Urteil vom Verwaltungsgericht Köln - 7 K 3907/12
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand
2Der Kläger ist approbierter Apotheker und betrieb die I. -Apotheke in Bonn.
3Zwischen 1990 und 2004 trat der Kläger insgesamt 12 Mal strafrechtlich in Erscheinung. Unter anderem wurde der Kläger mit Urteil des Amtsgerichts Bonn vom 28.02.2000 in Verbindung mit dem Berufungsurteil des Landgerichts Bonn vom 05.06.2000 wegen Hausfriedensbruch in Tateinheit mit Sachbeschädigung und wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung, Bedrohung und versuchter Nötigung sowie wegen versuchter Anstiftung zur schweren Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Kläger seine damalige Freundin, die sich von ihm trennen wollte, am Morgen des 05.09.1999 in ihrer Wohnung aufsuchte. Der Kläger trat die Wohnungseingangstür bei seiner damaligen Freundin ein und brachte ihr gegenüber die Drohung zum Ausdruck „jetzt bringe ich Dich um“. Er schlug auf sie ein, nahm sie in den Schwitzkasten und drückte mit seinem Unterarm so gegen den Hals und dort gegen den Kehlkopfknorpel seiner damaligen Freundin, dass diese an Atemnot litt und fürchtete, bewusstlos zu werden. Dann riss er sie an den Haaren hoch und schleifte sie ins Badezimmer, wo er ihren Kopf so über das Toilettenbecken zog, dass sie mit Nase und Mund unter die Wasseroberfläche des Tiefspülbeckens geriet. Der Kläger zog die Spülung und riss den Kopf seiner damaligen Freundin mehrfach hoch und drückte ihn wieder ins Becken. Bei der Tat stand der Kläger unter Alkohol- und Drogeneinfluss. In der JVA Rheinbach, wo der Kläger in Untersuchungshaft saß, versuchte er um den 16.09.1999, einen Mithäftling dazu anzustiften, seine – die des Klägers – Freundin mit Salzsäure im Gesicht zu bespritzen, um sie zu entstellen, damit sie keinen Freund mehr finde. Dazu sollte der Mithäftling nach dem Plan des Klägers eine Spritze benutzen, weil man die Salzsäure dann besser und genauer verteilen könne. Die Spritze und die Salzsäure sollte sich der Mithäftling in einer anderen Apotheke besorgen. Für die Tat sollte er 1.000,00 DM erhalten.
4Unter dem 16.04.2010 beantragte der Kläger die Erteilung der Erlaubnis zum Betrieb der I. -Apotheke. Dies wurde seitens der Beklagten zunächst mit Blick auf die früheren Straftaten des Klägers abgelehnt, da ihm die erforderliche Zuverlässigkeit zum Betrieb einer Apotheke fehle. Die hiergegen erhobene Klage (7 K 5393/10) wurde durch Beschluss vom 14.12.2010 eingestellt, nachdem die Beklagte den ablehnenden Bescheid im Rahmen eines Erörterungstermins aufgehoben hatte.
5Der Kläger erhielt unter dem 25.02.2011 die Erlaubnis zum Betrieb der I. -Apotheke.
6Mit Urteil des Landgerichts Bonn vom 30.08.2011 (25 Ns 94/11) wurde der Kläger wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten ohne Bewährung verurteilt. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Kläger in der Nacht vom 12. auf den 13.08.2010 in einer Gaststätte, in der er zuvor abgewiesen worden war, zwei Gäste mit einer Phosphorsäure-Lösung bespritzt hat. Die Phosphorsäure-Lösung aus seinem Laborbedarf hatte er zuvor in drei Spritzen (zwei Spritzen zu je 5 ml und eine Spritze zu 10 ml) abgefüllt.
7Mit Bescheid vom 15.05.2012 nahm die Beklagte die dem Kläger erteilte Betriebserlaubnis mit sofortiger Wirkung zurück. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass ihr der strafrechtliche Sachverhalt, der zur Verurteilung durch das Landgericht Bonn geführt habe, bei der Erteilung der Betriebserlaubnis nicht bekannt gewesen sei. Aufgrund der strafrechtlichen Verfehlung sei der Kläger ungeeignet zur Leitung einer Apotheke. Indem der Kläger bewusst und zielgerichtet zwei Personen aus völlig nichtigem Anlass mit einer ätzenden Chemikalie besprühte und diese hierdurch zumindest vorübergehend gesundheitlich geschädigt habe, habe er eine Straftat von erheblicher Schwere begangen. Die Begehung einer derart schwerwiegenden Straftat sei geeignet, die Zuverlässigkeit i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 4 ApoG auch dann auszuschließen, wenn sie nicht in einem unmittelbaren beruflichen Zusammenhang stehe. Dies gelte umso mehr, wenn sich die betroffene Person schon in der Vergangenheit mehrfach strafbar gemacht habe und dabei insbesondere wegen einer anderen gefährlichen Körperverletzung bereits eine mehrjährige Haftstrafe verbüßen musste. Der strafrechtliche Vorfall stehe auch im Zusammenhang mit dem Betrieb der Apotheke. Konzentrierte Phosphorsäure müsse als Prüfmittel in der Apotheke vorhanden sein. Bei der Wahl des Gefahrstoffes Phosphorsäure für die Attacke habe der Kläger sein Fachwissen als Apotheker genutzt. Spritzen seien eine apothekenübliche Ware und außerhalb einer Apotheke zumindest zu der Tatzeit normalerweise nicht zu beschaffen. Bei der Begehung der gefährlichen Körperverletzung habe der Kläger also sein besonderes Fachwissen als Apotheker sowie die ihm im Rahmen des Betriebes seiner Apotheke zur Verfügung stehenden besonderen Sachmittel eingesetzt. Dem Kläger fehle deswegen die notwendige charakterliche Eignung, und darüber hinaus könne für die Zukunft die Begehung ähnlicher Straftaten nicht ausgeschlossen werden.Der Bescheid wurde dem Kläger per Zustellungsurkunde am 23.05.2012 zugestellt.
8Der Kläger hat hiergegen am 25.06.2012 – einem Montag – Klage erhoben, zu deren Begründung er im Wesentlichen Folgendes vorträgt: Der strafrechtliche Vorfall stehe nicht im Zusammenhang mit der Berufsausübung des Klägers als Apotheker, da er sich sowohl außerhalb der Apotheke als auch außerhalb der Dienstzeit im rein privaten Bereich zugetragen habe. Es handele sich nicht um eine Pflichtverletzung im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Apotheker. Vielmehr habe er seine Berufspflichten stets ordnungsgemäß und beanstandungsfrei erfüllt.Die verwendeten Spritzen stammten nicht aus der Apotheke des Klägers. Es habe sich auch nicht um konzentrierte Phosphorsäure gehandelt. Vielmehr sei die Flüssigkeit zuvor von dem Kläger stark verdünnt worden, indem er diese in die Toilettenschüssel geschüttet habe und lediglich die mit Wasser vermischte Flüssigkeit in die Spritzen aufgezogen habe. Zudem habe es sich bei der verspritzten Menge nur um eine äußerst geringe Menge gehandelt.Zu berücksichtigen sei auch, dass weitaus ätzendere oder reizendere Stoffe genauso außerhalb von Apotheken käuflich erhältlich seien, so z.B. Stoffe, welche in Reinigungsmitteln oder Haarfärbemitteln enthalten seien.Die von der Beklagten angestellte Prognose sei fehlerhaft. Die Beklagte habe darlegen müssen, weshalb sie aus den tatsächlichen Umständen des Vorfalls schließt, dass das Verhalten des Klägers nicht die Gewähr bietet, dieser werde in Zukunft die berufsspezifischen Vorschriften und Pflichten beachten.Auch dürften die Straftaten in der Vergangenheit nicht zur Begründung der Unzuverlässigkeit herangezogen werden. Nach einem entsprechenden Hinweis des Gerichts habe auch die Beklagte durch die Erteilung der Betriebserlaubnis zu erkennen gegeben, dass sich aus diesen Straftaten keine Unzuverlässigkeit ableiten lasse.
9Der Kläger beantragt,
10die Rücknahmeverfügung der Beklagten vom 18.05.2012 aufzuheben.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Sie tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen und trägt unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens im Verwaltungsverfahren im Wesentlichen Folgendes vor:Für die Frage der Unzuverlässigkeit sei keinesfalls zwingend ein Verstoß gegen spezifische Berufspflichten bzw. ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Straftat und der Berufsausübung erforderlich. Vielmehr könne auch ein rein außerberufliches Fehlverhalten durchaus negativ im Rahmen der Zuverlässigkeitsprüfung berücksichtigt werden. Dies ergebe sich schon aus dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 Nr. 4 ApoG, der in Bezug auf das Fehlen der Zuverlässigkeit ganz eindeutig zwischen allgemeinen strafrechtlichen und sittlichen Verfehlungen einerseits und berufsspezifischen Verfehlungen andererseits unterscheide. Bei dem Kläger sei ein allgemeiner Hang zur Rechtsverletzung bzw. eine besondere kriminelle Energie zu erkennen. Er sei bereits in der Vergangenheit in erheblicher Weise strafrechtlich in Erscheinung getreten. Eine besondere kriminelle Energie werde nicht zuletzt durch die Verurteilung aus dem Jahr 2000 verdeutlicht, bei der der Kläger zu 2 Jahren und 9 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden war.Im Übrigen weise die letzte Straftat des Klägers auch einen Zusammenhang zu seiner Berufsausübung auf, da der Kläger seinen erleichterten Zugang zu den Spritzen und der Phosphorsäure genutzt habe.Schließlich könne die damalige Einschätzung des Gerichts im Verfahren auf Erteilung der Betriebsgenehmigung auf das vorliegende Verfahren nicht übertragen werden. Weder dem Gericht noch der Beklagten sei damals die jüngste Straftat des Klägers bekannt gewesen.
14Bereits mit Bescheid vom 24.11.2011 hat die Bezirksregierung Köln die Approbation des Klägers als Apotheker widerrufen. Dem lag ebenfalls die Straftat vom 12./13.08.2010 zugrunde. Die gegen den Widerruf der Approbation erhobene Klage wird unter dem Aktenzeichen 7 K 7077/11 geführt.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
16Entscheidungsgründe
17Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 15.08.2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinem Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 5 VwGO.
18Die Rücknahme der Betriebserlaubnis findet ihre Grundlage in § 4 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 4 des Gesetzes über das Apothekenwesen (Apothekengesetz – ApoG). Nach § 4 Abs. 1 ApoG ist die Erlaubnis zurückzunehmen, wenn bei ihrer Erteilung eine der Voraussetzungen nach § 2 nicht vorgelegen hat. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 ApoG setzt die Erteilung der beantragten Erlaubnis voraus, dass der Antragsteller die für den Betrieb einer Apotheke erforderliche Zuverlässigkeit besitzt; dies ist nicht der Fall, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Antragstellers in bezug auf das Betreiben einer Apotheke dartun, insbesondere wenn strafrechtliche oder schwere sittliche Verfehlungen vorliegen, die ihn für die Leitung einer Apotheke ungeeignet erscheinen lassen, oder wenn er sich durch gröbliche oder beharrliche Zuwiderhandlung gegen dieses Gesetz, die auf Grund dieses Gesetzes erlassene Apothekenbetriebsordnung oder die für die Herstellung von Arzneimitteln und den Verkehr mit diesen erlassenen Rechtsvorschriften als unzuverlässig erwiesen hat.
19Bei der Ausfüllung des Begriffs der Unzuverlässigkeit ist zu beachten, dass der Widerruf der Betriebserlaubnis nicht nur eine Einschränkung der Berufsausübung darstellt, sondern es sich dabei um einen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Freiheit der Berufswahl handelt, der nur zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit statthaft ist. Denn die Freiheit der Berufswahl umfasst nicht nur die Entscheidung über den Eintritt in den Beruf, sondern auch die Entscheidung darüber, ob und wie lange der Beruf fortgesetzt werden soll.
20Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 02.03.1977 - 1 BvR 124/76 -, BVerfGE 44, 105, 117.
21Die Tätigkeit als selbständiger Apotheker hat eigenes soziales Gewicht gegenüber der des unselbständigen Apothekers, sodass die mit dem Entzug der Apothekenbetriebserlaubnis verbundene Verweisung auf den Beruf des unselbständigen Apothekers nicht lediglich eine auf der Ebene der Berufsausübungsregelung liegende Maßnahme ist.
22Vgl. VGH Mannheim, Beschluss vom 22.11.1991 - 9 S 2743/91 -, NVwZ-RR 1993, 19, unter Hinweis auf BVerfGE 7, 377, 398 f.
23Zur Beantwortung der Frage, ob ein Antragsteller zuverlässig ist, bedarf es einer Prognoseentscheidung. Diese Prognose beruht auf der Wertung eines in der Vergangenheit liegenden Verhaltens des Apothekers. Dieses Verhalten muss die auf die Art, Schwere und Zahl von Verstößen gegen Berufspflichten zu gründende Prognose rechtfertigen, der Apotheker biete aufgrund der begangenen Verfehlungen nicht die Gewähr, in Zukunft die berufsspezifischen Vorschriften und Pflichten zu beachten. Dabei sind die gesamte Persönlichkeit des Apothekers und seine Lebensumstände zu würdigen.
24Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 16.09.1997 - 3 C 12.95 -, Juris, Rz. 25.
25Die anzustellende Prognose muss nicht darauf beschränkt sein, ob die nach Art, Zahl und Schwere beachtlichen Verstöße gegen Berufspflichten in der Vergangenheit erwarten lassen, der Betreffende werde gleiche (oder zumindest ähnliche) Berufspflichten in der Zukunft schwerwiegend verletzen; vielmehr kann aus dem durch die Art, Schwere und Zahl der Verstöße gegen Berufspflichten manifest gewordenen Charakter des Apothekers auch die Befürchtung abzuleiten sein, es seien andere, aber ähnlich schwerwiegende Verstöße gegen Berufspflichten ernsthaft zu besorgen. Im Kern geht es bei solchen Prognosen nämlich oftmals darum, ob eine aus den begangenen Verstößen ableitbare Sorg- oder gar Bedenkenlosigkeit im Hinblick auf ausdrücklich gesetzlich normierte oder als selbstverständlich anzusehende Berufspflichten die begründete Befürchtung zulässt, ähnlich sorg- bzw. bedenkenlos werde der Betreffende auch zukünftig im Hinblick auf Berufspflichten verfahren.
26BVerwG, Urteil vom 26.09.2002 - 3 C 37/01 -, Juris, Rz. 22.
27Die Rücknahmevoraussetzungen nach den genannten Bestimmungen sind hier erfüllt, denn im Zeitpunkt der Erteilung der Apothekenbetriebserlaubnis, auf den nach der eindeutigen Formulierung des § 4 Abs. 1 ApoG abzustellen ist, lagen Tatsachen vor, die den Schluss auf die Unzuverlässigkeit des Klägers in Bezug auf das Betreiben einer Apotheke rechtfertigen, so dass ihm die Apothekenbetriebserlaubnis nicht hätte erteilt werden dürfen. Auch im Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung der Beklagten begegnete die Rücknahmeverfügung keinen Bedenken aus sonstigen Gründen, insbesondere erweist sie sich in diesem Zeitpunkt nicht als unverhältnismäßig.
28Das Gericht teilt die Auffassung der Beklagten, dass der Kläger im Zeitpunkt der Erteilung der Apothekenbetriebserlaubnis aufgrund seiner strafrechtlichen Verfehlung nicht die für den Betrieb einer Apotheke erforderliche Zuverlässigkeit besaß. Insoweit hat die Beklagte zu Recht ihre Rücknahmeentscheidung auf die Feststellungen des Landgerichts Bonn im Urteil vom 30.08.2011 gestützt, wonach der Kläger eine Phosphorsäure-Lösung aus seinem Laborbedarf zur Tatbegehung verwendet hat. Von der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Strafurteils geht auch das erkennende Gericht aus. In einem Verwaltungsrechtsstreit kann auf die Feststellungen des Strafgerichts zurückgegriffen werden, wenn nicht gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der strafgerichtlichen Tatsachenfeststellung gegeben sind.
29BVerwG, Beschluss vom 06.03.2003 - 3 B 10/03 -, Juris, Rz. 2.
30Indem der Kläger zwei Menschen mit einer Phosphorsäure-Lösung aus seinem Laborbedarf bespritzte, hat er eine strafrechtliche Verfehlung begangen, die ihn für die Leitung einer Apotheke ungeeignet erscheinen lässt. Durch die missbräuchliche Verwendung des für ihn als Laborbedarf verfügbaren Stoffes zur Begehung einer Straftat lässt der Kläger die persönliche Eignung zur Leitung einer Apotheke vermissen. Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass sich der Vorfall des Bespritzens mit der Phosphorsäure-Lösung im privaten Bereich ereignete. Dennoch ist ein Bezug zu den Berufspflichten eines Apothekenbetreibers gegeben. Denn der Kläger nutzte seine ihm durch den Betrieb der Apotheke eingeräumte Möglichkeit, jederzeit und ohne Hindernisse an das wesentliche Tatwerkzeug Phosphorsäure-Lösung zu gelangen. Hinzu kommt, dass er sein pharmazeutisches Fachwissen über die Wirkungen von Phosphorsäure-Lösung ausnutzte, weshalb er diese auch als wesentliches Tatwerkzeug auswählte. Ob die Spritzen, wie behauptet, tatsächlich nicht aus seiner Apotheke stammten, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Die besondere Gefährlichkeit des eingesetzten Tatwerkzeugs ergab sich aus der verwendeten Phosphorsäure-Lösung. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob der Kläger möglicherweise noch gefährlichere Stoffe auch außerhalb seiner Apotheke hätte beschaffen können. Weder verringert sich dadurch die objektive Gefährlichkeit des eingesetzten Tatmittels, noch wird dadurch der Bezug der Tatbegehung zum Betrieb einer Apotheke aufgehoben. Denn durch den Einsatz der Phosphorsäure-Lösung hat der Kläger gerade seinen ungehinderten und zu jeder Tag- und Nachtzeit möglichen Zugang zu gefährlichen Stoffen und Substanzen ausgenutzt.
31Durch diese Tatbegehung hat der Kläger auch gegen seine Pflichten als Apothekenbetreiber verstoßen. Nach § 1 Abs. 1 ApoG obliegt den Apotheken die im öffentlichen Interesse gebotene Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung. Zu diesem Zweck haben Apothekenbetreiber Zugriff auf eine Vielzahl von Stoffen und Substanzen mit unterschiedlicher Gefährlichkeit. Ihnen ist ein privilegierter Zugriff auf mitunter gefährliche Stoffe und Substanzen eingeräumt, den sie nur aufgrund ihrer beruflichen Stellung erhalten. Unbefugte sind vom Zugriff auf die in Apotheken vorgehaltenen Stoffe und Substanzen ausgeschlossen. Dies verdeutlicht die Vorschrift des § 4 der Verordnung über den Betrieb von Apotheken (Apothekenbetriebsordnung – ApBetrO), der Anforderungen an die Apothekenbetriebsräume formuliert. So sind beispielsweise nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ApBetrO Betriebsräume durch geeignete Maßnahmen gegen unbefugten Zutritt zu schützen. Mit dem Apothekern eingeräumten Zugriff auf die in Apotheken vorgehaltenen Stoffe und Substanzen korrespondiert ein besonderes Vertrauen der Allgemeinheit in den verantwortungsvollen Umgang mit diesen. Es stellt eine als selbstverständlich anzusehende Berufspflicht eines Apothekenbetreibers dar, die in seiner Apotheke vorgehaltenen Stoffe und Substanzen verantwortungsvoll und entsprechend ihrer pharmazeutischen Zweckbestimmung einzusetzen. Wird – wie hier – der einem Apothekenbetreiber eingeräumte Zugriff auf Phosphorsäure-Lösung aus seinem Laborbedarf dazu missbraucht, sich ein Tatwerkzeug für eine gefährliche Körperverletzung im Rahmen einer privaten Auseinandersetzung zu beschaffen, zerstört der Apotheker das ihm aufgrund der Erlaubnis zum Führen einer Apotheke entgegengebrachte Vertrauen. Durch den Einsatz eines Stoffes, der ihm im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit zur Verwendung für arzneibezogene Zwecke anvertraut worden ist, offenbart der Kläger ein hohes Maß an Verantwortungslosigkeit betreffend einen Kernbereich apothekenrechtlicher Verpflichtung, nämlich dem verantwortungsvollen und bestimmungsgemäßen Umgang mit gefährlichen Stoffen und Substanzen.
32Der Argumentation des Klägers, wonach die Tat keinen Bezug zu seiner beruflichen Tätigkeit aufwies, kann nach dem oben Gesagten nicht gefolgt werden. Im Gegenteil erweist es sich als besonders verantwortungslos, wenn sich der Kläger zur Begehung einer Tat im rein privaten Bereich eines Mittels zur Tatbegehung bedient, das ihm aufgrund seiner Stellung als Betreiber einer Apotheke zur Verfügung stand. Der Kläger hat sich bewusst seine Möglichkeiten als Apothekeninhaber zu Nutze gemacht, um im privaten Bereich eine Straftat zu begehen. Damit zeigt er, dass er bereit ist, seine durch die berufliche Tätigkeit eingeräumten „Vorteile“ des erleichterten Zugangs zu gefährlichen Stoffen und Substanzen im privaten Bereich missbräuchlich auszunutzen. Hierdurch überschreitet der Kläger die vorgeblich beachtete Trennlinie zwischen privatem und beruflichem Bereich.
33Bei Kenntnis dieser strafrechtlichen Verfehlung hätte dem Kläger bei der Erteilung der Betriebserlaubnis nicht bescheinigt werden können, die erforderliche Zuverlässigkeit für den Betrieb einer Apotheke zu besitzen. Die Art und Schwere des in der strafrechtlichen Verfehlung liegenden Verstoßes gegen die als selbstverständlich anzusehende Berufspflicht des verantwortungsvollen Umgangs mit gefährlichen Stoffen und Substanzen rechtfertigen die Prognose, der Kläger werde auch zukünftig ähnliche Berufspflichten als Apothekenbetreiber nicht beachten. Dabei kann hier offen bleiben, ob die Schlussfolgerung der Beklagten zutrifft, bei dem Kläger sei aufgrund seiner strafrechtlichen Historie ein Hang zur Straffälligkeit festzustellen. Denn jedenfalls lässt der Kläger die für einen Apothekenbetreiber als unerlässlich anzusehende Bereitschaft zum verantwortungsvollen Umgang mit den in seiner Apotheke vorgehaltenen Stoffen und Substanzen vermissen. Diese Feststellung manifestiert sich auch in der versuchten Anstiftung zur schweren Körperverletzung zum Nachteil der früheren Freundin des Klägers im September 1999. Soweit der Kläger damals versucht hat, einen Mithäftling zu einer Tatbegehung gegen die frühere Freundin mittels Spritze und Salzsäure anzustiften, kommt darin die Bereitschaft zum Ausdruck, gefährliche Stoffe entgegen ihrer eigentlichen Bestimmung zum Nachteil von Menschen einzusetzen. Auch die als Tatwerkzeug vorgesehene Salzsäure sollte sich der Mithäftling aus einer Apotheke besorgen. Vor diesem Hintergrund kommt die Kammer zu dem Schluss, dass einem Apotheker, der nicht davor zurückschreckt, in Apotheken vorgehaltene Gefahrstoffe zur vorsätzlichen Schädigung von Menschen einzusetzen bzw. versucht, andere zu einem solchen Einsatz zu veranlassen, die persönliche Eignung zum Betrieb einer Apotheke fehlt.
34Der Kläger kann auch nicht mit Erfolg einwenden, die bereits bei der Erteilung der Betriebserlaubnis bekannten Straftaten dürften nicht zur Beurteilung der Unzuverlässigkeit herangezogen werden. Ein solches Berücksichtigungsverbot ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass die Beklagte trotz Kenntnis der früheren Straftaten auf Hinweis des Gerichts die zunächst ablehnende Entscheidung aufgehoben und danach die Betriebserlaubnis erteilt hat. Denn weder der Beklagten noch dem Gericht war zum damaligen Zeitpunkt die Straftat vom 12./13.08.2010 bekannt, sondern sie gingen von einer ununterbrochenen Phase des Wohlverhaltens des Klägers aus. Es liegt auf der Hand, dass mit Bekanntwerden der jüngsten Straftat des Klägers eine erheblich veränderte Situation zur Beurteilung stand, bei der auch die strafrechtliche Vergangenheit des Klägers Berücksichtigung finden durfte. Denn nunmehr zeigte sich das Bild eines Apothekenbetreibers, der trotz der Verbüßung einer bereits mehrjährigen Haftstrafe erneut so strafrechtlich in Erscheinung tritt, dass hierauf wiederrum eine Haftstrafe zu verhängen war. Hinzu kommt, dass der Kläger durch seine letzte Tatbegehung die bereits in früheren Verurteilungen – insbesondere der Verurteilung anlässlich der gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil seiner früheren Freundin – zum Ausdruck gekommene Bereitschaft zur vorsätzlichen körperlichen Schädigung anderer Personen erneut bestätigt hat. Die Beklagte durfte deshalb zusätzlich auch die in der Vergangenheit liegenden strafrechtlichen Verfehlungen des Klägers miteinbeziehen.
35Die danach als objektiv rechtswidrig erkannte Betriebserlaubnis war gemäß § 4 Abs. 1 ApoG zwingend zurückzunehmen, ohne dass der Beklagten insoweit ein Ermessen zustand.
36Die Rücknahme der Betriebserlaubnis ist schließlich auch mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Die Maßnahme dient dem Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter, nämlich dem Schutz der Bevölkerung vor den Gefahren, die sich aus der missbräuchlichen Verwendung von Stoffen und Substanzen ergeben, zu denen ein Betreiber einer Apotheke erleichterten Zugang genießt. Sie entspricht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit: Ein milderes geeignetes Mittel, um den genannten Gefahren zu begegnen, steht nicht zur Verfügung. Die Kammer verkennt nicht, dass – in Kombination mit dem von der Bezirksregierung Köln ausgesprochenen Widerruf der Approbation als Apotheker – der Kläger in seiner beruflichen Existenz bedroht ist. Allerdings ist dies maßgeblich die Folge der Verknüpfung von Approbation und Apothekenbetriebserlaubnis, wie § 3 Nr. 3 ApoG zu entnehmen ist, wonach die Erlaubnis u.a. durch Widerruf der Approbation als Apotheker erlischt. Insoweit ist der Kläger auf den Anspruch auf Neuerteilung der Approbation bei Erfüllung der dortigen Voraussetzungen – insbesondere dem Wegfall der Unzuverlässigkeit und Unwürdigkeit – zu verweisen. Im Übrigen resultieren die mit der Rücknahme der Betriebserlaubnis verbundenen Konsequenzen letztlich aus dem persönlichen Fehlverhalten des Klägers.
37Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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