Beschluss vom Verwaltungsgericht Karlsruhe - A 7 K 2457/19

Tenor

Die Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz werden abgelehnt.

Die Antragsteller tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

 
Der Antrag der Antragstellerin zu 1) und ihrer zwei Kinder, den Antragstellern zu 2) und 3), serbische Staatsangehörige und Angehörige der Roma muslimischer Religionszugehörigkeit,
die aufschiebende Wirkung ihrer Klage – A 7 K 2456/19 – gegen die im Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 01.04.2019 enthaltene Abschiebungsandrohung anzuordnen,
ist zulässig (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 5 VwGO i.V.m. § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG). Der Antrag ist insbesondere statthaft, da die Klage der Antragsteller nicht schon kraft Unionsrecht aufschiebende Wirkung entfaltet. Der nationale Rechtsschutz gemäß § 80 Abs. 5 VwGO i.V.m. § 36 Abs. 3 AsylG genügt den vom Gerichtshof der Europäischen Union aufgestellten Grundsätzen zur gerichtlichen Überprüfung einer Rückkehrentscheidung.
Der Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 19.06.2018 - C-181/16 [Gnandi] - unter anderem entschieden, dass bei gleichzeitigem Ergehen der Entscheidung über internationalen Schutz und der Rückkehrentscheidung nach Art. 6 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (im Folgenden: Rückführungsrichtlinie) dem Betroffenen ein Rechtbehelf offen stehen muss, der seine volle Wirksamkeit entfaltet, sodass während der Frist für seine Einlegung und, falls er eingelegt wird, bis zur Entscheidung über ihn alle Wirkungen der Rückkehrentscheidung ausgesetzt sein müssen. Diese Anforderungen gelten grundsätzlich auch für Rechtsbehelfe von Asylbewerbern, deren Antrag auf internationalen Schutz als offensichtlich unbegründet im Sinne des Art. 32 Abs. 2 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (im Folgenden: Verfahrensrichtlinie) abgelehnt wurde (vgl. EuGH, Beschluss vom 05.07.2018 - C 269/18 PPU [C, J,S] -, juris Rn. 52 ff.). Nach Art. 46 Abs. 6 Verfahrensrichtlinie steht einem solchen Antragsteller, abweichend vom Grundsatz des Art. 46 Abs. 5 Verfahrensrichtlinie, jedoch kein volles Bleiberecht im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats bis zur Entscheidung über seinen Rechtsbehelf i.S.d. Art. 46 Abs. 1 Verfahrensrichtlinie zu. Gemäß Art. 46 Abs. 6 Verfahrensrichtlinie ist das Gericht befugt, auf Antrag des Antragstellers darüber zu entscheiden, ob der Antragsteller bis zur Entscheidung über seinen Rechtsbehelf gegen die Ablehnung seines Antrages auf internationalen Schutz nach Art. 46 Abs. 1 Verfahrensrichtlinie im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats verbleiben darf. Für diese Zeit steht dem Antragsteller nach Art. 46 Abs. 8 Verfahrensrichtlinie ein Bleiberecht zu.
Das nationale Recht stellt mit dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO i.V.m. § 36 Abs. 3 AsylG einen gerichtlichen Rechtsschutz gegen die Abschiebungsandrohung, bei der es sich um eine Rückkehrentscheidung handelt, zur Verfügung, der den unionsrechtlichen Erfordernissen an einen zu gewährenden wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf, der kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung entfaltet, genügt (vgl.: VG Frankfurt, Beschluss vom 26.11.2018 - 5 L 4508/18.F.A. -, juris; VG Münster, Beschluss vom 08.10.2018 - 9 L 976/18 -, Rn. 11, juris; VG Berlin, Beschluss vom 30.11.2018 - 31 L 682.18 A -, Rn. 21, juris; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 18.12.2018 - 11 S 2125/18 -; Wittkopp, ZAR 2018, 325). § 36 Abs. 3 Satz 8 AsylG gewährleistet, dass eine Abschiebung bei rechtszeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig ist. Diese normative temporäre Schutzanordnung, die über eine bloße Absehensentscheidung durch den Mitgliedstaat hinausgeht, bewirkt der Sache nach und im Ergebnis kraft Gesetzes eine aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs gegenüber der Abschiebungsandrohung. "Aufschiebende Wirkung" bedeutet in diesem Zusammenhang, dass ausgelöst durch ein an das Gericht gerichtetes Schutzgesuch effektiv bis zum Abschluss dieses Verfahrens, das europarechtlich nicht zwingend das nationale asylrechtliche Hauptsacheverfahren sein muss, keine rechtlichen oder tatsächlichen Folgen oder Umsetzungsakte aus der belastenden Behördenentscheidung zu der Abschiebungsandrohung, gegen die sich der Rechtsbehelf richtet, hergeleitet werden dürfen (VG Münster, Beschluss vom 08.10.2018 a.a.O.).
Der Antrag ist jedoch unbegründet. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) vom 01.04.2019, mit dem der am 28.03.2019 gestellte Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigte, Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und subsidiären Schutzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, festgestellt wurde, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen, die Abschiebung nach Serbien angedroht und die Einreise- und Aufenthaltsverbote nach § 11 Abs. 1 und Abs. 7 AufenthG auf 30 bzw. 10 Monate angeordnet und befristet wurden, dürfte rechtmäßig sein.
Der Prüfungsmaßstab für die Beurteilung des Antrags ergibt sich aus Art. 16a Abs. 4 GG in Verbindung mit § 36 Abs. 4 AsylG. Danach wird die Aussetzung der Abschiebung nur dann vom Gericht angeordnet, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Das ist hier nicht der Fall.
Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens ist gemäß § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG die unter Setzung einer Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) ausgesprochene Abschiebungsandrohung. Die mit dieser Verwaltungsentscheidung intendierte umgehende Beendigung des Aufenthalts des Asylbewerbers im Bundesgebiet stützt sich auf die Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet und ist deren Folge. Um einen effektiven, den Schutzwirkungen des Art. 16a Abs. 1 GG gerecht werdenden Rechtsschutz zu gewährleisten, hat das Gericht auch zu prüfen, ob im Zeitpunkt seiner Entscheidung ernstliche Zweifel am Offensichtlichkeitsurteil in der Sache bestehen. Sind solche ernstlichen Zweifel gegeben, so muss die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung angeordnet werden (BVerfG, Beschluss vom 02.05.1984 - 2 BvR 1413/83 -, juris).
Offensichtlich unbegründet ist ein Asylantrag nach § 30 Abs. 1 AsylG, wenn dieser sich dem Bundesamt als eindeutig aussichtslos darstellt, wenn also im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen können und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Ablehnung des Asylantrags geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.02.1990 - 2 BvR 186/89 -, juris; Beschluss vom 02.05.1984 a.a.O.). Ein Asylantrag ist insbesondere dann offensichtlich unbegründet, wenn nach den Umständen des Einzelfalles offensichtlich ist, dass sich der Ausländer nur aus wirtschaftlichen Gründen oder um einer allgemeinen Notsituation zu entgehen, im Bundesgebiet aufhält (§ 30 Abs. 2 AsylG). Ein Asylantrag ist nach § 29a Abs. 1 AsylG zudem auch dann als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn der Ausländer aus einem sicheren Herkunftsstaat im Sinne von § 29a Abs. 2 AsylG kommt, es sei denn, die von ihm angegebenen Tatsachen oder Beweismittel begründen die Annahme, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat politische Verfolgung droht. Insoweit stellt § 29a AsylG inhaltlich die Bestimmung einer weiteren Voraussetzung auf der Stufe von § 30 Abs. 2 bis 5 AsylG dar (VG Regensburg, Beschluss vom 14.06.2016 - RN 5 S 16.30716 -, und VG Köln, Beschluss vom 07.04.2016 - 18 L 589/16.A -, jeweils juris). Die gesetzliche Vermutung, der Ausländer sei vor politischer Verfolgung in einem solchen Herkunftsstaat sicher, kann nur durch ein Vorbringen ausgeräumt werden, das die Furcht vor politischer Verfolgung auf ein individuelles Verfolgungsschicksal gründet, mag es auch seine Wurzel in den allgemeinen Verhältnissen haben. Die gesetzliche Vermutung ist erst ausgeräumt, wenn der Asylbewerber die Umstände seiner politischen Verfolgung schlüssig und substantiiert vorträgt (vgl. BVerfG, Urteil vom 14.05.1996 - 2 BvR 1507/93, 1508/93 -, BVerfGE 94, 115).
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An diesen Maßstäben gemessen bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der rechtlichen Würdigung des Asylantrags der Antragsteller durch das Bundesamt als offensichtlich unbegründet. Das Gericht folgt insoweit der Begründung des angefochtenen Bescheids vom 01.04.2019 (§ 77 Abs. 2 AsylG).
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Die Voraussetzungen für die Anerkennung als Asylberechtigte nach Art. 16a Abs. 1 GG und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG in der Fassung vom 11.03.2016 liegen im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) offensichtlich nicht vor.
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Die Antragsteller kommen aus Serbien und damit aus einem sicheren Herkunftsstaat im Sinne des § 29a Abs. 1 und 2 AsylG i.V.m. der Anlage II zu § 29a AsylG. Sie haben keine Tatsachen vorgetragen oder Beweismittel vorgelegt, die die Annahme begründen, dass ihnen abweichend von der allgemeinen Lage in Serbien politische Verfolgung drohe (vgl. § 29a Abs. 1 AsylG).
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Die Antragstellerin zu 1) hat im Rahmen der persönlichen Anhörung vorgetragen, dass sie im Wesentlichen aus wirtschaftlichen und persönlichen Gründen Serbien verlassen hätten. Sie hätten seit 17 Jahren bei ihrer Schwiegermutter gelebt, die sie nicht akzeptiert habe. Es sei schwierig gewesen, die Kinder zu versorgen. Sie habe außerdem gesundheitliche Probleme und würde sich gerne untersuchen lassen. In Serbien habe sie nicht zum Arzt gehen wollen.
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Die geltend gemachten Umstände sind ebenso wie die Volkszugehörigkeit der Antragsteller offensichtlich ungeeignet, einen Anspruch auf Asylanerkennung oder Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu begründen. Das Vorbringen ist damit nicht geeignet, die Vermutung des § 29a Abs. 1 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu widerlegen. Denn die geltend gemachten Umstände weisen offensichtlich keinen Bezug zu politischen oder anderen der in § 3b AsylG genannten Verfolgungsgründen auf und besitzen damit keine flüchtlingsschutzrechtliche Relevanz.
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Den Antragstellern steht danach auch offensichtlich kein Anspruch auf subsidiären Schutz nach § 4 AsylG zu. Sie haben keine Tatsachen vorgetragen oder Beweismittel vorgelegt, die die Annahme begründen, dass ihnen abweichend von der allgemeinen Lage in Serbien ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG droht. Auch diesbezüglich wird auf die Begründung des angefochtenen Bescheids verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
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Auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG liegt nicht vor. Eine extreme konkrete Gefahrenlage, wie sie das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG voraussetzt und die nur dann vorliegt, wenn der Ausländer im Falle der Rückkehr in seinen Heimatstaat sehenden Auges der sichere Tod droht oder er schwerste Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten hätte (BVerwG, Urteil vom 24.06.2008 - 10 C 43.07 -), kann dem Vorbringen der Antragsteller bezüglich Serbiens auch unter Berücksichtigung ihrer Volkszugehörigkeit nicht entnommen werden. Die Antragsteller haben bei ihrer Rückkehr nach Serbien weder Obdachlosigkeit noch sonstige existenzielle Not zu befürchten. In Serbien besteht für alle Bürger bei entsprechender Bedürftigkeit und fehlender anderweitiger Hilfsmöglichkeit ein Anspruch auf Sozialhilfe sowie auf weitere staatliche Unterstützung, beispielsweise bei der Wohnungssuche oder der Vermittlung von Notunterkünften durch die Zentren für Sozialarbeit. Voraussetzung für den Erhalt dieser Sozialleistungen ist eine Registrierung am Wohnort, für die bei Angehörigen der Roma auch die Angabe des vorläufigen Wohnortes genügt (Lagebericht Serbien des Auswärtigen Amtes vom 09.11.2017, S. 11). Anhaltspunkte dafür, dass es im Fall der Antragsteller zu Schwierigkeiten in der praktischen Umsetzung des Anspruchs auf Sozialleistungen, insbesondere wegen Schwierigkeiten bei der Registrierung, kommen könnte (vgl. dazu: Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe Serbien: Zugang zu Sozialleistungen für Roma und Ashkali vom 15.03.2015, S. 1 ff.), sind weder dargelegt noch sonst ersichtlich. Die Antragstellerin zu 1) hat insofern vorgetragen, dass sie staatliche Unterstützung allein deswegen nicht erhalten habe, weil ihr Mann zu viel verdient habe. Im Übrigen haben die Antragsteller seit 17 Jahren bei der Schwiegermutter gelebt und könnten nach Angaben der Antragstellerin zu 1) gegebenenfalls auch bei ihrer Mutter leben.
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Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ergibt sich auch nicht aus den behaupteten Erkrankungen der Antragstellerin zu 1). Die Antragstellerin zu 1) hat vorgetragen, Lähmungserscheinungen in der linken Körperhälfte und Atembeschwerden zu haben. Ärztliche Atteste über ihre Erkrankung hat sie jedoch weder vor dem Bundesamt noch im gerichtlichen Verfahren vorgelegt.
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Es bestehen keine Zweifel daran, dass auch die übrigen unionsrechtlichen und national gesetzlichen Voraussetzungen der angefochtenen Abschiebungsandrohung gemäß §§ 34 Abs. 1, 36 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG vorliegen. Dabei kann dahinstehen, ob auch für die Rückkehrentscheidung der für die Überprüfung der Entscheidung über den Asylantrag angesetzte eingeschränkte Maßstab der ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit gilt (zweifelnd wohl VGH Baden-Württemberg Beschluss vom 18.12.2018 a.a.O.), da auch nach umfassender Prüfung keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit bestehen.
19 
Das Bundesamt war berechtigt, die Abschiebungsandrohung als Rückkehrentscheidung mit der Ablehnung des Asylantrags des Antragstellers zu verbinden und in einem Bescheid zu erlassen (vgl. EuGH Urteil vom 19.06.2018 a.a.O.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12.12.2018 - A 11 S 1923/17 -). Soweit die volle Wirksamkeit des Rechtbehelfs gegen die Rückkehrentscheidung gesetzlich vorgeschrieben verlangt, dass auch die Ausreisefrist während des gerichtlichen Verfahrens nicht zu laufen beginnt, ist § 36 Abs. 1 AsylG dahingehend auszulegen, dass die Ausreisefrist von einer Woche erst nach Zustellung des Beschlusses im gerichtlichen Eilverfahren zu laufen beginnt. § 59 Abs. 1 Satz 6 AufenthG dürfte eine ausreichende gesetzliche Grundlage dafür bieten. § 36 Abs. 1 AsylG ist entsprechend dahingehend europarechtskonform auszulegen, dass die Stellung des Eilantrags die Vollziehbarkeit der Abschiebungsandrohung entfallen lässt, sodass die Ausreisefrist nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit – mithin der Zustellung der gerichtlichen Entscheidung im Eilverfahren – erneut zu laufen beginnt (vgl. VG Berlin, Beschluss vom 30.11.2018 a.a.O.; a.A. VG Karlsruhe, Beschluss vom 27.03.2019 - A 5 K 7928/18 -). Dem steht nicht entgegen, dass der Bescheid des Bundesamts davon abweichend einen Fristbeginn mit Bekanntgabe des Bescheids formuliert. Unabhängig von dem (ersten) Beginn des Fristablaufs wird die Frist nach § 59 Abs. 1 Satz 6 AufenthG analog jedenfalls durch die Stellung des Eilantrags unterbrochen und beginnt anschließend erneut zu laufen.
20 
Dass der Bescheid des Bundesamts in seiner Formulierung von einem falschen Fristbeginn ausgeht, ist auch unter Berücksichtigung der Nichterfüllung der Informationspflichten unschädlich (a.A. VG Karlsruhe, Beschluss vom 27.03.2019 a.a.O.). Der Gerichtshof hat bezüglich der Informationspflichten entschieden, dass die Mitgliedstaaten ein faires und transparentes Rückkehrverfahren zu gewährleisten haben, wozu auch die transparente Informierung über die in dem Urteil aufgestellten Garantien – volle Wirksamkeit des Rechtsbehelfs mit Aussetzung aller Wirkungen der Rückkehrentscheidung, kein Ablauf der Ausreisefrist, Bleiberecht (insb. keine Inhaftierung), Fortgeltung der Rechte aus der Aufnahmerichtlinie, Berücksichtigung neuer Umstände im gerichtlichen Verfahren – gehöre.
21 
Auch wenn die Einhaltung dieser Garantien – wie bereits dargestellt – durch eine entsprechende Auslegung der nationalen Vorschriften sichergestellt werden kann, wird der betroffene Antragsteller (vor allem) über die Aussetzung der Vollziehbarkeit der Ausreisefrist nicht ausdrücklich informiert, da der Bescheid des Bundesamts gegenteilig den Lauf der Ausreisefrist ab Bekanntgabe des Bescheids formuliert. Dieser Informationsfehler dürfte jedoch nicht auf die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung durchschlagen (so auch VG Berlin, Beschluss vom 30.11.2018 a.a.O.; offengelassen VGH Baden-Württemberg Beschluss vom 18.12.2018 a.a.O., und Urteil vom 12.12.2018 a.a.O., wonach aber in Normalverfahren jedenfalls ein Aufhebungsanspruch nicht bestehe) und jedenfalls die Anordnung der aufschiebenden Wirkung im asylrechtlichen Eilverfahren nicht gebieten.
22 
Dafür, dass die Nichterfüllung der Informationspflichten in Bezug auf die Ausreisefrist die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung unberührt lässt, spricht zunächst die Teilbarkeit der Rechtsmäßigkeit von Abschiebungsandrohung und Ausreisefrist (vgl. dazu OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20.02.2009 - 18 A 2620/08 -, beck-online; allerdings noch zu § 50 AuslG: BVerwG, Urteil vom 03.04.2001 - 9 C 22/00 -, BVerwGE 114, 122, juris). Demnach sind Fehler isoliert in Bezug auf die Fristsetzung denkbar, die im Übrigen nicht auf die Abschiebungsandrohung durchschlagen. Relevant wird die Nichterfüllung der Informationspflicht vorliegend jedoch in Bezug auf den Beginn der Ausreisefrist und nicht bezüglich der Abschiebungsandrohung als solcher.
23 
Es besteht aber auch kein Anlass, aufgrund der fehlerhaften Information über den Beginn der Ausreisefrist die aufschiebende Wirkung im asylrechtlichen Eilverfahren anzuordnen. Diesbezüglich ist zu berücksichtigen, dass der Gerichtshof offenlässt, von welcher Behörde in welchem Verfahrensstadium die Informationspflicht zu erfüllen ist und welche Folgen an die Nichterfüllung anknüpfen. Dass die praktische Wirksamkeit der Richtlinie in Bezug auf die Informationspflicht verlangen würde, dass Folge eines Rechtsverstoßes auch die Rechtswidrigkeit der Rückkehrentscheidung sein sollte, lässt sich weder der Rückführungsrichtlinie, die sich zu den genannten Informationspflichten nicht ausdrücklich verhält, noch der entsprechenden Rechtsprechung des Gerichtshofs entnehmen und erscheint auch sachlich nicht gerechtfertigt. Die Informationspflichten dienen dazu sicherzustellen, dass der Betroffene in Fällen, in denen die Ablehnung des Antrags auf internationalen Schutz und das Ergehen der Rückehrentscheidung zusammenfallen, von den Rechten, die die verfahrensrechtlichen Komponenten des Grundsatzes der Nichtzurückweisung absichern, effektiv Gebrauch machen kann. Daher darf in Abwägung der verschiedenen Ziele der Rückführungsrichtlinie und der Informationspflichten ein Verstoß bestenfalls dann zur Aufhebung der Rückkehrentscheidung führen, wenn die tatsächliche Möglichkeit besteht, dass durch das Unterlassen einer Information oder durch eine inhaltlich fehlerhafte Information eine Gefährdung der verfahrensrechtlichen Ausprägung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung aufgetreten ist oder auftreten wird (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12.12.2018 a.a.O.). Eine solche Gefährdung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung dürfte auch in Fällen der Ablehnung als offensichtlich unbegründet nicht bestehen. Die volle Wirksamkeit des Rechtsbehelfs und die Aussetzungen der Wirkungen der Rückkehrentscheidung treten kraft Gesetzes ein, sodass den betroffenen Antragsteller, der einen gerichtlichen Eilantrag gestellt hat, keine Nachteile treffen, wenn er zuvor nicht ausreichend informiert wurde. Nach Abschluss des gerichtlichen Eilverfahrens ist der Betroffene entsprechend über den erst jetzt beginnenden Fristablauf informiert.
24 
Dass sich daneben in Fällen, in denen der Betroffene keinen gerichtlichen Eilrechtsschutz ersucht, die Nichterfüllung der Informationspflicht auswirken kann, steht dem nicht entgegen. Es spricht einiges dafür, dass die fehlende Information vor allem im Rahmen von Folgeansprüchen – etwa Schadensersatzansprüchen – relevant werden könnte. Ob die fehlende Information darüber hinaus zu einem Vollstreckungshindernis der Rückkehrentscheidung führt, kann vorliegend dahinstehen, da die Prüfung der Vollstreckungsvoraussetzungen der Ausreisepflicht jenseits der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung in den Zuständigkeitsbereich der Ausländerbehörde und damit auch in das (gerichtliche) ausländerrechtliche Verfahren fällt. Diesbezüglich ist zu berücksichtigen, dass der Gerichtshof die Informationspflicht im Zusammenhang mit der Durchführung eines transparenten Rückführungsverfahrens erwähnt und offenlässt, von welcher Behörde in welchem Verfahrensstadium die Informationspflicht zu erfüllen ist. Insofern ist nicht ausgeschlossen, dass sich die Nichtinformierung zwar nicht auf die Abschiebungsandrohung, deren Rechtmäßigkeit grundsätzlich nicht durch die fehlende Vollstreckbarkeit der Ausreisepflicht berührt wird, auswirkt, aber auf die anschließende Vollstreckung der Ausreisepflicht Einfluss hat. Der für die Vollstreckung der Ausreisefrist zuständigen Behörde dürfte es unbenommen bleiben, im Rahmen ihrer üblichen Zuständigkeit, die Vollstreckungsvoraussetzungen herzustellen, bei fehlender Information diese nachzuholen.
25 
Es bestehen daneben keine Zweifel, dass auch die weiteren national rechtlichen Voraussetzungen der angefochtenen Abschiebungsandrohung vorliegen. Die Antragsteller sind nicht im Besitz eines Aufenthaltstitels (vgl. § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AsylG).
26 
Einwendungen gegen die Anordnung und Befristung der Einreise- und Aufenthaltsverbote gemäß § 11 Abs. 7 und Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 AufenthG in Ziffern 6 und 7 des angefochtenen Bescheids sind nicht erhoben worden. Es ist daher davon auszugehen, dass diese – ungeachtet der Statthaftigkeit eines solchen Antrags – nicht Gegenstand des vorliegenden Eilverfahrens sind.
27 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 VwGO, § 100 ZPO, die Gerichtskostenfreiheit aus § 83b AsylG.
28 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

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