Beschluss vom Verwaltungsgericht Karlsruhe - 9 K 1122/20

Tenor

Nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache wird das Verfahren eingestellt.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Beteiligten jeweils zur Hälfte.

Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Der Kläger reiste im Jahr 2017 auf Grundlage eines zum Zweck des Besuchs der Fußballschule K. erteilten Visums in das Bundesgebiet ein und nahm im Nachgang seine Ausbildung dort auf; er besuchte parallel die W.-Realschule zum Zweck der Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht. Die Fußballschule K. bietet ein Teil- und Vollzeitinternat in Kooperation mit Profimannschaften der ersten und zweiten Fußball-Bundesliga an; zu ihren Absolventen gehören u.a. die früheren bzw. derzeitigen A-Nationalspieler … (derzeit VfB Stuttgart), … (derzeit TSG Hoffenheim) und … (derzeit Paris Saint-Germain). Allgemeinschulische Lerninhalte werden nicht vermittelt.
Nachdem der Beklagte dem Kläger zunächst eine bis zum 30.10.2018 befristete und bis zum 25.05.2019 verlängerte Aufenthaltserlaubnis nach § 16b Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 AufenthG erteilt hatte, lehnte er eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis mit hier angegriffenem Bescheid vom 24.09.2019 ab, da es sich bei der Fußballschule K. – entgegen den ursprünglichen Annahmen des Beklagten – nicht um eine staatlich anerkannte Schule handele. Nach Ablehnung des gegen den Bescheid vom 24.09.2019 gerichteten Eilrechtsschutzantrags durch das Verwaltungsgericht Karlsruhe (VG Karlsruhe, Beschluss vom 11.12.2019 – 9 K 7072/19 –) erteilte der Beklagte dem Kläger im Rahmen eines im Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg geschlossenen Vergleichs eine bis zum 31.07.2020 befristete Duldung zum Zweck der Ermöglichung eines weiteren Besuchs der Fußballschule. Im Hinblick auf die Kosten des Eilrechtsschutzverfahrens in beiden Instanzen einigten die Beteiligten sich auf eine Kostenaufhebung. Nach Zurückweisung des Widerspruchs des Klägers durch Bescheid des Regierungspräsidiums vom 24.01.2020 erhob der Kläger vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage, die er nach Ablauf des letzten Ausbildungsabschnitts an der Fußballschule K. für erledigt erklärte.
II.
Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen und durch Beschluss nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden (§ 161 Abs. 2 VwGO).
1. Im vorliegenden Fall entspricht es billigem Ermessen, die Kosten des Verfahrens den Beteiligten jeweils zur Hälfte aufzuerlegen, da sich die Erfolgsaussichten der Klage im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses jedenfalls als offen darstellen.
2. Allerdings dürfte es zutreffen, dass dem Kläger ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 16b Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 AufenthG a.F. bzw. § 16f. Abs. 2 AufenthG n.F. zu keinem Zeitpunkt zustand, da der Besuch der Fußballschule K. keinen Schulbesuch im Sinne des § 16b Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 AufenthG a.F. bzw. des § 16f. Abs. 2 AufenthG n.F. darstellt und die Beklagte berechtigt war, die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Besuchs der W.-Realschule nach Maßgabe der vorgenannten Bestimmungen abzulehnen (vgl. VG Karlsruhe, Beschluss vom 11.12.2019 – 9 K 7072/19 –, Umdruck, S. 4 ff.). Auch dürften die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 17 Abs. 1 AufenthG a.F. bzw. nach § 16a Abs. 1 Satz 1 AufenthG n.F. nicht vorgelegen haben (vgl. VG Karlsruhe, Beschluss vom 11.12.2019 – 9 K 7072/19 –, Umdruck, S. 7).
3. Ob für den Aufenthalt zum Zweck des Besuchs der Fußballschule eine Aufenthaltserlaubnis für einen im Aufenthaltsgesetz nicht vorgesehenen Zweck nach Maßgabe des § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG erteilt werden kann, hat jedoch weder das Regierungspräsidium im Rahmen des Widerspruchsverfahrens noch das Verwaltungsgericht im Rahmen der o.g. Eilrechtsbeschlüsse ausdrücklich geprüft. Die Ablehnung eines auf diese Norm gestützten Antrags konnte aber wohl jedenfalls nicht ohne weiteres auf die im Bescheid des Beklagten vom 24.09.2019 genannte Erwägung gestützt werden, dass hierdurch eine Umgehung der speziellen Tatbestandsvoraussetzungen einer Aufenthaltserlaubnis nach den o.g. Vorschriften drohe. Während diese Erwägung im Hinblick auf den Besuch einer Realschule im Bundesgebiet zutrifft, da dieser Aufenthaltszweck in §§ 16 ff. AufenthG abschließend geregelt ist, enthält das Gesetz im Hinblick auf den Besuch einer Fußballschule, die gerade keine Schule im Sinne der o.g. Bestimmungen darstellt und auch keine Berufsausbildung im „klassischen“ Sinne ermöglicht, wohl keine entsprechenden Negativwertungen. Eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, dass eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Besuchs einer Fußballschule unter keinen rechtlichen Umständen erteilt werden kann, dürfte dem Aufenthaltsgesetz daher nicht zu entnehmen sein. Da der Besuch einer deutschen Realschule im vorliegenden Fall nicht den eigentlichen Aufenthaltszweck des Klägers darstellte, sondern lediglich der Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht für die Dauer des Besuchs der Fußballschule diente, wäre die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG daher möglicherweise durchaus in Betracht gekommen. Ob und ggf. wie – z.B. in Form einer Kostenbeteiligung des Klägers, einer Kostenbeteiligung des Trägers der Fußballschule oder in Form der im Eilrechtsschutzverfahren ausdrücklich angebotenen Kooperation des Trägers mit privaten Schulen – dem gesetzlichen Anliegen des § 16b Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 AufenthG a.F. bzw. des § 16f. Abs. 2 AufenthG n.F., die für die Erfüllung der Schulpflicht in allgemeinbildenden Schulen bereitgestellten öffentlichen Mittel zu schonen, im Rahmen der Ausübung des durch § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG eingeräumten pflichtgemäßen Ermessens Rechnung getragen werden kann, hat der Beklagte hingegen nicht geprüft. Gleiches gilt für die Frage, ob ggf. einzelne Wertungen des § 16f Abs. 2 AufenthG sinngemäß im Ermessenswege auf den hier in Rede stehenden Aufenthaltszweck zu übertragen wären. Dies wäre ggf. im Rahmen einer Hauptsacheentscheidung zu klären gewesen, bedarf im Rahmen eines Beschlusses nach § 161 Abs. 2 VwGO aber keiner weiteren Vertiefung.
4. Entgegen der Einlassung des Beklagten ist eine hiervon abweichende Kostenverteilung auch nicht deswegen geboten, weil der Kläger das erledigende Ereignis selbst herbeigeführt hat. Denn als erledigendes Ereignis ist im vorliegenden Fall nicht die freiwillige Ausreise des Klägers, sondern der Ablauf der Geltungsdauer der angestrebten Aufenthaltserlaubnis bzw. der Abschluss des Ausbildungsabschnittes anzusehen, im Hinblick auf dessen Durchführung in Deutschland eine Aufenthaltserlaubnis begehrt wurde. Die mithin vorliegende Erledigung des Rechtsstreits durch Zeitablauf rechtfertigt aber keine Kostenentscheidung zu Lasten des Klägers.
5. Das Gericht sieht davon ab, die Kosten des Verfahrens entsprechend der vergleichsweisen Einigung der Beteiligten im Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (11 S 70/20) gegeneinander aufzuheben, da dem kostenmäßigen Entgegenkommen des Klägers im Eilrechtsschutzverfahren, in dem dem Kläger letztlich eine Duldung erteilt wurde, im Hauptsacheverfahren kein entsprechendes Entgegenkommen der Beklagten gegenübersteht. Insbesondere konnte auch eine vom Bevollmächtigten des Klägers angeregte Einigung über die Kosten – mit der Folge einer Reduzierung der Gerichtskosten auf 1/3 (Nr. 5111 Nr. 4 Anl. 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) – nicht erzielt werden. Da nur der minderjährige Kläger anwaltlich vertreten war und nur ihm daher entsprechende Kosten entstanden sind, erscheint eine Kostenaufhebung auch im Hauptsacheverfahren dem Gericht daher nicht sachgerecht. Die Kosten des Verfahrens waren daher verhältnismäßig zu teilen.
6. Eine Entscheidung über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren (§ 162 Abs. 2 Satz 2 GKG) ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht geboten, da der Kläger bislang keinen entsprechenden Antrag gestellt hat (§ 164 VwGO).
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7. Der Streitwert wird entsprechend Nr. 8.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 auf 5.000 EUR festgesetzt. Eine Erhöhung des Streitwerts im Hinblick auf die Mehrheit der geltend gemachten Anspruchsgrundlagen ist nicht angezeigt, da dem Klagebegehren insoweit ein einheitlicher Aufenthaltszweck zugrunde liegt.

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