Beschluss vom Verwaltungsgericht Hamburg (11. Kammer) - 11 E 1067/18

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.

Der Streitwert wird auf 2.500,-- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragsteller wenden sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine Verfügung, mit der ihnen u.a. die Zucht von sog. Sphynx-Katzen untersagt und ihnen aufgegeben wird, unter – im Einzelnen näher – bestimmten Voraussetzungen die Kastration der gehaltenen Katzen zu bewirken.

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Die Antragsteller betreiben eigenen Angaben zufolge eine Hobby-Zucht mit Katzen der Rasse Canadian Sphynx. Als Elterntiere dienen der Canadian-Sphynx-Kater ... (*...) und die Canadian-Sphynx-Katze ... (*...). Aus der Zucht sind bereits drei Würfe hervorgegangen, nämlich vier Katzen am 26. Juni 2016, fünf Katzen am 16. April 2017 und drei Katzen am 30. November 2017. Nach eigenen Angaben ist der nächste Wurf für den Herbst 2018 geplant.

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Die Antragsgegnerin stieß im Oktober 2017 auf eine auf dem Internetportal www.markt.de eingestellte Verkaufsanzeige, in der Katzenjungtiere der Rasse Canadian Sphynx zu Preisen ab 800,-- Euro angeboten worden waren. Über die in der Anzeige angegebene Handynummer konnte die Antragsgegnerin den Antragsteller zu 1) ermitteln. Am 30. November 2017 stieß die Antragsgegnerin auf dem Internetportal www.deine-tierwelt.de auf eine weitere Verkaufsanzeige. In der Beschreibung ist folgendes aufgeführt:

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„Wunderschön! Reinrassige! Wir erwarten am 30.11.17 ein neuer Wurf Canadian Sphynx Kitten, besitzen einen sehr guten Stammbaum und Papiere. Vater und Mutter stammen von einen besten Zuchtlinie. Beide Eltern sind Wohnungskatzen. Man kann die Kitten reservieren, man muss 300,- EUR einzahlen. Die Kitten Kosten 1000,- EUR als „Liebhaber (kastriert)“ und 1500,- EUR für Züchtung zugelassen. Die Kitten, die reserviert waren, werden günstiger verkauft, 800,- EUR und 1300,- EUR. Die Kitten sind ab 12 Wochen nach dem Geburt abgabebereit, die werden entwürft, geimpft, haben Pass und Stammbaum. [...]“

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Einem Vermerk der Antragsgegnerin vom 12. Dezember 2017 ist zu entnehmen, dass zwei Mitarbeiterinnen der Antragsgegnerin am 5. Dezember 2017 eine unangekündigte Kontrolle in der Wohnung der Antragsteller versucht hätten, bei der jedoch nur die Antragstellerin zu 2) angetroffen worden sei. Diese habe angegeben, dass die Katzen aufgrund des Umzugs derzeit nicht in der Wohnung gehalten würden. Am 12. Dezember 2017 sei telefonischer Kontakt mit dem Antragsteller zu 1) aufgenommen worden. Dieser habe mitgeteilt, dass er die Katze in Deutschland gekauft und den Kater vor drei Jahren aus Russland zu Zuchtzwecken eingeführt habe. Es seien drei Welpen geboren worden. Die Tiere würden sich derzeit bei seinen Eltern aufhalten.

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Laut Vermerk vom 22. Dezember 2017 (S. 171 d. A.) sei am gleichen Tage die Katzenhaltung kontrolliert worden. Es sei eine Katze mit drei säugenden Katzenwelpen der Rasse Canadian Sphynx vorgefunden worden. Das Vatertier, ebenfalls der Rasse Canadian Sphynx angehörig, werde auch in der Wohnung gehalten. Sowohl bei den Elterntieren als auch bei den Katzenwelpen seien keine Vibrissen erkennbar. Vor Ort sei mündlich ein Zuchtverbot angeordnet worden und den Antragstellern aufgegeben worden, die Katzenwelpen nur mit vertraglich vereinbarten Maßgaben abzugeben, nämlich dass sie bei Erreichung des entsprechenden Alters kastriert werden und dass sie nicht zur Zucht verwendet werden dürften. Es sei eine schriftliche Ordnungsverfügung angekündigt worden. Die Antragsteller hätten bei dem Gespräch auf eine Internetseite verwiesen, auf der behauptet werde, dass Frau Dr. ... sich mit Tasthaaren von nur 1 mm Länge zufrieden geben könne.

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Mit Verfügung vom 24. Januar 2018 untersagte die Antragsgegnerin den Antragstellern ihre Sphynx-Katzen-Zucht (Ziffer 1.) und ordnete die Kastration des Katers ... für den Fall an, dass dieser mit einer oder mehreren geschlechtsreifen weiblichen Katzen zusammengehalten wird (Ziffer 2.) oder dass der Kater abgegeben wird (Ziffer 3.). Weiter ordnete sie für den Fall der Abgabe der Katze ... auch ihre Kastration an (Ziffer 4.). Ferner traf die Antragsgegnerin eine Anordnung für den Fall des Verkaufs der drei Katzenwelpen (Ziffer 5.) und ordnete die Vorlage des Zuchtbuches an (Ziffer 6.). Für den Fall, dass die Anordnungen nicht, nicht vollständig oder nicht fristgerecht befolgt werden, setzte die Antragsgegnerin Zwangsgelder

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- in Höhe von 5.000,-- Euro hinsichtlich der Anordnung unter Ziffer 1.,
- in Höhe von 2.000,-- Euro hinsichtlich der Anordnung unter Ziffer 2.,
- in Höhe von 2.000,-- Euro hinsichtlich der Anordnung unter Ziffer 3.,
- in Höhe von 2.000,-- Euro hinsichtlich der Anordnung unter Ziffer 4.,
- in Höhe von 500,-- Euro hinsichtlich der Anordnung unter Ziffer 5.,
- in Höhe von 500,-- Euro hinsichtlich der Anordnung unter Ziffer 6.

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fest. Zudem ordnete sie die sofortige Vollziehung der aufgeführten Maßnahmen gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO an. Zur Begründung führte sie aus, die Ordnungsverfügung beruhe auf § 16 a Satz 1 TierSchG. Sie sei geeignet, erforderlich und angemessen, weil eine Qualzucht vorliege, die einen eindeutigen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz darstelle. Dem Sphynx-Katzenpärchen der Antragsteller wie auch den Katzenwelpen fehlten die Tasthaare. Damit sei der Tatbestand der Qualzucht bereits erfüllt und die Zucht sei zu untersagen. Eine Weiterverbreitung der Gene der Katzen könne nur zuverlässig verhindert werden, wenn die Kastrationen durchgeführt würden. Durch Abgabe eines unkastrierten Elterntieres könne nicht gewährleistet werden, dass die Käufer nicht doch eine Zucht mit diesem Tier anstrebten und es zum Weitervererben dieses unerwünschten Merkmals komme.

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Gegen diesen Bescheid erhoben die Antragsteller über ihren Verfahrensbevollmächtigten mit Schreiben vom 11. Februar 2018 Widerspruch.

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Am 19. Februar 2018 haben die Antragsteller den vorliegenden Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt.

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Zur Begründung führt ihr Verfahrensbevollmächtigter aus, die Antragsgegnerin beziehe sich auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin (Az.: 24 K 202.14), welches eine Einzelfallentscheidung darstelle und außerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs gelegen habe. Es sei zu berücksichtigen, dass eine Rechtsverordnung des Bundesministeriums nach § 11 b Abs. 4 Nr. 2 TierSchG bislang nicht vorliege. Der angegriffene Bescheid setze sich mangels ausreichender Anhörung nicht damit auseinander, dass ein Gutachter im vorliegenden Fall zu einem anderen Ergebnis kommen könnte, als der Gutachter im Verfahren vor dem VG Berlin. Auch setze sich der Bescheid nicht damit auseinander, dass die Antragsteller als Hobbyzüchter im Rahmen ihrer Katzenzucht auch andere Dispositionen treffen könnten, als ausschließlich Verpaarungen der streitgegenständlichen Canadian Sphynx-Katzen untereinander zu betreiben. Die Verpaarung mit Katzen anderer Rassen führe zu unterschiedlichen Zuchtergebnissen; so würden auch Katzenwelpen sowohl mit Fell als auch mit weiteren Tasthaaren geboren. Der angegriffene Bescheid sei unverhältnismäßig und lasse die möglichen Dispositionen der Antragsteller außer Betracht. Ein unterstelltes Leiden existiere ohnehin nur „auf dem Papier“. Bei der Sphynx-Katze handele es sich um eine bereits bei den Ägyptern gezüchtete Rasse, die sich somit über Jahrhunderte behauptet habe. Dies wäre bei einem „Leiden“ und eintretenden „Schäden“ nicht möglich gewesen. Den Antragstellern könne zudem nicht verboten werden, über ihr Eigentum zu verfügen. Der Kater ... könne sehr wohl mit anderen geschlechtsreifen weiblichen Katzen gehalten werden. Zum einen könnten die Antragsteller vermeiden, dass es zur Verpaarung komme und zum anderen könne der Kater mit anderen weiblichen Tieren anderer Rassen gehalten werden. Eine Kastration der Katzen beeinträchtige den Wert der Katzen im negativen Sinne erheblich. Die Verfügung zudem unter ein Zwangsgeld von 5.000,-- Euro zu stellen, sei unverhältnismäßig, da dabei u.a. die Vermögenslage der Antragsteller nicht berücksichtigt werde. Das Widerspruchsverfahren gegen die Ordnungspunkte 5) und 6) werde dagegen nicht fortgesetzt. Die Verfügung unter 5) werde eingehalten; die Kaufverträge der Antragsteller enthielten ohnehin bereits diese Verpflichtung und die Verpflichtung aus Nr. 6) des Bescheides sei bereits erfüllt worden.

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Die Antragsteller beantragen,

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die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 24. Januar 2018 hinsichtlich der Ordnungspunkte 1), 2), 3) und 4) wiederherzustellen.

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Die Antragsgegnerin beantragt,

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den Antrag abzulehnen.

17

Das in Ziffer 1. der Ordnungsverfügung ausgesprochene Züchtungsverbot für sog. Sphynx-Katzen sei rechtmäßig. Die Züchtung verstoße gegen § 11 b Abs. 1 Nr. 1 TierSchG. Züchterische Erkenntnisse ließen erwarten, dass als Folge der Zucht von Canadian-Sphynx-Katzen bei der Nachzucht erblich bedingt keinerlei oder jedenfalls keine funktionsfähigen Tasthaare vorhanden sein werden. Die Haarlosigkeit bzw. das Fehlen funktionsfähiger Tasthaare werde nach allgemein anerkannten genetischen Grundsätzen nach Paarung zweier Canadian-Sphynx-Katzen auch bei der Nachzucht bestehen. Die von den Antragstellern zur Zucht eingesetzten Canadian-Sphynx-Katzen verfügten nach Feststellungen der Amtstierärztin Dr. ... über keine Tasthaare. Auch die vorgefundenen Katzenwelpen wiesen keine Tasthaare auf. Die Tasthaare von Katzen seien Körperteile (Sinnesorgane) für den artgemäßen Gebrauch. Sie dienten der Orientierung, der Jagd und der Kommunikation. In der zu erwartenden Haarlosigkeit bzw. Untauglichkeit der Tasthaare bei einer Nachzucht liege ein Schaden. Tasthaare seien für den artgemäßen Gebrauch wesentliche Körperteile, durch deren Fehlen bzw. Untauglichkeit ein nicht unerheblicher Schaden auftrete. Die Abweichungen seien so erheblich, dass sie als Schaden zu qualifizieren seien. Der Feststellung einer schädlichen Beeinträchtigung stehe denklogisch schon nicht entgegen, dass die Canadian-Sphynx-Katze noch heute als Hauskatze existiere. Ein Schaden i.S.d. § 11 b Abs. 1 Nr. 1 TierSchG könne auch dann vorliegen, wenn die Rasse seit Langem gezüchtet werde und lebensfähig sei. Nach dem Schadensbegriff des § 11 b Abs. 1 Nr. 1 TierSchG sei das Vorliegen eines Schadens auch nicht ausgeschlossen, wenn eine Gewöhnung an die Beeinträchtigung stattfinde. Auch in diesem Einzelfall handele es sich um eine Qualzucht. In der Rechtsfolge sei die Sphynx-Zucht zu verbieten gewesen. Es liege dahingehend eine Ermessensreduzierung auf Null vor. Auch die Anordnungen zur Unfruchtbarmachung seien rechtmäßig. Rechtsgrundlage sei § 16a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 11 b Abs. 2 TierSchG, deren Voraussetzungen erfüllt seien. Es könne sowohl bei der Paarung zweier Canadian-Sphynx-Katzen als auch bei der Paarung mit einem mischerbigen Tier, dass das hr-Allel latent (versteckt) in sich trage, zu einer Nachzucht ohne Tasthaar bzw. funktionslosen Tasthaar kommen. Auch bei Paarung mit einer Katze ohne erkennbar qualzuchtrelevantes Merkmal könne eine nachteilige Veränderung bei der Nachzucht nicht ausgeschlossen werden. Es entspreche dem Schutzzweck der Vorschrift, jede weitere Zucht unter Beteiligung der Sphynx-Katzen wirksam zu unterbinden. Es handele sich in der Rechtsfolge um ein intendiertes Ermessen. Es sei das schonenste Mittel zur Verhütung weiterer Verstöße gegen § 11 b Abs. 1 Nr. 1 TierSchG zu wählen. Jede weitre Vererbung des qualzuchtrelevanten Merkmals sei durch Anordnung der Unfruchtbarmachung zu verhindern. Dies schließe aus vorgenannten Gründen die Zucht mit anderen Rassen ein. Die Fortpflanzung der Katzen sei zur effektiven Abwehr weiterer Verstöße gegen den Tierschutz insgesamt zu unterbinden. Die Verhinderung jeglicher weiterer Paarungsakte der gehaltenen Katzen sei nicht gleich geeignet, da dies nicht mit der gebotenen Sicherheit gewährleistet werden könne. Auch die Anordnung der Kastration der Katzen für den Fall der Abgabe sei zur dauerhaften, effektiven Verhinderung einer weiteren Vererbung des qualzuchtrelevanten Merkmals geboten. Der Einwand, die Unfruchtbarmachung führe zu einer Schmälerung des Verkaufserlöses und sei nicht zumutbar, greife nicht. Die Kosten für die Unfruchtbarmachung könnten durch Anpassung des Kaufpreises ausgeglichen werden. Zudem müssten die finanziellen Interessen der Antragsteller gegenüber der gewichtigen Gefahr weiteren Tierleids zurückstehen. Die Höhe der festgesetzten Zwangsgelder liege im unteren Bereich und sei noch verhältnismäßig. Im Falle einer weiteren Nachzucht erwarte die Antragsteller voraussichtlich ein Verdienst in Höhe von mehreren tausend Euro. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung liege auch im überwiegenden öffentlichen Interesse. Die Einhaltung des Tierschutzes sei Gegenstand öffentlichen Interesses. Es könne nicht hingenommen werden, dass bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens die Möglichkeit bestehen bleibe, einer weiteren Nachzucht die o.g. Schäden beizufügen. Die finanziellen Interessen der Antragsteller an der weiteren Züchtung müssten hinter den Bedürfnissen und dem Tierwohl zurückstehen. Mit jeder Nachzucht verbreite sich das qualzuchtrelevante Merkmal weiter und die Gefahr der weiteren Verbreitung wachse weiter an.

18

Wegen der weiteren Einzelheiten der Sach- und Rechtslage wird auf die Gerichtsakte sowie die Sachakte der Antragsgegnerin verwiesen.

II.

19

Der Antrag ist nach §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass die Antragsteller hinsichtlich der bedingten Zwangsgeldfestsetzung die Anordnung der aufschiebenden Wirkung begehren, da hier der Widerspruch von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung entfaltet (vgl. § 29 Abs. 1 HmbVwVG bzw. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO), und die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung allein hinsichtlich der Anordnungen unter Ziffer 1. bis 4. beantragt wird.

III.

20

Der so verstandene zulässige Antrag hat sowohl hinsichtlich der Anordnungen unter 1. bis 4. (hierzu unter 1.) als auch hinsichtlich der bedingten Zwangsgeldfestsetzungen (hierzu unter 2.) in der Sache keinen Erfolg.

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1. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs hinsichtlich der im Bescheid vom 24. Januar 2018 getroffenen Anordnungen unter 1. bis 4. hat in der Sache keinen Erfolg.

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a) Die Antragsgegnerin hat das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung der Verfügung in einer dem formellen Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise schriftlich begründet. Sie hat darauf abgestellt, dass dies zur Abwendung von Schäden und andauernden Leiden für eventuelle Nachkommen, die aus der Verpaarung der von den Antragstellern gehaltenen Zuchtkatzen hervorgehen, erfolge. Damit hat die Antragsgegnerin einzelfallbezogen und nicht nur formelhaft ein sofortiges Vollzugsinteresse dargelegt, das über das allgemeine Interesse an der Befolgung ihrer Anordnungen hinausgeht. Vertiefend hat sie in der Antragserwiderung vom 14. März 2018 ausgeführt, dass nicht hingenommen werden könne, dass bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens die Möglichkeit bestehen bleibe, einer weiteren Nachzucht die genannten Schäden beizufügen. Mit jeder Nachzucht verbreite sich das qualzuchtrelevante Merkmal weiter und die Gefahr der weiteren Verbreitung wachse weiter an. Darauf, dass die genannten Erwägungen materiell ausreichen, um das Überwiegen des öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung zu begründen, kommt es für die Erfüllung des formellen Begründungserfordernisses nicht an (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 29.5.1998, 5 Bs 147/98, juris Rn. 3; Beschl. v. 13.1.2012, 2 Bs 14/12, juris Rn. 10).

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b) Nach der vom Gericht gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO zu treffenden Abwägung überwiegt das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Bescheides das Interesse der Antragsteller an der Aussetzung. Denn nach der im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen Prüfung erweist sich der Bescheid vom 24. Januar 2018 hinsichtlich der unter Ziffer 1. bis 4. getroffenen Anordnungen als rechtmäßig (hierzu unter aa]) und es besteht ein besonderes Vollzugsinteresse, demgegenüber das Interesse der Antragsteller an einem Aufschub der Vollziehung zurückzustehen hat (hierzu unter bb]).

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aa) Der Bescheid vom 24. Januar 2018 erweist sich hinsichtlich der Anordnungen unter 1. bis 4. des angefochtenen Bescheides als voraussichtlich rechtmäßig, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Dies betrifft sowohl die Untersagung der Sphynx-Katzen-Zucht (hierzu unter aaa]) als auch die Anordnung, den Kater ... (hierzu unter bbb]) und die Katze ... (hierzu unter ccc]) unter bestimmten Voraussetzungen kastrieren zu lassen. Die Anordnungen unter Ziffer 5. und 6. sind von den Antragstellern nicht zum Gegenstand dieses Verfahrens gemacht worden; insoweit soll auch das Widerspruchsverfahren nicht fortgesetzt werden.

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aaa) Die in Ziffer 1. des angefochtenen Bescheides ausgesprochene Untersagung der von den Antragstellern ausgeübten Sphynx-Katzen-Zucht dürfte rechtmäßig sein. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 16a Abs. 1 Satz 1 TierSchG i.V.m. § 11b Abs. 1 Nr. 1 TierSchG.

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Gemäß § 16a Abs. 1 Satz 1 TierSchG trifft die zuständige Behörde die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Die (Hobby-)Zucht von „Sphynx-Katzen“ durch die Antragsteller verstößt gegen das in § 11b Abs. 1 Nr. 1 TierSchG geregelte Verbot von Qualzüchtungen. Nach dieser Vorschrift ist es unter anderem verboten, Wirbeltiere zu züchten, soweit züchterische Erkenntnisse erwarten lassen, dass als Folge der Zucht bei der Nachzucht erblich bedingt Körperteile oder Organe für den artgemäßen Gebrauch fehlen oder untauglich oder umgestaltet sind und hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten.

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Das Bundesministerium hat bislang keinen Gebrauch von der durch § 11b Abs. 4 Nr. 2 TierSchG eröffneten Ermächtigung gemacht, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Züchten mit Wirbeltieren bestimmter Arten, Rassen und Linien zu verbieten oder zu beschränken, wenn dieses Züchten zu Verstößen gegen Absatz 1 führen kann. Einer Stellungnahme der Bundesregierung vom 7. April 2017 auf eine Kleine Anfrage (BT-Drs. 18/11890, S. 16) ist zu entnehmen, dass die Einführung einer entsprechenden Rechtsverordnung nicht geplant sei, weil der Tatbestand der Qualzucht durch sehr unterschiedliche Erscheinungsformen und Krankheitsbilder erfüllt sein könne und sich dadurch einer einfachen und gleichzeitig treffenden und eindeutigen Beschreibung entziehe. Aus diesem Umstand folgt jedoch entgegen der Ansicht der Antragstellerseite nicht, dass es an einer Ermächtigungsgrundlage fehlen würde, vielmehr führt das Fehlen einer einschlägigen Rechtsverordnung lediglich dazu, dass die Entscheidung, ob ein Fall von Qualzucht vorliegt, im jeweiligen Einzelfall nach Maßgabe der in § 11b Abs. 1 TierSchG genannten Voraussetzungen zu treffen ist (vgl. auch die Gesetzesbegründung hins. des Dritten Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes, BT-Drs. 17/10572, S. 31). Als Orientierungshilfe dient dabei das Gutachten zur Auslegung von § 11b des Tierschutzgesetzes (Verbot von Qualzüchtungen) vom 2. Juni 1999 (im Folgenden: Qualzuchtgutachten). Das Qualzuchtgutachten ist seinerzeit im Auftrag des Bundesministeriums für Landwirtschaft, Ernährung und Verbraucherschutz (MLEV) – in Reaktion auf die unbefriedigende Umsetzung des § 11b TierSchG – von der Sachverständigengruppe Tierschutz und Heimtierzucht erstellt worden und hatte zur Aufgabe, für den Bereich der Heimtierzucht ein Gutachten zu erstellen, das als verbindliche Leitlinie für Zuchtorganisationen, Züchter, aber auch für die zuständigen Behörden dienen soll (vgl. 1.1 Einleitung).

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(1) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 11b Abs. 1 Nr. 1 TierSchG dürften hier vorliegen. Die von den Antragstellern betriebene (Hobby-)Zucht von Katzen der Rasse Canadian-Sphynx lässt nach züchterischen Erkenntnissen erwarten, dass als Folge der Zucht bei der Nachzucht erblich bedingt Körperteile oder Organe für den artgemäßen Gebrauch fehlen und hierdurch Schäden auftreten werden. Hierzu im Einzelnen:

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(a) Die Antragsteller betreiben mit dem von ihnen gehaltenen Canadian-Sphynx-Kater ... und der Canadian-Sphynx-Katze ... unstreitig eine Zucht von Katzen der Rasse Canadian-Sphynx. Aus dieser Zucht sind bereits drei Würfe hervorgegangen, nämlich vier Katzen am 26. Juni 2016, fünf Katzen am 16. April 2017 und drei Katzen am 30. November 2017. Nach eigenen Angaben ist der nächste Wurf für den Herbst 2018 geplant. Es ist mithin von einer bewussten und gewollt herbeigeführten Vermehrung dieser Katzen auszugehen.

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(b) Züchterische Erkenntnisse lassen im Sinne des § 11b Abs. 1 TierSchG erwarten, dass erblich bedingt als Folge der Zucht dieser Canadian-Sphynx-Katzen bei der Nachzucht keinerlei oder jedenfalls keine funktionsfähigen Vibrissen vorhanden sein werden.

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Gemäß Punkt 2.1.2.1.4 (Anomalien/Abweichungen des Haarkleides) des Qualzuchtgutachten ist die Haarlosigkeit der Sphynx auf die autosomal rezessiven Gene h, hd oder hr zurückzuführen (S. 45 unter Verweis auf Pedersen, Niels C. (1991): Feline husbandry und Willer, S. (1992): Erbliche und dispositionelle Krankheiten). Das Merkmal tritt also nur dann im Phänotyp in Gestalt der Haarlosigkeit in Erscheinung, wenn beide Allele dieses Merkmals homozygot (reinerbig) vorliegen. Nach den Feststellungen der Amtstierärztin Frau Dr. ... bei der am 22. Dezember 2017 durchgeführten Kontrolle in der Wohnung der Antragsteller wiesen weder die Elterntiere (... und ...) noch die drei Katzenwelpen Vibrissen (auch Sinus-, Fühl-, Tast- oder Schnurrhaare genannt) auf. Hieraus folgt bereits nach allgemeinen genetischen Grundsätzen, dass die Tiere reinerbige Träger dieses Merkmals sein müssen. Der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedarf es hierfür entgegen der Ansicht des Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller nicht. Auch künftige Nachkommen der von den Antragstellern gehaltenen Katzen werden nach allgemeinen Grundsätzen der Genetik zu 100 % die genetische Veränderung ausprägen und ebenfalls weitgehend haarlos und nicht im Besitz von funktionsfähigen Vibrissen sein; denn es entspricht gesicherter Erkenntnis, dass bei der Paarung zweier homozygoter Träger einer autosomal rezessiv vererbten genetischen Veränderung auch die Nachkommen die genetische Veränderung ausprägen werden (vgl. auch VG Berlin, Urt. v. 23.9.2015, 24 K 202.14, juris Rn. 32 m.w.N.; Skupin in: Haarlose Feliden, 2017, S. 99).

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(c) Bei den Vibrissen handelt es sich um Körperteile und Organe im Sinne des § 11b Abs. 1 TierSchG für den arttypischen Gebrauch der Katze, die als Folge der von den Antragstellern betriebenen Zucht bei der Nachzucht erblich bedingt fehlen oder untauglich sein werden.

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Vibrissen sind meist in kleinen Gruppen stehende Haare ohne Haarbalgdrüse, die an biologisch feststehenden Körperstellen als Vibrissenfelder angelegt sind. Die Wurzeln stehen im Kontakt zu Nerven, die (mechanische) Berührungsreize an das Gehirn übertragen. Die Vibrissen der Katze sind um das zwei- bis dreifache dicker als die Körperbehaarung der Katze und die Haarfollikel reichen mit einer Länge von fast 2 mm etwa dreimal so tief in die Katzenhaut. Katzen besitzen normalerweise Vibrissen an verschiedenen Körperstellen, wobei diese sich etwa wie folgt verteilen:

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- Schnauzenregion im Bereich des Oberkiefers (mystacial V.) je Körperseite 24-30 = 48-60 (Anordnung in vier, gelegentlich fünf Reihen mit 4-8 Vibrissen bis 7 cm Länge)
- über den Augen (supraorbitale V.) je Körperseite 5-10 = 10-20
- an Wange je Körperseite 2 Büschel mit 4-8 Vibrissen = 8-16
- Vorderbeine (Rückseite) je Körperseite 3-6 = 6-12
- an Kinn / Ober- u. Unterlippe (labiale V.; Anordnung in zwei Reihen, 1,5 - 3 cm Länge) 15-24 = 30-48

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Die mögliche Gesamtzahl der Vibrissen bei der Katze beträgt somit zwischen 102 und 156 unterschiedlicher Länge. Die meisten dieser Vibrissen befinden sich bei der Katze ebenso wie beispielsweise bei den Nagetieren im Gesichtsbereich. Durch ihre Ausspreizung nach außen und vorne formen die Sinneshaare einen Tastsensoren-Bereich, der die Gesichtspartie, d.h. Schnauze, Nase und Augen, fächerförmig umschließt (vgl. Skupin, Die Vibrissen der Katze, Stand: März 2017, abrufbar unter http://www.welt-der-katzen.de/katzenhaltung/medizin/vibrissen/index.html; abgerufen am 3.4.2018).

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Die Vibrissen sind für den artgerechten Gebrauch der Katze zur Orientierung im Dunkeln, beim Aufspüren der Beute, zum Schutz der Augen und zur Aufnahme sozialer Kontakte von hoher Bedeutung. Diese Aspekte werden auch in verschiedenen Veröffentlichungen über Katzen betont:

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Im Qualzuchtgutachten wird diesbezüglich folgendes ausgeführt (S. 46):

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„Tasthaare sind ein wesentliches Sinnesorgan für die Katze. Ihnen kommt vor allem im Dunkeln zur Orientierung Bedeutung bei, aber auch beim Fangen und Abtasten der Beute, beim Untersuchen von Gegenständen und bei der Aufnahme sozialer Kontakte (BRUNNER, 1994; LEYHAUSEN, 1996). Wenn sie fehlen bzw. so umgestaltet sind, dass ihre Funktion verlorengeht, ist das als Körperschaden zu bewerten, der die Katze in ihrer Fähigkeit zu arttypischen Verhalten so einschränkt, dass dies zu andauernden Leiden führt.“

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Im „Gutachten zur Bedeutung von Sinushaaren für unsere Haussäugetiere, unter besonderer Berücksichtigung des Scherens dieser Haare“ von Prof. Dr. Wilfried Meyer von der Tierärztlichen Hochschule Hannover führt dieser folgendes aus (Unterstreichungen aus dem Original übernommen):

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„Zusammenfassend muss darauf verwiesen werden, daß es sich beim Sinushaar bzw. Sinushaarfollikel aufgrund seiner sehr differenzierten nervösen Ausstattung um einen hochsensiblen mechanorezeptiven Komplex handelt. Er ist in der Lage, verschiedenste Druck- und Berührungsreize aufzunehmen und durch diese Informationen zentralnervös gesteuerte, verhaltensrelevante Antworten des Tieres zu initiieren. Bei kleinen und mittelgroßen Säugern wie Hund oder Katze bezieht sich dies zunächst auf die Kontaktierung und Erkennung der engeren räumlichen Umgebung oder der sie besetzenden Gegenstände, was im besonderen unter schlechten Lichtverhältnissen gilt (s. z. B. CARVELL und SIMONS, 1990). Hinzu kommen Kontakte bzw. Berührungen zwischen dem Tier und anderen Mitgliedern seiner Familiengruppe, zu denen ggf. auch der Mensch gehört (Reiben der Wangenregion und dergl.). Unabhängig davon werden Eigenschaften der Nahrung, z. B. ihre Konsistenz, oder auch Nahrungsbehälter genauer mechanosensorisch inspiziert (vgl. a. HART, 1985). [...] Aus den im vorhergehenden dargelegten Kenntnissen zu bedeutsamen strukturellen und funktionellen Eigenschaften der Sinushaaren unserer Haussäuger, im besonderen aber derjenigen von Hund, Katze und Pferd, ist ganz unzweifelhaft zu entnehmen, daß es sich bei diesen Einrichtungen der Haut um essentielle Komponenten der Lebensführung dieser Tiere handelt. Jedes Abschneiden oder Kürzen von Sinushaaren stellt damit einen massiven Eingriff in das Normalverhalten dar und hat äußerst negative Folgen. D. h., grundlegende Möglichkeiten der allgemeinen kontaktbezogenen Orientierung und die Erfassung wichtiger Einflüsse aus der Umgebung der Tiere, z. B. Berührungssignale im Rahmen der Körperkommunikation, werden beseitigt oder entscheidend gestört. Selbst der Verlust nur weniger Tasthaare kann durch Fehlorientierung und folgendes Fehlverhalten zu Verletzungen und langandauernden psychischen Defekten führen. Der Eingriff in die spezielle und sehr differenzierte mechanosensorische Nahorientierung unserer Haussäugetiere durch das Scheren von Sinushaaren, häufig nur mit fragwürdigen „Schönheitskriterien“ begründet, ist ohne jede Einschränkung und mit äußerstem Nachdruck abzulehnen. Dem Tier werden hierdurch mit Sicherheit Qualen verursacht, da erhebliche Beeinträchtigungen des Normalverhaltens die Folge sind! [...]“

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Im Internet ist auf der Seite http://www.tierfreund.de/sinnesorgane-katzen/ (abgerufen am 3.4.2018) zu den Tasthaaren einer Katze folgendes ausgeführt:

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„Tasthaare sind länger und steifer als normale Haare, dazu tiefer in der Haut verankert und mit einem weit verzweigten Netz aus Nervenenden verbunden. Die langen Schnurrhaare an der Schnauze können zudem bewegt werden. Die Katze nimmt über die Tasthaare nicht nur Berührungen wahr, sondern sogar Luftströmungen. Auch vermitteln die Haare die Konturen eines Beutetieres, was für den Tötungsbiss im Dunkeln von entscheidender Bedeutung ist. Die Haare an den Vorderbeinen helfen beim Aufspüren der Beute im Dunkeln, da die Katze darüber kleinste Bodenerschütterungen und Luftströmungen wahrnehmen kann. Daneben nutzt die Katze die Tasthaare, um im Dunkeln nirgendwo gegen zu stoßen und um abzuschätzen, ob eine Öffnung groß genug ist, um mit dem ganzen Körper hindurch zu passen.“

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Die hohe Bedeutung der Vibrissen für die Katze wird zudem in der BBC-Dokumentation „How do cats use their whiskers?“ eindrucksvoll aufgezeigt (abrufbar unter https://www.youtube.com/watch?v=mdqBbvYX3MU).

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Ergänzend nimmt die Kammer Bezug auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts Berlin (Urt. v. 23.9.2015, 24 K 202.14, juris Rn. 36):

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„Die herausragende Bedeutung und die Funktionen der Tasthaare bei Katzen als Sinnesorgan für den artgemäßen Gebrauch werden auch durch den vom Gericht bestellten Gutachter Dr. G...betont. Die Bedeutung der Tasthaare hat der Gutachter in seinem schriftlichen Gutachten (Seite 4) ausführlich erläutert und im Rahmen der Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung ausgeführt: „Die Tasthaare haben nach meiner Einschätzung zwei Bedeutungen: Zum einen sind sie in ihrer sensiblen Funktion wichtig für die Orientierung bei dunklen Lichtverhältnissen und bei engen Durchgängen. Zum anderen dienen sie einer Verlängerung der Gesichtsmimik. Mit den Tasthaaren kann eine Katze ihre Stimmungen ausdrücken wie beispielsweise auch durch das Schwanzschlagen. Bei einer Nacktkatze ist der Gesichtsausdruck weniger ausgeprägt als bei behaarten Katzen.“ (Sitzungsprotokoll, Seite 2). Diese überzeugenden Ausführungen macht sich die Kammer zu Eigen. Sie werden durch das von der Klägerin vorgelegte „Gegengutachten“ des Dr. W... vom 24. September 2001 nicht substantiiert in Frage gestellt. Dessen Ausführungen (z. B.: „Für die Orientierung im Dunkeln sind die Tast- oder Sinushaare fast unwichtig, da Katzen sonst im Dunkeln gegen Wände und Gegenstände laufen würden, da die Tast- und Sinushaare erst im Nachbereich bei Berührung wirken.“) sind vor dem Hintergrund der o.g. Feststellungen und Erläuterungen der sonstigen züchterischen Veröffentlichungen und Erkenntnisse nicht überzeugend. Im Übrigen hat Herr Dr. S... in einer aktenkundigen Stellungnahme vom 19. November 2014 gegenüber dem Beklagten seine gutachterlichen Ausführungen wegen inzwischen fortgeschrittener Forschung zu Sinnesorganen bei Säugern selbst in Zweifel gezogen.“

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(d) Züchterische Erkenntnisse lassen schließlich erwarten, dass durch das erblich bedingte Fehlen bzw. die Untauglichkeit der Vibrissen bei der Nachzucht Schäden im Sinne des § 11b Abs. 1 TierSchG auftreten.

47

Als Schaden bezeichnet man einen Zustand des Tieres, der von seinem gewöhnlichen Zustand hin vorübergehend oder dauernd zum Schlechteren abweicht, wobei völlig geringfügige Beeinträchtigungen außer Betracht bleiben. Die Abweichung kann auf körperlicher oder psychischer Grundlage beruhen. Der Sollzustand des Tieres beurteilt sich an Tieren der gleichen Art. Das Fehlen von Körperteilen wird dabei in der Kommentarliteratur regelmäßig als Schaden bewertet. Ausreichend sind aber auch beispielsweise zuchtbedingte geringfügige Gleichgewichts- oder Stoffwechselstörungen, Störungen beim Sehen oder Hören, bei der Fortbewegung und beim artgemäßen Nahrungserwerbs- oder Sozialverhalten (vgl. Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG Kommentar, 3. Aufl. 2016, § 1 Rn. 27 und § 11b Rn. 5; Lorz/Metzger, TierSchG Kommentar, 6. Aufl. 2008, § 1 Rn. 51 ff.; Metzger in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze Band 1, 217. EL Oktober 2017, § 1 TierSchG Rn. 18 ff.). Als Schaden i.S.v. § 11b Abs. 1 TierSchG genügt aber nicht schon das Fehlen eines Körperteils als solches. Vielmehr muss der Schaden gerade auf Grund des Defektes („hierdurch“) auftreten (vgl. Lorz/Metzger, a.a.O., § 11b Rn. 4; Goetschel in Kluge: Tierschutzgesetz Kommentar, 1. Aufl. 2002, § 11b Rn. 14). Es müssen somit erblich bedingte Auswirkungen auf die Nachzucht zu erwarten sein, die diese in ihrem artgerechten Leben nicht nur unerheblich beeinträchtigen. Dabei ist für die Betrachtung und Bewertung eines Schadens ein Vergleich zwischen Katzen mit und ohne funktionsfähigen Tasthaaren vorzunehmen, ohne dabei allerdings zu berücksichtigen, dass aufgrund des Fehlens funktionsfähiger Tasthaare möglichweise andere Sinnesorgane stärker ausgeprägt sind (vgl. VG Berlin, Urt. v. 23.9.2015, 24 K 202.14, juris Rn. 38).

48

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist davon auszugehen, dass bei der Nachzucht der von den Antragstellern gehaltenen Katzen aufgrund der fehlenden oder jedenfalls nicht funktionsfähigen Vibrissen Schäden im Sinne des § 11b Abs. 1 TierSchG auftreten würden. Wie oben bereits ausgeführt, stellen die Vibrissen bedeutsame Komponenten der Lebensführung der Katzen dar, die der Katze u.a. bei der Orientierung, beim Aufspüren (z.B. der Beute), als Schutz (der Augen) und zur Kommunikation dienen. Das Fehlen funktionsfähiger Vibrissen führt unweigerlich zu einer erheblichen Beeinträchtigung und Abweichung vom Normalzustand einer Katze. Denn derartigen Katzen ist der Rückgriff auf diese essentiellen Sinnesorgane verwehrt; weder können sie hierauf bei der Fortbewegung im Dunkeln bzw. durch enge, schwer zugängliche Stellen zurückgreifen noch können sie diese bei der Nahrungskontrolle oder als Kommunikationsmittel nutzen. Wie bereits ausgeführt, ist es unerheblich, inwieweit und auf welche Weise Sphynx-Katzen ohne funktionsfähige Vibrissen in der Lage sind, die genannten Defizite durch andere Sinnesorgane oder Verhaltensweisen auszugleichen.

49

Soweit die Antragstellerseite vorträgt, das unterstellte Leiden bzw. die eintretenden Schäden bestünden nur „auf dem Papier“, zumal sich die Sphynx-Katze, die bereits von den Ägyptern als Rasse gezüchtet worden sei, als Art über Jahrhunderte behauptet habe, was bei einem Leiden und eintretenden Schäden nicht möglich gewesen wäre, ist dies für die Kammer nicht überzeugend. Unabhängig davon, dass es wohl eher ein Mythos sein dürfte, dass Sphynx-Katzen bereits im alten Ägypten bzw. von den Azteken gezüchtet worden sind (vgl. hierzu Skupin, Sphynx: Die nackte Wahrheit, 2. Aufl. 2017, S. 11 ff.; ders. in: Haarlose Feliden, 2017, S. 157), ist es nicht plausibel, weshalb die Rasse nur dann fortbestehen können sollte, wenn die o.g. „Schäden“ tatsächlich gar nicht vorlägen. Unbestritten handelt es sich bei den Vibrissen nicht um ein für die Lebensfähigkeit notwendiges (Sinnes-)Organ; dies ist indes auch nicht notwendig, um einen Schaden i.S.d. § 11b Abs. 1 TierSchG annehmen zu können. Da Sphynx-Katzen zudem üblicherweise als Hauskatze gehalten werden – ihre Versorgung mithin durch die Halter sichergestellt wird –, ist nicht ersichtlich, weshalb sie – trotz der benannten physischen Defizite – in ihrer Art nicht bis heute hätten existieren können.

50

Ergänzend macht sich die Kammer wiederum die Ausführungen des Verwaltungsgerichts Berlin zu eigen (Urt. v. 23.9.2015, 24 K 202.14, juris Rn. 39 ff.):

51

„Nach diesen Maßstäben treten bei der Nachzucht der Klägerin gerade durch den Gendefekt, der zur Haarlosigkeit und zum vollständigen Fehlen oder zumindest zum Fehlen funktionsfähiger Tasthaare führt, Schäden im Sinne des § 11b TierSchG auf. Da Katzen für den artgerechten Gebrauch funktionsfähige Tasthaare haben, stellt ihr Fehlen oder ihre Untauglichkeit eine erhebliche Abweichung dar. Dass das Fehlen funktionsfähiger Tasthaare nicht lediglich eine nur geringfügige oder rein optische Abweichung darstellt, ergibt sich dabei schon daraus, dass es sich bei den Tasthaaren um für alle Katzen wesentliche Sinnesorgane handelt (s. oben 2.), mit deren Hilfe sich Katzen ihrer Art entsprechend bei dunklen Lichtverhältnissen und an engen Stellen orientieren und die außerdem den Katzen zur Kommunikation dienen. Diese Abweichung ist von einem solchen Gewicht, dass sie von dem gerichtlich bestellten Gutachter zu Recht als Schaden qualifiziert worden ist. Dass bei der Nachzucht von Canadian-Sphynx-Katzen wegen des Fehlens funktionsfähiger Tasthaare ein Schaden im Sinne des § 11b TierSchG vorliegt, wird auch in verschiedenen Veröffentlichungen und Stellungnahmen von Züchtern und Tierärzten bestätigt. Das sogenannte „Qualzuchtgutachten“ des BMLEV bejaht nach der Feststellung, dass Tasthaare ein wesentliches Sinnesorgan für die Katze sind, im Falle fehlender Tasthaare eine Qualzucht im Sinne des § 11b TierSchG a. F. und spricht die ausdrückliche Empfehlung aus: „Zuchtverbot für Katzen, denen die Tasthaare fehlen“ (Qualzuchtgutachten BMLEV 1999, S. 46 oben). Außerdem heißt es in den Zuchtrichtlinien des Deutschen Edelkatzenzüchter-Verbands e. V. (DEKZV) „Nicht gezüchtet werden darf mit Katzen, die eines der folgenden Merkmale aufweisen: - Katzen ohne sichtbare Tasthaare.“ Soweit einzelne Stimmen in der Literatur Zweifel am Vorliegen einer Qualzucht äußern (z. B. Skupin, „Sphynx - Die nackte Wahrheit“, S. 58 und 62), vermögen sie die aufgrund der überwiegenden züchterischen Erkenntnisse gewonnene Überzeugung der Kammer nicht zu erschüttern. Abgesehen vom o. g. Gutachten des Herrn Dr. S... vom 24. September 2001, der selbst nicht mehr an seiner inzwischen fast 15 Jahre zurückliegenden Auffassung zur Bedeutung der Tasthaare festhält, findet sich keine wissenschaftlich fundierte Auffassung, die das Fehlen von Tasthaaren bei Katzen als lediglich unbedeutenden Mangel qualifiziert. Schließlich stellt der vom Gericht bestellte Gutachter Dr. ... ausdrücklich fest, dass das Fehlen der Tasthaare von Katzen und die damit einhergehende Einschränkung der Nachzucht bei Wahrnehmungen im Nahbereich, beim Fangen und Abtasten der Beute und bei der Aufnahme sozialer Kontakte als „Körperschaden“ zu bewerten sei, der die Katze in ihrer Fähigkeit zu arttypischem Verhalten so einschränke, dass dies zu andauernden Leiden führt (Zusammenfassung Seite 8 des schriftlichen Gutachtens). Das Vorliegen eines Schadens hat er in der mündlichen Verhandlung nochmals ausdrücklich bestätigt (vgl. Protokoll, Seite 4 unten) und dabei auch den Einwand zurückgewiesen, ein Schaden liege deshalb nicht vor, weil das Tier den Mangel anderweitig ausgleichen könne. Die Kammer macht sich die überzeugenden Ausführungen des Gutachters zu Eigen, die durch die Klägerin nicht substantiiert in Zweifel gezogen worden ist. Soweit die Klägerin einwendet, auch der Gutachter habe bei der konkreten Untersuchung ihrer Katzen keinerlei Verhaltensauffälligkeiten festgestellt, sondern das Verhalten der Tiere ausdrücklich als „normal“ beschrieben, ist dies für die Annahme eines Schadens durch das erblich bedingte Fehlen funktionsfähiger Tasthaare unbeachtlich. Ohne Erfolg macht die die Klägerin insoweit geltend, dass ein Schaden ohne eine Untersuchung des Verhaltens ihrer Canadian-Sphynx-Katzen, insbesondere zu deren Orientierungsvermögen im Dunkeln, nicht hinreichend feststellbar sei. Auf etwaige Verhaltensauffälligkeiten kommt es nicht an. Ein Schaden im Sinne des § 11b Abs. 1 TierSchG liegt schon bei einer nicht unerheblichen Abweichung vom Normalzustand vor. Zudem sind Verhaltensauffälligkeiten aufgrund fehlender Tasthaare nur schwerlich feststellbar, da zu erwarten ist, dass die Candian-Sphynx-Katzen das Defizit durch andere Sinnesorgane (teilweise) kompensieren. Für die Annahme einer verbotenen Qualzucht reicht es nach § 11 b TierschG aber aus, dass bei der Nachzucht ein erblich bedingter Schaden zu erwarten ist; etwaige Schadenskompensationen schließen das Verbot nicht aus. Zum Anderen verkennt die Klägerin, dass nach § 11b Abs. 1 TierSchG das Auftreten eines Schadens nicht nachgewiesen werden muss, sondern dass es ausreicht, wenn ein erblich bedingter Schaden bei der Nachzucht nach züchterischen Erkenntnissen zu erwarten ist. Die hierfür erforderliche hinreichende Wahrscheinlichkeit ist auf Grundlage der genetischen Grundsätze, der weit überwiegenden Literaturansicht sowohl zur herausragenden Bedeutung von Tasthaaren für Katzen als auch zu den Folgen des Fehlens von funktionsfähigen Tasthaaren unter zusätzlicher Heranziehung der Ausführungen des gerichtlich bestellten Gutachters zur Überzeugung der Kammer gegeben. Für eine abweichende Prognose sind keine tragfähigen Anhaltspunkte dargetan oder sonst ersichtlich.“

52

(2) Die getroffene Untersagung der von den Antragstellern ausgeübten Sphynx-Katzen-Zucht ist auch notwendig i.S.v. § 16a Abs. 1 Satz 1 TierSchG. Sie erweist sich insbesondere auch als verhältnismäßig, weil nur so dem verfassungsrechtlich verankerten Staatsziel des Tierschutzes, Art. 20a GG, ausreichend Rechnung getragen werden konnte. Ein milderes, gleich geeignetes Mittel zur Unterbindung der Verstöße gegen § 11b Abs. 1 TierSchG ist nicht ersichtlich. Soweit – wie vorliegend – ein Tatbestand des § 11b Abs. 1 TierSchG erfüllt ist, kann auch ein hohes menschliches oder wirtschaftliches Interesse die Maßnahme nicht rechtfertigen (Metzger, a.a.O., § 11b TierSchG Rn. 6; Lorz/Metzger, a.a.O., § 11b Rn. 6).

53

Soweit der Verfahrensbevollmächtigte vorträgt, die Antragsgegnerin lasse außer Acht, dass die Antragsteller als Hobbyzüchter im Rahmen ihrer Katzenzucht auch andere Dispositionen treffen könnten, als ausschließlich Verpaarungen der streitgegenständlichen Canadian-Sphynx-Katzen untereinander zu betreiben, beispielsweise die Verpaarung der Canadian-Sphynx-Katzenrasse mit Katzen anderer Rassen, ist diese Erwägung nicht von Belang. Die Untersagung richtet sich gegen die von den Antragstellern betriebene Sphynx-Katzen-Zucht. Gemeint ist damit die mittels der von den Antragstellern gehaltenen Canadian-Sphynx-Katze ... und dem Canadian-Sphynx-Kater ... betriebene Zucht von Katzen der Rasse Canadian-Sphynx, aus der bereits drei Würfe hervorgegangen sind und für die bereits Pläne für einen nächsten Wurf im Herbst 2018 existieren.

54

bbb) Soweit sich die Antragsteller gegen die Anordnungen unter Ziffer 2. und 3. wenden, bleibt ihr Begehren ebenfalls erfolglos. Die darin getroffene Anordnung, den Kater ... zu kastrieren für den Fall, dass dieser mit einer oder mehreren geschlechtsreifen weiblichen Katzen zusammengehalten wird (Ziffer 2.) oder dass der Kater abgegeben wird (Ziffer 3.), dürfte rechtmäßig sein und die Antragsteller nicht in ihren Rechten verletzen, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

55

Rechtsgrundlage für diese Anordnung ist § 11b Abs. 2 TierSchG. Danach kann die zuständige Behörde das Unfruchtbarmachen von Wirbeltieren anordnen, soweit züchterische Erkenntnisse erwarten lassen, dass deren Nachkommen Störungen im Sinne des § 11b Abs. 1 TierSchG zeigen werden. Die Regelung dient dem vorbeugenden Tierschutz, weil sie darauf abzielt, Qualzüchtungen und ähnliche Maßnahmen zu verhindern. Es handelt sich insoweit um das weniger weit gehende, mildere Mittel als das Töten des Tieres, um eine weitere Vermehrung von Defektzuchten auszuschließen (Goetschel, a.a.O., § 11b Rn. 24).

56

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 11b Abs. 2 TierSchG sind vorliegend erfüllt; insoweit kann zunächst auf die Ausführungen unter lit. aaa) verwiesen werden. Soweit der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsteller vorträgt, die Behörde habe nicht beachtet, dass der Kater ... auch mit geschlechtsreifen weiblichen Katzen anderer Rassen gehalten werden könnte, folgt hieraus nichts anderes. Die Regelung in § 11b Abs. 2 TierSchG bezweckt die wirksame Durchsetzung der in § 11b Abs. 1 TierSchG angesprochenen Ziele, zielt also auf eine umfassende Unterbindung von Qualzüchtungen ab (vgl. BT-Drs. 13/7015, S. 22 bezüglich des damaligen § 11b Abs. 3 TierSchG). Dies betrifft auch die Konstellation, dass ein Canadian-Sphynx-Kater ohne funktionsfähige Vibrissen mit einer behaarten Katze verpaart würde. Denn der Kater würde in jedem Fall ein (rezessives) Allel (hr), welches für das Fehlen funktionsfähiger Vibrissen verantwortlich ist, an die Nachkommen weitergeben. Ob das Fehlen funktionsfähiger Vibrissen sodann bereits bei der Nachzucht oder aber erst bei deren Nachkommen vorkommen würde, hinge nach allgemeinen genetischen Grundsätzen davon ab, ob es sich bei der (behaarten) Katze um eine reinerbige (homozygote) oder mischerbige (heterozygote) Trägerin des für den Haarwuchs verantwortlichen Allels (Hr) handelt. Bei einer mischerbigen Trägerin, die also bereits selbst Trägerin das Haarlos-Gen (hr) ist, würden bereits 50% der Kitten haarlos sein; bei einer reinerbigen Trägerin würden erst die Nachkommen der Nachzucht (2. Generation) zu 25% haarlose Kitten sein (vgl. hierzu Pircardello: Feline Genetik: Ein kombinatorischer Ansatz, S. 21, abrufbar unter http://www.mtmk-icf.pl/files/Genetica_deutsch.pdf; Skupin in: Haarlose Feliden, 2017, S. 97 ff.). Dementsprechend lassen auch in diesen Fällen züchterische Erkenntnisse erwarten, dass bei den Nachkommen Schäden im Sinne des § 11b Abs. 1 TierSchG auftreten würden.

57

Die Anordnung des Unfruchtbarmachens in Form einer Kastration erweist sich schließlich auch nicht wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als rechtswidrig. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber bei Vorliegen der Voraussetzungen für ein Verbot nach § 11b Abs. 1 TierSchG das Unfruchtbarmachen als im Regelfall gebotene Maßnahme ansieht (vgl. VG Berlin, a.a.O., juris Rn. 45; Goetschel, a.a.O., §11b Rn. 24 „intendiertes Ermessen“). Auch im konkreten Einzelfall erweist sich die Kastrationsanordnung im Lichte des § 1 Satz 2 TierSchG, wonach niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen darf, als verhältnismäßig. Denn ein im Vergleich zur Kastration des Katers milderes, ebenso effektives Mittel ist im vorliegenden Einzelfall nicht ersichtlich. Insbesondere stellt die von Antragstellerseite in den Raum gestellte Möglichkeit, eine Verpaarung der (geschlechtsreifen) Katzen zu verhindern, keine gleich effektive Möglichkeit dar, weil die Antragsteller dies nicht mit der gleichen, gebotenen Sicherheit gewährleisten könnten. Auch dem Vortrag der Antragsteller, eine Kastration der Katzen beeinträchtige deren Wert im negativen Sinne erheblich, kommt vorliegend kein entscheidungserhebliches Gewicht zu, weil wirtschaftliche Interessen eines Tierhalters bzw. einer Tierhalterin keine Verstöße gegen das Tierschutzgesetz rechtfertigen (vgl. VGH München, Beschl. v. 17.1.2013, 9 ZB 10.1458, juris Rn. 10), deren Unterbindung mit der Kastrationsanordnung gerade sichergestellt werden soll. Die nachhaltige Durchsetzung des in § 11b Abs. 1 TierSchG formulierten Ziels, Qualzucht umfassend zu verhindern (vgl. BT-Drs. 17/10572, S. 31), rechtfertigt auch die Anordnung der Kastration für den Fall der Weitergabe des Tieres an Dritte. Denn es geht vorliegend nicht allein darum, eine von den Antragstellern als Halter zu verantwortende Qualzucht zu unterbinden, sondern die vom Kater ... ausgehende Gefahr einer Weitergabe seiner qualzuchtbegründenden Anlagen zu verhindern.

58

ccc) Aus den gleichen Gründen ist auch die unter Ziffer 4. geregelte Anordnung, die Katze ... vor deren Abgabe kastrieren zu lassen, nicht zu beanstanden.

59

bb) Es besteht ein besonderes Vollzugsinteresse, demgegenüber das Interesse der Antragsteller an einem Aufschub der Vollziehung zurückzustehen hat. Denn das gesetzlich und verfassungsrechtlich vorgegebene Ziel, Qualzucht umfassend zu verhindern, rechtfertigt die Anordnung der sofortigen Vollziehung, weil ansonsten fortgesetzte Verstöße gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen im Zusammenhang mit der Canadian-Sphynx-Zucht zu befürchten gewesen wären, zumal die Antragsteller bereits Pläne für eine weitere Nachzucht haben. Zudem hätte die Gefahr bestanden, dass die Antragsteller die von ihnen gehaltenen Katzen ohne deren Unfruchtbarmachung an Dritte abgegeben hätten, um einer – durch die Kastration möglicherweise eintretenden – Wertminderung der Katzen zuvorzukommen. Hierdurch wäre jedoch der Zweck der Anordnungen, eine weitere (qualzuchtbegründende) Nachzucht der Katzen auszuschließen, vereitelt worden.

60

2. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegen die bedingte Zwangsgeldfestsetzung hat ebenfalls keinen Erfolg.

61

Der Bescheid vom 24. Januar 2018 erweist sich hinsichtlich der bedingten Zwangsgeldfestsetzung als voraussichtlich rechtmäßig, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

62

Rechtsgrundlage ist §§ 3 Abs. 3 Nr. 2, 8 Abs. 2 Satz 1, 11 Abs. 1 Nr. 2, 14 Abs. 2 Satz 1 HmbVwVG. Gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 HmbVwVG kann das Zwangsgeld zugleich mit dem durchzusetzenden Verwaltungsakt festgesetzt werden. Die Höhe der Zwangsgelder ist angesichts des Höchstbetrages von 1.000.000,-- Euro (vgl. § 14 Abs. 4 HmbVwVG) nicht unverhältnismäßig, zumal das wirtschaftliche Interesse der Antragsteller an der Fortsetzung der Hobbyzucht – angesichts von aufgerufenen Verkaufspreisen für einzelne Canadian-Sphynx-Kitten von 800,-- bis 1.500,-- Euro – erheblich sein dürfte.

IV.

63

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO.

64

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG, wobei der für eine Hauptsache anzunehmende Wert von 5.000,-- Euro für das Eilverfahren zu halbieren ist.

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