unter der Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts, sondern im Wege der einstweiligen Anordnung letztlich eine Verpflichtung des Antragsgegners begehrt wird, Kriminalhauptkommissar ... eine Aussagegenehmigung für eine Zeugenaussage in dem beim Landgericht ... anhängigen Strafverfahren Az. ... zu erteilen, welche auch Aussagen über die eingesetzten Dolmetscher genehmigt. Dieser Antrag ist aufgrund des zugrundeliegenden Verpflichtungsbegehrens nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO statthaft.
Der Antragsteller ist entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt. Die Vorschriften über die Erteilung der Aussagegenehmigung dienen auch den Interessen des Prozessbeteiligten, der sich auf das Zeugnis eines Beamten beruft. Dies gilt gerade auch im Strafprozess; der Angeklagte (hier: der Antragsteller) kann geltend machen, durch die Beschränkung der Aussagegenehmigung möglicherweise in seinem Recht auf ein faires Strafverfahren, das auch einen Anspruch auf materielle Beweisteilhabe, also auf Zugang zu den Quellen der Sachverhaltsfeststellung umfasst, verletzt zu sein (vgl. v. Roetteken, in: v. Roetteken/Rothländer, Beamtenstatusgesetz, Oktober 2009, § 37 BeamtStG Rn. 262; vgl. BVerfG, Beschluss vom 20.12.2000 - 2 BvR 591/00 -, juris Rn. 42 m. w. N.; ferner BVerwG, Urteile vom 02.12.1969, a. a. O. Rn. 18 ff. und vom 24.06.1982, a. a. O.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 29.06.2015, a. a. O. Rn. 6 ff.).
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist schließlich nicht deshalb unzulässig, weil er faktisch mit dem Begehren im Hauptsacheverfahren identisch ist. Mit dem Antrag, den Antragsgegner zur Erteilung der unbeschränkten Aussagegenehmigung zu verpflichten, begehrt der Antragsteller zwar eine Vorwegnahme der Hauptsache. Denn die Hauptsache erledigt sich, wenn der Antragsgegner antragsgemäß im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet wird, die begehrte Aussagegenehmigung zu erteilen und erst recht dann, wenn daraufhin der Zeuge von der Strafkammer vernommen wird. Dies schließt jedoch den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung nicht aus. Denn eine Vorwegnahme der Hauptsache ist hier mit Blick auf die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG ausnahmsweise zulässig. Ein Verweis auf das Hauptverfahren wäre voraussichtlich mit schweren und unzumutbaren Nachteilen verbunden, weil nicht damit zu rechnen ist, dass das Strafverfahren bis zu einer rechtskräftigen verwaltungsgerichtlichen Entscheidung über die Klage noch bei der Strafkammer des Landgerichts anhängig ist und so der Rechtsschutz zu spät käme (vgl. zur Vorwegnahme der Hauptsache in einem ähnlich gelagerten Fall: BVerwG, Beschluss vom 13.08.1999, a. a. O. Rn. 24 f.; ferner VG Düsseldorf, Beschluss vom 29.06.2015, a. a. O. Rn. 11 f.; v. Roetteken, in: v. Roetteken/Rothländer, Beamtenstatusgesetz, Oktober 2009, § 37 BeamtStG Rn. 267).
Es besteht auch ein Rechtsschutzbedürfnis für die begehrte Entscheidung, da eine weitere Vernehmung des Zeugen Kriminalhauptkommissar ..., der bereits viermal in der Hauptverhandlung vernommen wurde, im noch andauernden Strafverfahren vor dem Landgericht ... möglich ist (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 04.09.2015 - 6 B 837/15 -, juris Rn. 6).
2. Der zulässige Antrag ist jedoch nicht begründet.
Nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit der einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind von dem Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt, da der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat. Dem Antragsteller steht ein Anspruch auf die begehrte Aussagegenehmigung für Kriminalhauptkommissar ..., der als Zeuge in dem genannten Strafverfahren vor dem Landgericht ... aussagen soll, nicht zu. Nach dem vorliegenden Sach- und Erkenntnisstand ist davon auszugehen, dass ein Versagungsgrund nach § 37 Abs. 4 S. 1 BeamtStG vorliegt.
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Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung sind die Regelungen der §§ 54 Abs. 1 StPO, 37 BeamtStG. Nach § 37 Abs. 1 S. 1 BeamtStG haben Beamtinnen und Beamte über die ihnen bei oder bei Gelegenheit ihrer amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen dienstlichen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren. Ohne Genehmigung dürfen sie über Angelegenheiten, für die Absatz 1 gilt, weder vor Gericht noch außergerichtlich aussagen oder Erklärungen abgeben (§ 37 Abs. 3 S. 1 BeamtStG).
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Nach § 37 Abs. 4 S. 1 BeamtStG darf die Genehmigung, als Zeugin oder Zeuge auszusagen, aber nur versagt werden, wenn die Aussage dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes erhebliche Nachteile bereiten oder die Erfüllung öffentlicher Aufgaben ernstlich gefährden oder erheblich erschweren würde.
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Zur Auslegung dieser Vorschrift kann die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur nahezu wortgleichen Regelung des § 62 BBG a. F. (Urteil vom 24.06.1982, a. a. O.) herangezogen werden (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.08.2011 - 4 S 1263/11 -). Danach besteht zwischen den durch diese Vorschrift geschützten Interessen der Allgemeinheit mit Verfassungsrang und dem aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) in Verbindung mit dem allgemeinen Freiheitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) abgeleiteten Anspruch des Angeklagten auf ein faires rechtsstaatliches Strafverfahren ein Spannungsverhältnis. Das Gebot einer rechtsstaatlichen, insbesondere auch fairen Verfahrensgestaltung wendet sich nicht nur an die Gerichte, sondern ist auch von allen anderen staatlichen Organen zu beachten, die auf den Gang eines Strafverfahrens Einfluss nehmen, demgemäß auch von der Behörde, wenn sie sich rechtlich gehindert glaubt, bestimmte Beweismittel freizugeben. Bei der Entscheidung, ob die in unbestimmten Rechtsbegriffen niedergelegten Voraussetzungen für die Verweigerung oder Beschränkung einer Aussagegenehmigung vorliegen, hat die Behörde die ihr obliegenden Aufgaben - mögen sie noch so bedeutsame Anliegen betreffen - nicht schon als genügende Rechtfertigung anzusehen, sich der Mitwirkung an der rechtsstaatlich gebotenen Wahrheitsermittlung zu entziehen. Der hohe Rang der gerichtlichen Wahrheitsfindung für die Sicherung der Gerechtigkeit und das Gewicht des Freiheitsanspruchs des Angeklagten gebieten es ihr danach, diese Belange bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigen und ihnen genügendes Gewicht beizumessen. Wann im Einzelfall die Versagung bzw. Beschränkung einer Aussagegenehmigung angesichts dieser verfassungsrechtlichen Wertvorstellungen gerechtfertigt ist, lässt sich nicht generell entscheiden. Erforderlich ist eine sorgfältige Abwägung der im Widerstreit stehenden verfassungsrechtlichen Rechtsgüter unter Berücksichtigung des gesamten konkreten Sachverhalts. Dabei sind regelmäßig die Schwere der Straftat, das Ausmaß der dem Angeklagten drohenden Nachteile und das Gewicht der einer bestmöglichen Aufklärung entgegenstehenden Umstände besonders bedeutsam. Auch der Stellenwert des Beweismittels im Rahmen der Beweislage ist zu berücksichtigen.
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Ob die Versagung bzw. die Beschränkung der Aussagegenehmigung im konkreten Fall rechtmäßig ist, haben die Verwaltungsgerichte im vollen Umfang zu prüfen. Das bedeutet indes nicht, dass die Gründe, die für die Versagung der Genehmigung - ganz oder zum Teil - maßgebend waren, im Streit um die Frage, ob die Genehmigung zu erteilen ist, in vollem Umfange zu eröffnen sind. Ihre vollständige Offenbarung würde dem Sinn und Zweck des - wenn auch nur eingeschränkt geschützten - Geheimnisschutzes zuwiderlaufen. Ähnlich der Vorschrift des § 99 VwGO, die die verweigerte Vorlage von Akten durch die Behörde betrifft, erfordern auch die vorliegend angesprochenen Geheimhaltungsinteressen nur eine eingeschränkte Darlegung der Verhältnisse, die nur so weit zu gehen braucht, dass das Gericht in die Lage versetzt wird, Schlüsse darauf zu ziehen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen oder nicht. Das geschieht durch Glaubhaftmachung, wobei es genügt, wenn der zuständige Amtsträger dem Gericht seine Wertung der Tatsachen als geheimhaltungspflichtig so einleuchtend darlegt, dass dieses jene Wertung unter Berücksichtigung rechtsstaatlicher Belange noch als triftig anerkennen kann (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urteile vom 24.06.1982, a. a. O. sowie vom 19.08.1986 - 1 C 7.85 -, juris; vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.08.2011, a. a. O.).
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Ausgehend von diesen Erwägungen ist die vorgenommene Beschränkung der Aussagegenehmigung für den Zeugen Kriminalhauptkommissar ... nicht zu beanstanden. Das Polizeipräsidium Tuttlingen, welches von dem für die Beschränkung einer Aussagegenehmigung zuständigen Innenministerium Baden-Württemberg (vgl. § 37 Abs. 3 S. 4 BeamtStG i. V. m. § 4 Abs. 4 LBG) durch die Vorabentscheidung vom 27.01.2014 zur Erteilung einer beschränkten Aussagegenehmigung in den benannten gleichgelagerten Fällen ermächtigt wurde (vgl. zur Zulässigkeit einer solchen Vorabentscheidung: BVerfG, Beschluss vom 26.05.1981 - 2 BvR 215/81 -, juris; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 21.03.2006 - 4 S 280/05 -, juris), hat seiner Pflicht zur Glaubhaftmachung genügt. Es wurde ausreichend dargelegt, dass durch eine Aussagegenehmigung, die auch Angaben über die eingesetzten Dolmetscher erlaubt, die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe der Bekämpfung der organisierten Rauschgiftkriminalität ernstlich gefährden oder erheblich erschweren würde.
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Voraussetzung für die Annahme eines Beschränkungsgrundes gemäß § 37 Abs. 4 S. 1 Alt. 2 BeamtStG ist, dass es wahrscheinlich ist, dass die Erfüllung öffentlicher Aufgaben erheblich beeinträchtigt oder in wesentlicher Weise in ihrer Durchführung erschwert wird. Bloße Unzuträglichkeiten für die Verwaltung bzw. einfache Nachteile genügen dabei nicht. Vielmehr ist die Erheblichkeitsschwelle hoch anzusetzen, da das Gewicht des Rechtsstaatsprinzips, einer nicht durch die Verwaltung beeinflussten Durchführung des Verfahrens grundsätzlich Vorrang hat und daher nur in ganz besonderen Ausnahmefällen zurücktreten muss. Eine Offenbarung von Verwaltungsinterna kann daher grundsätzlich nur dann und insoweit die weitere Erfüllung öffentlicher Aufgaben ernstlich gefährden oder erheblich erschweren, wenn dadurch bestimmte Methoden oder Arbeitsweisen der Behörde bekannt werden, die nur bei einer fortdauernden Geheimhaltung noch erfolgreich angewandt werden können (vgl. v. Roetteken, in: v. Roetteken/Rothländer, Beamtenstatusgesetz, Oktober 2009, § 37 BeamtStG Rn. 230 und 233 m. w. N.; Reich, in: Reich, Beamtenstatusgesetz, 3. Auflage 2018, § 37 BeamtStG Rn. 17). Dabei kann es der Methodenschutz unter anderem auch erfordern, die Anonymität behördlicher Informanten zu wahren, wenn die entsprechenden Personen auch zukünftig noch in gleicher Weise tätig sein sollen und dies bei einer Offenbarung ihrer Identität und Lebensverhältnisse ersichtlich erschwert wäre. Das Gleiche gilt, wenn die Offenbarung von z. B. anonymen Informanten die konkrete Gefahr in sich birgt, dass künftig derartige Informationen versiegen, weil die Informanten das Vertrauen in die ihnen grundsätzlich zugesicherte Anonymität verlieren und ohne solche Informationen die behördliche Arbeit erheblich erschwert würde (vgl. v. Roetteken, in: v. Roetteken/Rothländer, Beamtenstatusgesetz, Oktober 2009, § 37 BeamtStG Rn. 233 m. w. N.). Es kann mithin auch geboten sein, behördliches Wissen geheimzuhalten, um dadurch sonst drohenden Gefahren für Leben, Gesundheit oder Freiheit von Personen zu begegnen (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.08.1986, a. a. O. Rn. 63; Beschluss vom 26.05.1981, a. a. O.).
16 
Vorliegend ist nachvollziehbar dargelegt worden, dass die Polizei als staatliche Behörde in ihrem öffentlichen Aufgabenbereich der Bekämpfung organisierter Rauschgiftkriminalität für die ordnungsgemäße Erfüllung dieser Aufgabe auf Dolmetscher angewiesen ist, wenn - wie hier - Ermittlungsverfahren mit Auslandsbezug geführt werden oder Beschuldigte in einer nichtdeutschen Sprache kommunizieren. Es bestehen auch keine Zweifel daran, dass ohne den Einsatz von zuverlässigen Dolmetschern im Bereich der organisierten Rauschgiftkriminalität eine effektive Verbrechensbekämpfung und Strafverfolgung nicht möglich bzw. erheblich erschwert wäre. Denn Dolmetscher führen zwar selbst keine Ermittlungshandlungen aus, sind bei Straftaten mit einem Auslandsbezug, welcher im Bereich der organisierten Rauschgiftkriminalität häufig anzunehmen ist, jedoch zwingend erforderlich, um die Ermittlungen der zuständigen Polizeibeamten zu unterstützen oder sogar erst zu ermöglichen. Ebenso ist davon auszugehen, dass bei einer konkreten Gefährdung des Lebens, der Gesundheit oder der Freiheit der eingesetzten Dolmetscher nicht nur die Gefahr von Verdunkelungshandlungen der Dolmetscher durch unrichtige Übersetzungen besteht, sondern auch die Weiterarbeit mit bereits eingesetzten Dolmetschern und die künftige Anwerbung zuverlässiger Dolmetscher erheblich gefährdet werden, so dass die Funktionsfähigkeit der Kriminalitätsbekämpfung als öffentliche Aufgabe erheblich erschwert wäre (vgl. Reich, in: Reich, Beamtenstatusgesetz, 3. Auflage 2018, § 37 BeamtStG Rn. 17).
17 
Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist durch den Antragsgegner glaubhaft gemacht worden, dass im vorliegenden Fall eine konkrete Gefährdung des Lebens, der Gesundheit oder der Freiheit der eingesetzten Dolmetscher anzunehmen ist. Im Strafverfahren beim Landgericht ... wird dem Antragsteller das unerlaubte Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen sowie unerlaubtes und bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge als Mitglied einer Bande in elf Fällen, Verschaffen von amtlichen Ausweisen, Verabredung zum Verbrechen in Tateinheit mit unerlaubtem Waffenbesitz sowie unerlaubtes Überlassen einer Schusswaffe vorgeworfen. Den weiteren Mitangeklagten werden unter anderem gewerbs- und bandenmäßiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringen Mengen, Verstöße gegen das Waffengesetz, versuchter Raub und in einem Fall sogar versuchter Totschlag vorgeworfen. Dabei werden alle Angeklagten verdächtigt, in Kontakt zu mafiösen Strukturen in Italien zu stehen und Teil der organisierten Rauschgiftkriminalität zu sein. Bereits die grundsätzliche Annahme, dass im Bereich der organisierten Rauschgiftkriminalität Racheakte, Sanktionsmaßnahmen und Verdunkelungshandlungen in der Regel zu befürchten sind, könnte für die Annahme einer konkreten Gefährdung der Dolmetscher - wohl - schon ausreichen. Im vorliegenden Fall hat der Antragsgegner aber zusätzlich glaubhaft gemacht, dass einem der Mitangeklagten des Antragstellers eine Verdunkelungshandlung in Form der Bedrohung eines Zeugen durch das Inbrandsetzen dessen Fahrzeugs vorgeworfen wird. Ebenso wird diesem Mitangeklagten eine versuchte Tötung in einer Gaststätte vorgeworfen. Es ist zudem glaubhaft gemacht, dass der Antragsteller im Verdacht steht, mit diesem Mitangeklagten zusammenzuarbeiten und dessen Geschäfte nach dessen Flucht nach Italien übernommen zu haben. Die Annahme einer konkreten Gefährdung der Dolmetscher ist aufgrund dieser konkreten Anhaltspunkte für mögliche Verdunkelungshandlungen und Racheaktionen erst Recht nachvollziehbar. Dem steht nicht entgegen, dass nach Aussage des Antragstellers in dem seit Monaten laufenden Verfahren keine (weiteren) Hinweise auf Verdunkelungshandlungen beobachten worden sind. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der pauschalen und nicht weiter substantiierten Behauptung des Antragstellers, dass sich einzelne Namen von Dolmetschern aus den deutschen Ermittlungsakten ergeben. Denn an den Grad der Wahrscheinlichkeit der konkreten Gefährdung sind vorliegend angesichts des Gewichts der bedrohten Rechtsgüter Leben, körperliche Unversehrtheit und Freiheit der Dolmetscher keine allzu hohen Anforderungen zu stellen.
18 
Im Rahmen der vorgenommenen Abwägung und Würdigung der widerstreitenden verfassungsrechtlichen Rechtsgüter hat der Antragsgegner zudem zu Recht berücksichtigt, dass der Stellenwert der eingesetzten Dolmetscher als potentielle Zeugen als nicht besonders gewichtig anzusehen ist. Nach Aussage des Antragstellers liegt der Sinn der Vernehmung der eingesetzten Dolmetscher als Zeugen darin, Erkenntnisse über die Kooperation mit den italienischen Behörden zu erlangen und die Abläufe der Telefonate sowie deren Häufigkeit, Struktur und Inhalte abfragen zu können. Die eingesetzten Dolmetscher erscheinen insoweit nicht als wichtige Entlastungszeugen und dürften wohl keinen hohen Stellenwert im Strafverfahren einnehmen. Hinzu kommt, dass der Antragsgegner nachvollziehbar erläutert hat, dass sich die Tätigkeit der Dolmetscher schwerpunktmäßig auf die im Zusammenhang mit TKÜ-Maßnahmen und Maßnahmen der Innenraumüberwachung angefallenen Audiodateien bezog, diese Audiodateien dem Landgericht vorliegen und in der Hauptverhandlung abgespielt und von gerichtlich bestellten Dolmetschern übersetzt werden können. Fehler des polizeilich beauftragten Dolmetschers könnte der Antragsteller daher auch ohne Benennung der Dolmetscher als Zeugen aufzeigen, so dass sein Recht auf ein faires rechtsstaatliches Strafverfahren nicht erheblich eingeschränkt wird. Ebenso ist anzunehmen, dass die schriftliche Kommunikation der deutschen Polizeibeamten mit den italienischen Kollegen aktenkundig und daher die Überprüfung der Übersetzung auch ohne Vernehmung der beteiligten Dolmetscher als Zeugen möglich ist. Die Einschätzung des Antragsgegners, dass der Stellenwert der Bekanntgabe der eingesetzten Dolmetscher für das Verfahren mithin geringer ist als die drohenden Nachteile, begegnet daher keinen Bedenken. Auch unter Berücksichtigung der Schwere der Straftat, die dem Antragsteller vorgeworfen wird, erweist sich die von dem Antragsgegner vorgenommene Abwägung insgesamt nicht als fehlerhaft. Die Bewertung der Namen der eingesetzten Dolmetscher als geheimhaltungspflichtig ist somit insgesamt nicht nur einleuchtend dargelegt, sondern kann auch als triftig anerkannt werden.
19 
Auch ein Antrag, der lediglich darauf abzielt, dem Antragsgegner vorläufig aufzugeben, über die begehrte Aussagegenehmigung für Kriminalhauptkommissar ... unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts ermessensfehlerfrei zu entscheiden, bliebe ebenfalls ohne Erfolg. Denn ein solcher Antrag geht ins Leere, da der zuständigen Behörde nach dem eindeutigen Wortlaut des § 37 Abs. 4 S. 1 BeamtStG bei ihrer Entscheidung über die Versagung bzw. Beschränkung der Aussagegenehmigung weder ein Ermessen noch ein Beurteilungsspielraum zusteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.06.1982, a. a. O.; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.08.2011, a. a. O.).
20 
Ist damit ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht worden, kann offen bleiben, ob dem Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung auch das Fehlen eines Anordnungsgrundes entgegensteht.
21 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG, wobei die Kammer von einer Reduzierung des Auffangwerts im vorläufigen Rechtsschutzverfahren abgesehen hat, da der Antrag des Antragstellers auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet ist (vgl. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit, NVwZ-Beilage 2013, 58).

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