Urteil vom Verwaltungsgericht Köln - 1 K 5646/16
Tenor
Die Klage wird auf Kosten der Klägerin abgewiesen.
1
Tatbestand
2im Dezember 2011 stellte die Klägerin für sich und die vertretungsberechtigten Herren E. und L. einen Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis gemäß § 34a GewO. Der Klägerin wurde die Erlaubnis am 16. Januar 2012 u.a. unter der Auflage erteilt, bei einem Wechsel des gesetzlichen Vertreters der Beklagten innerhalb von sechs Wochen näher bezeichnete Unterlagen vorzulegen und einen etwa Betriebsleiterwechsel sofort anzuzeigen. Am 20. Mai 2015 erfuhr die Beklagte, dass Herr Q. seit November 2014 zum Geschäftsführer der Klägerin bestellt worden war. Sie forderte am gleichen Tag dazu auf, näher bezeichnete Unterlagen bis zum 10. Juni 2015 vorzulegen, was nur teilweise geschah. Mit Schreiben vom 6. Juli 2015 forderte die Beklagte sechs weitere Auskünfte und Bescheinigungen, unter anderem eine Unbedenklichkeitsbescheinigung des zuständigen Kassen- und Steueramtes und eine Bestätigung über das Bestehen einer Betriebshaftpflichtversicherung für das Bewachungsgewerbe. Unter anderem diese Unterlagen lagen am 11. August 2015 noch nicht vor und wurden erneut angefordert.
3Am 16. September 2015 leitete die Beklagte ein Widerrufsverfahren gegen die Klägerin ein. Im Rahmen der Ermittlungen stellte die Beklagte fest, dass der Geschäftsführer der Klägerin zwischenzeitlich umgezogen war, ohne dies dem Finanzamt und der Beklagten anzuzeigen. Mit Schreiben vom 29. Februar 2016 hörte die Beklagte die Klägerin zum beabsichtigten Widerruf der Erlaubnis an und übersandte ihr den entsprechenden Entwurf einer Ordnungsverfügung. Das Schreiben wurde am 3. März 2016 von Mitarbeitern der Beklagten in den Briefkasten der Klägerin eingelegt, worüber ein Übergabeprotokoll aufgenommen wurde. In der Folgezeit erhielt die Beklagte eine Bescheinigung der Knappschaft Bahn-See-Minijobzentrale vom 7. März 2016, nach der die Klägerin ihren Zahlungsverpflichtungen regelmäßig nachgekommen sei und Rückstände bezüglich geringfügig Beschäftigter zurzeit nicht bestünden. Unter dem gleichen Datum bescheinigte die Allgemeine Ortskrankenkasse, dass die Klägerin ihren Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Krankenkasse ordnungsgemäß nachgekommen sei und Rückstände nicht bestünden. Das Finanzamt Köln-Süd hatte bereits am 3. Dezember 2015 bescheinigt, dass die bei ihm geführte Klägerin zurzeit keine fälligen Steuerrückstände habe. Steuerbeträge seien nicht gestundet, das Zahlungsverhalten sei überwiegend pünktlich und die Steuererklärungen der letzten zwei Jahre seien überwiegend pünktlich abgegeben worden. Ferner legte die Klägerin das Angebot eines Versicherungsträgers für eine Betriebshaftpflichtversicherung vor, in der Herr U. Q. als Versicherungsnehmer eingetragen ist. Dieses Angebot vom 9. September 2015 ist vom Kunden am 13. November 2015 unterzeichnet worden. Eine Nachfrage der Beklagten bei der Versicherung ergab, dass für Herrn Q. seit dem 1. Dezember 2015 eine gewerbliche Haftpflichtversicherung bestehe und die Versicherungsbeiträge in vollem Umfang beglichen würden. Die Industrie- und Handelskammer zu Köln teilte unter dem 29. März 2016 unter Bezugnahme auf § 35 Abs. 4 GewO der Beklagten mit, dass aus ihrer Sicht die Klägerin zur beanstandungsfreien Ausübung des Gewerbes nicht willens oder in der Lage sei. Sie unterstütze die beabsichtigte Gewerbeuntersagung. Für die Klägerin bestellte sich ihr Prozessbevollmächtigter, der trotz Aufforderung zur Sache nicht Stellung nahm.
4Mit Bescheid vom 20. Mai 2016 widerrief die Beklagte die mit Bescheid vom 16. Januar 2012 erteilte Erlaubnis zur Ausübung des Bewachungsgewerbes (Ziffer 1) und untersagte zugleich die Ausübung des Gewerbes „Betrieb eines Überwachungsunternehmens und die Erbringung von Sicherheitsdienstleistungen“ sowie jede weitere selbständige Gewerbeausübung sowie die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden und als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragte Person (Ziffer 2). Ferner forderte sie die Klägerin auf, den Betrieb des Bewachungsgewerbes innerhalb eines Monats nach Vollziehbarkeit der Verfügung einzustellen (Ziffer 3), die ihr ausgehändigte Erlaubnisurkunde innerhalb von zwei Wochen nach Vollziehbarkeit der Verfügung zurückzugeben (Ziffer 4) und drohte für den Fall, dass die Klägerin zu einem späteren Zeitpunkt eine von dieser Verfügung erfasste Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragte Person aufnehmen sollte, für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld i.H.v. 5.000 EUR an. Für den Fall der Fortsetzung des Betriebes entgegen Ziffer 3 drohte sie die Anwendung unmittelbaren Zwangs an (Ziffer 7), für den Fall der nicht Rückgabe der Erlaubnisurkunde ein Zwangsgeld i.H.v. 1.000 EUR (Ziffer 8).
5Die Klägerin hat gegen diese Verfügung am 28. Juni 2016 Klage erhoben und ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt (1 L 1488/16).
6Zur Begründung trägt sie vor, sich nach Kündigung des Haftpflichtversicherungsvertrages zum 1. Oktober 2015 am 12. November 2015 das Angebot einer anderen Versicherung, das zudem wesentlich günstiger gewesen sei, angenommen zu haben. Der Versicherungsvertrag sei zwar zunächst für die „Firma U. Q. “ ausgestellt worden, doch habe die Versicherung den Vertrag für die Klägerin fortgeführt und dies unter dem 1. August 2016 als „Änderung der Firmierung“ in Ihren Unterlagen vermerkt. Der Versicherungsschein vom gleichen Tage sei auf die Klägerin ausgestellt. Vertragsbeginn sei demnach der 1. Dezember 2015, Vertragsablauf der 1. Dezember 2018.
7Zahlungsrückstände gebe es nicht. Bei der Deutschen Rentenversicherung - Knappschaft – Bahn – See habe im Februar 2016 ein Guthaben über rund 700 EUR bestanden. Am 7. März 2016 habe die Knappschaft der Klägerin eine Unbedenklichkeitsbescheinigung für das Melde- und Beitragsverfahren erteilt. Im Februar 2016 habe sie ihre Beiträge bei der Industrie-und Handelskammer zu Köln beglichen. Das Finanzamt Köln-Süd habe am 3. Dezember 2015 bescheinigt, dass die Klägerin mit der Umsatzsteuer, der Körperschaftsteuer, der Lohnsteuer und der Gewerbesteuer geführt werde und keine fälligen Steuerrückstände bestünden und auch keine Steuerrückstände gestundet seien. Die IKK Classic habe der Klägerin im Februar 2016 infolge einer Neuberechnung ein Betrag von rund 1.080 EUR zurückerstattet. Unter dem zweiten 20. März 2016 habe sie zudem eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausgestellt. Die Forderung der Verwaltungs- Berufsgenossenschaft, bei der ein Rückstand von rund 2.450 EUR bestanden habe, sei zum 15. Januar 2016 ausgeglichen worden. Bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse S. bestünden ebenfalls keine Rückstände, wie sich aus der Unbedenklichkeitsbescheinigung vom 7. März 2016 ergebe. Aus diesen Gründen stütze sich die angefochtene Verfügung auf falsche bzw. überholte Angaben und sei daher rechtswidrig.
8Die Klägerin beantragt,
9den Bescheid der Beklagten vom 20.05.2016 aufzuheben.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Für die Klägerin habe seit dem 1. Oktober 2015 keine Berufshaftpflichtversicherung mehr bestanden. Der anschließende Vertrag bei der Nürnberger Allgemeine Versicherungs-AG vom 15. März 2016 sei für Herrn U. Q. geschlossen worden, während für die Klägerin keine Haftpflichtversicherung bestanden habe. Ferner komme die Klägerin ihren Zahlungs- und Erklärungspflichten nicht hinreichend nach. Entgegen des Vortrags der Klägerin bestünden weiterhin Forderungen der Industrie-und Handelskammer, der Stadt Köln sowie der Verwaltung-Berufsgenossenschaft, die nicht beglichen seien. Bei der Knappschaft und der IKK Classic bestünden zumindest erneute Rückstände, obwohl beide Stellen zuvor Unbedenklichkeitsbescheinigungen ausgestellt hätten. Dies verdeutliche, dass die Klägerin nicht willens oder in der Lage sei, ihren Zahlungsverpflichtungen ordnungsgemäß und regelmäßig nachzukommen.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
14Entscheidungsgründe
15Über die Klage kann der Berichterstatter nach § 6 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) als Einzelrichter entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat.
16Der angefochtene Bescheid vom 20.05.2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
17Der Widerruf der Erlaubnis zur Ausübung des Bewachungsgewerbes konnte auf § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG i.V.m. § 34a Abs. 1 GewO gestützt werden. Hiernach darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden, wenn die Behörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift sind erfüllt. Zweifel an der Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Erlaubnis sind nicht erkennbar oder vorgetragen. Nachträglich, also nach Erteilung der Erlaubnis mit Bescheid vom 16.01.2012 eingetretene Tatsachen im Sinne von § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG liegen vor, weil die Beklagte im Zeitpunkt des Widerrufs die Erlaubnis nach § 34a Abs. 1 GewO nicht (mehr) hätte erteilen dürfen. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GewO i.V.m. § 34a Abs. 2 und § 6 BewachV ist die Erlaubnis zu versagen, wenn der Antragsteller den Nachweis einer Berufshaftpflichtversicherung nicht erbringen kann. Nach § 6 BewachV ist der Gewerbetreibende verpflichtet, für sich und die in seinem Gewerbebetrieb beschäftigten Personen zur Deckung der Schäden, die den Auftraggebern oder Dritten bei der Durchführung des Bewachungsvertrages entstehen, eine Haftpflichtversicherung nach näherer Maßgabe der Bewachungsverordnung abzuschließen und insbesondere auch aufrecht zu erhalten. Demnach ist für die Erlangung der Erlaubnis und für deren Fortbestand zwingend erforderlich, dass eine entsprechende Versicherung abgeschlossen und lückenlos aufrechterhalten wird.
18Diese Voraussetzungen liegen für die Klägerin nicht vor, weil die ursprünglich bestehende Haftpflichtversicherung wegen Nichtzahlung der Beiträge zum 1. Oktober 2015 gekündigt worden ist. Die Klägerin hatte ihre Beiträge für den Zeitraum ab dem 1. April 2015 bis zum 1. Oktober 2015 trotz eines gerichtlichen Mahnverfahrens nicht bezahlt, und auch der Folgebeitrag für den Zeitraum vom 1. Oktober 2015 bis zum 1. Oktober 2016 wurde nicht entrichtet. Einen Nachweis über eine anderweitige Haftpflichtversicherung hat die Klägerin bis zum Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung nicht erbracht. Die Klägerin hat im Verwaltungsverfahren Unterlagen für eine neu abzuschließende Betriebshaftpflichtversicherung bei einer anderen Gesellschaft vom 9. September 2015 vorgelegt, und mit Wirkung ab dem 1. Dezember 2015 bestand tatsächlich eine gewerbliche Haftpflichtversicherung für Herrn U. Q. , nicht aber für die Klägerin. Unbeschadet der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren aufgeworfenen Frage, ob diese Versicherung entsprechend der Ansicht der Beklagten alle relevanten Schadensfälle abdeckt, besteht jedenfalls für den Zeitraum bis zum 1. August 2016 aufgrund dieses Vertrages keine Haftpflichtversicherung für die Klägerin. Denn erst ab diesem Zeitpunkt gilt diese Versicherung nach Änderung des Vertrages ausdrücklich für die Klägerin, und es wurde unter dem gleichen Datum ein entsprechender Versicherungsschein ausgestellt.
19Dass die Klägerin zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über eine erforderliche Berufshaftpflichtversicherung verfügt, macht die Entscheidung über den Widerruf der Erlaubnis nicht rechtswidrig. Maßgeblich ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung, wenn also die Behörde zum Widerruf berechtigende oder sogar dazu verpflichtende Tatsachen feststellt und entsprechende Ermessenserwägungen anzustellen hat. Im Rahmen eines einstweiligen bzw. vorläufigen Rechtsschutzverfahrens erfordert das aus Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip folgende Gebot, im Rahmen dieses Verfahrens auch nach dem Erlass der angefochtenen Ordnungsverfügung eingetretene Umstände möglicherweise zu berücksichtigen. Derartige, nach Abschluss des behördlichen Untersagungsverfahrens eintretende Veränderungen können aber grundsätzlich nur im Rahmen eines erneuten Erlaubnisverfahrens Berücksichtigung finden.
20Vgl. zum Widerruf der Erlaubnis für die Tätigkeit als Finanzanlagenvermittler nach § 34f GewO: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 24. Juni 2016 – 4 B 1339/15 –, Rn. 17, juris.
21Die weitere Frage, ob die Klägerin darüber hinaus als unzuverlässig zu bewerten ist, weil sie ihren öffentlich-rechtlichen Erklärungs- und Zahlungspflichten nur unzureichend nachgekommen ist, kann in diesem Zusammenhang offen bleiben. Zweifel bestehen insoweit, als die Beklagte im Anschluss an die Anhörung verschiedene Dokumente erhalten hat, die Anlass zur erneuten Prüfung gegeben haben, ob die Klägerin tatsächlich in einem erheblichen und rechtlich relevanten Umfang Rückstände aufgebaut hat. Die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft hatte zuletzt Rückstände i.H.v. 3.065,63 EUR gemeldet, bescheinigte der Klägerin jedoch am 7. März 2016, dass diese ihren Zahlungspflichten regelmäßig nachgekommen sei. Nachdem zuletzt Rückstände in Höhe von rund 10.000 EUR ermittelt worden waren (Bl. 190 Verwaltungsvorgang) und diese Ergebnisse in der angefochtenen Verfügung benannt und rechtlich Berücksichtigung gefunden haben, hat die Beklagte zu Beginn des Monats Juli 2016 – zutreffend – nur noch Rückstände in Höhe von rund 4.500 EUR ermitteln können (Bl. 275 Verwaltungsvorgang), wegen der Beiträge zur Knappschaft nur aufgrund einer unterbliebenen Beitragszahlung im Jahr 2016 in Höhe von 455,76 EUR.
22Auf Grund dieser nachträglich eingetretenen Tatsachen – des Fehlens einer Haftpflichtversicherung – wäre die Behörde berechtigt und verpflichtet, der Klägerin die Erlaubnis zur Ausübung des Bewachungsgewerbes zu versagen, da sie die für diesen Gewerbebetrieb zwingend erforderlichen Voraussetzungen nicht (mehr) erfüllt.
23Für den Widerruf einer Gewerbeerlaubnis nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG genügt nicht, dass er im öffentlichen Interesse liegt, sondern der Widerruf muss zur Abwehr einer Gefährdung des öffentlichen Interesses, also zur Beseitigung oder Verhinderung eines sonst drohenden Schadens für wichtige Gemeinschaftsgüter geboten sein. Ein solches Gut ist - wie sich insbesondere aus § 6 BewachV ergibt – das Fernhalten unversicherter Bewachungsunternehmen vom Markt. Dies dient vornehmlich dem Schutz vor wirtschaftlichen Schäden, die gerade auf diesem Tätigkeitsfeld erhebliche Größenordnungen erreichen können. Die konkrete Gefährdung liegt darin, dass die Ausübung des Gewerbes dem Vertragspartner oder Dritten erhebliche Schäden zufügen kann und sich potentielle Geschädigte im Falle eines Körper- oder Vermögensschadens wegen ihrer Ersatzansprüche nach Beendigung der Nachhaftung gemäß § 117 Abs. 2 VVG nur an die Klägerin halten können.
24Ob die Versicherungspflicht durch eine entsprechende Kapitalausstattung des Unternehmens ersetzt werden kann, bedarf keiner Entscheidung, da die Klägerin ein entsprechendes Vermögen nicht vorgetragen hat und nichts dafür spricht, dass sie darüber verfügt.
25Liegt damit der zwingende Versicherungsschutz, der während der gesamten Gültigkeitsdauer der Erlaubnis ununterbrochen aufrechterhalten werden muss, nicht vor und droht damit ein Schaden für wichtige Gemeinschaftsgüter, so ist das durch § 49 Abs. 2 VwVfG NRW eingeräumte Ermessen ("darf") dahingehend verdichtet, dass die Behörde ohne weiteres zum Widerruf der Erlaubnis berechtigt ist.
26Die innerhalb der Widerrufsfrist des § 48 Abs. 4, § 49 Abs. 2 Satz 2 VwVfG NRW ergangene Widerrufsentscheidung leidet auch nicht an Ermessensfehlern. Die Antragsgegnerin hat das ihr eröffnete Ermessen gesehen und dem öffentlichen Interesse an dem Bestehen einer Berufshaftpflichtversicherung den Vorrang gegeben.
27Die Gewerbeuntersagung nach Ziffer 2) der Verfügung ist im Ergebnis rechtmäßig. Die Untersagung des konkret ausgeübten Gewerbes beruht auf § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO. Unzuverlässig in dem Sinne der Vorschrift ist ein Gewerbetreibender, der nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreibt.
28Vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 02.02.1982
29- 1 C 94.78 -, GewArch 1982, 298 (299).
30Zum ordnungsgemäßen Betrieb eines Gewerbes gehört zumindest auch die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Zahlungs- und Erklärungspflichten, deren nachhaltige Verletzung je nach den Umständen des Einzelfalles den Schluss auf die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit rechtfertigen kann.
31Vgl. BVerwG, Beschluss vom 09.04.1997- 1 B 81.97 - Buchholz 451.20 § 35 GewO Nr. 67; Beschluss vom 12.03.1997 - 1 B 72.97 - zit. nach juris; Beschluss vom 19.01.1994 - 1 B 5.94 - Buchholz 451.20 § 35 GewO Nr. 57.
32Die Unzuverlässigkeit kann sich daher auch aus Abgabenrückständen ergeben, wenn diese sowohl ihrer absoluten Höhe nach als auch im Verhältnis zur Gesamtbelastung des Gewerbetreibenden von Gewicht sind. Allerdings kommt es nicht nur auf die Höhe der Abgabenschulden an. Vielmehr kommt auch der Zeitdauer, während derer der Gewerbetreibende seinen diesbezüglichen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist, Bedeutung zu.
33Vgl. BVerwG, Beschluss vom 09.04.1997 a.a.O.;
34Beschluss vom 11.12.1996 - 1 B 250.96 - Buchholz 451.20 § 35 GewO Nr. 65; Beschluss vom
3522.06.1994 - 1 B 114.94 - Buchholz 451.20 § 33c GewO Nr. 5; Beschluss vom 19.01.1994 a.a.O.; Beschluss vom 29.01.1988 - 1 B 164.87 - Buchholz 451.20 § 35 GewO Nr. 45.
36Nach diesen Vorgaben ist die Klägerin nicht als unzuverlässig anzusehen. Entsprechend den obigen Erwägungen spricht alles dafür, dass die Klägerin zwar gegenüber verschiedenen Stellen ihren öffentlich-rechtlichen Zahlungspflichten nicht nachgekommen ist. Allerdings ist die Gesamtsumme der Rückstände unter 10.000 EUR geblieben, weil der im Dezember 2015 gemeldete Rückstand bei der Deutschen Rentenversicherung i.H.v. 3.065,63 EUR nach der Auskunft der Versicherung vom 7. März 2016 nicht mehr bestand und zu Beginn des Monats Juli 2016 allein wegen den Rückständen aus April, Mai und Juni 2016 nur 455,76 EUR betrug. Dies bedarf jedoch keiner Entscheidung, weil die Beklagte die Gewerbeuntersagung auch auf die zutreffende Feststellung gestützt hat, dass die Klägerin im entscheidungserheblichen Zeitpunkt der Untersagungsverfügung über keine Berufshaftpflichtversicherung verfügte, dies bereits seit Oktober 2015. Damit steht fest, dass die Klägerin eine zwingend notwendige Voraussetzung ihrer Berufstätigkeit seit geraumer Zeit nicht erfüllt hatte und dadurch gegen ihre Berufspflichten verstoßen hat. Dieser Verstoß ist auch erheblich, wie sich aus den oben genannten Vorschriften über die Erteilung bzw. den Widerruf einer Erlaubnis ergibt. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass das Vorhandensein einer Berufshaftpflichtversicherung mit Blick auf die Gefahren des ausgeübten Gewerbes von wesentlicher Bedeutung ist.
37Die Ausdehnungsentscheidung nach § 35 Abs. 1 S. 2 GewO ist im Ergebnis auch rechtmäßig. Die Beklagte wollte ausweislich der dargestellten Ermessenserwägungen verhindern, dass die Klägerin ihre gewerbliche Tätigkeit anderweitig fortsetzt und dadurch die Allgemeinheit erneut schädigen könnte. Die nur auf ein einzelnes Gewerbe beschränkte Untersagung sei nicht geeignet, die von einer Gewerbeausübung durch die Klägerin ausgehende Gefährdung zu unterbinden.
38Die Aufforderung zur Einstellung der Gewerbetätigkeit in Ziffer 3) der Verfügung ist rechtmäßig. Die Pflicht der Klägerin zur Einstellung des bisherigen Gewerbes ergibt sich aus dem Umstand, dass die für ihr Gewerbe erforderliche Erlaubnis sofort vollziehbar entzogen worden ist. Nach § 15 Abs. 2 GewO kann die Fortsetzung des Betriebes von der zuständigen Behörde verhindert werden, wenn ein Gewerbe, zu dessen Ausübung – wie hier - eine Erlaubnis, Genehmigung, Konzession oder Bewilligung (Zulassung) erforderlich ist, ohne diese Zulassung betrieben wird. Die Anordnung der Betriebsschließung ist auch unter Ermessensgesichtspunkten rechtlich nicht zu beanstanden. Aufgrund des ordnungspolizeilichen Charakters der Gewerbeordnung, die auch nur bei formell-rechtlicher Illegalität ein Einschreiten erfordert, sind materiell-illegal geführte Betriebe, bei denen Gefahren für die Allgemeinheit nicht ausgeschlossen werden können, regelmäßig zu schließen, soweit nicht außergewöhnliche Umstände etwas anderes verlangen. Das öffentliche Interesse erfordert in diesen Fällen grundsätzlich das Einschreiten gegen formell und materiell illegale Betriebe. Ob es einer näheren Begründung für die entsprechende Entscheidung der Behörde nicht bedarf,
39vgl. VG Neustadt (Weinstraße), Urteil vom 06.08.2015- 4 K 309/15.NW - m.w.N. , juris, Rn 46f,
40erscheint zweifelhaft, kann aber offen bleiben. Denn die Beklagte geht nach dem Inhalt ihrer Erwägungen davon aus, dass die Klägerin den Betrieb auch ohne Erlaubnis fortsetzen könnte und es voraussichtlich einer zwangsweisen Durchsetzung der Verfügung bedarf. Erst mit der Betriebsuntersagung verfügt die Beklagte über die notwendige rechtliche Voraussetzung für Vollstreckungsmaßnahmen, da der Widerruf der Erlaubnis selbst keinen vollstreckbaren Inhalt hat.
41Auch soweit der Klägerin unter Ziffer 4) der Verfügung sofort vollziehbar aufgegeben wird, die Erlaubnisurkunde innerhalb einer bestimmten Frist an die Beklagte zurückzugeben, ist die Verfügung rechtmäßig. Ist ein Verwaltungsakt unanfechtbar widerrufen oder zurückgenommen oder ist seine Wirksamkeit aus einem anderen Grund nicht oder nicht mehr gegeben, so kann die Behörde die auf Grund dieses Verwaltungsakts erteilten Urkunden oder Sachen, die zum Nachweis der Rechte aus dem Verwaltungsakt oder zu deren Ausübung bestimmt sind, zurückfordern (§ 52 Satz 1 VwVfG NRW). In diesem Sinne ist die Wirksamkeit der Erlaubnis „aus einem anderen Grund“ nicht mehr gegeben. Die Vorschrift des § 52 VwVfG NRW dient der Sicherheit des Rechtsverkehrs und der Verhinderung von Missbräuchen. Sie soll ausschließen, dass behördliche Urkunden verfügbar bleiben, die eine in Wahrheit nicht mehr bestehende Befugnis dokumentieren. Den Belangen des Betroffenen kann ausreichend dadurch Rechnung getragen werden, dass ihm die Urkunden zurückgegeben werden, wenn die Erlaubnis im Ergebnis fortbesteht.
42Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26.10.2015 – 4 B 480/15 - m. w. N.
43Die Beklagte hat das ihr zustehende Ermessen erkannt und noch sachgerecht ausgeübt. Das Ermessen ist zwar nicht „auf Null“ reduziert, die Verfügung soll aber dazu dienen, etwaigen Missbrauch zu verhindern.
44Gegen die Rechtmäßigkeit der Androhung von Zwangsmitteln (Ziffern 6-8) bestehen keine Bedenken.
45Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Referenzen
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- 4 K 309/15 1x (nicht zugeordnet)
- GewO § 34f Finanzanlagenvermittler 1x
- § 117 Abs. 2 VVG 1x (nicht zugeordnet)
- VwVfG § 49 Widerruf eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes 5x
- § 6 BewachV 3x (nicht zugeordnet)
- VwVfG § 52 Rückgabe von Urkunden und Sachen 2x
- VwGO § 113 1x
- GewO § 34a Bewachungsgewerbe; Verordnungsermächtigung 4x
- 4 B 1339/15 1x (nicht zugeordnet)
- GewO § 15 Empfangsbescheinigung, Betrieb ohne Zulassung 1x
- 4 B 480/15 1x (nicht zugeordnet)
- GewO § 35 Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit 3x