Beschluss vom Verwaltungsgericht Köln - 21 L 2118/18
Tenor
1. Die aufschiebende Wirkung der Klage 21 K 6431/18 wird hinsichtlich Ziffer 1 der Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 24. August 2018 wiederhergestellt und hinsichtlich deren Ziffer 3 angeordnet.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500 Euro festgesetzt.
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Gründe
2Der sich bei sachgerechter Auslegung (§ 122 Abs. 1, § 88 VwGO) ergebende Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 21 K 6431/18 hinsichtlich Ziffer 1 der Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 24. August 2018 wiederherzustellen und hinsichtlich deren Ziffer 3 anzuordnen,
4ist zulässig (dazu I.) und begründet (dazu II).
5I. Der Antrag ist zulässig. Insbesondere ist er statthaft. Zwar ist ein Antrag auf Wiederherstellung oder Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO grundsätzlich nicht statthaft, wenn sich der angegriffene Verwaltungsakt erledigt hat. Eine Erledigung ist hier aber entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht eingetreten.
6Eine Erledigung setzt voraus, dass von einem Verwaltungsakt keine rechtlichen Wirkungen mehr ausgehen (vgl. § 43 Abs. 2 VwVfG NRW). Dies ist hier nicht der Fall. Die vom Antragsgegner gegenüber dem Antragsteller am 14. August 2018 mündlich erlassene Verfügung in Gestalt von Ziffer 1 der schriftlichen Bestätigung vom 24. August 2018 (kurz: Ordnungsverfügung vom 24. August 2018), alle männlichen Tiere (Schafböcke und Ziegenböcke) separiert von den weiblichen Tieren zu halten, ist nach wie vor wirksam. Sie untersagt dem Antragsteller weiterhin, männliche Tiere zusammen mit weiblichen Tieren zu halten. Zwar geht auch der Antragsgegner davon aus, dass jetzt im Herbst gegen die Haltung (zumindest) eines Bockes mit 70 weiblichen Tieren keine Bedenken bestehen, da nun die Brunstzeit begonnen habe. Dafür, dass nunmehr das uneingeschränkte Gebot, männliche von weiblichen Tieren getrennt zu halten, nicht mehr gälte, finden sich jedoch weder im Tenor noch in der Begründung der Ordnungsverfügung irgendwelche Anhaltspunkte. Namentlich hat der Antragsgegner das Gebot nicht befristet. Auch auf die Anregung des Gerichts, angesichts des Eintritts der Brunstzeit zu überdenken, ob an der Ordnungsverfügung festgehalten werden soll, hat der Antragsgegner diese nicht aufgehoben, sondern eine Aufhebung explizit abgelehnt.
7Für eine Erledigung der unter Ziffer 3 der Ordnungsverfügung vom 24. August 2018 enthaltenen Zwangsgeldandrohung ist vor diesem Hintergrund ebenfalls nichts ersichtlich.
8II. Der Antrag ist auch begründet. Die im Verfahren auf Wiederherstellung oder Anordnung der aufschiebenden Wirkung erforderliche Abwägung des Interesses des Antragstellers an einer Aussetzung der Vollziehung der Ziffern 1 und 3 der Ordnungsverfügung gegenüber dem öffentlichen Interesse an ihrer sofortigen Vollziehung geht zu Lasten des Antragsgegners aus.
9Für die Interessenabwägung kommt es in erster Linie auf die Erfolgsaussichten im Verfahren der Hauptsache an. Hat eine Anfechtungsklage voraussichtlich Erfolg, weil der angegriffene Verwaltungsakt nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens rechtswidrig ist, überwiegt grundsätzlich das private Interesse an einer Aussetzung der Vollziehung. So liegt es hier. Denn die Ziffern 1 und 3 der Ordnungsverfügung sind nach dem Sach- und Streitstand des Eilverfahrens rechtswidrig und verletzen den Antragsteller in seinen Rechten.
10Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit ist entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsverfügung, sondern jene im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Denn bei einer Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung haben die Tatsachengerichte auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt ihrer Entscheidung abzustellen, wenn das materielle Recht nicht die Maßgeblichkeit eines anderen Zeitpunkts bestimmt.
11Siehe etwa BVerwG, Urteil vom 19. September 2013 – 3 C 15.12 –, juris, Rn. 9.
12Bei der angegriffenen Ordnungsverfügung handelt es sich um einen Dauerverwaltungsakt, wie sich bereits aus dem zur Zulässigkeit Gesagten ergibt. Dem Tierschutzgesetz lässt sich für die vorliegende Konstellation nicht entnehmen, dass ein anderer Zeitpunkt als jener der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich wäre. Zwar sieht etwa § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, letzter Halbsatz i.V.m. § 16a Abs. 1 Satz 1 TierSchG für Fälle eines Haltungs- oder Betreuungsverbots ein Wiedergestattungsverfahren vor. In einem solchen Verfahren kann etwaigen Änderungen der Sachlage Rechnung getragen werden, aufgrund derer die tatsächliche Grundlage für ein Haltungs- oder Betreuungsverbot entfallen ist. Angesichts dessen dürfte maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage in solchen Fällen jener des Erlasses des Verbots sein.
13Zu einer vergleichbaren Situation im Gewerberecht siehe BVerwG, Urteil vom 2. Februar 1982 – 1 C 146.80 –, juris, Rn. 14.
14Es handelt sich bei § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, letzter Halbsatz TierSchG aber um eine besondere, als Regelbeispiel ausgestaltete Regelung, mit der die Generalklausel des § 16a Abs. 1 Satz 1 TierSchG für Fälle eines Haltungs- und Betreuungsverbots näher ausgestaltet wird. Dem materiellen Recht lässt sich nichts dafür entnehmen, dass auch bei einem Dauerverwaltungsakt wie dem vorliegenden, der auf § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 i. V. m. § 16a Abs. 1 Satz 1 TierSchG gestützt ist, der Zeitpunkt des Erlasses maßgeblich wäre.
15Kommt es danach auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an, sind Ziffer 1 und infolgedessen Ziffer 3 der angegriffenen Ordnungsverfügung rechtswidrig. Unter den Beteiligten ist unstreitig, dass seit Beginn der Brunstzeit ein umfassendes Gebot, Schaf- und Ziegenböcke separiert von weiblichen Tieren zu halten, nicht rechtmäßig ist. Dies führt jedoch nicht lediglich zu einer teilweisen Rechtswidrigkeit von Ziffer 1 der Ordnungsverfügung, sondern zu deren Rechtswidrigkeit insgesamt. Denn es handelt sich bei dem unter Ziffer 1 tenorierten Gebot nicht gleichsam um eine Zusammenfassung von Einzelgeboten, die teilbar und damit einer isolierten Aufhebung zugänglich wäre. Ein hypothetisches Gebot, maximal einen Schaf- oder Ziegenbock zusammen mit 70 weiblichen Tieren zu halten, wäre demgemäß im Vergleich zu dem angegriffenen umfassenden Gebot nicht ein Weniger (minus), sondern etwas Anderes (aliud).
16Erweist sich Ziffer 1 der angegriffenen Ordnungsverfügung als rechtswidrig, kann auch die darauf bezogene Zwangsgeldandrohung unter Ziffer 3 keinen Bestand haben.
17Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass trotz des voraussichtlichen Obsiegens des Antragstellers im Verfahren der Hauptsache ausnahmsweise das öffentliche Vollziehungsinteresse überwöge, sind weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
18Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG.
19Rechtsmittelbelehrung
20Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.
21Statt in Schriftform kann die Einlegung der Beschwerde auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.
22Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.
23Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
24Die Beteiligten müssen sich bei der Einlegung und der Begründung der Beschwerde durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
25Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
26Die Beschwerde ist schriftlich, zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.
27Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
28Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.
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Referenzen
- 21 K 6431/18 2x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 55a 3x
- § 52 Abs. 2 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- TierSchG § 16a 1x
- VwGO § 88 1x