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Das Regierungspräsidium geht insbesondere zutreffend davon aus, dass es für die Frage der Rechtmäßigkeit der Entziehung einer Fahrerlaubnis nach § 4 Abs.3 Satz 1 Nr.3 StVG auf die im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Ausgangsentscheidung bestehende Sachlage ankommt. Zwar ist grundsätzlich in der Anfechtungssituation der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung als der maßgebliche Zeitpunkt zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage anzusehen, was allgemein auch im Fahrerlaubnisentziehungsverfahren gilt (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 27.09.1995 - 11 C 34/94 -, BVerwGE 99, 249). Indes kann aus Gründen des materiellen Rechts auch ein anderer Zeitpunkt ausschlaggebend sein. Vorliegend ergibt sich aus dem anzuwendenden materiellen Recht des § 4 StVG, dass es - abweichend vom Regelfall - für die Rechtmäßigkeit einer Entziehung der Fahrerlaubnis aufgrund der Regelungen über das Mehrfachtäter-Punktesystem allein auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe der Verfügung ankommt und nachträgliche Veränderungen hinsichtlich der zu berücksichtigenden verkehrsrechtlichen Zuwiderhandlungen des Betreffenden nicht von Bedeutung sind. So ist in § 4 Abs.3 Satz 1 Nr.3 StVG unmissverständlich geregelt, dass ein Fahrerlaubnisinhaber ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist, sofern sich bei diesem 18 oder mehr Punkte „ergeben“. In diesem Fall soll nach dem erkennbaren Zweck des Gesetzes möglichst schnell und jedenfalls für eine Dauer von sechs Monaten (vgl. § 4 Abs. 10 StVG) der Ausschluss von der Teilnahme am motorisierten Verkehr erfolgen, Auch nach dem Ablauf der sechs Monate soll der Betreffende nicht ohne Weiteres wieder ein Kraftfahrzeug führen dürfen. Dass es dem Gesetzgeber um eine schnell durchzusetzende Maßnahme geht, zeigt sich insbesondere daran, dass nach § 4 Abs.7 Satz 2 StVG Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung zukommt, was bedeutet, dass zur unmittelbaren Umsetzung der Entziehungsverfügung anders als im Regelfall einer Fahrerlaubnisentziehung die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht erforderlich ist. Es würde nach der Auffassung des Gerichts gerade dieser gesetzlichen Systematik widersprechen, wenn im Laufe eines Widerspruchsverfahrens eintretende Veränderungen zu Gunsten des Fahrerlaubnisinhabers berücksichtigt würden und dieser allein deswegen von der in § 4 Abs.3 Satz 1 Nr. 3 StVG vorgesehenen Maßnahme verschont bliebe. Die Bedeutung, die das Gesetz dem Überschreiten der 18-Punkte-Grenze beimisst und der für das weitere Verfahren vorgesehene Ablauf würden durch eine Rechtsanwendung konterkariert, die die Berücksichtigung von Punktetilgungen während des Laufs eines Widerspruchsverfahren zuließe. Ansonsten könnte der Fahrerlaubnisinhaber durch die Einlegung des Widerspruchs und eine etwaige Verzögerung der Entscheidung der Widerspruchsbehörde die Anzahl der der Entscheidung zugrunde liegenden Punkte zu seinen Gunsten beeinflussen (wie hier VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 17.02.2005 - 10 S 2875/04 -, DÖV 2005, 746-747; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 24.05.2006 - 16 B 1093/05 -, DÖV 2006, 924; Sächs.OVG, Beschl. v. 15.11.2005 - 3 BS 232/05 -, DÖV 2006, 486; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 23.11.2006 - 1 M 140/06 -, NordÖR 2007, 46; Janiszewski/Jagow/Burmann, Straßenverkehrsrecht, Kommentar, 19. Aufl., Rd.Nr.4 c zu § 4 StVG). Der gegenteiligen Auffassung des OVG Rheinland-Pfalz (Beschl. v. 19.07.2006 - 10 B 10750/06 -, DÖV 2006, 834) sowie des OVG Bremen (Beschl. v. 29.06.2006 - 1 B 167/06 -, NJW 2007, 394) kann sich das Gericht nicht anschließen, da diese Entscheidungen die sich aus § 4 StVG ergebende besondere Systematik des Mehrfachtäter-Punktesystems nicht hinreichend berücksichtigen.
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