Beschluss vom Verwaltungsgericht Koblenz (7. Kammer) - 7 L 758/10.KO

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die in Umsetzung des Beschlusses des Antragsgegners vom 27. Mai 2010 erfolgte Absetzungsverfügung vom 1. Juni 2010 wird wiederhergestellt.

Dem Antragsgegner wird aufgegeben, in der in seinem Aufgabenbereich üblichen Form öffentlich mitzuteilen, dass der Antragsteller daher seine Funktionen im Allgemeinen Studenten-Ausschuss (AStA) der Fachhochschule K., RheinAhrCampus R., noch nicht verloren hat.

Dem Antragsgegner wird aufgegeben, die Ausschreibung für die Nachfolge des Antragstellers als Kommunikations-Referent im vorgenannten AStA in geeigneter Form rückgängig zu machen.

Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,-- € festgesetzt.

Gründe

1

Der auf die vorläufige Wahrung der Rechte des Antragstellers als Mitglied und Vorsitzender im Allgemeinen Studenten-Ausschuss (AStA) der Fachhochschule K., RheinAhrCampus R., gerichtete Eilantrag hat Erfolg.

I.

2

Der Antragsteller war vom Antragsgegner als Referent in den AStA gewählt und von diesem zum Vorsitzenden bestimmt worden.

3

Die Befugnis des Antragsgegners zur Wahl des AStA ergibt sich aus § 45 der Satzung der Studentenschaft der Fachhochschule K. vom 10. Februar 2002 (im Folgenden: FH-Satzung; StAnz S. 683). Die weiteren, hier einschlägigen, Bestimmungen der Satzung stellen sich wie folgt dar:

4

Das Studentenparlament entscheidet in allen Angelegenheiten der Studentenschaft, sofern nichts anderes bestimmt ist (§ 26 Abs. 1). Ihm stehen ein Präsident und zwei Vizepräsidenten vor (§ 34). Der Präsident führt die laufenden Geschäfte und leitet die Sitzungen (§ 35 Abs. 1), zu denen mit mindestens drei Tagen Vorlauf zu laden ist (§ 37 Abs. 2). Personaldiskussionen sind nicht öffentlich (§ 38 Abs. 1 Satz 1).

5

Die AStA-Referenten haben zwei Mal pro Semester einen Rechenschaftsbericht abzulegen (§ 43 Abs. 4 Satz 1). Sofern dieser vom Studentenparlament nicht bestätigt wird, gilt der Referent als abgesetzt (§ 43 Abs. 4 Satz 2).

6

Der Präsident des aktuellen Studentenparlaments der FH K., RheinAhrCampus, lud am 25. Mai 2010 zur Sitzung am 27. Mai 2010 ein; einer der Tagesordnungspunkte war die Bestätigung der AStA-Referenten. Im Laufe der Sitzung vom 27. Mai 2010 wurde der Antragsteller nicht bestätigt (1 Ja-Stimme, 5 Nein-Stimmen, 1 Enthaltung). Im Sitzungsprotokoll findet sich der Hinweis, dass der Antragsteller auch als AStA-Vorsitzender zu ersetzen sei.

7

Mit Mail vom 1. Juni 2010 erinnerte der Präsident des Antragsgegners den Antragsteller daran, dass er nicht bestätigt worden sei und damit als abgesetzt gelte. Zugleich wurde er aufgefordert, seinen Büroschlüssel abzugeben, Passwörter weiterzugeben und seine Tätigkeit zu beenden.

8

Mit Schriftsatz vom gleichen Tag widersprach der Antragsteller seiner Absetzung.

9

Nachdem sein Posten als AStA-Referent ausgeschrieben worden war, stellte er den vorliegenden Eilantrag. Dazu führt er unter anderem aus, dass die Ladungsfrist bei der bewussten Sitzung nicht eingehalten worden sei. Sein Widerspruch habe per se aufschiebende Wirkung.

10

Mit seinem Antrag begehrt der Antragsteller die Feststellung dieser Wirkung und die Bekanntmachung der Fortdauer seiner AStA-Funktionen.

11

Der Antragsgegner hat sich nicht geäußert.

II.

12

Der Antrag ist nach Änderung des Rubrums und nach sachgerechter Auslegung zulässig und begründet.

13

Zunächst war das rubrum dahingehend zu ändern, dass statt – so die Antragsschrift – die Studentenschaft der FH K., RheinAhrCampus, deren Studentenparlament als Antragsgegner aufzunehmen war. Das Begehren richtet sich gegen Maßnahmen des Studentenparlaments. Dieses ist nach § 26 Abs. 1 FH-Satzung mit eigenen Rechten ausgestattet und daher – im vorliegenden Verfahren – nach § 61 Nr. 2 VwGO beteiligtenfähig. Die Kammer geht dabei von der Gültigkeit der Satzung aus; Gegenteiliges wurde nicht behauptet.

14

Die Kammer versteht nach am eigentlichen Rechtsschutzziel ausgerichteter Auslegung (§ 88 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)) das Begehren des Antragstellers so, dass er die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs vom 1. Juni 2010 begehrt.

15

Der Widerspruch bezieht sich sowohl auf den Beschluss des Antragsgegners vom 27. Mai 2010 wie auch auf die Mail vom 1. Juni 2010. Zwischen beiden besteht ein untrennbarer Zusammenhang. Sie haben dieselbe Beeinträchtigung des Antragstellers zum Inhalt, den Verlust seiner Rechte im AStA. Nach ihrer Rechtsnatur interpretiert die Kammer diese Mail und den Beschluss wie folgt:

16

Der Beschluss vom 27. Mai 2010 stellt im Lichte der hier einschlägigen Bestimmungen der FH-Satzung (insbesondere § 43 Abs. 4 Satz 2) ein Korporationsinternum ohne Außenwirkung dar. Er ist folglich kein Verwaltungsakt im Sinne von § 35 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG). Der Beschluss erschöpft sich darin, dass das Studentenparlament den jeweiligen Referenten im Lichte seines Rechenschaftsberichts bestätigt oder nicht. Da die Teile der Sitzungen des Studentenparlaments, in denen Personendiskussionen geführt werden, nicht öffentlich sind (so auch am 27. Mai 2010), entfalten solche Beschlüsse zunächst keine Wirkungen außerhalb des Studentenparlaments. Sie beschränken sich auf die Innenbeziehung zwischen dem Studentenparlament und den von ihm bestellten AStA-Referenten. Weitergehende Folgen eines solchen Beschlusses sind in § 43 Abs. 4 Satz 3 FH-Satzung ausdrücklich geregelt: Nach einer Nicht-Bestätigung gilt der jeweilige Referent als abgesetzt. Aus Sicht der Kammer bedarf es aber zur Umsetzung dieser Fiktion einer gesonderten Anordnung, wie sie hier mit der Mail vom 1. Juni 2010 (und der Stellenausschreibung) getroffen wurde. Erst dadurch wird der Beschluss des Studentenparlaments für Außenstehende erkennbar und kann für diese Steuerungsfunktion entfalten. Erst dann wissen die Studenten, dass sie sich in Angelegenheiten des betroffenen AStA-Referates nicht mehr an den nicht bestätigten Referenten zu wenden brauchen.

17

Die Kammer sieht sich an dieser Interpretation durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts Trier vom 14. Juni 2006 (– 2 L 440/06.TR –) nicht gehindert. Dort wurde die Verwaltungsakteigenschaft eines Beschlusses des Studentenparlaments bejaht, mit dem ein AStA-Mitglied abgewählt wurde. Dem lagen aber andere satzungsmäßige Bestimmungen zu Grunde: Insbesondere wurden die AStA-Mitglieder von der Studentenschaft und nicht vom Studentenparlament gewählt. Im vorliegenden Fall ist für die Kammer entscheidend, dass die hiesigen Satzungsbestimmungen so gestaltet sind, dass es einer Umsetzung des in geheimer Sitzung getroffenen Beschlusses bedarf. Die Kammer sieht insoweit eine Parallele zur Abberufung von Kreisbeigeordneten durch Beschlüsse des Kreistages. Diese Beschlüsse stellen ebenfalls keine Verwaltungsakte dar, weil es zur Entfaltung von rechtlichen Wirkungen nach außen einer umsetzenden Verfügung bedarf; dieser kommt dann allerdings Verwaltungsaktqualität zu (vgl. VGH Hessen, Urteil vom 4. Januar 1989 – 6 UE 469/87 –; unter Bezug auf BVerwG, Urteil vom 14. Januar 1965 – II C 53.62; beide nach juris). Diese Qualität ist der Mail vom 1. Juni 2010 – samt späterer Ausschreibung – beizumessen. Sie erfüllt alle Tatbestandsmerkmale eines Verwaltungsakts nach § 35 Satz 1 VwVfG. Sie ist insbesondere eine Maßnahme – Absetzung des Antragstellers –, die eine mit der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben betraute Stelle (Studentenparlament) im (Einzel-)Fall des Antragstellers mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen getroffen hat.

18

So verstanden ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 und Abs. 1 Satz 1 VwGO statthaft, um die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 1. Juni 2010 gegen die als Verwaltungsakt aufzufassende Mail vom gleichen Tag wieder herzustellen. Zwar kommt dem Widerspruch nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO an sich aufschiebende Wirkung zu. Allerdings sieht die Kammer in der bewussten Mail zugleich die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Absetzungsverfügung im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO. Die Kammer entnimmt dies dem Wortlaut der Mail, der darauf schließen lässt, dass dem Antragsteller klar gemacht werden sollte, dass er ohne Interventionsmöglichkeiten von seinen Aufhaben enthoben ist. Er sollte den Büroschlüssel ab-, die Passwörter weitergeben und seine Tätigkeit beenden. In Verbindung mit der Ankündigung, dass die Aufgaben des Antragstellers von anderen Referenten übernommen werden, ist dies aus Sicht eines unabhängigen Dritten so zu verstehen, dass der Antragsteller der Mail unverzüglich nachkommen sollte.

19

Diese Anordnung der sofortigen Vollziehung ist aber fehlerhaft, weil die nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO in den Fällen der behördlichen Anordnung der sofortigen Vollziehung erforderliche Begründung fehlt. Schon allein deshalb ist dem vorliegenden Aussetzungsantrag stattzugeben (vgl. Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO-Komm., 18. Aufl. 2009, § 80 Rdnr. 180) und die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen.

20

Die Kammer folgt hier der Auffassung, dass in den Fällen mangelhafter Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung die aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs wiederherzustellen und nicht – so eine andere Auffassung – lediglich die Vollziehbarkeitsanordnung aufzuheben ist. Für die Kammer ist dabei überzeugend, dass der Wortlaut des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die Möglichkeit der bloßen Aufhebung der Vollziehbarkeitsanordnung nicht vorsieht (vgl. Schoch a.a.O., § 80 Rdnr. 298). Ohnehin wird diese Möglichkeit nur für die Fälle bejaht, in denen die öffentliche Stelle eine Begründung der Vollziehbarkeitsanordnung nachholen könnte (vgl. Schoch a.a.O., § 80 Rdnr. 298). Dies ist hier jedoch nicht der Fall.

21

Eine Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Absetzungsverfügung ginge nämlich ins Leere. Denn die Absetzungsverfügung selbst ist fehlerhaft. Bei ihrer rechtlichen Bewertung ist der Beschluss des Studentenparlaments vom 27. Mai 2010 mit in den Blick zu nehmen, dessen Umsetzung sie dient. Dem steht nicht entgegen, dass der Beschluss selbst kein Verwaltungsakt ist. Beide, Beschluss und seine Umsetzung, sind so eng miteinander verbunden, dass die Anfechtung der Absetzungsverfügung zur gerichtlichen (Mit-)Überprüfung des Beschlusses führt (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Januar 1965, a.a.O.). Der Beschluss vom 27. Mai 2010 ist aber unter Verletzung zwingender Verfahrensvorschriften gefasst worden. Die Ladung vom 25. Mai 2010 wahrt nicht die 3-Tages-Frist in § 37 Abs. 2 FH-Satzung. Diese Fristverletzung ist relevant. Gerade in Personalangelegenheiten ist es wichtig, den Betroffenen ausreichend Zeit zur Vorbereitung zu geben.

22

Ergänzend sei ausgeführt, dass der vorliegende Antrag ebenfalls Erfolg hätte, wenn man in der Mail vom 1. Juni 2010 keine Anordnung der sofortigen Vollziehung sähe oder dem Beschluss vom 27. Mai 2010 Verwaltungsaktqualität zubilligte. Es bliebe dann nämlich dabei, dass der Widerspruch vom gleichen Tag aufschiebende Wirkung hätte. Der Antragsteller hat ein rechtlich anzuerkennendes Interesse an der Feststellung dieser Wirkung. Denn es gilt zu verhindern, dass der Antragsgegner die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs unterläuft, was er mit der Stellenausschreibung zumindest faktisch bereits getan hat.

III.

23

Bei der Kostentscheidung folgt die Kammer § 154 Abs. 1 VwGO.

24

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2 und § 52 Abs. 2 GKG.

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