Beschluss vom Verwaltungsgericht Greifswald (6. Kammer) - 6 B 2207/20 HGW

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

2. Der Streitwert wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten über die Fortführung eines Stellenbesetzungsverfahrens.

2

Der Kläger ist Polizeihauptkommissar (A12 Bundesbesoldungsordnung – BBesO) und in der Polizeiinspektion ... eingesetzt. Im Rahmen eines behördeninternen Interessenbekundungsverfahrens im November 2016 wurden durch den Antragsgegner zwei Dienstposten Polizeiführer/in vom Dienst (A13/A14) im Polizeipräsidium ... ausgeschrieben. Bewerben konnten sich Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte des Polizeipräsidiums ..., die in der Laufbahngruppe 2, unterhalb des 2. Einstiegsamtes, das statusrechtliche Amt A12 oder A13 BBesO innehatten. Ihr Interesse haben in der Folge sowohl der Antragsteller als auch weitere Polizeivollzugsbeamte bekundet.

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Mit Leitungsvorlage vom 5. Januar 2017 wurde ein Auswahlvorschlag für die zu besetzenden Dienstposten unterbreitet. Darin hieß es zunächst, dass anhand eines Vergleichs der aktuellen dienstlichen Beurteilungen der Antragsteller und eine weitere Person als die bestgeeignetsten Kandidaten anzusehen seien.

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In Folge eines Verhaltens des Antragstellers, das eine Missbilligung nach sich zog, und einer sich daran anschließenden dienstlichen Besprechung schlug die Verfasserin des Auswahlvermerks in Abhängigkeit von der Entscheidung des Polizeipräsidenten für die Umsetzung auf den Dienstposten Polizeiführer vom Dienst (PFvD) entweder den Antragsteller und eine weitere Person (Alternative 1) oder die beiden anderen Bewerber (Alternative 2) vor. Mit Verfügung vom 17. Januar 2017 wies der Polizeipräsident an, dass die Alternative 2 des Auswahlvermerks durchzusetzen sei.

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Gegen die Auswahlentscheidung erhob der Antragsteller Widerspruch, der seitens des Antragsgegners zurückgewiesen wurde. Der Antragsteller erhob sodann Klage vor dem erkennenden Gericht. Mit Urteil vom 31. Januar 2019 (Az. 6 A 1755/17) wies dieses seine Klage ab. Im darauffolgenden Berufungsverfahren vor dem OVG Greifswald (Urt. v. 12.8.2020 - 2 LB 250/19 OVG -) obsiegte der Antragsteller, in dem der Antragsgegner verpflichtet wurde, über seine Bewerbung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

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Mit Schreiben vom 10. November 2020, das dem Antragsteller am 2. Dezember 2020 ausgehändigt wurde, teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit, dass das Stellenbesetzungsverfahren aus sachlichen Gründen abgebrochen worden sei. Zur Begründung trug er vor, dass die gerichtliche Beanstandung einer Auswahlentscheidung grundsätzlich einen sachlichen Grund für den Abbruch eines Auswahlverfahrens darstelle, wenn die Ausführungen des Gerichts dem Dienstherrn berechtigten Anlass gäben, seine Entscheidungsfindung zu überdenken. Dies sei vorliegend der Fall. Nach den Feststellungen des OVG Greifswald seien die der Auswahlentscheidung zugrunde gelegten Auswahlkriterien weder der Dienstpostenbeschreibung noch der Ausschreibung zu entnehmen gewesen, was die getroffene Auswahlentscheidung fehlerhaft gemacht habe. Dies habe insbesondere das geforderte besondere Vertrauensverhältnis betroffen. Der jeweilige Polizeipräsident müsse sich jedoch auf den PFvD in einem besonderen Maße verlassen können. Daher werde ein besonderes Vertrauenserfordernis sowie eine besondere Führungs- und Konfliktfähigkeit für unabdingbar gehalten. Eine Anpassung des Anforderungsprofils in der Stellenausschreibung sei daher erforderlich, um diese Anforderungen im Auswahlverfahren berücksichtigen zu können. Hierin sei ein zur Aufhebung des Auswahlverfahrens berechtigender Sachgrund zu sehen. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass eine erneute Ausschreibung vorgesehen sei, um in einem neuen Verfahren eine den Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz (GG) genügende Entscheidung treffen zu können.

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Dagegen wandte sich der Antragsteller mit Schreiben vom 16. Dezember 2020 und verlangte entsprechend des Urteils des OVG Greifswald, dass über seine Bewerbung erneut entschieden werde. Aus seiner Sicht läge kein hinreichender sachlicher Grund, der den Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens rechtfertigen könne, vor. Mit Schreiben vom 18. Dezember 2020 teilte der Antragsgegner mit, dass das Stellenbesetzungsverfahren nicht fortgeführt werden könne, da es bereits abgebrochen worden sei.

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Mit Schreiben vom 21. Dezember 2020 erhob der Antragsteller Widerspruch.

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Der Antragsteller hat zudem am 28. Dezember 2020 um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht.

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Zur Begründung trägt er vor, dass er in seinem Bewerbungsverfahrensanspruch verletzt sei. Der Antragsgegner vermochte es im vorangegangenen gerichtlichen Verfahren nicht darzustellen, was die eigentlichen Gründe für die Zurückweisung seiner Bewerbung gewesen seien. Konkrete Sachverhalte, die eine Vertrauensbeeinträchtigung des Polizeipräsidenten hätten erwarten lassen können, seien nicht ersichtlich. Das OVG Greifswald habe in seiner Entscheidung explizit ausgeführt, dass das Amt eines PFvD kein einem politischen Beamten gleiches oder auch nur angenähertes Amt sei, welches wesentlich dadurch gekennzeichnet werde, dass der jeweilige Polizeipräsident persönlich ein besonderes Vertrauen in dessen Loyalität haben müsse. Entsprechend der Begründung des Stellenabbruchs solle aber offenbar daran festgehalten werden, hier ein einem politischen Beamten gleiches besonderes Vertrauensverhältnis für die Besetzung des Dienstpostens zu verlangen.

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Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

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den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Widerspruch gegen die mit Schreiben vom 10. November 2020 zugegangene Abbruchverfügung und einer gegebenenfalls nachfolgenden Klage zu verpflichten, das Auswahlverfahren anlässlich der Ausschreibung des Antragsgegners vom 28. November 2016 bzgl. der Besetzung zweier förderlicher Dienstposten Polizeiführer/in vom Dienst (A13/A14) fortzusetzen.

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Der Antragsgegner beantragt,

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den Antrag abzulehnen.

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Zur Begründung trägt er vor, dass der Antrag bereits unstatthaft und damit unzulässig sei. Er stelle einen „maskierten“ Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs dar. Dies sei allerdings unstatthaft, da der Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens keinen Verwaltungsakt darstelle und der dagegen eingelegte Widerspruch somit keine aufschiebende Wirkung entfalten könne. Da der Antrag darüber hinaus unbegründet sei, könne offenbleiben, ob es sich bei der Entscheidung, ein Besetzungsverfahren abzubrechen, um eine mit Rechtsbehelfen nicht isoliert angreifbare unselbstständige Verfahrenshandlung i.S.v. § 44a Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) handele, wenn - wie hier - die streitbefangene Stelle erneut ausgeschrieben werde und das erneute Auswahlverfahren noch nicht abgeschlossen sei. In diesem Fall wäre der Antrag unzulässig, weil die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Abbruchs im Wege eines Antrags nach § 123 VwGO gegen die Stellenbesetzung im nachfolgenden Verfahren stattfände.

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Dem Antrag fehle ebenfalls der erforderliche Anordnungsgrund. Eine Vereitelung oder wesentliche Erschwerung der Durchsetzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs des Antragstellers im Hauptsacheverfahren drohe nicht. Die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Abbruchs des ersten Stellenbesetzungsverfahrens sei jedenfalls in einem Verfahren nach § 123 VwGO gegen die Auswahlentscheidung im weiteren Stellenbesetzungsverfahren möglich. Selbst wenn sich der Antragsteller nicht erneut bewerben würde, könne er dennoch gegen die in diesem Verfahren ergehende Auswahlentscheidung mit der Begründung vorgehen, der Abbruch des vorhergehenden Verfahrens habe seinen Bewerbungsverfahrensanspruch verletzt.

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Darüber hinaus fehle es an der Glaubhaftmachung des erforderlichen Anordnungsanspruchs. Die vom Antragsteller geltend gemachte Verletzung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs könne nicht gegeben sein, da der Anspruch durch den Abbruch des Stellenbesetzungsverfahren untergegangen sei. Der Abbruch sei rechtmäßig. Ein neues Auswahlverfahren sei erforderlich, obwohl sich der Abbruch nicht auf den Zuschnitt oder die Gestaltung des Dienstpostens beziehe, da die organisatorische Ausgestaltung der Dienstpostenvergabe angepasst werden solle. Diese Ausgestaltung unterfalle als wesentliche Weichenstellung für die nachfolgende Auswahlentscheidung bereits selbst den Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG. Der Abbruch sei formell rechtmäßig ergangen, da der Dokumentations- und Informationspflicht hinreichend nachgekommen worden sei. Auch die materielle Rechtmäßigkeit sei gegeben. Es bestehe ein weites organisations- und verwaltungspolitisches Ermessen des Dienstherrn. Das Gericht sei daher auf die Prüfung beschränkt, ob ein sachlicher Grund vorliege. Ein solcher sei in der Regel gegeben, wenn dem Dienstherrn aufgrund einer einstweiligen Anordnung die Besetzung der streitbefangenen Stelle untersagt werde. Hier liege eine vergleichbare Situation vor, weil er - der Antragsgegner aufgrund der Entscheidung des OVG Greifswald zu der Auffassung gelangt sei, dass mit Blick auf das ursprüngliche Stellenbesetzungsverfahren die Auswahl eines Bewerbers dem Grundsatz der Bestenauslese zuwiderlaufen würde. Die Auswahlkriterien in der seinerzeitigen Ausschreibung in Bezug auf die besondere Bedeutung der Tätigkeit eines PFvD, mithin die für diesen Dienstposten besonders hervorzuhebenden Anforderungen (Vertrauenserfordernis, besondere Führungs- und Konfliktfähigkeit), seien nicht im angemessenen Umfang berücksichtigt worden. Unter diesen Umständen könne es ihm nicht auferlegt werden, ein Auswahlverfahren fortzuführen, von dessen Fehlerhaftigkeit er nun selbst ausgehe. Die vorgenannten Gründe hätten zu der nicht sachfremden Feststellung geführt, dass rechtmäßig zwingend dienstpostenbezogene Kriterien ins Anforderungsprofil aufgenommen werden müssten.

18

Im Übrigen sei ein sachlicher Grund deshalb gegeben, weil erst dadurch aufgrund der besonderen Umstände des Falles den Bewerbern ein transparentes und dem Gebot der Chancengleichheit genügendes Auswahlverfahren ermöglicht werde. Ihm sei bei der seinerzeitigen Stellenausschreibung nicht bewusst gewesen, dass die besondere Bedeutung der Tätigkeit, die für diesen Dienstposten besonders hervorzuhebenden und bereits benannten Anforderungen, nicht im angemessenen Umfang im Anforderungsprofil berücksichtigt worden seien.

19

Selbst im Falle einer Beanstandung der getroffenen Auswahlentscheidung, könne ein Auswahlverfahren aber auch dann abgebrochen werden, wenn das bisherige Verfahren nach der Einschätzung des Dienstherrn an nicht behebbaren Mängeln mit der Folge leide, dass eine den Anforderungen der Bestenauslese gerecht werdende Auswahlentscheidung allein in einem weiteren Verfahren denkbar erscheine. Ebenfalls sei nicht ausgeschlossen, dass sich im Rahmen der erneuten Ausschreibung das Bewerberfeld um weitere Mitbewerber erweitere. Auch dies stelle einen sachlichen Grund für den Abbruch eines Stellenbesetzungsverfahren dar.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Antragsgegners verwiesen.

II.

21

1. Der Antrag des Antragstellers bleibt erfolglos.

22

Er ist zwar zulässig, da insbesondere die Monatsfrist für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach Zugang der Mitteilung über den Abbruch des Verfahrens (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.7.2020 – 2 VR 3/20 –, Rn. 10, juris) eingehalten worden ist.

23

Entgegen der vom Antragsgegner zitierten Entscheidung des OVG Bremen (Beschl. v. 4.5.2011 – 2 B 71/11 –) ist der Antrag auch nicht unstatthaft. Das OVG Bremen ging gerade von der Zulässigkeit eines Antrages nach § 123 Abs. 1 VwGO aus, ließ dessen Erfolg aber schließlich an der Begründetheit scheitern.

24

Der Antrag ist aber unbegründet.

25

Er richtet sich nach § 123 Abs. 1 VwGO. Danach kann das Gericht - auch schon vor Klageerhebung - eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Regelungsanordnung). Ob eine derartige unmittelbare Gefährdung der Rechtsposition des Antragstellers vorliegt, ist aus der Sicht eines unbefangenen (objektivierten) Betrachters zu beurteilen. Bejaht werden kann sie nur, wenn das private Interesse des Antragstellers an der einstweiligen Regelung das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung des gegenwärtigen Zustandes überwiegt und die vorläufige Maßnahme unumgänglich ist, um wesentliche Beeinträchtigungen der Rechtsposition des Antragstellers zu verhindern.

26

Das gilt umso mehr, wenn die vom Gericht begehrte Regelung - wie im vorliegenden Fall - nicht nur rein vorläufigen Charakter hat, sondern durch sie die Hauptsache gleichsam vorweggenommen wird, das Rechtsschutzziel also mit dem des entsprechenden Klageverfahrens übereinstimmt. Es gilt insofern ein grundsätzliches Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache, das nur dann ausnahmsweise durchbrochen werden kann, wenn der Hauptsacherechtsschutz zu spät käme und dies für den Antragsteller zu schlechthin unzumutbaren Nachteilen führen würde, die sich bei einem späteren Erfolg im Hauptsacheverfahren nicht mehr abwenden oder ausgleichen ließen (vgl. dazu Dombert in: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz in Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl., 2017, Rz. 193).

27

Das Vorliegen eines Anordnungsgrundes in Form von Eilbedürftigkeit und eines Anordnungsanspruchs ist glaubhaft zu machen, vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO.

28

Der Antragsteller hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Er liegt vor, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung) bzw. wenn besondere Gründe gegeben sind, die es als unzumutbar erscheinen lassen, den Antragsteller zur Durchsetzung seines Anspruchs auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen (vgl. Dombert in: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz, 7. Aufl., Rn 158 bzw. 129). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Im Interesse der Rechtssicherheit ist umgehend zu klären, ob die betreffende Stelle doch in dem vom Dienstherrn abgebrochenen Auswahlverfahren zu vergeben ist oder ein weiteres Verfahren eingeleitet werden darf (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.7.2020 – 2 VR 3/20 –, Rn. 11, juris; Dombert, a.a.O., Rn. 1348a). Auch nach dem VGH München ist effektiver Rechtsschutz für das auf Fortführung eines abgebrochenen Auswahlverfahrens gerichtete Begehren ausschließlich durch einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zu erlangen (vgl. Beschl. v. 13.11.2020 – 3 CE 20.2213 –, Rn. 4, juris).

29

Ein Anordnungsanspruch ist indes nicht glaubhaft gemacht worden.

30

Wegen seines Organisationsermessens kann der Dienstherr ein eingeleitetes Bewerbungs- und Auswahlverfahren aus sachlichen Gründen jederzeit beenden. Liegt kein solcher Grund für den Abbruch vor, so darf von Verfassungs wegen keine Neuausschreibung erfolgen. Durch eine Auswahlentscheidung in einem neuen Auswahlverfahren werden die Bewerber des ursprünglichen Auswahlverfahrens in ihrem Bewerbungsverfahrensanspruch verletzt. Ein sachlicher Grund für den Abbruch eines Auswahlverfahrens ist u.a. dann gegeben, wenn der Dienstherr den unverändert bleibenden Dienstposten weiterhin vergeben will, aber den Ausgang des ersten Auswahlverfahrens als unbefriedigend empfindet oder das bisherige Verfahren nach seiner Einschätzung an nicht behebbaren Mängeln mit der Folge leidet, dass eine den Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG gerecht werdende Auswahlentscheidung allein in einem weiteren Auswahlverfahren denkbar erscheint. Insoweit geht es nicht um das dem Art. 33 Abs. 2 GG vorgelagerte Organisationsermessen des Dienstherrn, sondern bereits um das Auswahlverfahren, für das die aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Bewerbungsverfahrensansprüche maßgebend sind. Der vom Dienstherrn für den Abbruch vorgebrachte Grund muss danach den Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG genügen. Die Rechtmäßigkeit des Abbruchs setzt ferner voraus, dass die Bewerber hiervon rechtzeitig und in geeigneter Form Kenntnis erlangen und der wesentliche Abbruchgrund schriftlich dokumentiert wird (vgl. zum Ganzen BVerwG, Beschl. v. 29.7.2020 – 2 VR 3/20 –, Rn. 12, juris, m.w.N.).

31

Gemessen hieran ist der Abbruch des Auswahlverfahrens rechtmäßig.

32

Der Dienstposten soll nach wie vor und unverändert vergeben werden. Die Bewerber sind mit Schreiben vom 10. November 2020 rechtszeitig und schriftlich, mithin in geeigneter Form vom Abbruch in Kenntnis gesetzt worden. Die wesentlichen Gründe sind zudem schriftlich im Vermerk vom 26. Oktober 2020 dokumentiert worden. Sie enthalten auch die sachlichen Gründe für den Abbruch des Auswahlverfahrens. Als solche sieht der Antragsgegner an, dass die Auswahl eines Bewerbers auf der Grundlage der damaligen Stellenausschreibung dem Grundsatz der Bestenauslese zuwiderliefe. Die Ausschreibung sei um Auswahlkriterien zu ergänzen, da sie bis dato die für den Dienstposten besonders hervorzuhebenden Anforderungen (Vertrauenserfordernis, besondere Führungs- und Konfliktfähigkeit) nicht im angemessenen Umfang berücksichtige. Der Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens solle zudem sicherstellen, dass die Bewerbungsverfahrensansprüche der Bewerber in einem neuen Verfahren gewahrt werden würden.

33

Die Begründung ist nicht zu beanstanden. Hatte der Dienstherr - wie hier - zunächst eine rechtswidrige Auswahlentscheidung getroffen und will er diese wieder beseitigen, so geschieht dies im laufenden Stellenbesetzungsverfahren in der Regel durch den Abbruch des Auswahlverfahrens. Dies stellt zugleich einen sachlichen Grund für den Abbruch dar. Kommt die Behörde zutreffend zu der Erkenntnis, dass das bisherige Verfahren nicht die Auswahl des für den Dienstposten am besten geeigneten Kandidaten sicherstellt, kann sie das Verfahren abbrechen (vgl. BVerwG, Urt. v. 31.3.2011 – 2 A 2/09 –, Rn. 16, 20, juris). Ergänzend dazu führt das Bundesverwaltungsgericht ebenfalls aus, dass in der Regel ein Abbruch jedenfalls dann sachlich gerechtfertigt ist, wenn dem Dienstherrn im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt wird, den von ihm ausgewählten Bewerber zu ernennen. Daraus kann der Dienstherr regelmäßig den Schluss ziehen, seine bisherige Verfahrensweise begegne erheblichen Zweifeln im Hinblick auf Art. 33 Abs. 2 GG. In einer solchen Situation darf das bisherige Verfahren beendet werden, damit in einem anschließenden neuen Verfahren aufgrund eines aktualisierten Bewerberkreises eine dem Art. 33 Abs. 2 GG genügende Entscheidung getroffen werden kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.11.2012 – 2 C 6/11 –, BVerwGE 145, 185-194, Rn. 17, 20, juris). Eine vergleichbare Konstellation liegt hier vor. Das OVG Greifswald hat in seinem Urteil vom 12. August 2020 festgestellt, dass die getroffene Auswahlentscheidung gegen den Grundsatz der Bestenauslese aus Art. 33 Abs. 2 GG verstößt. Der Antragsgegner durfte daher nicht nur erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit seiner Verfahrensweise hegen, sondern er musste aufgrund der obergerichtlichen Entscheidung von ihrer Rechtwidrigkeit ausgehen.

34

Es kommt hier auch nicht darauf an, ob der Antragsgegner tatsächlich entgegen der Entscheidung des OVG Greifswald ein besonderes persönliches Vertrauensverhältnis zwischen dem Polizeipräsidenten und dem PFvD festschreiben will und kann. Dies wäre ggf. in einem weiteren Verfahren nach erfolgter neuerlicher Auswahlentscheidung im nachfolgenden Stellenbesetzungsverfahren zu entscheiden. Dabei sei darauf hingewiesen, dass durch eine entsprechend § 133 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB am objektiven Empfängerhorizont potentieller Bewerber orientierte Auslegung ermittelt werden muss, ob und in welchem Umfang ein Anforderungsprofil einer Stellenausschreibung Bindungswirkung entfaltet (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.6.2013 – 2 VR 1/13 –, BVerwGE 147, 20-37, Rn. 32). Es kommt mithin weder auf das konkrete Verständnis des Antragstellers noch auf den konkreten Willen des Antragsgegners an, sondern auf das allgemeine/objektive Verständnis potenzieller Bewerber. Wie das zusätzliche Erfordernis der „besonders vertrauensvollen Aufgabenerfüllung“, das dem den Verwaltungsvorgängen beigefügten Ausschreibungstextmuster entnommen werden kann, im konkreten Fall verstanden werden darf, kann und braucht im hiesigen Verfahren mithin nicht entschieden zu werden.

35

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

36

2. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Gerichtskostengesetz – GKG, wobei die sonst übliche Halbierung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren wegen der Vorwegnahme der Hauptsache nicht in Betracht kommt, vgl. Nummer 1.5. Satz 2 Streitwertkatalog der Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.

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