Urteil vom Verwaltungsgericht Köln - 7 K 7077/11
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand
2Der Kläger ist seit 1996 approbierter Apotheker und betrieb die I. -Apotheke in Bonn.
3Zwischen 1990 und 2004 trat der Kläger insgesamt 12 Mal strafrechtlich in Erscheinung. Unter anderem wurde der Kläger mit Urteil des Amtsgerichts Bonn vom 28.02.2000 in Verbindung mit dem Berufungsurteil des Landgerichts Bonn vom 05.06.2000 wegen Hausfriedensbruch in Tateinheit mit Sachbeschädigung und wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung, Bedrohung und versuchter Nötigung sowie wegen versuchter Anstiftung zur schweren Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Kläger seine damalige Freundin, die sich von ihm trennen wollte, am Morgen des 05.09.1999 in ihrer Wohnung aufsuchte. Der Kläger trat die Wohnungseingangstür bei seiner damaligen Freundin ein und brachte ihr gegenüber die Drohung zum Ausdruck „jetzt bringe ich Dich um“. Er schlug auf sie ein, nahm sie in den Schwitzkasten und drückte mit seinem Unterarm so gegen den Hals und dort gegen den Kehlkopfknorpel seiner damaligen Freundin, dass diese an Atemnot litt und fürchtete, bewusstlos zu werden. Dann riss er sie an den Haaren hoch und schleifte sie ins Badezimmer, wo er ihren Kopf so über das Toilettenbecken zog, dass sie mit Nase und Mund unter die Wasseroberfläche des Tiefspülbeckens geriet. Der Kläger zog die Spülung und riss den Kopf seiner damaligen Freundin mehrfach hoch und drückte ihn wieder ins Becken. Bei der Tat stand der Kläger unter Alkohol- und Drogeneinfluss. In der JVA Rheinbach, wo der Kläger in Untersuchungshaft saß, versuchte der Kläger um den 16.09.1999, einen Mithäftling dazu anzustiften, seine – die des Klägers – Freundin mit Salzsäure im Gesicht zu bespritzen, um sie zu entstellen, damit sie keinen Freund mehr finde. Dazu sollte der Mithäftling nach dem Plan des Klägers eine Spritze benutzen, weil man die Salzsäure dann besser und genauer verteilen könne. Die Spritze und die Salzsäure sollte sich der Mithäftling in einer anderen Apotheke besorgen. Für die Tat sollte er 1.000,00 DM erhalten.
4Mit Urteil des Landgerichts Bonn vom 30.08.2011 (25 Ns 94/11) wurde der Kläger wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten ohne Bewährung verurteilt. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Kläger in der Nacht vom 12. auf den 13.08.2010 in einer Gaststätte zwei Gäste mit einer Phosphorsäure-Lösung bespritzt hat. Die Phosphorsäure-Lösung aus seinem Laborbedarf hatte er zuvor in drei Spritzen (zwei Spritzen zu je 5 ml und eine Spritze zu 10 ml) abgefüllt.
5Mit Bescheid vom 24.11.2011 widerrief der Beklagte die Approbation des Klägers und forderte ihn auf, spätestens innerhalb von 14 Tagen nach Bestandskraft des Bescheides die Approbationsurkunde auszuhändigen. Für den Fall, dass Kläger die Approbationsurkunde nicht rechtzeitig übergebe, drohte der Beklagte ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000 Euro an. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass sich aus der durch das Landgericht Bonn abgeurteilten Straftat ergebe, dass der Kläger unzuverlässig und unwürdig zur Ausübung des Apothekerberufs sei. Der Kläger habe eine Tat begangen, die in einem engen Bezug zu seiner Tätigkeit als Apotheker stehe und eine schwere Verletzung seiner Berufspflichten darstelle. Ohne seine berufsbedingte Zugangsberechtigung wäre es ihm nicht leicht möglich gewesen, sich für die Tat kurz vor Mitternacht Spritzen und Phosphorsäure zu beschaffen. Der Kläger habe seine Zugangsberechtigung missbraucht und die Spritzen sowie die Phosphorsäure nicht bestimmungsgemäß und zum Schaden von Menschen verwendet. Dieses Fehlverhalten rechtfertige die Besorgnis, dass er seiner Berufspflicht – der Gesundheit des einzelnen Menschen zu dienen – auch in Zukunft nicht genügen werde, so dass das Merkmal der Unzuverlässigkeit als erfüllt anzusehen sei.Der Kläger sei auch als unwürdig zur Ausübung des Apothekerberufs anzusehen. Er sei mit dem zum Apothekerberuf gehörenden erleichterten Zugang zu Giften nicht verantwortungsvoll, sondern missbräuchlich umgegangen. Sein Verhalten könne nicht mit der Vorstellung in Einklang gebracht werden, die die Bevölkerung gemeinhin mit der Einschätzung der Apothekerpersönlichkeit verbinde. Die Medien hätten ausführlich über die Vorfälle am 13.08.2010 berichtet. In diesem Zusammenhang sei auch an frühere Straftaten des Klägers erinnert worden. Aufgrund dieser Fakten sei davon auszugehen, dass der Kläger in der Öffentlichkeit nicht mehr das Ansehen und Vertrauen genieße, welches für die Ausübung seines Berufes unabdingbar nötig sei. Sein Fehlverhalten sei nicht mit dem Berufsbild und den Vorstellungen vereinbar, die die Allgemeinheit von einem Apotheker habe.
6Der Kläger hat hiergegen am 23.12.2011 Klage erhoben, zu deren Begründung er im Wesentlichen Folgendes vorträgt: Der strafrechtliche Vorfall stehe nicht im Zusammenhang mit der Berufsausübung des Klägers als Apotheker, da er sich sowohl außerhalb der Apotheke als auch außerhalb der Dienstzeit im rein privaten Bereich zugetragen habe. Es handele sich nicht um eine Pflichtverletzung im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Apotheker. Vielmehr habe er seine Berufspflichten stets ordnungsgemäß und beanstandungsfrei erfüllt.Die Entscheidung verstoße auch gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Sie habe zur Folge, dass seine gesamte wirtschaftliche Existenz vernichtet werde. Der Beklagte hätte prüfen müssen, ob nicht ein geringerer Eingriff in das Berufsausübungsrecht des Klägers möglich gewesen wäre. Denkbar sei hierbei beispielsweise ein Widerruf der Betriebserlaubnis gewesen, so dass der Kläger zumindest noch die Möglichkeit gehabt hätte, als angestellter Apotheker tätig zu sein.
7Auch habe der Beklagte außer Acht gelassen, dass der Kläger seit Erhalt der Approbation im Jahre 1996, abgesehen von einer Unterbrechung seiner Tätigkeit von vier Jahren, bis zum heutigen Tage sowohl als angestellter als auch als selbständiger Apotheker tätig gewesen sei, ohne dass es zu irgendwelchen Beanstandungen im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit gekommen sei.
8Der Kläger beantragt,
9den Bescheid des Beklagten vom 24.11.2011 aufzuheben.
10Der Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Er tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen und trägt unter Wiederholung und Vertiefung seines Vorbringens im Verwaltungsverfahren im Wesentlichen Folgendes vor:Der Kläger habe gegen Berufspflichten verstoßen, indem er mit dem zum Apothekerberuf gehörenden erleichterten Zugang zu Giften nicht verantwortungsvoll, sondern missbräuchlich umgegangen sei. Außerdem diene ein Apotheker gemäß § 1 Satz 2 BApO der Gesundheit des einzelnen Menschen und des gesamten Volkes. Auch gegen diese Berufspflicht habe der Kläger verstoßen. Durch den Angriff mit einer ätzenden Flüssigkeit habe er gezeigt, dass er die Gesundheit von Menschen vorsätzlich zu schädigen bereit sei. Dies lasse die Prognose zu, dass er künftig seine Berufspflicht nicht im Sinne des § 1 BApO ausüben werde.Selbst ohne Bezug zu Berufspflichten sei der Kläger als unwürdig anzusehen. Denn von einem Apotheker erwarte man nicht nur eine sorgfältige Versorgung der Patienten mit Arzneimitteln, sondern auch eine sonst in jeder Hinsicht einwandfreie Berufsausübung. Sogar solche erheblichen Straftaten, die in keinem Zusammenhang mit der Tätigkeit als Apotheker stehen, führten zur Unwürdigkeit, sofern sie zu einem Ansehens- und Vertrauensverlust führen, der den Betroffenen für den Beruf als Apotheker untragbar erscheinen lasse. Dies sei bei einer vorsätzlichen Körperverletzung der Fall.
13Mit Bescheid vom 18.05.2012 nahm die Stadt Bonn die Erlaubnis des Klägers zum Betrieb der Apotheke zurück. Dem lag ebenfalls die Straftat vom 12./13.08.2010 zugrunde. Die gegen die Rücknahmeverfügung erhobene Klage wird unter dem Aktenzeichen 7 K 3907/12 geführt.
14Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
15Entscheidungsgründe
16Das Passivrubrum war entsprechend dem in Nordrhein-Westfalen geltenden Rechtsträgerprinzip dahingehend zu korrigieren, dass Beklagter nicht die handelnde Behörde, sondern deren Rechtsträger ist.
17Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 24.11.2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinem Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 5 VwGO.
18Der Widerruf der Approbation als Apotheker findet seine Grundlage in § 6 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Bundes-Apothekerordnung (BApO). Nach § 6 Abs. 2 BApO ist die Approbation zu widerrufen, wenn nachträglich eine der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BApO weggefallen ist. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BApO ist die Approbation zu erteilen, wenn der Antragsteller sich nicht eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des Apothekerberufes ergibt.
19Die Voraussetzungen für den Widerruf der Approbation als Apotheker sind im hier maßgeblichen Zeitpunkt der Behördenentscheidung,
20vgl. zum maßgeblichen Zeitpunkt Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 14.04.1998 - 3 B 95/97 -, Juris, Rz. 6, wonach der Widerruf der Approbation ein rechtsgestaltender Verwaltungsakt und kein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ist (zum Widerruf der ärztlichen Approbation),
21erfüllt, da der Kläger sowohl als unzuverlässig als auch als unwürdig zur Ausübung des Apothekerberufs anzusehen ist.
22Unzuverlässigkeit i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BApO liegt vor, wenn ein Apotheker nicht mehr die Gewähr für die ordnungsgemäße Ausübung seines Berufes bietet. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Apotheker werde entsprechend seinem bisherigen Verhalten auch in Zukunft die berufsspezifischen Vorschriften und Pflichten nicht beachten. Der Begriff der Unzuverlässigkeit wird damit – im Gegensatz zum Begriff der Unwürdigkeit – durch eine Zukunftsprognose charakterisiert, die auf der Basis des bisherigen Verhaltens des Apothekers zu treffen ist.
23Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (BayVGH), Urteil vom 15.02.2000 - 21 B 96.1637 -, Juris, Rz. 24.
24Dieses Verhalten muss die auf die Art, Schwere und Zahl von Verstößen gegen Berufspflichten zu gründende Prognose rechtfertigen, der Apotheker biete aufgrund der begangenen Verfehlungen nicht die Gewähr, in Zukunft die berufsspezifischen Vorschriften und Pflichten zu beachten. Dabei sind die gesamte Persönlichkeit des Apothekers und seine Lebensumstände zu würdigen.
25Vgl. BVerwG, Urteil vom 16.09.1997 - 3 C 12.95 -, Juris, Rz. 25.
26Die anzustellende Prognose muss nicht darauf beschränkt sein, ob die nach Art, Zahl und Schwere beachtlichen Verstöße gegen Berufspflichten in der Vergangenheit erwarten lassen, der Betreffende werde gleiche (oder zumindest ähnliche) Berufspflichten in der Zukunft schwerwiegend verletzen; vielmehr kann aus dem durch die Art, Schwere und Zahl der Verstöße gegen Berufspflichten manifest gewordenen Charakter des Apothekers auch die Befürchtung abzuleiten sein, es seien andere, aber ähnlich schwerwiegende Verstöße gegen Berufspflichten ernsthaft zu besorgen. Im Kern geht es bei solchen Prognosen nämlich oftmals darum, ob eine aus den begangenen Verstößen ableitbare Sorg- oder gar Bedenkenlosigkeit im Hinblick auf ausdrücklich gesetzlich normierte oder als selbstverständlich anzusehende Berufspflichten die begründete Befürchtung zulässt, ähnlich sorg- bzw. bedenkenlos werde der Betreffende auch zukünftig im Hinblick auf Berufspflichten verfahren.
27BVerwG, Urteil vom 26.09.2002 - 3 C 37/01 -, Juris, Rz. 22.
28Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
29Die Kammer teilt die Auffassung des Beklagten, dass der Kläger aufgrund seiner strafrechtlichen Verfehlung als unzuverlässig zur Ausübung des Apothekerberufs anzusehen ist. Insoweit hat der Beklagte zu Recht seine Widerrufsentscheidung auf die Feststellungen des Landgerichts Bonn im Urteil vom 30.08.2011 gestützt, wonach der Kläger eine Phosphorsäure-Lösung aus seinem Laborbedarf zur Tatbegehung verwendet hat. Von der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Strafurteils geht auch das erkennende Gericht aus. In einem Verwaltungsrechtsstreit kann auf die Feststellungen des Strafgerichts zurückgegriffen werden, wenn nicht gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der strafgerichtlichen Tatsachenfeststellung gegeben sind.
30BVerwG, Beschluss vom 06.03.2003 - 3 B 10/03 -, Juris, Rz. 2.
31Indem der Kläger zwei Menschen mit einer Phosphorsäure-Lösung aus seinem Laborbedarf bespritzte, hat er eine strafrechtliche Verfehlung begangen, die ihn für die weitere Berufsausübung ungeeignet erscheinen lässt. Durch die missbräuchliche Verwendung des für ihn als Laborbedarf verfügbaren Stoffes zur Begehung einer Straftat lässt der Kläger die persönliche Eignung zur Berufsausübung als Apotheker vermissen. Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass sich der Vorfall des Bespritzens mit der Phosphorsäure-Lösung im privaten Bereich ereignete. Dennoch ist ein Bezug zu den Berufspflichten eines Apothekers gegeben. Denn der Kläger nutzte seine ihm durch die Berufstätigkeit in einer Apotheke eingeräumte Möglichkeit, jederzeit und ohne Hindernisse an das wesentliche Tatwerkzeug Phosphorsäure-Lösung zu gelangen. Hinzu kommt, dass er sein pharmazeutisches Fachwissen über die Wirkungen von Phosphorsäure-Lösung ausnutzte, weshalb er diese auch als wesentliches Tatwerkzeug auswählte. Durch diese Tatbegehung hat der Kläger nicht nur gegen seine Pflichten als Apothekenbetreiber, sondern auch gegen eine allgemeine Berufspflicht der Apotheker verstoßen.
32Nach § 1 Satz 1 BApO ist der Apotheker berufen, die Bevölkerung ordnungsgemäß mit Arzneimitteln zu versorgen. Nach Satz 2 des § 1 BapO dient er damit der Gesundheit des einzelnen Menschen und des gesamten Volkes. Zu diesem Zweck haben Apotheker Zugriff auf eine Vielzahl von Stoffen und Substanzen mit unterschiedlicher Gefährlichkeit. Ihnen ist ein privilegierter Zugriff auf mitunter gefährliche Stoffe und Substanzen eingeräumt, den sie nur aufgrund ihrer beruflichen Stellung erhalten. Unbefugte sind vom Zugriff auf die in Apotheken vorgehaltenen Stoffe und Substanzen ausgeschlossen. Dies verdeutlicht die Vorschrift des § 4 der Verordnung über den Betrieb von Apotheken (Apothekenbetriebsordnung – ApBetrO), der Anforderungen an die Apothekenbetriebsräume formuliert. So sind beispielsweise nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ApBetrO Betriebsräume durch geeignete Maßnahmen gegen unbefugten Zutritt zu schützen. Mit dem Apothekern eingeräumten Zugriff auf die in Apotheken vorgehaltenen Stoffe und Substanzen korrespondiert ein besonderes Vertrauen der Allgemeinheit in den verantwortungsvollen Umgang mit diesen Stoffen und Substanzen. Es stellt eine als selbstverständlich anzusehende Berufspflicht sowohl eines Apothekenbetreibers als auch eines (angestellten) Apothekers dar, die in der Apotheke vorgehaltenen Stoffe und Substanzen verantwortungsvoll und entsprechend ihrer pharmazeutischen Zweckbestimmung einzusetzen. Wird – wie hier – der einem Apotheker eingeräumte Zugriff auf Phosphorsäure-Lösung aus seinem Laborbedarf dazu missbraucht, um sich ein Tatwerkzeug für eine gefährliche Körperverletzung im Rahmen einer privaten Auseinandersetzung zu beschaffen, zerstört der Apotheker das ihm durch die Erteilung der Approbation als Apotheker entgegengebrachte Vertrauen. Durch den Einsatz eines Stoffes, der ihm im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit zur Verwendung für arzneibezogene Zwecke anvertraut worden ist, offenbart der Kläger ein hohes Maß an Verantwortungs-losigkeit betreffend einen Kernbereich apothekenrechtlicher Verpflichtung, nämlich dem verantwortungsvollen und bestimmungsgemäßen Umgang mit gefährlichen Stoffen und Substanzen.
33Der Argumentation des Klägers, wonach die Tat keinen Bezug zu seiner beruflichen Tätigkeit aufwies, kann nach dem oben Gesagten nicht gefolgt werden. Im Gegenteil erweist es sich als besonders verantwortungslos, wenn sich der Kläger zur Begehung einer Tat im rein privaten Bereich eines Mittels zur Tatbegehung bedient, das ihm aufgrund seiner Stellung als Apotheker zur Verfügung stand. Der Kläger hat sich bewusst seine Möglichkeiten als Apotheker zu Nutze gemacht, um im privaten Bereich eine Straftat zu begehen. Damit zeigt er, dass er bereit ist, seine durch die berufliche Tätigkeit eingeräumten „Vorteile“ des erleichterten Zugangs zu gefährlichen Stoffen und Substanzen im privaten Bereich missbräuchlich auszunutzen. Hierdurch überschreitet der Kläger die vorgeblich beachtete Trennlinie zwischen privatem und beruflichem Bereich.
34Art und Schwere des in der strafrechtlichen Verfehlung liegenden Verstoßes gegen die als selbstverständlich anzusehende Berufspflicht des verantwortungsvollen Umgangs mit gefährlichen Stoffen und Substanzen rechtfertigen auch die Prognose, der Kläger werde zukünftig ähnliche Berufspflichten als Apotheker nicht beachten. Der Kläger lässt die für einen Apotheker als unerlässlich anzusehende Bereitschaft zum verantwortungsvollen Umgang mit den in der Apotheke vorgehaltenen Stoffen und Substanzen vermissen. Diese Feststellung manifestiert sich auch in der versuchten Anstiftung zur schweren Körperverletzung zum Nachteil der früheren Freundin des Klägers im September 1999. Soweit der Kläger damals versucht hat, einen Mithäftling zu einer Tatbegehung gegen die frühere Freundin mittels Spritze und Salzsäure anzustiften, kommt darin die Bereitschaft zum Ausdruck, gefährliche Stoffe entgegen ihrer eigentlichen Bestimmung zum Nachteil von Menschen einzusetzen. Auch die als Tatwerkzeug vorgesehene Salzsäure sollte sich der Mithäftling aus einer Apotheke besorgen. Vor diesem Hintergrund kommt die Kammer zu dem Schluss, dass einem Apotheker, der nicht davor zurückschreckt, in Apotheken vorgehaltene Gefahrstoffe zur vorsätzlichen Schädigung von Menschen einzusetzen bzw. versucht, andere zu einem solchen Einsatz zu veranlassen, die persönliche Zuverlässigkeit zur Ausübung des Apothekerberufs fehlt.
35Der Kläger ist auch als unwürdig zur Ausübung des Apothekerberufs anzusehen. Unwürdig ist ein Apotheker, wenn er wegen seines Verhaltens in der Vergangenheit nicht mehr das zur Ausübung seines Berufes erforderliche Ansehen und Vertrauen genießt und dadurch den Beruf schwer belastet. Das ihm zur Last fallende Fehlverhalten muss so schwerwiegend sein, dass bei Würdigung aller Umstände eine weitere Berufsausübung im maßgeblichen Zeitpunkt als untragbar erscheint.
36Ständige Rechtsprechung, vgl. BVerwG, Beschluss vom 09.01.1991 - 3 B 75/90 -, Juris, Rz. 3; BayVGH, Urteil vom 15.02.2000 - 21 B 96.1637 -, Juris, Rz. 24 m.w.N.
37Dabei ist es nicht erforderlich, dass ein Ansehensverlust des Apothekers in der Öffentlichkeit bereits konkret eingetreten ist. Vielmehr ist eine abstrakte Betrachtungsweise maßgeblich.
38Vgl. BayVGH, Beschluss vom 07.02.2002 - 21 ZS 01.2890 -, Juris, Rz. 12.
39Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Durch den Angriff mit der Phosphorsäure-Lösung auf zwei Menschen hat sich der Kläger einer erheblichen Verfehlung schuldig gemacht, die zu einem schweren Ansehens- und Vertrauensverlust führt. Von einem Apotheker, der in einem der Kernbereiche des Gesundheitswesens tätig ist, erwartet man wegen des besonderen Vertrauensverhältnisses, das zwischen ihm und vor allem den Patienten vorhanden sein muss, nicht nur eine sorgfältige und ordnungsgemäße, sondern eine auch sonst in jeder Hinsicht integre Berufsausübung.
40Vgl. BayVGH, Urteil vom 15.02.2000 - 21 B 96.1637 -, Juris, Rz. 24 m.w.N.
41Die Öffentlichkeit bringt Apothekern aufgrund ihrer beruflichen Ausbildung und Stellung ein besonderes Vertrauen entgegen, das der Kläger durch sein Fehlverhalten erheblich beschädigt hat. Aufgrund der möglicherweise schwerwiegenden Gesundheitsgefahren von Stoffen und Substanzen, auf die ein Apotheker infolge seines Berufes Zugriff hat, erwartet die Öffentlichkeit ohne Einschränkungen, dass ein mit den Gefahren dieser Stoffe und Substanzen besonders vertrauter Apotheker stets sorgfältig und gewissenhaft mit solchen Stoffen und Substanzen umgeht und die Gesundheit anderer nicht dadurch gefährdet, dass er diese Stoffe und Substanzen zur vorsätzlichen Schädigung von Menschen einsetzt. Diese Erwartung beinhaltet selbstverständlich, dass ein Apotheker die Zugriffmöglichkeiten auf gefährliche Stoffe und Substanzen ausschließlich zum Nutzen der Patienten einsetzt, und nicht für strafrechtliche Zwecke missbraucht. Tut er es – wie der Kläger – dennoch, führt dies zu einer ganz erheblichen Belastung des Ansehens des Apothekerberufs in der Öffentlichkeit. Dies gilt auch ungeachtet der im konkreten Fall erlittenen Verletzungen der Opfer. Denn die Tat als solche (Angriff mit einer ätzenden Flüssigkeit) ist als erheblich einzuschätzen, mit der Folge, dass das Ansehen des Klägers in der Öffentlichkeit schwerwiegend beschädigt ist. Auch wenn es eines bereits konkreten eingetreten Ansehensverlustes nicht bedarf, dürfte dieser hier festzustellen sein. Denn die Tat hat ein erhebliches mediales Interesse hervorgerufen. Zahlreiche Medien, insbesondere lokale Zeitungen, haben über den Vorfall berichtet. Mehrfach wurde in den Berichten auch auf die strafrechtliche Vergangenheit des Klägers Bezug genommen, insbesondere auf seinen in der Vergangenheit gehegten Plan, seine frühere Freundin durch einen Angriff mit Salzsäure entstellen zu lassen. In diesem Zusammenhang wurde in mehreren Artikeln auch über die gefährliche Körperverletzung zum Nachteil seiner früheren Freundin berichtet. Der Öffentlichkeit zeigte sich bei Kenntnis dieser Vorfälle das Bild eines Apothekers, der trotz der Verbüßung einer bereits mehrjährigen Haftstrafe erneut so strafrechtlich in Erscheinung tritt, dass hierauf wiederrum eine Haftstrafe zu verhängen war. Hinzu kommt, dass der Kläger durch seine letzte Tatbegehung die bereits in früheren Verurteilungen – insbesondere der Verurteilung anlässlich des genannten Gewaltdelikts zum Nachteil seiner früheren Freundin – zum Ausdruck gekommene Bereitschaft zur vorsätzlichen körperlichen Schädigung anderer Personen erneut bestätigt hat.
42Die jahrelange beanstandungsfreie Arbeit des Klägers als Apotheker vermag an dem oben festgestellten Befund nichts zu ändern. Zwar trifft es zu, dass der Zeitraum des beanstandungsfreien Führens einer Apotheke Auswirkungen auf die Frage haben kann, ob ein bestimmtes Verhalten eines Apothekers im Einzelfall seine Würdigkeit und Zuverlässigkeit berührt,
43vgl. BVerwG, Beschluss vom 04.08.1993 - 3 B 5/93 -, NVwZ-RR 1994, 388.
44Von großer Bedeutung bei der Bewertung des beanstandungsfreien Verhaltens des Apothekers im Vergleich zu dem ihm zur Last gelegten Fehlverhalten ist dabei das Ausmaß der Schuld und der Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit. Je entfernter der Zusammenhang mit der als solcher unbeanstandbar ausgeübten Tätigkeit als Apotheker ist, desto gewichtiger muss das Fehlverhalten sein, um zur Unwürdigkeit führen zu können und den Widerruf der Approbation zu rechtfertigen.
45Vgl. VG Regensburg, Urteil vom 15.09.2011 - RN 5 K 10.1701 -, Juris, Rz. 37.
46Vorliegend ist ein enger Bezug zur beruflichen Tätigkeit des Klägers zu erkennen. Indem der Kläger zur Tatbegehung auf ein Mittel zurückgriff, das in seiner Apotheke für arzneiliche Zwecke vorgehalten wird, ist ein solcher Bezug zur Tätigkeit als Apotheker nicht zu leugnen. Hinzu kommt, dass – wie bereits dargelegt – der verantwortungsvolle Umgang mit gefährlichen Stoffen und Substanzen zum Kernbereich der Apothekerpflichten gehört und ein diesbezüglicher Verstoß – zumal zum Nachteil von Menschen – besonders schwer wiegt.
47Die Approbation des danach als unzuverlässig und unwürdig für die Ausübung des Apothekerberufs anzusehenden Klägers war gemäß § 6 Abs. 2 BApO zwingend zurückzunehmen, ohne dass dem Beklagten insoweit ein Ermessen zustand.
48Der Widerruf der Approbation ist schließlich auch mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Die Maßnahme dient dem Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter, nämlich dem Schutz der Bevölkerung vor den Gefahren, die sich aus der missbräuchlichen Verwendung von Stoffen und Substanzen ergeben, zu denen ein Apotheker erleichterten Zugang genießt. Sie entspricht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit: Ein milderes geeignetes Mittel, um den genannten Gefahren zu begegnen, steht nicht zur Verfügung. Die Kammer verkennt nicht, dass durch den Widerruf der Approbation als Apotheker – und die im Parallelverfahren streitgegenständliche Rücknahme der Apothekenbetriebserlaubnis – der Kläger in seiner beruflichen Existenz bedroht ist. Dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wird jedoch durch die Möglichkeit Rechnung getragen, nach Abschluss des Widerrufsverfahrens einen Antrag auf Wiedererteilung der Approbation zu stellen. Zwar fehlt in der BApO eine dem § 8 BÄO entsprechende Vorschrift. Allerdings bedarf es einer solchen Vorschrift nicht, da dem Kläger durch den Widerruf der Approbation nicht zugleich das Recht entzogen worden ist, sich um den erneuten Erhalt der Approbation zu bemühen. Im Übrigen resultieren die mit der approbationsrechtlichen Maßnahme des Widerrufs der Approbation als Apotheker und der apothekenrechtlichen Rücknahme der Betriebserlaubnis verbundenen Konsequenzen letztlich aus dem persönlichen Fehlverhalten des Klägers.
49Die Verpflichtung zur Herausgabe der Urkunde beruht auf § 52 Satz 1 VwVfG NRW. Auch die darauf bezogene Zwangsgeldandrohung ist nicht zu beanstanden. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 63, 60 VwVG NRW.
50Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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