Urteil vom Verwaltungsgericht Greifswald (1. Kammer) - 1 A 830/06

Tatbestand

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Die Klägerin begehrt die Fortsetzung des ursprünglich bei dem Verwaltungsgericht S. anhängig gewesenen Verwaltungsstreitverfahrens zum Aktenzeichen 7 A 3033/98.

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In dem Verwaltungsstreitverfahren vor dem Verwaltungsgericht S. zum Aktenzeichen 7 A 3033/98 wandte sich die Klägerin gegen einen "2. Teilbescheid" des Beklagten, mit dem ein Antrag auf vermögensrechtliche Rückübertragung des Eigentums an den Flurstücken 21, 38, 42 und 50 der Flur 3 der Gemarkung J. abgelehnt worden war. Zur Begründung war in diesem Bescheid ausgeführt, dass durch einen seinerzeit bereits bestandskräftigen "1. Teilbescheid" unter anderem festgestellt worden sei, dass die Klägerin Berechtigte im Sinne der §§ 2 Abs. 1, 6 Abs. 1a des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen (VermG) bezüglich des früheren Landwirtschaftsbetriebs sei. Der Restitutionsanspruch sei jedoch nach § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG ausgeschlossen, weil die ursprünglich als Ackerland bzw. Grünland genutzten Flurstücke seit dem Eigentumsverlust im Jahre 1969 im Rahmen der Einbeziehung in den Standortübungsplatz D. in ihrer Nutzungsart und Zweckbestimmung nachhaltig verändert worden seien. Im Termin zur mündlichen Verhandlung der dagegen vor dem Verwaltungsgericht S. erhobenen Klage zum Aktenzeichen 7 A 3033/08 nahm die Klägerin ausweislich des Protokolls vom 24. Januar 2003 die Klage zurück.

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Wenige Tage nach der mündlichen Verhandlung erklärten die Klägerin und ihr sie vertretender Ehemann mit Schreiben vom 27. Januar 2003 gegenüber dem Präsidenten des Verwaltungsgerichts S., dass die Rücknahme der Klage kein freier Wille gewesen sei. Dem Schreiben war ein von dem Ehemann der Klägerin als Prozessbevollmächtigtem gefertigtes Protokoll beigefügt. Darauf wird Bezug genommen. In den Akten zum Aktenzeichen 7 A 3033/98 befindet sich desweiteren ein Vermerk des seinerzeit zuständigen Einzelrichters im Hinblick "auf die besonderen Vorkommnisse in der mündlichen Verhandlung vom 24. Januar 2003" vom 28. Januar 2003, auf den ebenfalls Bezug genommen wird. Weiterhin enthält die Akte einen Vermerk des seinerzeit zuständigen Einzelrichters vom 31. Januar 2003, auf den ebenfalls Bezug genommen wird. Das Schreiben der Klägerin und ihres Bevollmächtigten vom 27. Januar 2003 behandelte der Präsident des Verwaltungsgerichts S. als Dienstaufsichtsbeschwerde und teilte der Klägerin und ihrem Bevollmächtigten mit Schreiben vom 14. Februar 2003 mit, dass er kein pflichtwidriges Verhalten des Kammervorsitzenden oder eines anderen Mitgliedes der zuständigen Kammer erkennen könne, das Anlass gebe, dienstaufsichtlich einzuschreiten. Weiterhin heißt es in diesem Schreiben: "Sollten Sie die die zur Niederschrift des Gerichts erklärte Klagerücknahme für unwirksam halten oder diese anfechten wollen, ist darüber nicht von mir im Rahmen der Dienstaufsicht zu entscheiden, sondern in richterlicher Zuständigkeit durch die dazu berufenen Mitglieder der 7. Kammer des Gerichts." Der stellvertretende Kammervorsitzende teilte der Klägerin und ihrem Bevollmächtigten sodann mit Schreiben vom 25. März 2003 mit, dass er derzeit davon ausgehe, dass "die Ihren Schreiben vom 27. Januar 2003 und 29. Januar 2003 beizumessende Intention sich auf ein dienstaufsichtliches Tätigwerden des Präsidenten des Verwaltungsgerichts beschränkt". Weiter heißt es: "Wenn ich den Inhalt ihrer Schreiben jedoch insoweit nicht richtig oder vollständig erfasst haben sollte, bitte ich um Klarstellung ihres Begehrens binnen einer Frist von einem Monat". Die Klägerin ließ die genannte Frist ungenutzt verstreichen.

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Mit einem an das Verwaltungsgericht S. gerichtetem Schriftsatz vom 16. Juni 2005 beantragten die Klägerin und ihr Bevollmächtigter die "Wiederaufnahme des Verfahrens". Dieser Antrag wurde als Klage unter dem Aktenzeichen 1 A 1442/05 registriert. In der Folge nahm der Bevollmächtigte der Klägerin nach entsprechenden Hinweisen des zuständigen Kammervorsitzenden seine Klage zurück. Diesbezüglich wurde das Verfahren abgetrennt und unter einem gesonderten Aktenzeichen (1 A 2071/05) durch Beschluss vom 26. September 2005 eingestellt.

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Das Verfahren der Klägerin wurde in der Folgezeit als Klage auf Fortsetzung des durch die Klagerücknahmeerklärung vom 24. Januar 2003 beendeten Klageverfahrens 7 A 3033/98 behandelt und mit Beschluss vom 13. Juni 2006 nach vorheriger Anhörung der Klägerin an das Verwaltungsgericht G. verwiesen.

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Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend: Bei Kenntnis und Bewertung näher dargestellter Missstände hätte sie die Klage niemals zurückgenommen. Nach der Verhandlung vom 24. Januar 2003 habe sie mitgeteilt: "Ich fühlte mich verraten, mein Ehemann und Vertreter hielt sich die Ohren zu, der Richter drang auf mich ein, ich fürchtete hohe Geldausgaben, die er androhte. Da nahm ich die Klage zurück." Der Vortrag des Bevollmächtigten zur Klagebegründung sei vom Gericht seinerzeit nicht angehört worden. Am 1. Juni 2005 habe ihr Ehemann anlässlich eines Besuches erfahren, dass der Standortübungsplatz nicht mehr existiere; die Kasernen D. seien abgerissen worden, die (streitgegenständlichen) Wiesen stünden zum Verkauf. Nachdem das Verfahren 7 A 3033/98 vorerst abgeschlossen gewesen sei, habe ihr - der Klägerin - Begehren, nämlich die Zuerkennung der Eigentumsgewährung an sie, bis zum 16. Juni 2005 geruht; als am 1. Juni 2005 neue schwerwiegende Gründe bekannt geworden seien, die verwaltungsgerichtlich zu untersuchen seien, sei Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens 7 A 3033/98 zu stellen. Es handele es sich nicht um eine verwaltungsrechtliche, sondern um eine verfassungsrechtliche Streitigkeit. Die Klägerin sei niemals enteignet worden und weiterhin Eigentümerin der in Rede stehenden Flächen.

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Die Klägerin beantragt,

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das Verfahren 7 A 3033/98 des Verwaltungsgerichts S. fortzusetzen und unter Fortsetzung dieses Verfahrens den Beklagten unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 3. November 1998 zu verpflichten, an die Klägerin die Flurstücke 21, 38, 42 und 50 der Flur 3 in der Gemarkung J. zurückzuübertragen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

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Sie hat - vor ihrer Beiladung - ausgeführt, dass die streitgegenständlichen Flurstücke nach wie vor Bestandteil des Standortübungsplatzes D. der Bundeswehr seien, sowie, dass der Bundesminister der Verteidigung mit Stationierungsentscheidung vom 1. November 2004 entschieden habe, die am Standort D. stationierten Truppenteile aufzulösen und den Standort aufzugeben. Im Zuge der Umsetzung dieser Entscheidung werde ein entsprechendes Entbehrlichkeitsverfahren zur Aufgabe der Liegenschaft des Standortübungsplatzes D. durch die Wehrbereichsverwaltung Nord - Außenstelle K. - eingeleitet werden.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte, auf den Verwaltungsvorgang des Beklagten und auf die Gerichtsakte zum Verfahren vor dem Verwaltungsgericht S. zum Aktenzeichen 7 A 3033/98, die sämtlichst Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage hat keinen Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Fortsetzung des Klageverfahrens VG S. 7 A 3033/98.

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Die Klägerin hat das Klageverfahren 7 A 3033/98 vor dem Verwaltungsgericht S. durch Erklärung der Klagerücknahme im Termin zur mündlichen Verhandlung am 24. Januar 2003 beendet. Als Prozesshandlung ist die Erklärung der Klagerücknahme grundsätzlich unwiderruflich und unanfechtbar. Zwar gilt dies nicht für Prozesshandlungen und damit auch Erklärungen der Klagerücknahme, die durch Drohung oder durch unzutreffende Empfehlung und Belehrung durch das Gericht herbeigeführt wurden. Ein solcher Fall, insbesondere der von der Klägerin geltend gemachte Fall der Drohung, liegt jedoch nicht vor.

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Weder dem Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 24. Januar 2003, noch den ergänzenden Anmerkungen des seinerzeit zuständigen Einzelrichters vom 28. Januar 2003, seinem Vermerk vom 31. Januar 2003 noch dem von dem Klägerbevollmächtigten gefertigten Protokoll sind Umstände zu entnehmen, die die Annahme stützen, der Klägerin sei in unzulässiger Weise gedroht worden, mithin, ihr sei ein empfindliches Übel in Aussicht gestellt worden. Vielmehr stimmen sämtliche Stellungnahmen zu den Umständen der mündlichen Verhandlung vom 24. Januar 2003 darin überein, dass der zuständige Einzelrichter der Klägerin die Erfolglosigkeit ihres Klagebegehrens dargelegt und sie über die Kostenfolgen ins Bild gesetzt hat. Dagegen gibt es Hinweise darauf, dass die Situation psychischer Anspannung, der sich die Klägerin nach ihrem Vorbringen ausgesetzt hat, ihren Grund in Erklärungen ihres Ehemannes haben kann. So hat der Ehemann der Klägerin dieser nach dem dienstlichen Vermerk des zuständigen Einzelrichters vom 31. Januar 2003 für den Fall der Klagerücknahme mit Scheidung gedroht. Anlass, an der Richtigkeit dieser Darstellung zu zweifeln, besteht nicht. Auch die Klägerin und ihr Bevollmächtigter haben die inhaltliche Richtigkeit dieser Darstellung in der mündlichen Verhandlung vom 8. Januar 2007 nicht in Abrede gestellt.

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Hinzukommt, dass es keine plausible Erklärung dafür gibt, dass die Klägerin, wenn ihr die Klagerücknahme in der mündlichen Verhandlung vom 24. Januar 2003 abgenötigt worden wäre, nicht sogleich im Nachgang des an den Präsidenten des Verwaltungsgerichts gerichteten Schreibens vom 27. Januar 2003 die Fortsetzung des Klageverfahrens 7 A 3033/98 begehrt hat. Dies gilt um so mehr, als die Klägerin und ihr Ehemann mit Schreiben des stellvertretenden Kammervorsitzenden vom 25. März 2003 darauf hingewiesen worden sind, dass davon ausgegangen werde, dass sich ihre Schreiben auf ein dienstaufsichtliches Tätigwerden des Präsidenten des Verwaltungsgerichts beschränke. Weiterhin sind die Klägerin und ihr Bevollmächtigter um Klarstellung ihres Begehrens gebeten worden, wenn der Inhalt ihrer Schreiben insoweit nicht richtig oder vollständig erfasst worden sein sollte. Auch nach diesem richterlichen Hinweis hat es die Klägerin bei der Beendigung des Klageverfahrens 7 A 3033/98 bewenden lassen.

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Der wahre Grund für das Begehren auf Fortsetzung des Klageverfahrens 7 A 3033/98 liegt daher auch nicht in der von ihr behaupteten unzulässigen Einflussnahme des seinerzeit zuständigen Einzelrichters, sondern in dem Umstand, dass sie - die Klägerin - am 1. Juni 2005 erfahren hat, dass der Truppenübungsplatz D. geschlossen werden solle bzw. zwischenzeitlich bereits aufgegeben worden ist. Demgemäß hat der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass sie - die Klägerin und ihr Ehemann - wahrscheinlich gar nichts gemacht hätten, wenn die Bundeswehr den Standortübungsplatz noch nutzen würde, sowie, dass sie das nochmal zurückfordern wollten, wenn die (die Bundeswehr) die Flächen verkaufen wollen. Das deckt sich mit dem schriftsätzlichen Vorbringen der Klägerin, insbesondere im Schriftsatz vom 12. Mai 2006, dem offenbar die Vorstellung zugrunde liegt, dass ihr Begehren, "nämlich die Zuerkennung der Eigentumsgewährung an sie", bis zum 16. Juni 2005 geruht habe, sowie, dass am 1. Juni 2005 neue schwerwiegende Gründe bekannt worden seien, die verwaltungsgerichtlich zu untersuchen seien. Der Klägerin geht es mithin darum, das Verfahren deshalb fortsetzen zu können, weil der Truppenübungsplatz D. zwischenzeitlich, nämlich aufgrund der Stationierungsentscheidung des Bundesministers der Verteidigung vom 1. November 2004, aufgegeben worden ist. Die Klägerin macht damit der Sache nach den nachträglichen Wegfall eines Rückübertragungsausschlussgrundes geltend. Das aber ist nach § 5 Abs. 3 VermG ausgeschlossen. Nach dieser Bestimmung können Änderungen der tatsächlichen Umstände, die einen Ausschlussgrund nach § 5 Abs. 1 Buchst. a - d VermG begründen, von den Berechtigten nach bestandskräftigem Abschluss des Verfahrens nicht mehr geltend gemacht werden.

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Soweit die Klägerin meint, die vorliegende Streitsache sei eine verfassungsrechtliche Streitigkeit, weil es um die Anwendung von Art. 14 Abs. 1 GG gehe, unterliegt sie einem Rechtsirrtum. Schon im Ansatz ist die Annahme unzutreffend, eine Streitigkeit sei bereits deshalb verfassungsrechtlich, weil zu ihrer Entscheidung (auch) Normen des Verfassungsrechts heranzuziehen sind.

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Soweit die Klägerin meint, niemals (wirksam) enteignet worden und deshalb nach wie vor Eigentümerin der in Rede stehenden Flächen zu sein, verkennt sie, dass Verwaltungsakte der DDR nach Art. 19 Satz 1 Einigungsvertrag grundsätzlich wirksam bleiben. Im Übrigen ist sie - worauf es allein ankommt - durch die Umschreibung der Wiesenflächen im Grundbuch und die nachfolgende Nutzung als Truppenübungsplatz tatsächlich aus ihrem Eigentum gesetzt worden. Wäre dies anders zu sehen, wäre denjenigen vermögensrechtlichen Entscheidungen, die zu Gunsten der Klägerin deren Berechtigung nach § 2 VermG festgestellt haben, der rechtliche Boden entzogen.

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