Beschluss vom Verwaltungsgericht Hannover (12. Kammer) - 12 B 2392/18

Tenor

Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin 12 A 2391/18 gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom C. wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

1

Der aus dem Tenor dieses Beschlusses ersichtliche Antrag der Antragstellerin hat Erfolg, er ist gemäß § 80 Abs. 5 VwGO zulässig und begründet.

2

Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin ist anzuordnen, da die für eine Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO erforderliche Interessenabwägung ergibt, dass das Interesse der Antragstellerin, vor einer rechtskräftigen Entscheidung über ihre Klage ihrer Pflicht zur Ausreise nicht nachkommen zu müssen, das öffentliche Voll-zugsinteresse überwiegt. Nach der im vorliegenden vorläufigen Rechtsschutzverfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung der aktuellen Sach- und Rechtslage (vgl. § 77 Abs.1 S.1 AsylG) wird die Klage der Antragstellerin voraussichtlich Erfolg haben, da die Abschiebungsanordnung nach D. in dem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom C. rechtswidrig sein dürfte.

3

Das Bundesamt stützt die Anordnung der Abschiebung der Antragstellerin nach D. auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG. Danach ordnet das Bundesamt, sofern ein Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 (im Folgenden Dublin III-VO) für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.

4

Zwar ist die Antragstellerin zunächst mit einem am E. in der F. Botschaft in G. ausgestellten Visum nach D. ein- und erst von dort aus nach Deutschland weitergereist und haben die F. Behörden mit Schreiben vom C. ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags der Antragstellerin nach Art. 12 Abs. 4 der Dublin III-VO erklärt.

5

Zuständig dürfte nach Art. 9 der Dublin III-VO und damit vorrangig – gemäß Art. 7 Abs. 1 der Dublin III-VO ist die Rangfolge der Vorschriften bei der Bestimmung der Zuständigkeit entscheidend - jedoch Deutschland sein.

6

Nach Art. 9 der Dublin III-VO ist, wenn der Antragsteller einen Familienangehörigen hat, der in seiner Eigenschaft als Begünstigter internationalen Schutzes in einem Mitgliedstaat aufenthaltsberechtigt ist, dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, sofern die betreffenden Personen diesen Wunsch schriftlich kundtun.

7

Diese Voraussetzungen dürften im Falle der Antragstellerin vorliegen. Der Ehemann der Antragstellerin lebt im Bundesgebiet und ist ein Begünstigter internationalen Schutzes. Er ist in der Vergangenheit als Asylberechtigter anerkannt worden (§ 25 Abs. 1 Satz 1 AufenthG) oder ihm ist in der Vergangenheit die Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz zuerkannt worden (§ 25 Abs. 2 AufenthG), denn er verfügt über eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 Satz 1 AufenthG. Soweit das Bundesamt in dem angefochtenen Bescheid Zweifel an der Echtheit der Heiratsurkunde mit der Begründung angemeldet hat, diese habe nicht im Original vorgelegen, teilt die Einzelrichterin diese Zweifel nicht. Zum einen enthält der Personalausweis der Antragstellerin, der beim Bundesamt im Original vorgelegen und keinen Anlass zu Zweifeln an seiner Echtheit gegeben hat, den Eintrag „verheiratet“. Zum anderen hat die Antragstellerin auch schon beim Bundesamt eine Kopie des Aufenthaltstitels ihres Ehemanns vorlegen können und hat sie im Übrigen während des Verfahrens vom Bundesamt eine Erlaubnis für den Besuch ihres Ehemanns erhalten, um sich bei ihrem Ehemann aufhalten zu können.

8

Mit den Unterschriften der Antragstellerin unter die Niederschrift ihrer Erstbefragung zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates und unter die Niederschrift über die Befragung zur Vorbereitung der Anhörung hat die Antragstellerin zudem kundgetan, dass sie die Prüfung ihres Antrags durch die deutschen Behörden wünscht.

9

Das - derzeitige - Nichtvorliegen der weiteren Voraussetzung des Art. 9 Dublin III-VO, nämlich das Fehlen der schriftlichen Kundgabe des Ehemanns der Antragstellerin, dass auch er die Zuständigkeit Deutschlands für den Asylantrag der Antragstellerin wünscht, steht einer Annahme der Zuständigkeit Deutschlands - noch - nicht entgegen. Die Einzelrichterin geht davon aus, dass eine solche Erklärung durch die Antragstellerin jederzeit nachgereicht werden kann, sobald sie auf die Notwendigkeit ihrer Vorlage hingewiesen worden ist. Dass sie diese Erklärung bisher nicht vorgelegt hat, ist der Antragstellerin nicht vorwerfbar – und schließt die Zuständigkeit Deutschlands deshalb derzeit nicht aus -, weil die Antragstellerin entgegen Art. 4 Abs. 1 Buchst. b) Dublin III-VO vom Bundesamt als zuständiger Behörde nicht über die Kriterien für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates nach Art. 9 Dublin III-VO unterrichtet worden ist. Weder ist die Antragstellerin zu irgendeinem Zeitpunkt während des Verfahrens aufgefordert worden, eine entsprechende Erklärung ihres Ehemanns vorzulegen, noch enthält das Merkblatt über Verfahren nach der Dublin III-VO (D 1263), welches der Antragstellerin ausgehändigt worden ist, einen Hinweis auf die Notwendigkeit der Vorlage einer solchen Erklärung. Das Merkblatt erläutert lediglich die Fallkonstellationen, in denen ein anderer Mitgliedstaat zuständig ist, es unterrichtet aber nicht darüber, bei Vorliegen welcher Kriterien eine Zuständigkeit Deutschland nach Art. 9 Dublin III-VO besteht.

10

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

 


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