Urteil vom Verwaltungsgericht Köln - 3 K 5771/14
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens
1
T a t b e s t a n d
2Die Beteiligten streiten um die Rückzahlung überzahlter Bezüge.
3Die 1951 geborene Klägerin ist seit dem Jahr 1978 Beamtin auf Lebenszeit, seit Beginn des Schuljahres 2015/2016 ist sie pensioniert. Sie war als Grundschullehrerin tätig und als solche gem. § 4 der Verordnung zur Ausführung des § 5 Schulfinanzgesetz (im Folgenden: VO zu § 5 SchFG) in den Schuljahren 1997/1998 bis einschließlich 2001/2002 zur Leistung von Vorgriffsstunden verpflichtet. Dies schlug sich in ihren Bezügemitteilungen derart nieder, dass die Anzahl der Pflichtstunden in den betreffenden Schuljahren mit 28 statt 27 ausgewiesen waren.
4Das Verhältnis der tatsächlich geleisteten Stunden zu den Pflichtstunden hat bei der Klägerin aufgrund von Teilzeitbeschäftigung mehrfach gewechselt. Im Zeitraum von August 2002 bis Januar 2004 (nach Ableistung der Vorgriffsstunden) war die Klägerin in Teilzeit mit 25 von 27 Wochenstunden beschäftigt.
5Mit Wirkung zum Februar 2004 erfolgte eine allgemeine Erhöhung der wöchentlichen Pflichtstunden für Grundschullehrer_innen von 27 auf 28. Über diese Änderung informierte das Ministerium für Schule, Jugend und Kinder die Bezirksregierungen sowie das Landesamt für Besoldung und Versorgung mit Schreiben vom 06.10.2003. In dem Schriftstück wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Lehrer_innen mit längerfristiger Teilzeit sich entscheiden müssten, ob sie bei ihrer bisherigen Stundenzahl verbleiben wollten mit der Folge, dass sich ihre Bezüge verringerten, oder sie ihre Stundenzahl erhöhen wollten. Alle Lehrer_innen würden gebeten, sich bis zum 15.11.2003 für eine Variante zu entscheiden.
6Mit Rücksicht darauf beantragte die Klägerin mit am 22.10.2003 bei der Bezirksregierung Köln eingegangenem Formular die Verlängerung ihrer bestehenden Teilzeitbeschäftigung im Umfang von nunmehr 26 (statt zuvor 25) Wochenstunden. Mit Bescheid vom 28.10.2003 genehmigte die Bezirksregierung die beantragte Ermäßigung der Arbeitszeit. Als Beginn der Teilzeit war auf dem Bescheid der 05.09.2004 vermerkt, das Verhältnis der ermäßigten zur regelmäßigen Arbeitszeit war mit 26,00 zu 27,00 Wochenstunden angegeben.
7Im Zeitraum von Februar bis einschließlich August 2004 erhielt die Klägerin Bezüge für eine Teilzeittätigkeit mit einem Verhältnis von ermäßigter zu regelmäßiger Arbeitszeit von 25 zu 28 Wochenstunden, was auf den Bezügemitteilungen ausdrücklich vermerkt war. Im Monat Februar 2004 betrug die Teilzeitkürzung des Grundgehalts 351,56 Euro brutto. Mit Schreiben vom 05.02.2004 wandte sich die Klägerin daraufhin an das Landesamt für Besoldung und Versorgung und bat um Erledigung folgenden Anliegens: Bei der Bezügemitteilung 02/04 sei man von 25 zu 28 Wochenstunden ausgegangen, richtig seien jedoch 26 zu 28 Stunden, weil am 28.10.2003 eine Teilzeittätigkeit mit 26 Stunden bewilligt worden sei. Mit Schreiben vom 18.02.2004 erwiderte das Landesamt, dass die Erhöhung der Teilzeitbeschäftigung von der Bezirksregierung nunmehr mitgeteilt worden sei. Für die Bezüge April werde die Erhöhung rückwirkend ab 01.02.2004 berücksichtigt.
8In den Bezügemitteilungen von April bis August 2004 war weiterhin eine Arbeitszeit von 25/28 Wochenstunden angegeben.
9In der Bezügemitteilung für September 2004 erfolgte schließlich eine Änderung; der Zeitraum 01.09. bis 04.09.2004 mit einem ausgewiesenen Teilzeitverhältnis von 25/28 und der Zeitraum ab dem 05.09.2004 mit einem Teilzeitverhältnis von 26/27 (statt richtig: 26/28) wurden gesondert ausgewiesen und berechnet. Das Verhältnis von ermäßigter zu regelmäßiger Arbeitszeit in der Kopfzeile der Mitteilung war ebenfalls nunmehr mit 26 zu 27 Wochenstunden angegeben. Die Bezüge der Klägerin waren entsprechend höher; die Teilzeitkürzung war nunmehr für den Zeitraum ab 04.09.2004 mit monatlich nur noch 127,21 Euro ausgewiesen. Das Gesamtnettogehalt betrug 2.724,89 Euro und war damit etwa 125,- Euro höher als der Auszahlungsbetrag im Monat August 2004.
10Die Berechnung der Bezüge der Klägerin erfolgte bis einschließlich Februar 2013 auf der Grundlage einer Teilzeitbeschäftigung im Verhältnis 26 zu 27 Wochenstunden; eine Veränderung des Umfangs der Reduktion der Arbeitszeit erfolgte in diesem Zeitraum nicht mehr.
11In den Schuljahren 2008/2009 bis einschließlich 2012/2013 erfolgte die Rückgewähr der von der Klägerin geleisteten Vorgriffsstunden, ohne dass dies Auswirkungen auf den in den Bezügemitteilungen ausgewiesenen Umfang ihrer Teilzeittätigkeit oder die Höhe der Bezüge hatte. Es erfolgte (rein tatsächlich) eine Reduktion der Unterrichtsverpflichtung.
12Mit Bescheid vom 11.03.2013 forderte das Landesamt für Besoldung und Versorgung nach Anhörung der Klägerin Bezüge in einer Gesamthöhe von brutto 13.573,47 Euro zurück. Bei der Bearbeitung der Teilzeitänderung zum 05.09.2004 sei die Stundenzahl von 25/28 auf 26/27 Wochenstunden geändert worden. Tatsächlich seien aber Bezüge für 26/28 Wochenstunden zu zahlen gewesen. Über diese Änderung sei die Klägerin mit der Bezügemitteilung für den Monat September 2004 ausdrücklich informiert worden. Es sei aufgrund dessen eine Zuvielzahlung von Bezügen entstanden, die sich für den gesamten Zeitraum auf insgesamt 13.573,47 Euro brutto belaufe. In der Anhörung habe sich die Klägerin auf den Wegfall der Bereicherung berufen. Sie habe angegeben, davon ausgegangen zu sein, dass die Bezügezahlung in der richtigen Höhe erfolge. Klärung und Beachtung der Pflichtstundenanzahl falle ihrer Ansicht nach ausschließlich in den Verantwortungsbereich des Dienstherrn. Sie habe jährliche Mitteilungen über den Umfang ihrer Teilzeit erhalten, jedoch zu keinem Zeitpunkt eine Mitteilung, der die berücksichtigte Pflichtstundenanzahl zu entnehmen gewesen sei. Die Zuvielzahlung sei daher für die Klägerin nicht zu erkennen gewesen. Diese Einwände griffen nicht durch. Hätte die Klägerin ihre Bezügemitteilungen aufmerksam durchgelesen, so habe ihr auffallen müssen, dass sie ab September 2004 eine höhere Bezügezahlung aufgrund einer zu niedrigen Pflichtstundenanzahl erhalten habe. Aus der Bezügemitteilung für September 2004 gehe die erfolgte Umstellung der Teilzeit einschließlich der berücksichtigten Pflichtstundenanzahl eindeutig hervor. Die berücksichtigte Pflichtstundenanzahl sei darüber hinaus jeder monatlichen Bezügemitteilung seit 09/2004 zu entnehmen gewesen. Es seien keine besonderen Kenntnisse des Besoldungsrechts erforderlich, um zu erkennen, dass die Erhöhung der Stundenzahl von 25 auf 26 zwar zu Recht, die Absenkung der Pflichtstunden von 28 auf 27 aber zu Unrecht erfolgt sei. Sie habe erkennen müssen, dass ihr das zu viel gezahlte Geld nicht zugestanden habe, weswegen es nicht darauf ankomme, ob sie noch bereichert sei oder nicht. Von der Rückforderung könne daher weder ganz noch zum Teil abgesehen werden. Allerdings habe sich die Klägerin auf Verjährung berufen. Da die Verjährungsfrist drei Jahre betrage, verringere sich die Forderung um die Bezüge für die Zeit vom 05.09.2004 bis 31.12.2009 und betrage folglich nur noch 5.335,31 Euro.
13Die Klägerin ließ mit Schreiben vom 22.03.2013 Widerspruch gegen den Rückforderungsbescheid einlegen. Ihr habe nicht auffallen können, dass zwischen 09/2004 und 02/2013 zu hohe Bezüge gezahlt worden seien. Das Verhältnis zwischen tatsächlich geleisteten Stunden und Pflichtstunden habe vor dem streitigen Zeitraum allein fünf Mal gewechselt. Die Klägerin sei allein für die Richtigkeit der ermäßigten Wochenstunden verantwortlich, alles andere falle in den Verantwortungsbereich des Beklagten. Im Übrigen habe die Behörde die Möglichkeit, aus Billigkeitsgründen von der Rückforderung ganz oder teilweise abzusehen, worum gebeten werde. Dabei solle das Alter der Klägerin und die Dauer ihrer Tätigkeit im Schuldienst bzw. ihres Beamtenverhältnisses berücksichtigt werden. Es werde darüber hinaus die Einrede der Verwirkung erhoben. Wenn eine Behörde fast zehn Jahre lang jeden Monat zu viel Geld an eine Beamtin überweise und der Fehler erst nach solch einer langen Zeit auffalle, so seien die Rückforderungsansprüche auch für den noch nicht verjährten Zeitraum verwirkt.
14Mit Widerspruchsbescheid vom 18.09.2014, dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 30.09.2014 zugegangen, änderte der Beklagte den Grundbescheid insoweit ab, als nunmehr eine Ermäßigung des Rückforderungsbetrags um 30% vorgenommen wurde. Im Übrigen wies er den Widerspruch zurück. Der Rückforderungsbetrag belief sich damit noch auf 3.734,72 Euro. Es bleibe dabei, dass der Klägerin die Überzahlung habe auffallen müssen. Die Teilzeiterhöhung von 25 auf 26 Stunden sei seinerzeit nicht sofort umgesetzt worden, daher habe die Klägerin dies mit Schreiben vom 05.02.2004 angemahnt. Dabei habe sie selbst geschrieben, dass das richtige Verhältnis von ermäßigter zu regelmäßiger Arbeitszeit 26 zu 28 Stunden betragen müsse. Es sei ihr mithin durchaus bewusst gewesen, dass sich die wöchentlichen Pflichtstunden auf 28 belaufen hätten. Da sie mithin auch habe erkennen müssen, dass ihr das überzahlte Geld nicht zustehe, sei es ohne Bedeutung, ob sie entreichert sei. Im Rahmen der Billigkeitsentscheidung sei berücksichtigt worden, dass das Land durch eine fehlerhafte Bearbeitung der Bezüge die Überzahlung mit verursacht habe, weswegen auf einen Teil der Forderung verzichtet würde.
15Die Klägerin hat am 21.10.2014 Klage erhoben.
16Sie ist der Ansicht, sich auf die Entreicherung berufen zu können, weil sie nicht vorwerfbar davon ausgegangen sei, schon richtig vergütet worden zu sein. Ihr sei im Grunde bis heute nicht richtig klar geworden, welche Stunden im Einzelnen der Vergütung zu Grunde zu legen seien und welche nicht. Sie habe wegen der in ihrem Schreiben vom 05.02.2004 aufgeworfenen Frage mehrfach mit der eigenen Schulleitung und mit dem Landesamt für Besoldung und Vergütung Rücksprache gehalten, ohne dass ihr jemand eine nachvollziehbare Erklärung habe geben können. Auch das Antwortschreiben des Landesamtes vom 18.02.2004 sei aus sich heraus nicht verständlich. Versuche, insoweit eine Klärung herbeizuführen, hätten sowohl die Klägerin als auch der Schulleiter telefonisch unternommen. Stets habe es nur geheißen, alles habe seine Richtigkeit. Auch unter Berücksichtigung der Bezügemitteilung für September 2004 sei der Klägerin nicht erkennbar gewesen, dass sie zu viel Geld erhalten habe. Zwar sei der Auszahlungsbetrag leicht erhöht gewesen; dieser habe aber des Öfteren variiert. Auch sei die Arbeitszeit ab September mit 26/27 statt wie in den Vormonaten mit 25/28 angegeben gewesen, dies habe sich die Klägerin allerdings mit der Thematik Vorgriffsstunde erklärt. Das vom Beklagten zitierte Schreiben der Klägerin vom 05.02.2004, das vor dem Beginn der vermeintlichen Überzahlung abgefasst worden sei, entlaste die Klägerin, sei aber nicht geeignet, sie zu belasten.
17Die Klägerin beantragt,
18den Bescheid des Beklagten vom 11.03.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.09.2014 aufzuheben.
19Der Beklagte beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21Er ist der Ansicht, dass davon auszugehen sei, dass die Klägerin ihre regelmäßige Arbeitszeit kenne und auch Änderungen derselben bekannt seien. Dafür spreche auch das Schreiben vom 05.02.2004. Selbst wenn dies nicht der Fall gewesen sein sollte, müsse von einer Beamtin des gehobenen Dienstes erwartet werden können, dass sie ihre regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit kenne. Der Tatbestand der Verwirkung sei nicht erfüllt, weil die Klägerin davon ausgehen habe müssen, dass zu viel gezahlte Bezüge zurückgefordert würden.
22Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des beklagten Landes Bezug genommen.
23E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
24Die zulässige Klage ist unbegründet.
25Der Bescheid vom 11.03.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.09.2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
26Rechtsgrundlage für die Rückforderung der überzahlten Dienstbezüge ist § 12 Abs. 2 ÜBesG NRW, wonach sich die Rückforderung zu viel gezahlter Bezüge nach den Vorschriften des BGB über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung richtet. Die Klägerin hat im Zeitraum zwischen September 2004 und Februar 2013 Bezüge in Höhe von 13.573,47 Euro ohne Rechtsgrund erhalten (§ 812 Abs. 1 BGB), weil die Kürzung der Besoldung aufgrund ihrer Teilzeittätigkeit mit 26/27 Wochenstunden statt mit 26/28 Wochenstunden zu niedrig berechnet worden ist. Wegen der genauen Berechnung des Rückzahlungsbetrags wird auf die tabellarische Aufstellung des Landesamtes für Besoldung und Versorgung (Bl. 12, 27 der Verwaltungsvorgänge Bd. II) verwiesen, gegen deren Richtigkeit die Klägerin keine substantiierten Einwände erhoben hat. Solche sind auch ansonsten nicht ersichtlich.
27Die Klägerin kann sich auch nicht gem. § 818 Abs. 3 BGB auf den Wegfall der Bereicherung berufen, weil sie nach § 12 Abs. 2 Satz 2 ÜBesG NRW i.V.m. §§ 818 Abs. 4, 819 BGB verschärft haftet. Nach den zitierten Vorschriften kann sich derjenige nicht darauf berufen, entreichert zu sein, der den Mangel des rechtlichen Grundes der Leistung kannte. Dieser Kenntnis steht es nach § 12 Abs. 2 Satz 2 ÜBesG NRW gleich, wenn der Mangel so offensichtlich war, dass der Empfänger ihn hätte erkennen müssen.
28Der Mangel des rechtlichen Grundes einer Zahlung ist offensichtlich im Sinne des § 12 Abs. 2 Satz 2 ÜBesG NRW, wenn der Empfänger die Überzahlung nur deshalb nicht bemerkt hat, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht gelassen hat oder er den Fehler etwa durch Nachdenken oder logische Schlussfolgerung hätte erkennen müssen. Dem Beamten muss aufgrund seiner individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten auffallen, dass die ausgewiesenen Beträge nicht stimmen können. Nicht erforderlich ist es, dass die konkrete Höhe der Überzahlung offensichtlich ist. Zu den Sorgfaltspflichten des Beamten gehört es aufgrund seiner beamtenrechtlichen Treuepflicht auch, die Besoldungsmitteilungen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen und auf Überzahlungen zu achten. Das gilt insbesondere bei besoldungsrelevanten Änderungen im dienstlichen oder persönlichen Bereich. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts genügt es für die Annahme der Offensichtlichkeit allerdings nicht, wenn (nur) Zweifel bestehen und es einer Nachfrage bedarf.
29Vgl. zur identischen Regelung im BBesG BVerwG, Urteile vom 26. April 2012 - 2 C 4.11 -, juris, Rn. 10 f., und - 2 C 15.10 -, NVwZ-RR 2012, 930 = juris, Rn. 16 f., sowie vom 28. Februar 1985 - 2 C 31.82 -, NVwZ 1985, 907 = juris, Rn. 25 (erhöhte Sorgfaltspflicht bei Veränderung von Besoldungsmerkmalen, etwa dem Wegfall von Zulagen wegen Änderung der Verwendung des Beamten); ferner OVG NRW, Urteil vom 2. Mai 2013 - 1 A 2045/11 -, juris, Rn. 30 ff. = NRWE, m.w.N.
30Von jedem Beamten ist zu erwarten, dass er die Grundprinzipien des Beamtenrechts, sein eigenes statusrechtliches Amt nebst besoldungsrechtlicher Einstufung sowie die ihm zustehenden Besoldungsbestandteile wie Grundgehalt, Familienzuschlag und wohl auch die ihm zustehenden Zulagen kennt. Weitergehende Kenntnisse sind nur von juristisch vorgebildeten oder mit Besoldungsfragen befassten Beamten zu erwarten.
31Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. April 2004 - 2 A 5.03 -, Buchholz 240 § 12 BBesG Nr. 31 = juris, Rn. 15.
32Gemessen daran musste es der Klägerin auffallen, dass die Bezügemitteilungen ab dem Monat September 2004 bis Februar 2013 durchgehend fehlerhaft waren. Dort waren – unabhängig von der äußeren Gestaltung, die sich im Laufe der Jahre änderte – jeweils sowohl die wöchentlichen Pflichtstunden, also die regelmäßige Arbeitszeit, als auch die ermäßigte (tatsächliche) wöchentliche Stundenzahl vermerkt. Bei Lektüre der vermerkten Arbeitszeit hätte der Klägerin mithin auffallen müssen, dass zwar ihre tatsächliche Arbeitszeit ab September korrekt mit 26 Stunden angegeben war, jedoch die Pflichtstundenanzahl mit 27 fälschlicherweise zu niedrig. Die diesbezügliche Kontrolle der Bezügemitteilung war von der Klägerin auch deshalb zu erwarten, weil aufgrund ihres Antrags aus dem Jahr 2003 zum September 2004 die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 25 auf 26 Stunden erhöht worden war und sich die Höhe ihrer Bezüge aus diesem Grund ab September 2004 änderte. Zu diesem Zeitpunkt – September 2004 – war die Klägerin verpflichtet, die ordnungsgemäße Umsetzung der Änderung der von ihr beantragten Teilzeit zu kontrollieren. Dabei hätte ihr auffallen müssen, dass zwar die Erhöhung der Teilzeitbeschäftigung von 25 auf 26 Stunden korrekt umgesetzt, aber gleichzeitig eine Reduzierung der Pflichtstundenzahl von 28 auf 27 Stunden vorgenommen worden war. Nachdem ihr mit Wirkung vom Februar 2004 die allgemeine Erhöhung der Pflichtstundenzahl (auf 28) mitgeteilt und in den folgenden Bezügemitteilungen auch umgesetzt worden war, hätte die Klägerin diese nicht erklärliche Reduzierung bemerken können und müssen und war verpflichtet, dies dem Beklagten anzuzeigen.
33Es ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen die Fehler in sämtlichen Bezüge-mitteilungen ab September 2004 für die Klägerin gemessen an ihren individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten nicht ohne Weiteres erkennbar gewesen sein könnten. Es erschließt sich nicht, dass es einer Beamtin des gehobenen Dienstes, die ein Hochschulstudium und zwei Staatsexamina erfolgreich absolviert hat, nicht möglich gewesen sein soll, zu erkennen, dass die Pflichtstundenzahl auf ihren Bezügemitteilungen zu niedrig und in der Folge das Verhältnis der tatsächlichen zur regelmäßigen Arbeitszeit fehlerhaft war. Es bedarf weder besoldungsrechtlicher noch mathematischer Spezialkenntnisse für die Schlussfolgerung, dass der Bruch 26/27 einen höheren Wert als der Bruch 26/28 ergibt. Dass die Klägerin über entsprechende Fähigkeiten verfügt, hat sie zudem durch aktenkundiges Verhalten belegt. Nach Heraufsetzung der Pflichtstundenanzahl zum Februar 2004 monierte sie nämlich selbst in einem an das Landesamt für Besoldung und Versorgung gerichteten Schreiben, ihre Arbeitszeit sei mit 25 zu 28 Stunden zu niedrig angegeben, richtig seien 26 zu 28. Dabei dürfte sie zwar übersehen haben, dass die Erhöhung ihrer reduzierten Arbeitszeit von 25 auf 26 Stunden erst zum September 2004 bewilligt worden war. Jedenfalls lässt dieses Schreiben aber keinen Zweifel daran, dass die Klägerin durchaus in der Lage war, ihre Bezügemitteilung zu verstehen und insbesondere wusste, dass die Pflichtstundenanzahl ab Februar 2004 28 betrug.
34An diesem Ergebnis ändern auch die Einwände der Klägerin nichts. Die Behauptung, sie habe die korrekte Pflichtstundenanzahl nicht gekannt, ist bereits durch das erwähnte Schreiben widerlegt.
35Auch kann die Klägerin sich nicht erfolgreich darauf berufen, sie habe sich die Änderung der Pflichtstundenanzahl „mit der Thematik Vorgriffsstunde“ erklärt. Im Rahmen der Regelung über die sog. „Vorgriffsstunde“ erhöhte sich die Anzahl der wöchentlichen Pflichtstunden für Lehrer_innen, darunter auch die Klägerin, über einen gewissen Zeitraum um eine Stunde. Diese Mehrarbeit wurde dadurch ausgeglichen, dass die geleisteten Vorgriffsstunden später zurückgewährt wurden, sich die tatsächliche Arbeitszeit also verringerte. Die Klägerin kann sich aber deshalb nicht darauf berufen, sich die Pflichtstundenherabsetzung ab dem 05.09.2004 mit der Rückgewähr der Vorgriffsstunden erklärt zu haben, weil diese nach der gesetzlichen Regelung erst ab den Schuljahren 2008/2009 gewährt wurde. Sie hätte mithin allerspätestens zu Beginn dieses Schuljahres, als sich ihre Unterrichtsverpflichtung reduzierte, bemerken müssen, dass die bereits seit 2004 vermerkte verringerte Pflichtstundenanzahl auf ihren Bezügemitteilungen nicht stimmen konnte. Im Übrigen konnte die Rückgewähr der geleisteten Vorgriffsstunden nicht über die zuvor geleistete Mehrarbeit hinausgehen. Da die Klägerin aber lediglich in den Schuljahren 1997/1998 bis 2001/2002 zur Mehrarbeit verpflichtet gewesen war, musste ihr klar sein, dass daraus nicht eine Absenkung der Pflichtstundenanzahl über einen Zeitraum von mehr als neun Jahren folgen konnte.
36Auch der sinngemäße Einwand, bei Zweifeln oder Fragen zu den Bezügemitteilungen (vor Eintreten der Überzahlung) jeweils keine für sie befriedigende Antwort erhalten zu haben und mit der Versicherung, alles habe seine Richtigkeit, beschwichtigt worden zu sein, entbindet die Klägerin nicht von der Pflicht zur gewissenhaften Prüfung ihrer Bezügemitteilung. Dieser Einwand verfängt zudem um so weniger, als die Klägerin in den Situationen, in denen sie ihrer Meinung nach zu wenig Bezüge erhielt, nach ihrer eigenen Darstellung ihr Möglichstes unternahm, um eine Klärung herbeizuführen. Dann war im umgekehrten Fall aber von der Klägerin genauso zu erwarten und ihr zuzumuten, eine Erklärung für die Absenkung der Pflichtstundenzahl einzuholen.
37Schließlich entlastet die Klägerin auch nicht der Umstand, dass die Bezüge im Monat September 2004 „nur“ um etwa 125 Euro höher als in den Vormonaten gewesen seien und der Auszahlungsbetrag zudem ständig variiert habe. Die falsche Berechnung der Bezüge der Klägerin ging aus den Bezügemitteilungen eindeutig hervor. Auf die Höhe und „Spürbarkeit“ einer Auszahlungsdifferenz im Vergleich zu den Vormonaten kommt es mithin nicht an. Im Übrigen hätte eine dauerhafte Erhöhung der monatlichen Bezüge um 125 Euro auch bei schwankenden Auszahlungsbeträgen auffallen müssen.
38Schließlich ist es für das Erkennenmüssen des Mangels des rechtlichen Grundes rechtlich unerheblich, ob auch die Behörde ein Verschulden an der Überzahlung trifft; ein etwaiges Mitverschulden der Behörde kann vielmehr nur im Rahmen der Billigkeitsentscheidung von Bedeutung sein.
39So schon BVerwG, Urteile vom 25. November 1982 - 2 C 14.81 -, juris, Rn. 22, und vom 28. Juni 1990 - 6 C 41.88 -, juris, Rn. 20, jeweils m.w.N.
40Die danach bestehenden Rückforderungsansprüche für den Zeitraum von September 2004 bis Februar 2013 sind gem. §§ 195, 199 Abs. 1 BGB lediglich für den Zeitraum ab Januar 2010 noch nicht verjährt.
41Eine Verwirkung der noch nicht verjährten Forderung scheidet vorliegend schon deshalb aus, weil Voraussetzung dafür neben dem Verstreichen eines gewissen Zeitraums, in dem die Forderung nicht geltend gemacht wird, auch gewisse Umstände treten müssen, aus denen der Betroffene schließen durfte, dass die Behörde ihre Forderung nicht mehr geltend machen werde. Dass solche Umstände vorlägen, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich.
42Das beklagte Land hat schließlich auch die nach § 12 Abs. 2 Satz 3 ÜBesG NRW zu treffende Billigkeitsentscheidung ermessensfehlerfrei getroffen. Nach der Vorschrift kann von der Rückforderung aus Billigkeitsgründen mit Zustimmung der obersten Dienstbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle ganz oder teilweise abgesehen werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bezweckt eine Billigkeitsentscheidung nach dieser Vorschrift, eine allen Umständen des Einzelfalles gerecht werdende, für die Behörde zumutbare und für den Beamten tragbare Lösung zu ermöglichen, bei der auch Alter, Leistungsfähigkeit und sonstige Lebensverhältnisse des Herausgabepflichtigen eine maßgebende Rolle spielen. Sie ist Ausdruck des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben und stellt eine sinnvolle Ergänzung des ohnehin von dem gleichen Grundsatz geprägten Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung dar, sodass sie vor allem in Fällen der verschärften Haftung von Bedeutung ist. Dabei ist jedoch nicht die gesamte Rechtsbeziehung, aus welcher der Bereicherungsanspruch erwächst, nochmals unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben zu würdigen, sondern auf das konkrete Rückforderungsbegehren und vor allem auf die Modalitäten der Rückabwicklung und ihre Auswirkungen auf die Lebensumstände des Beamten abzustellen. Bei der Billigkeitsentscheidung ist von besonderer Bedeutung, wessen Verantwortungsbereich die Überzahlung zuzuordnen ist und in welchem Maße ein Verschulden oder Mitverschulden hierfür ursächlich war. Ein Mitverschulden der Behörde an der Überzahlung ist in die Ermessensentscheidung nach § 12 Abs. 2 Satz 3 ÜBesG NRW einzubeziehen.
43Vgl. BVerwG, Urteile vom 26.04.2012 - 2 C 4.11 -, juris, Rn. 18 f., und - 2 C 15.10 -, juris, Rn. 24 f., jeweils m.w.N.; OVG NRW, Beschluss vom 07.02.2013 - 1 A 305/12 -, juris, Rn. 6 sowie vom 02.05.2013 – 1 A 2045/11 -, juris, Rn. 50.
44Deshalb ist aus Gründen der Billigkeit in der Regel von der Rückforderung teilweise abzusehen, wenn der Grund für die Überzahlung in der überwiegenden behördlichen Verantwortung liegt. (Auch) in diesen Fällen ist der Beamte entreichert, kann sich aber, wie dargelegt, auf den Wegfall der Bereicherung nicht berufen. Dann muss sich die überwiegende behördliche Verantwortung für die Überzahlung aber in der Billigkeitsentscheidung niederschlagen. Das ist auch unter Gleichheitsgesichtspunkten geboten. Der Beamte, der nur einen untergeordneten Verursachungsbeitrag für die Überzahlung gesetzt hat, muss besser stehen als der Beamte, der die Überzahlung allein zu verantworten hat. Angesichts dessen erscheint ein Absehen von der Rückforderung in der Größenordnung von 30 Prozent des überzahlten Betrages im Regelfall als angemessen. Bei Hinzutreten weiterer Umstände, etwa besonderer wirtschaftlicher Probleme des Beamten, kann auch eine darüber hinausgehende Ermäßigung des Rückforderungsbetrages in Betracht kommen.
45Vgl. BVerwG, Urteile vom 26. April 2012 - 2 C 4.11 -, juris, Rn. 20, und - 2 C 15.10 -, a.a.O., juris, Rn. 26; OVG NRW, Beschluss vom 7. Februar 2013 - 1 A 305/12 -, juris, Rn. 6 sowie vom 02.05.2013 – 1 A 2045/11 -, juris, Rn. 51.
46In Anwendung dieser Grundsätze erweist sich die getroffene Billigkeitsentscheidung des Beklagten als ermessensfehlerfrei. Aufgrund der vorliegend festzustellenden überwiegenden Mitverursachung der Überzahlung durch die Behörde war es geboten, von der Rückforderung teilweise abzusehen. Die Ursache für die Überzahlung hat zunächst allein das Landesamt für Besoldung und Versorgung gesetzt, das bei der Umsetzung der Erhöhung der Teilzeittätigkeit der Klägerin rechtsgrundlos zugleich die Anzahl der Pflichtstunden nach unten setzte. Die Klägerin hat dazu nicht – namentlich nicht durch unrichtige Angaben – beigetragen. Sie hat erst im weiteren Verlauf, in dem sie die Überzahlung aufgrund einer Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße nicht bemerkt hat, einen Verursachungsbeitrag für die andauernden Überzahlungen geleistet. In dieser Konstellation erscheint das von der Behörde vorgenommene Absehen in der Größenordnung von 30 Prozent des überzahlten Betrages als angemessen, zumal der Klägerin darüber hinaus die Möglichkeit der Ratenzahlung eingeräumt wurde. Eine weitere Reduktion der Forderung erscheint hingegen angesichts der vorhandenen Leistungsfähigkeit bei einem Bruttogehalt der Klägerin im Zeitpunkt der Rückforderung von über 3.700 Euro und dem relativ geringen verbleibenden Zahlungsbetrag in Höhe von 3.734,72 Euro auch angesichts des Alters und der Dienstzeit der Klägerin nicht geboten.
47Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Referenzen
- § 12 Abs. 2 Satz 3 ÜBesG 1x (nicht zugeordnet)
- 28 auf 26/27 1x (nicht zugeordnet)
- 1 A 305/12 2x (nicht zugeordnet)
- 2004 und 02/20 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 195 Regelmäßige Verjährungsfrist 1x
- § 12 Abs. 2 Satz 2 ÜBesG 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 199 Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist und Verjährungshöchstfristen 1x
- BBesG § 12 Rückforderung von Bezügen 1x
- 1 A 2045/11 3x (nicht zugeordnet)
- 1998 bis 2001/20 1x (nicht zugeordnet)