Urteil vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen - 6 K 4791/20
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen trägt die Klägerin.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
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Tatbestand:
2Die Klägerin ist Eigentümerin der Grundstücke Im T. …/… (H. H1. , G. …, G1. …, …, …, …, …, …, …) in E. . Die insgesamt mehrere Hektar großen Grundstücke, an die sich im T1. die Autobahn A 2 und im P. der E. -F. -Kanal anschließen, sind mit mehreren größeren Hallen und Silos sowie einem Bürogebäude bebaut. Darüber hinaus verfügen sie über große befestigte Freiflächen, die unter anderem zum Abstellen und Rangieren von Sattelzügen genutzt werden. Für diese sind eine zentrale Einfahrt zwischen den beiden Gebäudekomplexen und eine zentrale Ausfahrt im nordöstlichen Bereich – jeweils mit Fahrzeugwaage – vorhanden. Die Grundstücke werden seit Jahrzehnten von der mit der Klägerin verbundenen G2. . H2. GmbH & Co KG genutzt, die hier eine Produktionsstätte von und einen Großhandel mit Baustoffen betreibt und über ca. vierzig eigene Sattelzüge verfügt. Etwa 30% des Transportvolumens werden zudem durch fremde Lkw abgewickelt. Auch der nordöstlich der genannten Grundstücke befindliche „Hafen H1. “ wird von der G2. . H2. GmbH und Co KG als Pächterin genutzt.
3Der Beigeladene ist Eigentümer der Grundstücke Im T. …(H. H1. , G. …, G1. …, …). Auf diesen – durch eine Vereinigungsbaulast verbundenen – Grundstücken steht eine Halle auf, die teilweise als Fitnessstudio, teilweise als Lager eines Versandhandels für Fitnessgeräte (I. T2. G3. GmbH) genutzt wird. Während sich auf der Westseite der Halle die Stellplätze und der Eingang zum Fitnessstudio befinden, verfügt die östliche Außenwand des Gebäudes über ein Tor, das der Anlieferung des mit Hochregalen ausgestatteten Lagerbereichs dient. Davor befindet sich eine rund 500 qm große befestigte Fläche.
4Die genannten Grundstücke der Beteiligten sind über die in diesem Bereich etwa dreieinhalb bis fünf Meter breite Straße „Im T. “ an die nordwestlich verlaufende Straße „L. “ angebunden. Die Straße „Im T. “ setzt sich südöstlich der Grundstücke der Klägerin fort, hat hier allerdings einen noch geringeren Querschnitt und Ausbauzustand.
5Ein Bebauungsplan existiert für den fraglichen Bereich nicht; der Flächennutzungsplan stellt „gewerbliche Baufläche“ dar.
6Weitere Einzelheiten sind dem nachfolgenden Kartenausschnitt zu entnehmen:
7In der Oroiginalentschediung befindet sich hier eine Skizze.
8Die auf dem Grundstück des Beigeladenen aufstehende Halle wurde auf der Grundlage einer Baugenehmigung vom 11. August 1994 („Errichtung einer Badmintonhalle mit Sauna, Cafeteria und Nebenräumen“) errichtet. Mit Bescheid vom 14. Okober 2006 wurden der Umbau der Halle zu einem „Sport- und Gesundheitszentrum“ und die teilweise Nutzungsänderung der Badmintonfläche in „Umkleide- und Fitnessbereich“ genehmigt. Eine weitere Änderungsgenehmigung vom 7. September 2012 betraf Änderungen der einzelnen Sportflächen; die Nutzung des Obergeschosses wurde offenbar vorläufig aufgegeben.
9Im November 2015 stellte der Beigeladene bei der Beklagten einen Bauantrag für die Nutzungsänderung von Teilen des Erdgeschosses der Halle zur Lagerfläche und für die Aktivierung der Obergeschossfläche der Halle. Zur Erläuterung führte er aus, Teile des Erdgeschosses sollten künftig als Lager genutzt werden; der entsprechende Teil des Sportstudios ziehe in das Obergeschoss. In dem Lager sollten Messebaumaterialien und Schuhe untergebracht werden. Die Ein-/Auslagerung der Schuhe erfolge ca. zweimal am Tag; diejenige der Messebaumaterialien ca. viermal im Jahr. ( Angaben zur Art der Fahrzeuge wurden nicht gemacht). Unter dem 14. März 2017 wurde die Baugenehmigung (61/5-2-042803) antragsgemäß erteilt. Für den 10. Dezember 2019 zeigte der Beigeladene die abschließende Fertigstellung des Bauvorhabes an.
10Am 19. Dezember 2019 sprach ein von der Klägerin beauftragter Rechtsanwalt bei der Bauaufsichtsbehörde vor und erklärte, auf dem östlichen Ende des Grundstücks des Beigeladenen verkehrten vermehrt Sattelschlepper, die teilweise auf dem Betriebsgrundstück der H2. wendeten oder hielten. Unter dem 21. Januar 2020 wandte der betreffende Rechtsanwalt sich noch einmal schriftlich an die Behörde, konkretisierte seinen Vortrag betreffend die Verkehrsprobleme und forderte ein behördliches Einschreiten, namentlich die Untersagung der Anfahrt des Nachbargrundstücks mit Schwerlastverkehr. Mit E-Mail vom 27. Januar 2020 ergänzte der Geschäftsführer der H2. GmbH & Co KG diesen Vortrag und erklärte, die Zustände seien unhaltbar; sie beeinträchtigten den Betrieb der H2. und gefährdeten die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer. Da die Fläche östlich der Halle des Beigeladenen begrenzt sei, benötigten die Fahrer oftmals mehrere Minuten, um ihre Sattelschlepper auf das Grundstück zu fahren; währenddessen sei die Straße „Im T. “ blockiert. Die Fahrzeuge hielten teilweise auf dem Betriebsgrundstück der H2. , insbesondere wenn die Anlieferungsfläche des Beigeladenen noch durch andere LKW belegt sei. Der Beigeladene erklärte in einer E-Mail an die Behörde vom 30. Januar 2020, er sei mit dem Nachbarn und mehreren Ämtern im Gespräch, um eine Lösung, etwa durch Erweiterung der Zufahrt, zu finden.
11Im Februar 2020 teilte der Architekt des Beigeladenen der Beklagten mit, es gebe „zum Nutzungsänderungsantrag […] einen neuen Mieter“, es handele sich nun um das Lager eines Handels mit Fitnessgeräten. In einer zugleich vorgelegten neuen Betriebsbeschreibung wurde die Betriebszeit mit „werktags 6 bis 19 Uhr“ und der Lieferverkehr pro Tag mit „1 x 40 to LKW, 4 x 20 to LKW, 5 x 3,5 to LKW“ angegeben. Die Beklagte legte diese Mitteilung als Antrag auf Nachtragsgenehmigung aus und forderte in der Folgezeit mehrfach Unterlagen nach. Unter dem 5. Mai 2020 forderte sie den Beigeladenen im Rahmen einer „Mängelmitteilung“ unter anderem auf, einen qualifizierten Lageplan mit Darstellung der geplanten Grundstückszufahrt und der für die Anlieferung mit 20- und 40-Tonnern erforderlichen Schleppkurven vorzulegen.
12Der Beigeladene bemühte sich parallel um die Zustimmung der Behörden, namentlich der unteren Wasserbehörde, zur Verbreiterung der Einfahrt auf die in Rede stehende Anlieferungsfläche. Die untere Wasserbehörde erteilte im Oktober 2020 eine Plangenehmigung für die Verrohrung des im Bereich der geplanten Zufahrtsverbreiterung verlaufenden „T3.------grabens “ (gegen Freilegung dieses Gewässers an anderer Stelle). Schließlich legte der Beigeladene der Bauaufsichtsbehörde einen Lageplan vor, in dem die um sieben auf 21,3 m verbreiterte Einfahrt dargestellt ist.
13Unter dem 12. Januar 2021 erteilte die Beklagte eine „Nachtragsgenehmigung“ für das geänderte Vorhaben des Beigeladenen.
14Bereits am 15. Dezember 2020 hat die Klägerin Klage gegen die Baugenehmigung vom 14. März 2017 erhoben, die sie am 28. Januar 2021 auf die vorgenannte Nachtragsgenehmigung erstreckt hat.
15Am 30. April 2021 hat die Klägerin unter Hinweis auf aus ihrer Sicht unzumutbare Zustände im Zusammenhang mit dem Anlieferungsverkehr einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt (6 L 619/21). In diesem Verfahren hat der Berichterstatter am 13. September 2021 einen Ortstermin durchgeführt und angeregt, die Anlieferung im östlichen Bereich der Halle des Beigeladenen im Rahmen einer Nachtrags- bzw. Änderungsgenehmigung durch konkretisierende Nebenbestimmungen klarer zu regeln und zu untersuchen, ob ein Anfahren der fraglichen Anlieferungsfläche mit Gliederzügen überhaupt möglich ist. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist später zurückgenommen worden.
16Am 1. Oktober 2021 hat der Beigeladene einen entsprechenden Antrag auf Erteilung einer Nachtragsgenehmigung gestellt. Diese ist unter dem 25. Januar 2022 von der Beklagten erteilt worden. Mit der Nachtragsgenehmigung ist eine durch den Beigeladenen erstellte „Erläuterung zur Steuerung der verkehrlichen Anlieferung und Abholung von Waren und Gütern“ zum zwingenden Bestandteil der Baugenehmigung gemacht worden. Dieses Konzept sieht vor, dass vier konkrete Flächen als Abstellflächen zum Entladen der verschiedenen Fahrzeuge auf dem Grundstück markiert und für die Anlieferung vorgegeben werden. In einer Neufassung der Betriebsbeschreibung ist die Betriebszeit nun mit „werktags 6 bis 22 Uhr“ angegeben und der Lieferverkehr ist wie folgt konkretisiert: „pro Tag ca.: 2 x 18,74m LKW / 4 x 16,5m LKW / 3 x 8,90m LKW / 1 x 7,50m LKW“. Schleppkurven, die den Fahrweg zu den beiden größeren Abstellflächen darstellen, sind durch Grünstempelung zum Bestandteil der Baugenehmigung gemacht worden.
17Nachdem die Klägerin in der Folgezeit Kritik an der erteilten Nachtragsbaugenehmigung geübt hatte, hat die Beklagte unter dem 7. Juni 2022 eine weitere Nachtragsgenehmigung erteilt. Deren Gegenstand ist eine erneute Neufassung der Betriebsbeschreibung, in welcher das „ca.“ vor der Angabe der verschiedenen Lieferfahrzeuge entfernt worden ist. Zudem sind einige Schleppkurvenpläne nochmals geringfügig korrigiert worden.
18Die Klägerin hält an ihrer Klage auch in Ansehung der erteilten Nachtragsgenehmigungen fest und trägt vor:
19Bei der Genehmigung vom 12. Januar 2021 handele es sich nicht um eine „Nachtragsgenehmigung“, sondern um eine selbständige Baugenehmigung, die ein „aliud“ zum Gegenstand habe. Der von der neuen Genehmigung erfasste Fahrzeugverkehr habe völlig andere Dimensionen als der ursprünglich angegebene. Schon deshalb werfe die Änderung die Frage der Genehmigungsfähigkeit neu auf. Zudem seien auch umfangreiche Änderungen im Gebäudeinneren vorgenommen worden.
20Die dem Beigeladenen genehmigte Nutzung sei rücksichtslos und damit rechtswidrig. Die Erschließungssituation verschlechtere sich in für sie unzumutbarer Weise.
21Ihr Betriebsgelände könne nur über die schmale, einspurige Straße Im T. angefahren werden. Sie sei auf die uneingeschränkte Nutzbarkeit dieser Straße angewiesen, da sie die Baumaterialien überwiegend „just in time“ auf den Baustellen anliefern müsse und Verzögerungen zu Vertragsstrafen führten.
22Seit Dezember 2019 komme es regelmäßig zu Problemen im Zusammenhang mit der Nutzung der Straße Im T. . Große Lkw (Sattelschlepper und Gliederzüge) könnten die Anlieferungsfläche des Beigeladenen nicht anfahren, ohne die öffentliche Straße zu blockieren und ihr Grundstück in Anspruch zu nehmen. Denn die zum Rangieren vorhandene Fläche sei vor allem bei größeren Sattel- und Gliederzügen zu klein, zumal es keine Wendemöglichkeit gebe. Wenn diese Fahrzeuge mit der Rückseite an das im vorderen Drittel der Halle befindliche Tor heranführen, stünden sie mit dem Führerhaus auf der öffentlichen Straße. Die Anlieferungsfläche sei in der Vergangenheit außerdem zeitweise mit Containern vollgestellt gewesen. Werde ein Lkw entladen, müsse ein zweiter auf der Straße warten und versperre diese, da es keine Wartemöglichkeit gebe. Gegenüber der Einfahrt zum Betriebsgrundstück der H2. sei die öffentliche Verkehrsfläche überdies ein wenig aufgeweitet; diese Aufweitung benötigtenbenötigten
ihre Fahrzeuge, um zwischen ihrer Einfahrt und der Zufahrt am Hafen zu pendeln. Auch diese Aufweitung werde durch anliefernde Lkw blockiert. Zudem gehe von den Blockaden eine erhebliche Gefahr für unbeteiligte Verkehrsteilnehmer wie Radfahrer und andere Anlieger aus.
Es sei ihr nicht zuzumuten, ihr eigenes wohldurchdachtes Verkehrskonzept mit einer einzigen, überwachten Zufahrt wegen des verkehrsordnungswidrigen Verhaltens des Nachbarbetriebes zu verändern. Ebenso wenig sei ihr zuzumuten, mittels täglich neuer zivilrechtlicher Verfahren gegen fremde, häufig ausländische Fahrer ihre Rechte durchzusetzen. Vielmehr habe der Beigeladene den Betrieb durch ein realistisches Anlieferungskonzept so zu organisieren, dass ihr Grundstück und die Befahrbarkeit der öffentlichen Erschließungsstraße nicht belastet würden.
24Die im Januar und Juni 2022 erteilten Nachtragsgenehmigungen änderten
ändertenan den Problemen nichts. Denn die dargestellten Schleppkurven seien fahrerisch unrealistisch. Der Stellplatz P3 könne zudem nicht unabhängig von den Schleppkurven der Lkw benutzt werden. Ob er in der zweiten Nachtragsgenehmigung überhaupt noch vorgesehen sei, sei unklar; insoweit seien die beiden Nachtragsgenehmigungen widersprüchlich. Ferner könnten die Fahrzeuge in den vorgesehenen Abstellpositionen gar nicht entladen werden, wenn eine Entladung fahrzeug- oder ladegutbedingt nur zur Seite möglich sei. Außerdem ändertänderten
en
die vorgesehenen Abstellpositionen nichts daran, dass wartende Lkw die öffentliche Verkehrsfläche blockieren würden, wenn die Anlieferungsfläche besetzt sei. Die vorgesehene Warteposition auf der öffentlichen Verkehrsfläche im Bereich der Einfahrt sei nicht akzeptabel. Auch sei in dem vorliegenden Konzept nicht festgelegt, wann und für wie lange welche Fahrzeuge die Fläche anfahren. Es sei nicht einmal klar, ob es sich bei den in der Betriebsbeschreibung angegebenen Fahrzeugzahlen um Maximal- oder Durchschnittsangaben handele. Die Anzahl der das Grundstück anfahrenden kleineren Fahrzeuge sei ohnehin nicht limitiert, was ebenfalls problematisch sei. Es sei auch nicht vorgegeben, dass die Stellplätze nicht als Lagerfläche benutzt werden dürften. Angezeigt sei, dass eine einzige ausreichend dimensionierte Abstellfläche auf dem Grundstück des Beigeladenen festgelegt und durch entsprechende Organisationsmaßnahmen Sorge dafür getragen werde, dass weitere Lkw nicht in die Straße Im T. einfahren, solange die Entladefläche blockiert sei.
Die Klägerin hat zahlreiche Fotos sowie die Stellungnahme eines Ingenieurbüros vorgelegt, um die Probleme im Zusammenhang mit der Anlieferung zu belegen.
26Die Klägerin beantragt,
27die Nutzungsänderungsgenehmigung vom 12. Januar 2021 in der Fassung der Nachtragsgenehmigungen vom 25. Januar 2022 und 7. Juni 2022 aufzuheben.
28Die Beklagte beantragt,
29die Klage abzuweisen.
30Sie meint, die Klage sei unbegründet. Das Erfordernis einer gesicherten Erschließung sei nicht nachbarschützend. Zudem bestünden aus Sicht der Straßenverwaltung keine Bedenken gegen das Vorhaben. Die Schleppkurven seien aus Sicht ihres Tiefbauamtes ausreichend. Dass die vier Stellplätze unabhängig voneinander angefahren werden können, sei nicht erforderlich, da es um die Belieferung eines einzigen Betriebes gehe, die entsprechend abgestimmt werden könne. Die Straßenverkehrsordnung enthalte kein Verbot des Rangierens auf öffentlichen Verkehrsflächen. Rangiervorgänge gehörten
würden
vielmehr zum üblichen und erwartbaren Verkehrsgeschehengehören
. Jeder habe sich im Straßenverkehr so zu verhalten, dass andere nicht geschädigt, gefährdet oder belästigt würden. Dass der öffentliche Verkehr nicht immer ganz reibungslos und störungsfrei laufe, sei heutzutage nicht ungewöhnlich und hinzunehmen. Auch mit dem durch die Nachtragsgenehmigungen zugelassenen Verkehr sei das Bauvorhaben durch die Straße Im T. ausreichend erschlossen. Eine das Rücksichtnahmegebot verletzende Überlastung der Straße sei nicht gegeben. Dass die Straße bislang praktisch exklusiv durch die Klägerin genutzt worden sei, führe zu keinem anderen Ergebnis, denn darauf bestehe kein Anspruch. Die Klägerin verfüge im Übrigen über drei voneinander unabhängige Zufahrten auf ihr Grundstück.
Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
32Er trägt vor, die Situation habe sich durch die von ihm vorgenommene Verbreiterung der Zufahrt deutlich verbessert. Die Verteilung der Fahrzeugankünfte werde systematisch durch seine Mieterin gesteuert. Wegen der Unberechenbarkeit der Verkehrsverhältnisse und der Abfertigung in den Häfen gebe es aber keine Garantie für eine bestimmte Ankunftszeit. Dass zwei große Fahrzeuge gleichzeitig die Halle anführen, sei selten. Es sei im Übrigen normal, dass es ab und zu zu wechselseitigen Engpässen im öffentlichen Verkehrsraum kommen könne. Auch von Fahrzeugen, die das Betriebsgelände der H2. anführen, gingen manchmal Störungen des Verkehrs auf der öffentlichen Straße und ihres Betriebsgrundstücks aus, z.B. weil die Lastzüge vor dem geschlossenen Tor warteten oder Fahrer die Straße Im T. trotz absoluten Halteverbots zum Übernachten nutzten.
33Auch der Beigeladene hat Fotos vorgelegt, um die zuletzt genannten Umstände zu belegen.
34Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des vorliegenden und des Eilverfahrens (6 L 619/21) sowie auf den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten ergänzend Bezug genommen.
35Entscheidungsgründe:
36Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
371.
38Die Klage ist mit dem gestellten Antrag zulässig.
39Dass die Klägerin sich isoliert gegen die als „Nachtragsgenehmigung“ bezeichnete Baugenehmigung vom 12. Januar 2021 (in der Fassung der beiden inzwischen erteilten Nachträge) wendet, begegnet keinen Bedenken, weil es sich bei dieser Genehmigung nicht um eine Nachtragsgenehmigung im Sinne einer unselbständigen Ergänzung der Ausgangsbaugenehmigung aus dem Jahre 2017, sondern um eine selbständige Baugenehmigung handelt, die ein anderes als das ursprünglich genehmigte Vorhaben („aliud“) zum Gegenstand hat.
40Mit einer Nachtragsgenehmigung werden (nur) kleinere, modifizierende Änderungen eines bereits genehmigten Vorhabens zugelassen, die das Gesamtvorhaben in seinen Grundzügen nicht wesentlich berühren und in seinem Wesen nicht verändern. Demgegenüber liegt ein „aliud“ vor, wenn sich das neue Vorhaben in Bezug auf baurechtlich relevante Kriterien von dem ursprünglich genehmigten unterscheidet. Ein solcher relevanter Unterschied zwischen dem genehmigten und dem abgewandelten Bauvorhaben ist immer schon dann anzunehmen, wenn sich für das abgewandelte Vorhaben die Frage der Genehmigungsfähigkeit wegen geänderter tatsächlicher oder rechtlicher Voraussetzungen insgesamt neu stellt, also eine erneute Überprüfung der materiellen Zulassungskriterien erforderlich ist.
41Vgl. etwa OVG NRW, Beschlüsse vom 4. Mai 2004 - 10 A 1476/04 -, juris (Rn. 7), und vom 13. Dezember 2012 - 2 B 1250/12 -, juris (Rn. 15); Hüwelmeier, in: BeckOK BauordnungsR NRW, 11. Edition 2022, § 74 Rn. 95 m.w.N.
42Vorliegend war mit der Ausgangsbaugenehmigung vom 14. März 2017 ein Vorhaben genehmigt worden, bei dem die Nutzung der Halle des Beigeladenen als Fitnessstudio weiterhin im Vordergrund stand und lediglich die Nutzung eines Teils des Erdgeschosses als Lagerfläche (für Messebaumaterialien und Schuhe) hinzukam. Insoweit war nur ein überschaubarer Lieferverkehr zu erwarten. Art und Umfang des Fahrzeugverkehrs waren zwar nicht konkret festgeschrieben. Da die „Messebaumaterialien“ lediglich viermal im Jahr an- oder abtransportiert werden sollten, Schuhe ein begrenztes Ladevolumen haben und sich bei einer Betriebszeit von 8 bis 17 Uhr und einer Besetzung mit einem einzigen Beschäftigten faktische Grenzen ergeben, konnte aber kein übermäßiger Lagergutumschlag mit entsprechendem Lastwagenverkehr erwartet werden. Dem gegenüber ist die Lagerfläche in den Bauvorlagen zur Genehmigung vom 12. Januar 2021 nochmals vergrößert worden und es findet ein Versandhandel (mit Fitnessgeräten) statt, der erheblichen Lieferverkehr – auch mit teilweise großen Lkw – mit sich bringt. Die Betriebsbeschreibung zur Baugenehmigung vom 12. Januar 2021 nennt eine Betriebszeit von 6 bis 19 Uhr und eine Zahl von vier Beschäftigten (im Nachtrag von Juni 2022 erweitert auf 6 bis 22 Uhr und zehn Beschäftigte). Dies geht über eine kleine, modifizierende Änderung hinaus und wirft die Frage nach der Zulässigkeit der Nutzung – auch im Verhältnis zu dem Nachbarbetrieb – neu auf.
43Die hinsichtlich der Baugenehmigung vom 12. Januar 2021 in Lauf gesetzte Klagefrist hat die Klägerin gewahrt, indem sie den Bescheid fristgerecht in das vorliegende Klageverfahren einbezogen hat.
442.
45Die Klage ist indes unbegründet.
46Die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 12. Januar 2021 in der Fassung der Nachträge vom 25. Januar und vom 7. Juni 2022 sowie der Modifikationen in der mündlichen Verhandlung ist hinsichtlich nachbarschützender Vorschriften rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
47Ein Nachbar kann nur dann erfolgreich gegen die einem Dritten erteilte Baugenehmigung vorgehen, wenn diese gegen nachbarschützende Vorschriften des öffentlichen Bauplanungs- oder Bauordnungsrechts verstößt und eine Befreiung von diesen Vorschriften nicht vorliegt oder unter Berücksichtigung nachbarlicher Belange nicht hätte erteilt werden dürfen. Ob das Vorhaben objektiv, d. h. hinsichtlich derjenigen Vorschriften, die nicht nachbarschützend sind, rechtmäßig ist, ist dagegen im Nachbarverfahren unerheblich.
48Vorliegend stellen sich ausschließlich Fragen, die mit dem durch das Bauvorhaben hervorgerufenen Kraftfahrzeugverkehr zusammenhängen. Sonstige im Nachbarstreit relevante Punkte, welche die Rechtmäßigkeit der erteilten Baugenehmigung in Frage stellen könnten, sind weder vorgetragen worden noch ersichtlich.
49Ob die in § 34 Abs. 1 Baugesetzbuch (BauGB) enthaltene Voraussetzung einer gesicherten bauplanungsrechtlichen Erschließung und die in § 4 Abs. 1 Bauordnung (BauO) NRW 2018 enthaltene Voraussetzung einer gesicherten bauordnungsrechtlichen Erschließung erfüllt sind, braucht nicht im Einzelnen geprüft zu werden, weil beide Normen insoweit nicht nachbarschützend sind.
50Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 2010 - 4 B 19.10 -, juris (Rn. 3); OVG NRW, Beschlüsse vom 8. Februar 2005 - 10 B 1876/04 -, juris (Rn. 11), und vom 12. Januar 2015 - 2 B 1386/14 -, juris (Rn. 17).
51Sowohl die bauplanungsrechtliche als auch die bauordnungsrechtliche Erschließung dürften im Übrigen nach Lage der Dinge gegeben sein.
52Die auf der Grundlage von § 34 BauGB erteilte Baugenehmigung ist auch nicht mit Blick auf das Gebot hinreichender Bestimmtheit und das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot in nachbarrechtsrelevanter Weise rechtswidrig.
53Das Bestimmtheitsgebot des § 37 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) NRW in seiner nachbarrechtlichen Ausprägung verlangt, dass sich der Baugenehmigung und den genehmigten Bauvorlagen mit der erforderlichen Sicherheit entnehmen lässt, dass nur eine solche Nutzung erlaubt ist, die Nachbarrechte nicht beeinträchtigen kann. Ist eine Baugenehmigung in dieser Hinsicht inhaltlich nicht hinreichend bestimmt, führt dies zu einem Abwehrrecht des Nachbarn, wenn sich die Unbestimmtheit gerade auf solche Merkmale des Vorhabens bezieht, deren genaue Festlegung erforderlich ist, um eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften auszuschließen und wenn die insoweit mangelhafte Baugenehmigung aufgrund dessen ein Vorhaben zulässt, von dem der Nachbar konkret unzumutbare Auswirkungen zu befürchten hat. Wie weit das nachbarrechtliche Bestimmtheitserfordernis im Einzelnen reicht, beurteilt sich nach dem jeweils anzuwendenden materiellen Recht.
54Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. Mai 2013 - 2 A 3009/11 -, juris (Rn. 41); VG Gelsenkirchen, Urteil vom 28. August 2012 - 6 K 3756/09 -, juris (Rn. 48 ff.), und Beschluss vom 15. September 2014 - 9 L 1232/14 -, juris (Rn. 64 ff.).
55Die Baugenehmigung darf also nicht Merkmale des Vorhabens unreglementiert lassen, deren Regelung es nach Lage der Dinge zwingend bedarf, um den genehmigten Betrieb nachbarrechtskonform auszugestalten.
56Materiell-rechtlich ist vorliegend das in der Tatbestandsvoraussetzung des „Einfügens“ in § 34 Abs. 1 BauGB enthaltene Gebot der Rücksichtnahme zu berücksichtigen. Das Gebot der Rücksichtnahme soll angesichts der gegenseitigen Verflechtungen der baulichen Situation benachbarter Grundstücke einen angemessenen planungsrechtlichen Ausgleich schaffen, der einerseits dem Bauherrn ermöglicht, was von seiner Interessenlage her verständlich und unabweisbar ist und andererseits dem Nachbarn erspart, was an Belästigungen und Nachteilen für ihn unzumutbar ist. Die Beachtung des Rücksichtnahmegebots soll gewährleisten, Nutzungen, die geeignet sind, Spannungen und Störungen hervorzurufen, einander so zuzuordnen, dass Konflikte möglichst vermieden werden. Die sich daraus ergebenden Anforderungen sind im Einzelfall festzustellen, wobei die konkreten Umstände zu würdigen, insbesondere die gegenläufigen Interessen des Bauherrn und des Nachbarn in Anwendung des Maßstabs der planungsrechtlichen Zumutbarkeit gegeneinander abzuwägen sind. Dabei kann desto mehr an Rücksichtnahme verlangt werden, je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung dessen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugutekommt; umgekehrt braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, desto weniger Rücksicht zu nehmen, je verständlicher und unabweisbarer die von ihm mit dem Bauvorhaben verfolgten Interessen sind.
57Vgl. nur BVerwG, Urteile vom 25. Februar 1977 - 4 C 22.75 -, BVerwGE 52, 122 ff., vom 18. Mai 1995 - 4 C 20.94 -, BVerwGE 98, 235 ff., und vom 29. November 2012 - 4 C 8.11 -, BVerwGE 145, 145 ff.; Uechtritz, Das baurechtliche Rücksichtnahmegebot: Konkretisierung durch Fallgruppenbildung, DVBl. 2016, 90 ff., mit weiteren Nachweisen.
58Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot kann auch dann zu bejahen sein, wenn sich die Erschließungssituation eines Nachbargrundstücks durch die vorhabenbedingte Überlastung einer (auch) das Nachbargrundstück erschließenden öffentlichen Straße oder durch unkontrollierten Parksuchverkehr erheblich verschlechtert und die entstehende Gesamtbelastung infolgedessen bei Abwägung aller Belange unzumutbar ist.
59Vgl. OVG NRW, Urteile vom 19. April 2010 - 7 A 2362/07 -, juris (Rn. 96), vom 15. Mai 2013 - 2 A 3009/11 -, juris (Rn. 47), und vom 14. Juni 2019 - 7 A 2387/17 -, juris (Rn. 79); VG Köln, Urteil vom 22. November 2013 - 11 K 6258/12 -, juris (Rn. 54); VG Münster, Urteil vom 3. Februar 2022 - 2 K 3210/19 -, juris (Rn. 67); eingehend auch Stürmer/Wolff, Drittschützende Wirkung des Rücksichtnahmegebots bei unzumutbarer Verschlechterung der Erschließung, BauR 2021, 1551 ff., mit weiteren Nachweisen.
60Zu berücksichtigen ist allerdings, dass ein Bauvorhaben, das den sonstigen Vorgaben des Bauplanungs- und des Bauordnungsrechts genügt, nur ausnahmsweise gegen das Rücksichtnahmegebot verstößt. Ist ein mit Fahrzeugverkehr verbundener Gewerbebetrieb seiner Art nach auf einem Baugrundstück planungsrechtlich zulässig, so sind auch die mit dem Betrieb verbundenen Belästigungen der Umgebung grundsätzlich hinzunehmen.
61Im Einzelfall kann es aber erforderlich sein, den durch ein Bauvorhaben auf der öffentlichen Straße hervorgerufenen Verkehr zu und von dem Vorhabengrundstück hinreichend effektiv zu steuern, um für die Anlieger unzumutbare Verkehrs- und Erschließungsverhältnisse durch überbordende Beanspruchung des öffentlichen Straßenraums zu vermeiden.
62Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. Mai 2013 - 2 A 3009/11 -, juris (Rn. 43).
63Bei der Bewertung der Zumutbarkeit einer entsprechenden Verschlechterung der Erschließungssituation ist zu bedenken, dass das Grundstückseigentum zwar ein Recht zur bestimmungsgemäßen Nutzung des Grundstücks, nicht aber ein Recht auf bevorzugte Nutzung des angrenzenden öffentlichen Straßenraums und auch kein Recht darauf verschafft, dass die bisherige Verkehrssituation unverändert bleibt, sich also insbesondere nicht verschlechtert.
64Vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 5. März 2014 - 2 M 164/13 -, juris (Rn. 48); VG München, Urteil vom 26. Februar 2018 - M 8 K 16.2434 -, juris (Rn. 136).
65Ferner ist im Blick zu behalten, dass ein rechtswidriges Verhalten Dritter – also bei einem Gewerbebetrieb etwa ein straßenverkehrsrechtlich unzulässiges Verhalten der Fahrer von Liefer- oder Kundenfahrzeugen – nicht ohne weiteres dem Bauherrn oder Betreiber zuzurechnen ist und einem solchen Verhalten grundsätzlich mit den Mitteln des Ordnungsrechts zu begegnen ist.
66Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29. März 2018 - 7 A 320/17 -, juris (Rn. 8); BayVGH, Beschluss vom 8. Januar 2019 - 9 CS 17.2482 -, juris (Rn. 21).
67Das Verhalten Dritter ist dem Bauvorhaben jedoch dann zuzurechnen und bei der Prüfung zu berücksichtigen, wenn mit dem Auftreten derartiger Störungen bei objektivierter und typisierter Betrachtungsweise von vornherein konkret zu rechnen ist.
68Vgl. VG Köln, Beschluss vom 1. Februar 2012 - 2 L 1915/11 -, juris (Rn. 22); in anderem Kontext auch VG Gelsenkirchen, Urteil vom 11. August 2020 - 6 K 3783/18 -, juris (Rn. 53), m.w.N.
69Die Möglichkeit, den An- und Abfahrtverkehr gegebenenfalls nach Aufnahme der Nutzung durch straßenverkehrsrechtliche Anordnungen zu regeln, ist bei der Prüfung eines Bauantrags außer Betracht zu lassen. Denn die Baugenehmigung bescheinigt, dass das zur Genehmigung gestellte Vorhaben mit öffentlich-rechtlichen Vorschriften übereinstimmt und zur Betriebsaufnahme freigegeben ist. Anders als ein Bebauungsplan kann sie nicht mit dem Mittel der Konfliktverlagerung auf spätere Zulassungsebenen arbeiten. Sie muss die durch sie hervorgerufenen Konflikte abschließend bewältigen und darf nicht in nachbarrechtsrelevanten Problemlagen darauf setzen, diese würden eventuell durch spätere Verwaltungsentscheidungen gelöst.
70Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. Mai 2013 - 2 A 3009/11 -, juris (Rn. 55).
71Bedarf es nach alledem im Einzelfall organisatorischer Vorkehrungen zur Vermeidung von unzumutbaren Verkehrs- und Erschließungsverhältnissen, sind diese in der Baugenehmigung konkret festzuschreiben.
72Vgl. OVG NRW, Urteil vom 14. Juni 2019 - 7 A 2387/17 -, juris (Rn. 79).
73Gemessen an diesen Grundsätzen hält die Kammer das genehmigte Vorhaben des Beigeladenen (nach den vorgenommenen Ergänzungen und Modifikationen der Baugenehmigung) nicht für in nachbarrechtsrelevanter Weise unbestimmt oder rücksichtslos.
74Nicht zu verkennen ist, dass der genehmigte Betrieb für die Klägerin mit Belästigungen verbunden sein kann. Denn auch wenn der Lieferverkehr der Mieterin des Beigeladenen in der durch das nun vorliegende Konzept festgeschriebenen Weise abgewickelt wird, ist er mit nicht unerheblichem Lkw-Verkehr auf der nur mäßig dimensionierten und ausgebauten Straße „Im T. “ verbunden. Dass es hier zu gelegentlichen Begegnungen der Fahrzeuge beider Betriebe auch auf demjenigen Abschnitt der Straße kommt, welcher keinen Begegnungsverkehr erlaubt, ist zu erwarten. Ebenfalls zu erwarten ist, dass Sattelschlepper und Gliederzüge, welche die nunmehr vorgesehenen Be- und Entladepositionen auf der recht engen Anlieferungsfläche anfahren, die Straße durch Rangiervorgänge kurzzeitig blockieren.
75Nach Auffassung der Kammer gehen die absehbaren Belästigungen bei genehmigungsgemäßer Nutzung aber nicht über das Maß hinaus, das der Klägerin als Grundstücksnachbarin in einer gewerblich geprägten Umgebung zuzumuten ist. Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang auch, dass das Betriebsgrundstück der G2. . H2. hinsichtlich seiner Erschließung in gewissem Umfang situationsvorbelastet ist. Denn die für die Zufahrt zu dem Baustoffhandel der G2. . H2. entscheidende Straße „Im T. “, welche das Betriebsgrundstück mit der nächsten größeren Straße verbindet, ist – wie bereits angemerkt – seit jeher nur mäßig dimensioniert und ausgebaut. Insbesondere in dem zwischen den Hallen gelegenen Teilstück ist die Straße teilweise nicht mehr als dreieinhalb bis vier Meter breit und lässt Begegnungsverkehr mit größeren Fahrzeugen demgemäß nicht zu. Die Klägerin hat ihren Betrieb dennoch auf diese öffentliche Straße hin organisiert. Aufgrund der beiden Fahrzeugwaagen können Sattelschlepper nur an den beiden vorgesehenen Stellen auf das Betriebsgrundstück und von diesem herunterfahren. Sie können also nicht an anderer Stelle – z.B. weiter westlich im Bereich des Mitarbeiterparkplatzes – auf- bzw. abfahren. Bei einem Teil der Auslieferungen fahren die frisch beladenen Lastzüge von der Lkw-Ausfahrt auf die öffentliche Straße, um dann unmittelbar wieder auf das Betriebsgrundstück einzubiegen und dort bis zur Auslieferung der Ware abgestellt zu werden; dieses „Karussell“ findet gerade im Bereich vor der Be- und Entladefläche der Mieterin des Beigeladenen statt. Dass aufgrund der vorstehend geschilderten Abläufe und der Termingebundenheit des Geschäfts der Klägerin jede Blockade der Straße „Im T. “ misslich ist, ist nachvollziehbar. Es führt allerdings nicht dazu, dass andere Verkehrsteilnehmer die öffentliche Straße nicht mehr in gewöhnlichem Umfang nutzen dürfen; die Klägerin hat insoweit – trotz ihrer langjährigen Tätigkeit an diesem Standort – kein Recht auf eine vorrangige Nutzung der öffentlichen Straße.
76Da der Betrieb seiner Mieterin mit nicht unerheblichem Lkw-Verkehr verbunden ist und die für die Be- und Entladevorgänge vorhandene Fläche auf dem Grundstück des Beigeladenen begrenzt ist, war es allerdings geboten, durch entsprechende Regelungen in der Baugenehmigung sicherzustellen, dass die Straße „Im T. “ nicht regelmäßig selbst als Teil der Be- und Entladefläche missbraucht wird, beispielsweise indem Fahrzeuge bei Belegung der Fläche östlich der Halle auf der Straße be- bzw. entladen werden oder indem Sattelschlepper so abgestellt werden, dass das Heck im Bereich des Hallentores, die Zugmaschine aber auf der Straße steht. Denn der Beigeladene hat selbstverständlich kein Recht, die Enge auf dem östlich der Halle gelegenen Teil des Grundstücks dadurch zu kompensieren, dass er die öffentliche Straße zu einem Teil der Betriebsfläche macht und damit ihre Nutzung durch andere Anlieger beschränkt; auch er und seine Mieterin dürfen die öffentliche Straße nur in gewöhnlichem Umfang benutzen.
77Derartige Regelungen sind infolge der beiden Nachtragsgenehmigungen vom 25. Januar 2022 und vom 7. Juni 2022 sowie der (dem Beigeladenen gegenüber bestandskräftigen) Modifikationen in der mündlichen Verhandlung nun in der Baugenehmigung enthalten:
78Dies gilt zunächst für die Zahl der im Zusammenhang mit dem Betrieb der Mieterin des Beigeladenen zugelassenen Fahrzeuge. Der Beigeladene hat in der nunmehr vorliegenden und allein maßgeblichen Fassung der Betriebsbeschreibung zehn Lkw der Größe nach aufgeführt, die täglich auf der fraglichen Fläche östlich der Halle be- oder entladen werden. Durch die Entfernung des Zusatzes „ca.“ und die Klarstellung in der mündlichen Verhandlung steht nun unzweifelhaft fest, dass es sich hier um eine Festschreibung der maximal zulässigen Zahl an Fahrzeugen handelt. Insbesondere wird dem durch das Anlieferungskonzept des Beigeladenen hervorgerufenen Eindruck entgegengewirkt, dass neben den zehn Lkw unter Umständen noch eine größere Zahl von „Sprintern“, Pritschenwagen, Pkw mit Anhänger etc. zu erwarten ist. Die Beklagte hat durch ihre entsprechende Erklärung in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass derartige kleinere Fahrzeuge nur anstelle der größeren Lkw, nicht aber zusätzlich zu diesen verwendet werden dürfen, um Waren der Mieterin an- oder auszuliefern. Bei Einhaltung dieser Maximalbegrenzung auf täglich zehn Fahrzeuge innerhalb einer Betriebszeit von 16 Stunden ist zu erwarten, dass die Zahl der das Grundstück gleichzeitg anfahrenden Lieferfahrzeuge in aller Regel klein sein wird, auch wenn sich die zeitliche Abfolge der Ankunft der einzelnen Fahrzeuge häufig nicht exakt steuern lässt, wie der Beigeladene in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar erläutert hat.
79Die Baugenehmigung schreibt in ihrer jetzigen Fassung ferner eindeutig vor, dass die Be- und Entladevorgänge auf dem Grundstück des Beigeladenen und nicht auf der öffentlichen Straße stattzufinden haben. Um dies sicherzustellen, müssen insbesondere für die langen Lkw entsprechende Flächen auf dem Grundstück markiert werden mit dem Ziel, den ständig wechselnden Fahrern Orientierung bei der Anfahrt des Grundstücks zu bieten. Selbst wenn im Einzelfall mehrere (große) Fahrzeuge zugleich das Lager der Mieterin des Beigeladenen anfahren, müssen sie bei ihrer Be- bzw. Entladung vollständig auf dem Grundstück, dürfen also nicht teilweise auf der Straße stehen. Diese klare Vorgabe schafft zugleich einen erheblichen Anreiz für die Mieterin des Beigeladenen, in ihrem betrieblichen Alltag darauf hinzuwirken, dass die Lieferfahrzeuge die fragliche Fläche auch tatsächlich anfahren können, dass diese also insbesondere nicht regelmäßig mit Gegenständen vollgestellt ist, wenn die Ankunft eines (größeren) Fahrzeugs bevorsteht. Die von der Klägerin für geboten gehaltene strikte Vorgabe, den Bereich der Be- und Entladepositionen sowie der Schleppkurven zu jeder Zeit vollständig frei zu halten, hielte die Kammer demgegenüber für einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Betriebsabläufe der Mieterin des Beigeladenen. Denn diese hat ein nachvollziehbares Interesse daran, bei der bevorstehenden Ankunft eines Abholers gegebenenfalls die kommissionierte Ware bereits auf der Außenfläche bereitzustellen. Ähnliches gilt für die bevorstehende Ankunft eines Entsorgungsfahrzeugs. Dass die für die Be- und Entladung der Lieferfahrzeuge erforderlichen Flächen nicht durch die Privatfahrzeuge der Mitarbeiter blockiert werden, ist durch die in der mündlichen Verhandlung hinzugefügte Nebenbestimmung sichergestellt, der zufolge die Mitarbeiter westlich der Halle zu parken haben.
80Der Klägerin gegenüber unzumutbar wäre es ohne Zweifel, wenn die mit der Baugenehmigung für den Betrieb zugelassenen Sattelschlepper und Gliederzüge die Be- und Entladefläche der Mieterin des Beigeladenen nur unter Inanspruchnahme des Grundstücks der Klägerin anfahren könnten. Dies ist jedoch nicht der Fall. Während die zunächst vorgelegten und zum Gegenstand der Nachtragsgenehmigung vom 25. Januar 2022 gemachten Schleppkurven erkennbar mangelhaft waren, belegen die nunmehr vorgelegten und mit der Nachtragsgegnehmigung vom 7. Juni 2022 „grüngestempelten“ Schleppkurven, dass auch die Sattelschlepper und Gliederzüge das Baugrundstück und die (teilweise neuen) Be- und Entladepositionen ohne Inanspruchnahme des Grundstücks der Klägerin anfahren können. Die Klägerin ist den neuen, durch ein fachlich einschlägiges Ingenieurbüro erstellten und vom Tiefbauamt der Beklagten geprüften Schleppkurvenplänen auch nicht mehr substantiiert entgegen getreten. Dass der mit den Schleppkurven beschriebene Fahrweg durchaus anspruchsvoll ist und es gelegentlich zu Korrekturen beim Rangieren kommen wird, ist nicht in Abrede zu stellen. Dass die öffentliche Straße aus diesem Grunde zeitlich in einem Maße in Anspruch genommen wird, das zu einer Verletzung des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots führt, vermag die Kammer aber nicht festzustellen.
81Zur Nachbarrechtswidrigkeit der Baugenehmigung führt auch nicht der Einwand der Klägerin, bei gleichzeitiger Ankunft zweier Sattel- oder Gliederzüge könne ein Be- und Entladen aus Platzgründen nicht stattfinden. Die Kammer geht davon aus, dass es möglich ist, zumindest das eine Fahrzeug durch entsprechendes Vorziehen auf der Anlieferungsfläche zu be- bzw. entladen, während das andere Fahrzeug in der vorgesehenen Abstellposition wartet. Durch die klare Vorgabe, dass kein Teil des Fahrzeugs beim Be- oder Entladen auf der öffentlichen Straße stehen darf, ist jedenfalls den Rechten der Klägerin in hinreichender Weise Rechnung getragen. Aus ähnlichen Gründen hält die Kammer es auch für unschädlich, dass nach dem Konzept in Verbindung mit den Erläuterungen des Beigeladenen nicht ausgeschlossen ist, dass auch bei einer Belegung der vorgesehenen Be- und Entladepositionen P1 bis P3 kleinere Fahrzeuge zusätzlich auf dem vorderen Teil der Fläche abgestellt werden, obwohl der kleinere Stellplatz im südwestlichen Bereich der Fläche auf den jetzt maßgeblichen Schleppkurven nicht mehr dargestellt ist. Rechte der Klägerin werden insoweit nicht verletzt, wenn das Be- und Entladen – wie ausdrücklich vorgeschrieben – auf dem Grundstück stattfindet. Im Übrigen dürften bei einer Beschränkung auf zehn Fahzeuge am Tag eher selten mehr als drei Fahrzeuge gleichzeitig den Betrieb der Mieterin des Beigeladenen anfahren.
82Das im Anlieferungskonzept vorgesehene, zwischen den Beteiligten umstrittene Halten eines Fahrzeugs auf der neu asphaltierten Fläche vor der Einfahrt des Grundstücks des Beigeladenen ist lediglich für den Fall vorgesehen, dass ein dritter Sattel- oder Gliederzug eintrifft und auch hier nur insoweit, als es dem Fahrer erlaubt sein soll, das Fahrzeug abzustellen, um sich nach dem weiteren Vorgehen zu erkundigen. Bei einer zugelassenen Zahl von vier derartigen Lastwagen pro Tag dürfte diese Situation allerdings selten eintreten. Außerdem bleiben die auf der öffentlichen Straße geltenden Vorgaben der Straßenverkehrsordnung (StVO) von der Baugenehmigung selbstverständlich unberührt. Sollte ein drittes großes Fahrzeug an der in Rede stehenden Stelle halten und zugleich ein Fahrzeug der G2. . H2. von P. kommend die Einfahrt zum Baustoffhandel anfahren, so dürfte der Fahrer des haltenden Fahrzeugs schon gemäß § 1 StVO gehalten sein, dem Fahrzeug der G2. . H2. ein Ausholen zu ermöglichen, indem er sein Fahrzeug entsprechend versetzt. Angesichts des Umstands, dass diese Konstellation nur sehr selten einzutreten verspricht, vermag dieses Problem nicht zur Rücksichtslosigkeit der Baugenehmigung zu führen.
83Bei alldem ist im Übrigen zu bedenken, dass der Beigeladene und seine Mieterin einen Anspruch auf Gleichbehandlung durch die Bauaufsichtsbehörde haben. Bei nicht wenigen Gewerbebetrieben – vermutlich auch bei der G2. . H2. – sind die Fahrwege der Kunden-, Liefer- und Betriebsfahrzeuge gar nicht oder jedenfalls nicht metergenau in der Baugenehmigung festgeschrieben. Bei der Mieterin des Beigeladenen besteht zwar – wie oben aufgezeigt – wegen der Beschränktheit des Platzangebots auf der Fläche östlich der Halle grundsätzlich das Bedürfnis nach einer Regelung des Fahrzeugverkehrs. Ihr selbst für seltene Ausnahmefälle minutiöse Vorgaben in der Baugenehmigung zu machen, erscheint aber überzogen.
843.
85Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht nicht der Billigkeit, der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen, da dieser keinen Antrag gestellt und sich damit gemäß § 154 Abs. 3 VwGO seinerseits keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat.
86Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11 und 711 Zivilprozessordnung.
87Rechtsmittelbelehrung:
88Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
891. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
902. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
913. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
924. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
935. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
94Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen, zu beantragen. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, schriftlich einzureichen.
95Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
96Im Berufungsverfahren muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für den Antrag auf Zulassung der Berufung. Der Kreis der als Prozessbevollmächtigte zugelassenen Personen und Organisationen bestimmt sich nach § 67 Abs. 4 VwGO.
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Referenzen
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