Beschluss vom Verwaltungsgericht Hamburg (7. Kammer) - 7 A 9473/17

Tenor

Das Verfahren wird eingestellt.

Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

Gründe

A.

1

Das Verfahren ist in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, da die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Der Kläger hat den Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 31.7.2018 für erledigt erklärt. Die Beklagte hat sich einer Erledigungserklärung bereits mit Schriftsatz vom 18.7.2018 im Voraus angeschlossen.

B.

2

Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Über die außergerichtlichen Kosten hat das Gericht gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Hier entspricht es billigem Ermessen, der Beklagten die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Die Klage hatte nach dem bisherigen Sach- und Streitstand bei Eintritt des erledigenden Ereignisses – dem Ergehen des Aufhebungsbescheids der Beklagten vom 18.7.2018 (vgl. VG Köln, Gerichtsbesch. v. 19.10.2015, 16 K 6041/14.A, juris) – Aussicht auf Erfolg, da zu diesem Zeitpunkt die Überstellungsfrist i.S.v. Art. 29 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Amtsbl. EU Nr. L 180 vom 29.6.2013, S. 31 – Dublin-III-VO), abgelaufen und der mit der Klage angefochtene Bescheid der Beklagten vom 9.11.2017 dementsprechend rechtwidrig war.

3

Gemäß Art. 29 Abs. 1 Dublin-III-VO erfolgt die Überstellung eines Antragstellers aus dem ersuchenden Mitgliedstaat nach den Bestimmungen der Dublin-III-VO in den zuständigen Mitgliedstaat sobald dies praktisch möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs durch den anderen Mitgliedstaat oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese gemäß Art. 27 Abs. 3 aufschiebende Wirkung hat. Wird die Überstellung nicht innerhalb dieser Frist durchgeführt, ist der zuständige Mitgliedstaat nicht mehr zur Aufnahme oder Wiederaufnehme der betreffenden Person verpflichtet und die Zuständigkeit geht gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin-III-VO auf den ersuchenden Mitgliedstaat über, wobei diese Vorschriften nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht lediglich als Ordnungsvorschriften zu verstehen sind, sondern als striktes Recht, auf dessen Einhaltung der Betroffene einen Anspruch hat (vgl. EuGH, Urt. v. 25.10.2017, C-201/16, juris).

4

Mangels Einlegung eines mit aufschiebender Wirkung versehenen Rechtsbehelfs durch den Kläger im vorliegenden Verfahren sowie angesichts der Tatsache, dass die norwegischen Behörden dem Übernahmeersuchen der Beklagten vom 3.11.2017 mit Schreiben vom 7.11.2017 zugestimmt haben, ist die sechsmonatige Überstellungsfrist bereits am 7.5.2018 und damit mehr als zwei Monate vor Ergehen des Aufhebungsbescheids der Beklagten vom 18.7.2018 abgelaufen. Gründe für eine Verlängerung der Überstellungsfrist i.S.v. Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin-III-VO werden von der Beklagten nicht geltend gemacht.

5

Eine andere Kostenentscheidung ist auch nicht in Anwendung des Rechtsgedankens des § 156 VwGO geboten, wonach bei einem sofortigen Anerkenntnis des Beklagten der Kläger die Kostenlast trägt. Der Erlass des Aufhebungsbescheids am 18.7.2018 kann angesichts des Umstandes, dass dieser erst mehr als zwei Monate nach Ablauf der Überstellungsfrist am 7.5.2018 erging, nicht, auch nicht sinngemäß, als sofortiges Anerkenntnis der Beklagten gewertet werden. Es ist von der Beklagten, auch unter Beachtung des praktisch Möglichen, zu erwarten, nach Ablauf der Überstellungsfrist nach Art. 29 Dublin-III-VO deutlich zeitnäher als innerhalb von drei Monaten auf die hieraus resultierende Rechtslage zu reagieren und dies auch dem Gericht mitzuteilen. Für eine eigenständige Prüfung einer Abhilfeentscheidung wegen Ablauf der Überstellungsfrist dürfte es allein einer – routinemäßig in die Aktenbearbeitung integrierbaren – anfänglichen Berechnung der Überstellungsfrist (anlässlich der Bearbeitung des Bescheides, gegebenenfalls anlässlich des Eingangs einer gerichtlichen Eilentscheidung) in Verbindung mit einer entsprechenden Wiedervorlage bedürfen. Vor einer Abhilfeentscheidung käme es sodann zunächst allein auf eine Formalkontrolle an, ob vor Fristablauf die Überstellungsfrist gegenüber dem Mitgliedsstaat durch eine entsprechende Anzeige verlängert worden ist. Selbst etwaig verbleibende Zweifelsfragen dürften in diesem organisatorischen Rahmen regelhaft binnen eines Monats, d.h. einer Zeitspanne, die dem entspricht, was der Gegenseite eingeräumt würde (vgl. § 81 AsylG), geklärt werden können. An der letztgenannten Zeitspanne ist vor dem dargestellten Hintergrund nunmehr auch die Beantwortung der Frage zu orientieren, innerhalb welcher Frist es von der Beklagten im Sinne eines sofortigen Anerkenntnisses erwartet werden kann, auf eine maßgebliche Änderung der Sachlage – hier den Entfall der Rechtmäßigkeit des ablehnenden Dublin-Bescheids durch Ablauf der Überstellungsfrist – selbständig der Klage abhelfend zu reagieren und dies in den Prozess einzuführen.

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