Beschluss vom Verwaltungsgericht Köln - 1 L 1125/13
Tenor
1.
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
2.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,00 € festgesetzt.
1
Gründe
2Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 1 K 4791/13 des Antragstellers gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 26.07.2013, in schriftlicher Form zugegangen am 31.07.2013, wiederherzustellen, hilfsweise die sofortige Vollziehung aufzuheben,
4hat keinen Erfolg.
5In formaler Hinsicht genügt die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung der angegriffenen Ordnungsverfügung den Maßstäben des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Der Antragsgegner hat einzelfallbezogen dargelegt, dass angesichts der Gefahren bzw. zu erwartenden Schäden, die mit einer weiteren Beschäftigung von Personen im Bereich der streitgegenständlichen Flächen verbunden sind, ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung bestehe.
6Die im Rahmen des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der angeordneten Maßnahmen und dem Interesse des Antragstellers, von der Vollziehung vorerst verschont zu bleiben, fällt zu Lasten des Antragstellers aus. Dabei ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass seine Anfechtungsklage voraussichtlich ohne Erfolg sein wird.
7Die getroffene Regelung findet ihre Rechtsgrundlage in § 22 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ArbSchG. Gemäß § 22 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ArbSchG kann die zuständige Behörde im Einzelfall anordnen, welche Maßnahmen der Arbeitgeber und die verantwortlichen Personen zur Abwehr einer besonderen Gefahr für Leben und Gesundheit der Beschäftigten zu treffen haben.
8Eine besondere Gefahr für Leben und Gesundheit der Beschäftigten besteht, wenn eine Sachlage gegeben ist, die zu einer tatsächlichen, wesentlichen Gesundheitsbeeinträchtigung der Beschäftigten führen kann. Je schwerwiegender die möglichen Folgen für Leben und Gesundheit der Beschäftigten sind, desto geringere Anforderungen sind an das Vorliegen der besonderen Gefahr zu stellen. Ein Verschulden des Arbeitgebers am Eintritt der Sachlage, die die Gefahr verursacht hat, ist nicht erforderlich,
9vgl. Kollmer in: Landmann-Rohmer, Kommentar zur Gewerbeordnung, § 22 ArbSchG Rdnr. 40.
10Eine besondere Gefahr für Leben und Gesundheit der Beschäftigten ist nach im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglicher und gebotener summarischer Prüfung vorliegend gegeben. Ausweislich des Geotechnischen Berichts des Geologischen Dienstes Nordrhein-Westfalen vom 15.01.2013 besteht aufgrund latenter Steinschlaggefahr ein hohes Risiko für die Bewirtschafter der in Rede stehenden Weinberge. Auf Seite 6 diese Berichtes wird dazu näher ausgeführt:
11„Die geotechnischen Untersuchungen haben ergeben, dass im Bereich unterhalb des T. sowohl im südlichen als auch im westlichen Bereich in Zukunft mit weiteren Stein- und Blockschlägen zu rechnen ist. Es besteht akute Stein- und Blockschlaggefahr.
12Die vom Absturz bedrohten Felspartien wurden vom GB E. ausführlich dokumentiert. Es ist davon auszugehen, dass aufgrund der schwierigen Zugänglichkeit des Geländes nicht alle Gefahrenbereiche erreicht und erkannt werden konnten, so dass noch weitere, in der Geotechnischen Beurteilung nicht erfasste, absturzgefährdete Gesteinspartien möglich sind.
13Steine bzw. Blöcke mit einem geschätzten Volumen von ca. 3 m3 und einem Gewicht in der Größenordnung von ca. 8 Tonnen können auch bis in den unteren Bereich der Weinberge und Weinbergwege stürzen.“
14Aufgrund dieser akuten Steinschlaggefahr besteht Gefahr für Leben und Gesundheit aller Personen, die sich in dem betroffenen Bereich aufhalten. Die in dem Gutachten vertretene Einschätzung einer akuten Gefahr wird nicht durch den Vortrag des Antragstellers entkräftet, die in den Stellungnahmen festgestellte akute Gefährdung werde nicht kritisch hinterfragt. Soweit der Antragsteller diesbezüglich ausführt, eine belegbare Wahrscheinlichkeit für einen in nächster Zeit bevorstehenden Felsschlag liege nicht vor, da größere Steinstürze bislang nur äußerst selten sowie erst nach Eintreten entsprechender Witterungsbedingungen aufgetreten seien, die letzten Fälle aus dem Jahr 2011 stammten und seit dem Zeitraum der Erstellung des Gutachtens im Mai bis Dezember 2012 kein weiterer Steinschlag dokumentiert sei, verkennt er die Voraussetzungen einer akuten Gefahrenlage. Es ist nicht Voraussetzung einer akuten Gefahr, dass diese sich in einem bestimmten Zeitraum auch realisiert, sondern dass sie sich jederzeit realisieren kann, hier mit Steinschlägen jederzeit zu rechnen ist. Angesichts der dadurch bestehenden Lebensgefahr für die Beschäftigten des Antragstellers sind zudem, wie ausgeführt, geringere Anforderungen an das Vorliegen der besonderen Gefahr, d. h. an die Wahrscheinlichkeit ihres Eintritts, zu stellen.
15Der Antragsgegner war daher zum Einschreiten befugt. Fehler bei der Ermessensausübung sind nicht ersichtlich, insbesondere ist die Anordnung des Beschäftigungsverbots verhältnismäßig. Das Beschäftigungsverbot ist geeignet, der Gefahr für die Beschäftigten aufgrund der Arbeit im Weinberg zu begegnen. Es ist auch erforderlich. Ein milderes Mittel ist nicht ersichtlich. Dabei ist zu beachten, dass das Beschäftigungsverbot bereits in der Verfügung auf den Zeitraum bis zur Umsetzung geeigneter, beschäftigte Personen wirksam vor Stein- und Blockschlag schützender, Sicherungsmaßnahmen beschränkt ist. Insofern obliegt es dem Antragsteller, der Antragsgegnerin geeignete Sicherheitsmaßnahmen wie das Aufstellen von Steinschlagschutzzäunen auf seinem Grundstück vorzuschlagen und diese auszuführen. Soweit der Antragsteller auf die Möglichkeit einer Helmpflicht verweist, stellt diese angesichts der Gefahr des Herabstürzens großer Steinblöcke mit einem Gewicht von ca. acht Tonnen ersichtlich keine geeignete Sicherungsmaßnahme dar. Auch zusätzliche Beobachtungsposten stellen ausweislich der Stellungnahme des Geologischen Dienstes vom 26.07.2013 kein geeignetes Mittel dar. Das Beschäftigungsverbot ist schließlich angesichts der bestehenden Lebensgefahr für die Beschäftigten bei einer Realisierung des Steinschlags auch unter Berücksichtigung der schwerwiegenden wirtschaftlichen Folgen für den Antragsteller angemessen. Auf das Setzen einer Frist i. S. d. § 22 Abs. 3 Satz 2 ArbSchG konnte der Antragsgegner wegen Gefahr in Verzugs verzichten.
16Die für den Fall der Nichtbefolgung der Verfügung auf den §§ 55, 57 Abs. 1 Nr. 2, 60 und 63 VwVG NRW beruhende Androhung eines Zwangsgelds ist vor diesem Hintergrund gleichfalls nicht zu beanstanden.
17Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
18Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG. Die Kammer hat den gesetzlichen Auffangstreitwert zum Ausgangspunkt genommen und den Betrag wegen des nur vorläufigen Charakters des Verfahrens auf die Hälfte reduziert.
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Referenzen
- VwGO § 80 1x
- VwGO § 154 1x
- ArbSchG § 22 Befugnisse der zuständigen Behörden 4x
- 1 K 4791/13 1x (nicht zugeordnet)