Beschluss vom Verwaltungsgericht Köln - 18 L 1830/10
Tenor
1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 07.12.2010 wird angeordnet.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 50.000,00 Euro festgesetzt.
1
Gründe
2Der zulässige Antrag,
3die aufschiebende Wirkung des mit Schreiben vom 13.12.2010 eingelegten Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheids der Antragsgegnerin vom 07.12.2010 anzuordnen,
4ist begründet. Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs anordnen, wenn das Interesse der Antragstellerin am vorläufigen Aufschub der Vollziehung das öffentliche Interesse an der nach § 37 Allgemeines Eisenbahngesetz (AEG) gesetzlich vorgesehenen sofortigen Vollziehung des Bescheids überwiegt. Dies ist der Fall, wenn sich der Bescheid bei der im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtswidrig erweist, da an der sofortigen Vollziehung rechtswidriger Bescheide ein öffentliches Interesse nicht bestehen kann. Die Frage der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts ist jedoch regelmäßig nur insoweit zu berücksichtigen, als sie schon bei summarischer Prüfung überschaubar ist. Eine abschließende Überprüfung des angefochtenen Bescheides ist nicht gefordert.
5Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 25.08.2000 - 20 B 959/00 - m.w.N.
6Bei der in diesem Umfang gebotenen rechtlichen Überprüfung erweist sich der Bescheid der Antragsgegnerin vom 07.12.2010 als rechtswidrig.
7Allerdings ist die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (Bundesnetzagentur - BNetzA) für den Erlass des Bescheids nach §14b Abs. 1 Eingangssatz AEG zuständig. Ziffern 1 bis 4 des § 14b Abs. 1 AEG zählen nicht abschließend die der BNetzA zugewiesenen Aufgaben auf, wie dem Eingangssatz dieses Absatzes zu entnehmen ist, wonach der Regulierungsbehörde "insbesondere" hinsichtlich der in den nachfolgenden Ziffern benannten Aufgaben die Aufgabe obliegt, die Einhaltung der Vorschriften des Eisenbahnrechts über den Zugang zur Eisenbahninfrastruktur (im Folgenden: Eisenbahnregulierungsrecht) zu überwachen. Solche Vorschriften des materiellen Rechts finden sich vor allem in §§ 14 ff. AEG und in der Eisenbahninfrastruktur-Benutzungsverordnung (EIBV).
8Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17.6.2010 - 13 A 2557/09 - , S. 23 des amtlichen Abdrucks; VG Köln, Urteil vom 20.08.2010 - 18 K 3807/07 -, S. 12 des amtlichen Abdrucks.
9Dazu gehört auch § 14 Abs. 6 AEG, in dessen Hinblick die BNetzA die in Rede stehenden Ausnahmegenehmigungen der Antragstellerin geprüft und behördlichen Anordnungen unterworfen hat. Die Anwendbarkeit des § 14b Abs. 1 AEG setzt daher nicht voraus, dass zu einem Verstoß gegen eine solche Vorschrift des Eisenbahnrechts die Verletzung des Grundsatzes der Diskriminierungsfreiheit im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 AEG hinzukommt. Die Aufgabennorm des § 14b Abs. 1 Satz 1 AEG enthält insoweit keine weiteren ungeschriebenen Voraussetzungen.
10Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17.6.2010 - 13 A 2557/09 - , S. 23 des amtlichen Abdrucks; VG Köln, Urteil vom 20.08.2010 - 18 K 3807/07 -, S. 12 des amtlichen Abdrucks (jeweils zur Ermächtigungsgrundlage des § 14f AEG).
11Ob der regulierungsrechtlichen Frage eisenbahnsicherheitsrechtliche Regelungen bzw. Maßnahmen eines Eisenbahninfrastrukturunternehmens (EIU) zugrundeliegen, wie es vielfach der Fall sein wird, oder zuweisungsrechtliche, betriebswirtschaftliche oder andere Aspekte des Eisenbahnregulierungsrechts, ist ohne Belang, soweit diese Fragen - wie hier - lediglich Vorfragen oder Anlass für eine unter dem Blickwinkel des Eisenbahnregulierungsrechts zu prüfende Frage sind. Eine strikte Trennung dergestalt, dass die BNetzA niemals Fragen des Eisenbahnsicherheitsrechts berühren darf oder umgekehrt das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) niemals Fragen des Eisenbahnregulierungsrechts, ist weder vom Allgemeinen Eisenbahngesetz normiert noch kann dies sinnvollerweise geschehen, weil beide Behörden an die in § 1 Abs. 1 Satz 1 AEG genannten Ziele sowohl des Eisenbahnsicherheitsrechts als auch des Eisenbahnregulierungsrechts gebunden sind, wie sinnfällig in der Kooperationsverpflichtung, auch weiterer Behörden, des § 14b Abs. 2 AEG (sowohl gegenseitige Information als auch Gelegenheit zur - inhaltlichen - Stellungnahme) zum Ausdruck kommt. Auch materiellrechtlich sind Überschneidungen des Eisenbahnsicherheitsrechts mit Eisenbahnregulierungsrecht geregelt. Das ergibt sich aus der Eisenbahninfrastruktur-Benutzungsverordnung, die gemäß der Ermächtigungsgrundlage des § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AEG dem Eisenbahnregulierungsrecht zuzuordnen ist. So werden in § 11 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 3 Satz 2 EIBV Vereinbarungen von der Betriebssicherheit dienenden Bestimmungen bzw. Sicherheitsanforderungen angesprochen. Gemäß § 15 EIBV werden ebenfalls eisenbahnsicherheitsrechtliche Belange, nämlich für den Fall von Störungen des Bahnbetriebs, geregelt, wie ausdrücklich dem § 15 Abs. 1 Satz 2 EIBV zu entnehmen ist, wonach der Betreiber der Schienenwege in Abstimmung mit der zuständigen Eisenbahnaufsichtsbehörde einen Notfallplan aufzustellen hat, nach dessen Maßgabe die Eisenbahnaufsichtsbehörde über "gefährliche" Ereignisse im Bahnbetrieb zu unterrichten ist. Ob die unter dem eisenbahnregulierungsrechtlichen Aspekt getroffene Entscheidung der Regulierungsbehörde rechtmäßig ist, betrifft dagegen nicht den formellen Gesichtspunkt deren Zuständigkeit, sondern ist eine Frage der materiellen Rechtmäßigkeit der regulierungsbehördlichen Entscheidung.
12Der Bescheid ist entgegen der Meinung der Antragstellerin auch nicht unbestimmt; Wie sie selbst richtig vorträgt, sind mit den von Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids betroffenen "zu treffenden Maßnahmen" die ausweislich der klaren Begründung des Bescheids von dieser Ziffer betroffenen Regelungen der Antragstellerin, nämlich ihre Ausnahmegenehmigungen 62 zu Richtlinie 408.0541 und 21 zu Richtlinie 408.1541 sowie die Nutzungshinweise zum Warnmodul auf ihrer Internetseite erfasst. Im Übrigen gälte im Fall einer Bezugnahme auf sämtliche von der Antragstellerin diesbezüglich angewandter oder geplanter Maßnahmen, dass sie einzelvertraglich zu vereinbaren sind. Welche anderen Maßnahmen damit gemeint sind, ergibt sich zum einen aus dem Inhalt der tatsächlich in Streit stehenden Änderungsgenehmigungen und Folgeregelungen der Antragstellerin, zum anderen unterliegen solche Bestimmungen der Antragstellerin zunächst deren Aufstellungszuständigkeit, weshalb etwaige anderweitige, aber inhaltlich auf die konkret im Streit stehenden Änderungsgenehmigungen und Folgeregelungen der BNetzA noch nicht bekannt sein können, aber inhaltlich bestimmbar sind. Im Übrigen ist entgegen der Meinung der Antragstellerin auch eine Aussetzung einer bereits angewandten Maßnahme eine Unterlassung deren Anwendung.
13Mit Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids wird entgegen der Meinung der Antragstellerin von ihr auch nichts rechtlich Unmögliches verlangt; soweit sie tatsächlich nicht in der Lage sein sollte, zumindest mit einigen der von ihren in Rede stehenden Ausnahmegenehmigungen samt Folgeregelungen betroffenen Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) entweder aus zeitlichen oder aus anderen Gründen bis zum 15.01.2011 einzelvertraglich zu vereinbaren, greift die in dieser Ziffer getroffene Alternativ-Verpflichtung, diese Ausnahmegenehmigungen samt Folgeregelungen nicht anzuwenden.
14Dass die BNetzA als Rechtsgrundlage für Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids § 14c Abs. 1 AEG herangezogen hat, führt entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht zur Rechtswidrigkeit dieser Verfügung. Die Anwendbarkeit des § 14c Abs. 1 AEG ergibt sich ebenso wenig wie die Behördenzuständigkeit erst aus der Beantwortung der Frage, ob die konkrete regulierungsbehördliche Entscheidung (materiell) rechtmäßig ist. Nach der genannten Vorschrift kann die Regulierungsbehörde in Wahrnehmung ihrer Aufgaben gegenüber öffentlichen EIU die Maßnahmen treffen, die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und zur Verhütung künftiger Verstöße gegen die Vorschriften des Eisenbahnregulierungsrechts erforderlich sind. Diese Ermächtigungsgrundlage ist nicht grundsätzlich durch §§ 14e, 14f AEG ausgeschlossen.
15Vgl. OVG NRW, Urteile vom 23.09.2010 - 13 A 172/10 -, S. 37 f. des amtlichen Abdrucks und vom 17.06.2010 - 13 A 2557/09 -, S. 46 bis 48 des amtlichen Abdrucks; Beschluss vom 28.01.2008 - 13 B 2024/07 -, S. 8 f. des amtlichen Abdrucks; VG Köln, Urteile vom 04.12.2009 - 18 K 4918/07 -, S. 18 oben des amtlichen Abdrucks und vom 21.08.2009 - 18 K 2722/07 -, S. 22 des amtlichen Abdrucks.
16Diese Rechtsgrundlagen sind nämlich Spezialregelungen bezüglich Entscheidungen der EIU, soweit Anträge auf Zuweisung von Zugtrassen bzw. auf Zugang zu Serviceeinrichtungen abgelehnt werden sollen, bezüglich Entscheidungen der EIU über den Abschluss von Rahmenverträgen, hinsichtlich einer beabsichtigten Aufforderung, ein Entgelt i.S.d. § 9 Abs. 6 EIBV anzubieten, und bezüglich einer beabsichtigten Neufassung oder Änderung von Schienennetz-Benutzungsbedingungen (SNB) und von Nutzungsbedingungen für Serviceeinrichtungen (NBS) einschließlich der jeweils vorgesehenen Entgeltgrundsätze und Entgelthöhen. Bei Zugrundlegen der rechtlichen Auffassung der Kammer käme im Hinblick auf die hier in Rede stehenden Regelungen des betrieblich-technischen Regelwerks der Antragstellerin allerdings durchaus in Betracht, zu prüfen, ob § 14c Abs. 1 AEG in diesem Fall durch die u.a. auf SNB zugeschnittene speziellere Vorschrift des § 14f Abs. 1 Satz 2 AEG verdrängt wird. Ob dies der Fall ist, weil die in Rede stehenden Ausnahmegenehmigungen und Folgeregelungen der Antragstellerin SNB und nicht anderweitige Regelungen darstellen, kann hier aber letztlich dahinstehen.
17Die Kammer ist allerdings nach wie vor der Überzeugung, dass betrieblich-technisches Regelwerk, wie es hier in Rede steht, zugangsrelevant i.S.d. Anlage 2 Nr. 1 EIBV ist und deshalb materiell den SNB zuzurechnen ist, weil die durch die Ausnahmegenehmigungen der Antragstellerin den EVU zugewiesenen Pflichten - insbesondere zur Information des jeweiligen Fahrdienstleiters der Antragstellerin über außergewöhnliche Witterungsbedingungen - bereits allein unmittelbar aufgrund einer Konkretisierung der in § 4 Abs. 1 Satz 1 AEG lediglich allgemeinen Verpflichtungen der EVU zu haftungsrechtlichen Verschiebungen, jedenfalls aber zu Zweifelsfragen führen, von denen Zugangsberechtigte ihre betriebswirtschaftliche Entscheidung, Anträge auf Zuweisung von Trassen i.S.d. Abgabe eines Angebots der Antragstellerin zum Abschluss einer Vereinbarung nach § 14 Abs. 6 AEG zu stellen, abhängig machen können, so dass hier wegen Vorliegens materieller SNB § 14f Abs. 1 Nr. 1 AEG einschlägig ist.
18Die Regelung der Anlage 2 Nr. 1 EIBV ("Zugangsbedingungen") beschränkt sich - wie Anlage 2 Nr. 3 Satz 1 EIBV - nach Auffassung der Kammer bereits nach ihrem Wortlaut weder auf den formalen Begriff des Zugangs i.S.d. Zuweisung noch auf den Zeitraum bis zum Beginn der Nutzung der Schienenwege und in diesem Sinn auf den "eigentlichen" Zugang in Abgrenzung zur Vollziehung des Zugangsvertragsverhältnisses,
19vgl. dazu: OVG NRW, Urteile vom 23.09.2010 - 13 A 172/10 -, S. 23 bis 27 des amtlichen Abdrucks und vom 17.06.2010 - 13 A 2557/09 -, S. 28 des amtlichen Abdrucks, unter Bezugnahme auf seinen Beschluss vom 02.03.2010 - 13 B 10/10 -, S. 4 ff. des amtlichen Abdrucks, juris,
20also nicht auf den Zugang im Sinne der Eröffnung der Nutzung in Abgrenzung zur Nutzung selbst und den von ihr in Anspruch genommenen Zeitraum.
21Dass nicht nur Anlage 1, sondern auch Anlage 2 EIBV überhaupt einen über die Voraussetzungen der Zuweisung hinausgehenden materiellen Zugangsbegriff enthält, ergibt sich daraus, dass, selbst wenn Anlage 2 Nr. 3 Satz 2 EIBV allein den formalen Zugangsbegriff regeln sollte, jedenfalls Anlage 2 Nr. 1 EIBV darüber hinaus gehen müsste,
22vgl. VG Köln, Urteil vom 20.08.2010 - 18 K 3807/07 -, S. 14 des amtlichen Abdrucks,
23weil diese Vorschrift anderenfalls überflüssig wäre. Auch Anlage 2 Nr. 3 Satz 1 EIBV regelt, dass zum Zugang im materiellrechtlichen Sinne Angaben in den SNB zu machen sind. Dagegen spricht zunächst nicht der Wortlaut der Überschrift zu Nr. 3 der Anlage 2 EIBV. Sie lautet zwar "Grundsätze und Kriterien für die Zuweisung von Schienenwegkapazität", braucht sich indes nicht auf die Grundsätze gerade für die Zuweisung von Schienenwegkapazität zu beschränken. Vielmehr kann damit auch gemeint sein, dass Nr. 3 der Anlage 2 EIBV (allgemeine) Grundsätze sowie Kriterien für die Zuweisung von Schienenwegkapazität regelt, so dass die Spezifizierung "für die Zuweisung von Schienenwegkapazität" sich allein auf die in der Überschrift genannten Kriterien, nicht aber auch auf die dort ebenfalls genannten Grundsätze zu erstrecken braucht. Anhang I Nr. 3 der Richtlinie 2001/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.02.2001 über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn, die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur und die Sicherheitsbescheinigung (im Folgenden: Richtlinie - RL) trägt aufgrund seiner sprachlichen Ähnlichkeit nichts zur grammatikalischen Auslegung der Anlage 2 Nr. 3 EIBV bei. Die danach maßgebliche grammatikalische, systematische und teleologische Auslegung der Anlagen 1 und 2 zur EIBV im Übrigen ergibt nach Auffassung der Kammer, dass der in Anlage 2 Nr. 1 und Nr. 3 Satz 1 EIBV gebrauchte Begriff des Zugangs über die Zugangsvoraussetzungen im formalen Sinn hinaus geht und dessen am Ziel der Schaffung eines diskriminierungsfreien Wettbewerbs orientierter materiell-rechtlicher, nämlich wirtschaftlicher Bedeutung gerecht wird.
24Vgl. VG Köln, Urteil vom 20.08.2010 - 18 K 3807/07 -, S. 14 des amtlichen Abdrucks.
25Dass speziell die in Anlage 2 Nr. 3 EIBV aufgeführten Bestandteile der SNB nicht allein im zuweisungs-verfahrensrechtlichen Sinne zu verstehen sind, ergibt sich bereits aus dem Wortlaut. Denn die nach Satz 1 der genannten Vorschrift erforderlichen "Angaben zu den allgemeinen Kapazitätsmerkmalen des Schienenweges, der den Zugangsberechtigten zur Verfügung steht, sowie zu etwaigen Nutzungseinschränkungen, einschließlich des zu erwartenden Kapazitätsbedarfs für Instandhaltungszwecke," haben bereits begrifflich nichts mit der in §§ 8 und 9 EIBV geregelten Zuweisung zu tun. Dass diese Angaben über das formelle Zuweisungsverfahren hinausgehen, wird zudem aus der sprachlichen Abgrenzung durch Satz 2 der Vorschrift deutlich, wonach "ferner" Angaben zur Abwicklung und zu den Fristen des Verfahrens der Zuweisung von Schienenwegkapazität anzugeben sind. Sind jedenfalls einige der unter der sodann folgenden Aufzählung genannten Umstände ohne weiteres ausschließlich dem Zuweisungsverfahren und damit dem formellen Zugangsbegriff zuzuordnen, betreffen die unter Anlage 2 Nr. 3 Satz 1 EIBV bezeichneten Inhalte dagegen Umstände, die für den materiellen Zugang im wirtschaftlichen Sinne erforderlich sind. Im Übrigen verweist selbst Anlage 2 Nr. 3 Satz 2 EIBV nach seinem Wortlaut durch seinen Buchstaben e) auf die in § 19 EIBV geregelte und in dessen Satz 2 wörtlich so bezeichnete Nutzungsbeschränkung, die mit dem formellen Zuweisungsverfahren nicht in unmittelbarem Zusammenhang steht.
26Dass für Anlage 2 Nr. 1 EIBV dagegen ein enger Zugangsbegriff gelten sollte, wird nicht nur nicht ersichtlich, sondern umgekehrt dadurch ausgeschlossen, dass danach materielle Angaben, nämlich zur Art des Schienenwegs, der insbesondere für die Nutzung nach erfolgtem Zugang relevant ist, zu machen sind. Auch wenn Anlage 2 EIBV häufig schlichte nachrichtliche Angaben zum Gegenstand ihrer Normierung macht, beschränken sich die danach erforderlichen materiellrechtlichen Inhalte mit Bezug auf die Nutzung der Schienenwege nicht auf solche schlichten Mitteilungen, sondern erfassen auch Regelungen, die die Rechte und Pflichten des jeweiligen Vertragsverhältnisses zwischen EIU und Zugangsberechtigten, insbesondere EVU, näher ausgestalten und konkretisieren. Ergibt sich bereits aus dem Begriff der "Zugangsbedingungen" in Anlage 2 Nr. 1 EIBV nicht das Gegenteil, folgt jedenfalls ausdrücklich aus anderen Vorschriften, die sich zum notwendigen Inhalt der SNB verhalten, dass SNB auch Bedingungen enthalten müssen, die sich jenseits des formellen Zuweisungsverfahrens auf die Zeit nach Beginn der Nutzung der Schienenwege erstrecken. So bestimmt Anlage 2 Nr. 2 EIBV, dass die dort näher konkretisierten Entgeltgrundsätze in den SNB darzulegen sind. Entgeltfragen betreffen Umstände, die jedenfalls erst nach Abschluss des Zuweisungsverfahrens, nämlich für die Frage Bedeutung haben, ob ein - nach der Systematik der §§ 8 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 1 und Nr. 7 sowie 11 Abs. 1 Satz 1 EIBV - nach Antragstellung der EVU auf Zuweisung von Zugtrassen vom EIU unterbreitetes Angebot vom EVU angenommen wird. § 5 Abs. 1 Satz 2 EIBV verlangt, dass Grundsätze für die Stellung einer Sicherheitsleistung zu veröffentlichen sind, und bezieht sich damit ebenfalls auf die Zeit nach Abschluss des Zuweisungsverfahrens. Teilweise wird bereits aus den Vorschriften zu den erforderlichen Entgeltregelungen ersichtlich, dass danach Vertragsregelungen notwendig sind, die sogar erst nach bereits erfolgtem Zugang zu den Schienenwegen Bedeutung erlangen können. So müssen in den SNB gemäß Anlage 2 Nr. 2 Satz 4 EIBV auch Vertragsstrafen bei von den Vertragspartnern zu vertretenden "Betriebsstörungen" enthalten sein. Dafür, dass Teile der nach der Anlage 2 EIBV erforderlichen Angaben in den SNB davon abweichend nur für das Zuweisungsverfahren gelten sollen, soweit sich dies nicht ausdrücklich oder aus dem Sachzusammenhang ergibt, ist nichts ersichtlich.
27Dass Anlage 2 EIBV den materiellen Zugangsbegriff ausschließt und sich auf die Zeit des Zuweisungsverfahrens oder allenfalls auf die Zeit bis zum Beginn der Nutzung der Schienenwege beschränkt, ergibt sich nach Auffassung der Kammer insbesondere nicht daraus, dass der Anlage 1 Nr. 1 EIBV eine Unterscheidung zwischen einerseits Regeln bezüglich der Eröffnung der Nutzung und andererseits Bestimmungen, die die Nutzung im Sinne einer Vollziehung des Zugangsvertragsverhältnisses betreffen, deshalb zu entnehmen ist, weil nach ihrem Buchstaben d) Pflichtleistungen des Betreibers "alle anderen" Informationen, die zur Durchführung des Verkehrs, für den Kapazität zugewiesen "wurde", erforderlich sind.
28So OVG NRW, Beschluss vom 02.03.2010 a.a.O., S. 4/5 des amtlichen Abdrucks.
29Anlage 1 EIBV lässt sich nicht entnehmen, dass die SNB und damit die darauf bezogene Regulierung sich nicht auf das bereits entstandene Vertragsverhältnis und die Zeit der Nutzung der Schienenwege beziehen sollen. Denn Anlage 1 und Anlage 2 haben unterschiedliche Regelungsgegenstände. Die in Anlage 1 Nr. 1 EIBV genannten Pflichtleistungen beziehen sich ausschließlich auf das jeweils konkrete Verhältnis zwischen dem Betreiber der Schienenwege und einem Zugangsberechtigten, wohingegen die in diesem Sinne abstrakten Pflichtleistungen als Mindestinhalte der SNB allein durch Anlage 2 EIBV bestimmt werden. Der Anlage 2 EIBV ist indes auch unter Zugrundelegen der weiteren obergerichtlichen Rechtsprechung nicht zu entnehmen, dass sie allein SNB-Inhalte regelt, die die Zeit bis zur Eröffnung der Nutzung der Schienenwege betreffen. Kann man die nach Anlage 2 Nr. 1 EIBV erforderlichen Angaben zur Art des den Zugangsberechtigten zur Verfügung stehenden Schienenwegs noch als Angaben ansehen, die für den Zugang von großer Bedeutung sind, weil sie den Kern des Zugangsrechts betreffen,
30vgl. OVG NRW, Urteil vom 23.09.2010 - 13 A 172/10., S. 26 des amtlichen Abdrucks (zu § 10 Abs. 1 EIBV),
31denen deshalb "unmittelbare" Zugangsrelevanz zukommt,
32vgl. zu dieser Eingrenzung: OVG NRW, Urteil vom 23.09.2010 - 13 A 172/10 -, S. 25 des amtlichen Abdrucks (zu § 10 Abs. 1 EIBV),
33geht jedenfalls Anlage 2 Nr. 3 Satz 1 EIBV hinsichtlich des zu erwartenden Kapazitätsbedarfs für Instandhaltungszwecke über die so bestimmte Art zugangsrelevanter Angaben hinaus, weil diese Regelung zum einen die Zeit betrifft, in der das Zugangsvertragsverhältnis in dem Sinne abgewickelt wird, dass der Zugangsberechtigte die Schienenwege bereits nutzt, und zum anderen ausweislich der Verwendung der Formulierung "zu erwartenden (Kapazitätsbedarfs für Instandhaltungszwecke)" von Umständen ausgeht, die jedenfalls nicht stets bereits bei Stellung des Zugangsantrags nahezu unumstößlich feststehen, wie es indes in aller Regel bezüglich der von Anlage 1 Nr. 1 EIBV erfassten Art des Schienenwegs der Fall ist.
34Dass Anlage 2 Nr. 3 Satz 1 EIBV sich vielmehr umgekehrt auf einen weiten Zugangsbegriff i.S.d. Begriffs des diskriminierungsfreien Zugangs zur Infrastruktur als Verpflichtung zur Gewährung einer diskriminierungsfreien Teilhabe an der Infrastruktur bezieht, wird durch den Wortlaut des § 14 Abs. 1 AEG bestätigt. Denn dort ist - abgesehen von der Überschrift - nicht vom Zugang, sondern von der Benutzung der Infrastruktur die Rede. Die Kammer ist der Auffassung, dass das in § 1 Abs. 1 Satz 1 AEG genannte Ziel der eisenbahnrechtlichen Regulierung, einen diskriminierungsfreien Wettbewerb zu schaffen, nur dann erreicht werden kann, wenn nicht nur der Zugang zur Infrastruktur, sondern auch die Benutzung der Infrastruktur diskriminierungsfrei gewährt wird. Da die Benutzungsbedingungen der Benutzung zwar zeitlich vorgelagert sind, aber gerade der Nutzung der Eisenbahninfrastruktur dienen,
35vgl. VG Köln, Urteil vom 20.08.2010 - 18 K 3807/07 -, S. 14 des amtlichen Abdrucks,
36sind Wortlaut und Systematik der detaillierten Eisenbahninfrastruktur-Benutzungsverordnung zwar interpretationsleitend,
37vgl. OVG NRW, Beschluss vom 02.03.2010 - 13 B 10/10 -, S. 4 des amtlichen Abdrucks,
38indes nicht isoliert, sondern nur im Rahmen ihres Zwecks als einer das Allgemeine Eisenbahngesetz konkretisierenden, nachgelagerten Regelung, die sich an diesen in § 1 Abs. 1 Satz 1 AEG genannten Zielen zu orientieren hat. Dabei ist die Regulierung des Eisenbahnwesens auch wegen der Langfristigkeit der Investitionen im Kern als Wettbewerb "auf dem Netz" angelegt.
39Vgl. OVG NRW, Urteil vom 05.10.2010 - 13 A 29/10 -, S. 14 des amtlichen Abdrucks m.w.N.
40Diesem Wettbewerb dienen auch die flankierenden Vorschriften der Anlage 2 Nrn. 1 und 3 Satz 1 EIBV. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass für die übrigen Regelungen der Anlage 2 EIBV ein davon abweichender Zugangsbegriff gelten soll, soweit sich dies nicht ausdrücklich oder aus der Natur der zu regelnden Sache ergibt, wie es etwa bei Anlage 2 Nr. 3 Satz 2 Buchstaben a), c) und d) EIBV der Fall ist.
41Dass demgemäß auch der Verordnungsgeber von einem weiten Zugangsbegriff ausgeht, ergibt sich aus der
42Begründung des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen vom 15.04.2005 zur Verordnung zum Erlass und zur Änderung eisenbahnrechtlicher Vorschriften, BR-Drs. 249/05, S. 38 zu § 4 Abs. 3 und 4 EIBV,
43wonach die den Zugangsberechtigten gegebene Möglichkeit einer Stellungnahme dazu dient, "dem Betreiber der Schienenwege die Möglichkeit zu geben, auf Kundenwünsche einzugehen". Solche Kundenwünsche können sich angesichts der nach § 4 Abs. 2 Satz 1 EIBV in die SNB aufzunehmenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) auch auf diese beziehen, ohne dass die AGB auf das formelle Zuweisungsverfahren beschränkt sind.
44Diese Auslegung entspricht schließlich der Richtlinie, deren Umsetzung die Eisenbahninfrastruktur-Benutzungsverordnung gemäß ihrer Präambel u.a. dient und die diese Richtlinie gemäß dem europarechtlichen Grundsatz der Wirksamkeit ("effet utile") umzusetzen hat. Denn gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 1 RL enthalten die SNB Angaben zum Fahrweg, der den Eisenbahnunternehmen zur Verfügung steht. Auch nach ihrem Art. 2 Buchstabe j) enthalten SNB nicht nur eine detaillierte Darlegung der allgemeinen Regeln, Fristen, Verfahren und Kriterien für die Entgelt- und Kapazitätszuweisungsregelungen, sondern "ferner" die zusätzlichen Informationen, die für die Stellung von Anträgen auf Zuweisung von Fahrwegkapazität benötigt werden. Lediglich sprachlich umgekehrt sind nach Anhang I Nr. 3 RL Angaben zu den allgemeinen Kapazitätsmerkmalen des Fahrwegs, der den Eisenbahnunternehmen zur Verfügung steht, sowie zu etwaigen Nutzungseinschränkungen, "einschließlich des zu erwartenden Kapazitätsbedarfs für Instandhaltungszwecke", zu machen und "ferner" die Abwicklung und die Fristen des Verfahrens der Zuweisung von Fahrwegkapazität anzugeben. Damit müssen die SNB gemäß dem - von Anlage 2 Nr. 3 EIBV umgesetzten - Anhang I Nr. 3 RL nicht nur Angaben zum Zuweisungsverfahren, sondern auch Informationen enthalten, die über diesen formellen Zugang hinaus gehen und damit den materiellen Zugang in Form der Nutzung betreffen. Gemäß Anhang I Nr. 1 RL müssen die SNB einen Abschnitt mit Angaben zur Art des Fahrwegs, der den Eisenbahnunternehmen zur Verfügung steht, sowie zu den Zugangsbedingungen für den betreffenden Fahrweg enthalten. Dabei entspricht ein weites Verständnis sowohl vom Zugangsbegriff als auch vom materiellen Zugangsbegriff dem von Erwägungsgrund 7 RL verfolgten Ziel, Anreize zur optimalen Nutzung der Eisenbahnfahrwege zwecks Verringerung der gesamtgesellschaftlich zu tragenden Kosten des Verkehrs zu geben.
45Vgl. VG Köln, Urteil vom 20.08.2010 - 18 K 3807/07 -, S. 14 des amtlichen Abdrucks.
46So bindet die Befassung des Betreibers der Schienenwege mit nach Stattgabe nicht wahrgenommenen oder zurückgezogenen Zuweisungsanträgen sowie eventuell sodann zu vergebenden Kapazitäten an einen anderen Zugangspetenten Arbeitskraft und verursacht Kosten, die vermeidbar sind. Gerade zu geringe Angaben zu den Nutzungsvoraussetzungen bergen indes diese Gefahr, wenn sich für ein EVU erst im Nachhinein herausstellt, dass die (materiellen) Zugangsbedingungen für es wirtschaftlich sinnlos oder jedenfalls nicht von Interesse sind. Das gilt auch und gerade für sicherheitsrelevante Regelungen,
47vgl. zu diesen Regelungen: OVG NRW, Urteil vom 23.09.2010 - 13 A 172/10 -, S. 24 unten des amtlichen Abdrucks,
48wofür nur beispielhaft die Konkretisierung der von § 28 Abs. 1 Nr. 4 Eisenbahn-Bau- und Benutzungsverordnung vorgeschriebenen Zugbeeinflussung gehört.
49Vgl. zu diesem Erfordernis: VG Köln, Beschluss vom 10.12.2009 - 18 L 1774/09 - ("PZB 90").
50Die von der Kammer vorgenommene weite Auslegung des Zugangsbegriffs entspricht schließlich dem Erwägungsgrund 5 RL, wonach zwecks Sicherstellung von Transparenz und eines nichtdiskriminierenden Zugangs zu den Eisenbahnfahrwegen für alle Eisenbahnunternehmen "alle für die Wahrnehmung der Zugangsrechte benötigten Informationen" in den SNB zu veröffentlichen sind, wobei es nach Erwägungsgrund 17 RL auch wichtig ist, "den geschäftlichen Anforderungen ... der Antragsteller" Rechnung zu tragen.
51Im vorliegenden Verfahren kann allerdings letztlich offen bleiben, wo die Grenzen des Zugangsbegriffs i.S.d. Anlage 2 EIBV zu ziehen sind, weil die BNetzA aus Rechtspraktikabilitäts-Gründen einstweilen von der Auffassung des
52OVG NRW, Urteile vom 23.09.2010 - 13 A 172/10 -, S. 23 bis 27 des amtlichen Abdrucks und vom 17.06.2010 - 13 A 2557/09 -, S. 28 des amtlichen Abdrucks; Beschluss vom 02.03.2010 - 13 B 10/10 -, S. 4 bis 6 des amtlichen Abdrucks,
53ausgeht. Wäre danach § 14f Abs. 1 Satz 2 AEG mangels Vorliegens (materieller, dem speziellen Verfahren nach §§ 14d bis 14f AEG unterworfener und deshalb gemäß § 4 Abs. 6 Satz 1, Satz 2 Halbsatz 1 EIBV gegenüber jedem Antragsteller in gleicher Weise anzuwendender, für die Beteiligten verbindlicher) SNB ausgeschlossen, wäre jedenfalls § 14c Abs. 1 Satz 1 AEG einschlägig, den die BNetzA wegen des ihr mit dieser Vorschrift ebenso wie durch § 14f Abs. 1 Nr. 1 AEG eröffneten Ermessens ihrer Entscheidung ohne Änderung deren Bewertung als rechtmäßig oder rechtswidrig zugrundelegen konnte. Ist die Anwendbarkeit des § 14c Abs. 1 AEG sogar trotz in Rede stehender SNB, die im Falle ihrer Erstellung dem Regulierungsregime nach §§ 14d bis 14f AEG unterfallen, durch diese letztgenannten Vorschriften nicht ausgeschlossen,
54vgl. OVG NRW, Urteil vom 17.06.2010 - 13 A 2557/09 -, S. 46 ff. des amtlichen Abdruck; Beschluss vom 28.01.2008 - 13 B 2024/07 -, S. 8 f. des amtlichen Abdrucks,
55gälte das erst recht, wenn §§ 14d bis 14f AEG mangels materieller SNB im oben dargelegten Sinne nicht einschlägig sein sollten. In diesem Fall handelt es sich nämlich um AGB, die von § 4 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 2 EIBV voneinander unterschieden werden, gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 EIBV aber trotzdem in den SNB enthalten sein müssen. Die formelle Unterscheidung von SNB und sonstigen AGB ergibt sich daraus, dass nur bestimmte AGB öffentlich-rechtlich überformt sind. Solche materiellen SNB unterliegen gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 und 5 EIBV sowie §§ 14e und 14f AEG öffentlich-rechtlichen Bindungen und müssen gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 EIBV einen zwingenden Inhalt aufweisen. Deshalb betrifft die in Halbsatz 1 des § 4 Abs. 6 Satz 2 1 EIBV geregelte öffentlich-rechtliche Verbindlichkeit ausschließlich diese (materiellen) SNB, wohingegen der zweite Halbsatz dieser Vorschrift die nicht öffentlich-rechtlichen Bindungen unterworfenen (sonstigen) AGB, die aber gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 EIBV in den SNB enthalten sein müssen, von dieser öffentlich-rechtlichen Verbindlichkeit ausnimmt. Dies wird bestätigt durch die
56Begründung des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen zur Verordnung zum Erlass und zur Änderung eisenbahnrechtlicher Vorschriften vom 15.04.2005, BR-Drucks. 249/05, S. 38 zu dem so auch in Kraft getretenen § 4 Abs. 6 EIBV,
57wonach zwischen der verbindlichen Geltung der SNB und der sich nach allgemeinen (zivilrechtlichen) Regeln richtenden Geltung der (sonstigen) AGB unterschieden wird. Denn dort wird ausgeführt: "Durch Satz 2 wird die Verbindlichkeit der SNB angeordnet, da sonst ein geordnetes Verfahren nicht möglich wäre. Inwieweit die Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die in den Schienennetz-Benutzungsbedingungen enthalten sind, Vertragsbestandteil werden, richtet sich nach allgemeinen Regeln."
58Daraus folgt, dass die (sonstigen) AGB hinsichtlich der Aufstellung und Änderung in zeitlicher Hinsicht im Belieben eines Verwenders stehen. Das gilt grundsätzlich auch in inhaltlicher Hinsicht mit der Folge, dass AGB grundsätzlich allein der zivilgerichtlichen Inhaltskontrolle unterliegen, es sei denn, dass aus solchen AGB Verletzungen des Eisenbahnregulierungsrechts folgen. In einem solchen Fall ist die Kontrolle der BNetzA eröffnet und gegebenenfalls ihr Einschreiten möglich. Das ist etwa denkbar, soweit solche (sonstigen), eisenbahnregulierungsrechtlich nicht überformten AGB das Diskriminierungsverbot des § 14 Abs. 1 Satz 1 AEG und das in dieser Vorschrift zugleich enthaltene öffentlich-rechtliche subjektive Zugangsrecht,
59vgl. VG Köln, Urteil vom 04.12.2009 - 18 K 4918/07 -, S. 28 ff. des amtlichen Abdrucks,
60verletzen. Dem stünde auch nicht die Rechtsprechung des
61OVG NRW, Urteile vom 23.09.2010 - 13 A 172/10 -, S. 23 bis 27 des amtlichen Abdrucks und vom 17.06.2010 - 13 A 2557/09 -, S. 28 des amtlichen Abdrucks; Beschluss vom 02.03.2010 - 13 B 10/10 - s. 3 ff. des amtlichen Abdrucks,
62entgegen, weil es dort hinsichtlich der Frage, welche Inhalte in SNB aufzunehmen sind, offenbar von einem engen, auf das Zuweisungsverfahren abstellenden Zugangsbegriff ausgeht, damit aber nicht verneint, dass Regelungen in einem über das Zuweisungsverfahren hinausgehenden, weiteren Sinne auch dann zugangsrelevant sein können, wenn sie nach seiner Auffassung nicht in dem (engen) Sinne zugangsrelevant sind, dass solche Regelungen eines EIU in die von diesem nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EIBV aufzustellenden SNB aufzunehmen sind.
63Nach Auffassung der Kammer hat entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin das
64OVG NRW, Urteil vom 17.06.2010 - 13 A 2557/09 -, S. 25 f. des amtlichen Abdrucks; Beschluss vom 02.03.2010 - 13 B 10/10 -, S. 6 des amtlichen Abdrucks,
65auch nicht entschieden, dass Klauseln, die nicht SNB seien, keine AGB seien. Vielmehr hat es dort ausgeführt, dass Klauseln, die nicht zu den SNB zu rechnen seien, jedenfalls nicht AGB i.S.d. § 4 Abs. 2 Satz 1 EIBV seien.
66Eine Kontrolle auch von (nicht i.S.d. § 6 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 Halbsatz 1 EIBV materielle SNB darstellenden) AGB, die gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 EIBV gleichwohl in die (materiellen) SNB aufzunehmen sind, und selbst von AGB, die nach der obergerichtlichen Rechtsprechung jedenfalls nicht der Regelung des § 4 Abs. 2 Satz 1 EIBV unterfallen, wird weder durch das Allgemeine Eisenbahngesetz noch durch die Eisenbahninfrastruktur-Benutzungsverordnung ausgeschlossen. Im Gegenteil ergibt sich diese Möglichkeit nicht nur zwanglos aus § 14c Abs. 1 AEG, sondern auch aus den in § 1 Abs. 1 Satz 1 AEG niedergelegten regulierungsrechtlichen Zielen des Allgemeinen Eisenbahngesetzes, die zudem - zumindest in weiten Teilen - der o.g. europarechtlichen Richtlinie geschuldet sind. Dass nicht eisenbahnregulierungsrechtlich überformte AGB von einem EIU aufgestellt werden können, wird von eisenbahnregulierungsrechtlichen Vorschriften nicht ausgeschlossen, sondern vielmehr vorausgesetzt. § 14 Abs. 6 AEG verweist nämlich auf das materielle Zivilrecht. Solche nicht eisenbahnregulierungsrechtlich überformten AGB können danach nicht nur selbstverständlich außerhalb des von § 4 EIBV vorgegebenen Regimes geändert werden. Vielmehr sind solche Regelungen angesichts des bundesweit operierenden Unternehmens der Antragstellerin wirtschaftlich unverzichtbar, um die Öffnung der Schienenwege (insbesondere hinsichtlich der vielfältigen, detaillierten und umfangreichen Sicherheits- und Betriebs-Regelungen der ehemaligen Staatsbahn) überhaupt handhabbar zu machen. Verletzen solche AGB allerdings eisenbahnregulierungsrechtliche Vorschriften, insbesondere das in § 14 Abs. 1 Satz 1 AEG enthaltene Diskriminierungsverbot oder öffentlich-rechtliche Zugangsrecht, unterfallen auch sie der eisenbahnregulierungsrechtlichen Kontrolle und gegebenenfalls einer regulierungsbehördlichen Entscheidung.
67Die von der BNetzA ihrer angefochtenen Entscheidung tragend zugrundegelegte Annahme, die hier in Rede stehenden Ausnahmegenehmigungen und Folgeregelungen der Antragstellerin verletzten die regulierungsrechtlich beachtliche Norm des § 14 Abs. 6 AEG, trifft indes nicht zu, weshalb Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids der BNetzA bereits aus diesem Grund ermessensfehlerhaft ist und daher keinen Bestand haben kann. Entgegen der Auffassung der BNetzA ergibt sich aus § 14 Abs. 6 AEG aus den oben dargelegten Gründen nicht, dass Regelungen, die keine materiellen SNB i.S.d. § 4 Abs. 6 Satz 1 und Satz 2 Halbsatz 2 EIBV sind oder jedenfalls nicht von § 4 Abs. 2 Satz 1 EIBV erfasst werden, nur mittels individueller Vertragsvereinbarungen zwischen dem EIU und den Zugangsberechtigten, insbesondere den EVU, zum Gegenstand ihrer Verträge gemacht werden können, weil eine vertragliche Bindung i.S.d. § 14 Abs. 6 AEG auch dann entsteht, wenn AGB Vertragsinhalt geworden sind. So liegt der Fall hier.
68Durch Klausel 2.3.4 SNB und Klausel 8.4.2 Satz 1 ABN der Antragstellerin werden deren betrieblich-technische Regelwerke, zu denen die hier in Rede stehenden Ausnahmegenehmigungen samt Ergänzungsregelungen ergangen sind, in die vertraglich relevanten Regelungen, also in die AGB einbezogen, wobei es für den vorliegenden Rechtsstreit rechtlich unerheblich ist, ob diese betrieblich-technischen Regelwerke materielle SNB i.S.d. § 4 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 1 EIBV sind oder AGB, die gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 EIBV gleichwohl in den SNB enthalten sein müssen, oder gegebenenfalls sonstige AGB, die i.S.d. o.g. obergerichtlichen Rechtsprechung nicht von § 4 Abs. 2 Satz 1 EIBV erfasst werden.
69Ebenfalls offen bleiben kann, ob die Einbeziehung dieser betrieblich-technischen Regelwerke der Antragstellerin durch Satz 1 oder Sätze 4 und 5 der Klausel 2.3.4 SNB rechtlich zulässig in den SNB geregelt ist. Auch diese Sätze sind möglicherweise keine materiellen SNB, sondern nicht eisenbahnregulierungsrechtlich überformte AGB. Dass § 4 Abs. 2 Satz 1 EIBV regelt, welche Inhalte "mindestens" in den SNB enthalten sein müssen, bedeutet indes nicht, dass diese Vorschrift eine offene Aufzählung der Pflichtinhalte enthält.
70Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17.06.2010 - 13 A 2557/09 -, S. 26 f. des amtlichen Abdrucks; Beschluss vom 02.03.2010 - 13 B 10/10 -, S. 7 f. des amtlichen Abdrucks,
71Da nach Auffassung der Kammer § 4 Abs. 2 Satz 1 EIBV aber eben auch verlangt, dass (nicht eisenbahnrechtlich überformte) AGB in den SNB enthalten sein müssen,
72den Begriff der AGB i.S.d. § 4 Abs. 2 Satz 1 EIBV dagegen offenbar einschränkend: OVG NRW, Urteil vom 17.06.2010 - 13 A 2557/09 -, S. 25/26 des amtlichen Abdrucks; Beschluss vom 02.03.2010 - 13 B 10/10 -, S. 6 des amtlichen Abdrucks,
73können Sätze 1, 4 und 5 der Klausel 2.3.4 SNB auch als in den SNB enthaltene AGB i.S. nicht eisenbahnregulierungsrechtlich überformter AGB zu qualifizieren sein. Entweder ist eine dann anzunehmende lediglich fehlerhafte Bezeichnung i.S.d. Rechtsprechung des
74OVG NRW, Urteil vom 17.06.2010 - 13 A 2557/09 -, S. 27 f. des amtlichen Abdrucks,
75rechtlich nicht relevant oder führt eine bei gegenteiliger Ansicht,
76so VG Köln, Urteile vom 04.12.2009 - 18 K 4918/07 -, S. 25 f. des amtlichen Abdrucks, und vom 21.08.2009 - 18 K 2722/07 -, S. 32 des amtlichen Abdrucks,
77anzunehmende Rechtswidrigkeit hier deshalb nicht zur rechtlichen Unbeachtlichkeit dieser Teile der Klausel 2.3.4 SNB, weil die auf diese Klausel bezogenen Beanstandungen seitens der BNetzA aufgrund des Beschlusses des
78OVG NRW vom 02.03.2010 - 13 B 10/10 -,
79nicht sofort vollziehbar sind und mangels rechtskräftigen Abschlusses der diesbezüglichen, bei der Kammer anhängigen Klage zum Aktenzeichen 18 K 2771/10 derzeit nicht als unwirksam anzusehen sind. Letzeres gilt auch hinsichtlich der Klausel 8.4.2 Satz 1 AGB, die auf Klausel 2.3.4 SNB verweist.
80Legt man dagegen die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen zugrunde, wonach die Klausel 2.3.4 SNB womöglich als sonstige AGB, die nicht i.S.d. § 4 Abs. 2 Satz 1 EIBV in den SNB enthalten sein müssen, zu qualifizieren sind, kann offen bleiben, ob daraus deshalb zugleich die Rechtswidrigkeit der Klausel folgt, weil sie dennoch in den SNB der Antragstellerin enthalten ist. Denn auch im Fall der Rechtswidrigkeit gilt nach den obigen Ausführungen, dass die auf die Klausel 2.3.4 SNB bezogenen Beanstandungen seitens der BNetzA jedenfalls aufgrund des Beschlusses des
81OVG NRW vom 02.03.2010 - 13 B 10/10 -,
82weder sofort vollziehbar noch (mangels rechtskräftigen Abschlusses der diesbezüglichen, bei der Kammer anhängigen Klage zum Aktenzeichen 18 K 2771/10) unwirksam sind. Letzeres gilt wiederum auch für die Klausel 8.4.2 Satz 1 AGB, die auf Klausel 2.3.4 SNB verweist.
83Klausel 2.3.4 Satz 3 SNB bestimmt, dass sicherheitsrelevante Regelungen fortlaufend aktualisiert werden, wobei Verpflichtungen nach Maßgabe des Eisenbahnrechts und Entscheidungen des EBA nur jeweils als Beispiele für einen entsprechenden Anlass benannt werden, wie dem Wortlaut ("z.B." und "insbesondere") zu entnehmen ist. Dasselbe gilt auch für Klausel 2.3.4 SNB, obwohl dort das betrieblich-technische Regelwerk im Unterschied zum zuvor behandelten netzzugangsrelevanten Regelwerk geregelt wird. Denn dieser Bestimmung lässt sich - ungeachtet der rechtlichen Zulässigkeit - eine dynamische Verweisung entnehmen. Bezüglich Klausel 8.4.2 ABN gilt dasselbe, weil deren Satz 1 auf Klausel 2.3.4 SNB verweist.
84Entgegen der Auffassung der BNetzA folgt aus § 6 des Grundsatz-Infrastrukturvertrags, wonach Änderungen der Schriftform bedürfen, nichts anderes. Die gegebenenfalls, gemessen an der Netzfahrplanperiode, unterjährigen Änderungen des betrieblich-technischen Regelwerks seitens der Antragstellerin erfolgen in schriftlicher Form. Soweit sie nicht den SNB zuzurechnen sind, ist fraglich, ob aus § 4 Abs. 4 und 5 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 EIBV eine Bindung an Fristen erfolgt, wogegen allerdings sprechen könnte, dass diese Fristen gerade für (materielle) SNB gelten. Diese Frage stellt sich indes nicht im vorliegenden Verfahren. Eine weitere, vom Schriftformerfordernis aber ebenfalls unabhängige Frage ist, ob AGB auch unabhängig von solchen Fristen in rechtlich zulässiger Weise einer dynamischen Verweisung unterworfen werden können.
85Vgl. zur Problematik der dynamischen Verweisung von NBS: VG Köln, Urteil vom 10.09.2010 - 18 K 4250/07 -.
86Auch auf diese Frage kommt es hier aber nicht an, weil die der Ermessensentscheidung der BNetzA maßgeblich zugrunde liegende Annahme, die Änderungsgenehmigungen und Folgeregelungen der Antragstellerin seien nicht i.S.d. § 14 Abs. 6 AEG vereinbart, aus den bereits oben dargelegten Gründen nicht zutreffend ist.
87Ziffer 2 des angefochtenen Bescheids ist als Folgeregelung zu dessen Ziffer 1 aus den oben genannten Gründen ebenfalls ermessensfehlerhaft. Auf die Frage, ob die in Ziffer 2 getroffene Anordnung angesichts der bereits allein aufgrund der Konkretisierung der aus § 4 Abs. 1 Satz 1 AEG folgenden Pflichten mit der Folge einer womöglich erstmals festgeschriebenen Verantwortungsverteilung oder auch einer Haftungsverschiebung überhaupt geeignet ist, einer Haftungsverschiebung entgegenzuwirken, kommt es deshalb nicht an.
88Die Kostenentscheidung folgt aus den § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Dabei orientiert sich die Kammer an der Hälfte des in Hauptsacheverfahren anzusetzenden Streitwerts. Die Zwangsgeldandrohung bleibt entsprechend Ziffer 1.6.2 Satz 1 des so genannten Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 07./08.07.2004 außer Ansatz.
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