Beschluss vom Verwaltungsgericht Köln - 6 L 1607/21.A
Tenor
1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
2. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage 6 K 4744/21.A wird abgelehnt.
1
Gründe
21. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt, da die Antragstellerin zum einen mangels Vorlage einer Formularerklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse mit den dazugehörigen Nachweisen über ihre Einkommensverhältnisse trotz entsprechender Ankündigung nicht glaubhaft gemacht, dass sie die Kosten der Prozessführung nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht aufbringen kann, § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
3Zum anderen hat der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe keinen Erfolg, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidungsreife keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 ZPO. Insofern wird Bezug genommen auf die Gründe unter 2.
42. Der sinngemäße Antrag der Antragstellerin,
5die aufschiebende Wirkung der gegen Ziffer 4 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 01.09.2021 erhobenen Klage 6 K 4744/21.A anzuordnen,
6hat keinen Erfolg. Der Antrag ist nach § 80 Abs. 5 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 75 Abs. 1 AsylG statthaft und auch im Übrigen zulässig, jedoch unbegründet. Die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Lasten der Antragstellerin aus.
7Lehnt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) – wie hier – den Asylantrag gemäß § 30 AsylG als offensichtlich unbegründet ab, ordnet das Gericht gemäß § 36 Abs. 3 AsylG, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich der gemäß § 36 Abs. 3, § 75 Abs. 1 AsylG sofort vollziehbaren Abschiebungsandrohung an, wenn das persönliche Interesse des Asylbewerbers, von der sofortigen Aufenthaltsbeendigung vorerst verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse an ihrer sofortigen Durchsetzung übersteigt. Die Aussetzung der Abschiebung darf gemäß § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen.
8Ernstliche Zweifel in diesem Sinne liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung voraussichtlich nicht standhält.
9Vgl. BVerfG, Urteil vom 14.05.1996 – 2 BvR 1516/93 –, juris, Rn. 99.
10Daran fehlt es hier.
11Die Entscheidung des Bundesamtes, den Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, begegnet nach der im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens allein vorzunehmenden summarischen Prüfung keinen ernstlichen Zweifeln.
12Das Bundesamt hat seine Entscheidung zu Recht auf § 30 Abs. 1 AsylG gestützt. Danach ist ein unbegründeter Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes offensichtlich nicht vorliegen. Eine auf die offensichtliche Unbegründetheit des Asylantrages gestützte Abschiebungsandrohung erfordert, dass das Anerkennungsbegehren auch der Sache nach offensichtlich aussichtslos ist.
13Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 02.05.1984 – 2 BvR 1413/83 –, juris, Rn. 26 f., und vom 20.04.1988 – 2 BvR 1506/87 – juris.
14Dies ist der Fall, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Bundesamtes vernünftigerweise kein Zweifel bestehen kann und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Ablehnung des Asylbegehrens geradezu aufdrängt.
15Vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.06.1983 – 1 BvR 1470/82 –, juris, Rn. 55 mit Verweis auf die gefestigte Rechtsprechung des BVerwG; BVerfG, Beschluss vom 02.05.1984, 2 BvR 1413/83 –, juris, Rn. 27; Beschluss vom 27.09.2007 – 2 BvR 1613/07 –, juris, Rn. 17 m. w. N.
16Gemessen an diesen Maßstäben ist die Rechtmäßigkeit des hier angefochtenen Bescheides nicht ernstlich zweifelhaft. Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 01.09.2021 ist offensichtlich rechtmäßig. Das Gericht folgt zunächst den Gründen des angefochtenen Bescheids und nimmt auf diesen Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG).
17Ergänzend ist auszuführen, dass insbesondere kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG vorliegt. Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. In Betracht kommt insoweit vor allem eine Verletzung von Art. 3 EMRK. Nach dieser Vorschrift darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Unter Zugrundelegung des Maßstabs des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) muss die Verletzung von Art. 3 EMRK mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen („real risk“). Dies hängt von den Gesamtumständen des jeweiligen Einzelfalls ab, wie etwa der Art und dem Kontext der Fehlbehandlung, der Dauer, den körperlichen und geistigen Auswirkungen, sowie – in einigen Fällen – vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Opfers.
18Vgl. ständige Rechtsprechung des EGMR, Urteil vom 04.11.2014 – 29217/12, Tarakhel/Switzerland –, Rn. 93 f. m.w.N.; zum Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit: BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 – 10 C 5.09 –, juris, Rn. 22.
19Bezugspunkt dieser Prüfung ist grundsätzlich der gesamte Abschiebungszielstaat und zunächst der Ort, an dem die Abschiebung endet,
20vgl. EGMR, Urteil vom 28.06.2011 – 8319/07, 11449/07, Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich – Rn. 265, 301, 309; BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 – 10 C 15/12 –, juris, Rn. 26.
21Schutzsuchende können zwar grundsätzlich kein Recht aus der Konvention auf Verbleib in einem Konventionsstaat geltend machen, um dort weiter medizinische, soziale oder andere Hilfe und Unterstützung zu erhalten. Insoweit verpflichtet Art. 3 EMRK die Staaten nicht, Fortschritte in der Medizin sowie Unterschiede in sozialen und wirtschaftlichen Standards durch freie und unbegrenzte Versorgung von Ausländern ohne Bleiberecht zu beseitigen.
22Vgl. BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 – 10 C 15.12 –, juris, Rn. 23, und Beschluss vom 25.10.2012 – 10 B 16.12 , juris, Rn. 8; EGMR, Urteil vom 27.05.2008, 26565/05, N./Vereinigtes Königreich, juris, Rn. 32 ff.
23Nach der Rechtsprechung des EGMR können aber schlechte humanitäre Verhältnisse in ganz außergewöhnlichen Fällen als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu werten sein,
24vgl. EGMR, Urteil vom 13.10.2011 – 10611/09, Husseini/ Schweden –, Rn. 83; BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 – 10 C 15.12 –, juris, Rn. 23; EuGH, Urteil vom 17.02.2009 – C-465/07 (Elgafaji) –, juris, Rn. 28; BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 – 10 C 15.12 –, juris, Rn. 22.
25Eine Verletzung von Art. 3 EMRK liegt allerdings dann nicht vor, wenn es dem Rückkehrer möglich ist, durch Gelegenheitsarbeiten ein geringes Einkommen erzielen und er sich damit ein Leben am Rande des Existenzminimums finanzieren kann,
26vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20.07.2015 – 13 A 1531/15.A –, juris, Rn. 10; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24.07.2013 – A 11 S 697/13 –, juris, Rn. 84, 105 ff.
27Gemessen daran liegen die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG (i.V.m. Art. 3 EMRK) im Fall der Antragstellerin nicht vor.
28Die Antragstellerin ist trotz ihres Alters von 59 Jahren noch erwerbsfähig. In der persönlichen Anhörung beim Bundesamt am 04.08.2021 hat sie angegeben, bis März 2020 noch als Verkäuferin in einem Bekleidungsgeschäft tätig gewesen zu sein. Darüber hinaus beziehe sie eine staatliche Rente. Es wurden keine Gründe dargetan, die gegen eine (erneute) Erwerbstätigkeit der Antragstellerin bei Rückkehr in ihr Heimatland sprechen. Unabhängig davon, sind auch keine Gründe ersichtlich, dass es ihr nicht möglich sein sollte, von der staatlichen Rente zu leben. Eine familiäre Unterstützung erscheint vor dem Hintergrund keineswegs als zwingend notwendig. Der Verlust der Arbeitsstelle stand auch nicht im Zusammenhang mit ihrem körperlichen Befinden, sondern mit den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie. Die von der Antragstellerin vorgelegten ärztlichen Atteste und Befunde stehen – unabhängig von der Nichterfüllung der Mindestanforderungen an solche ärztlichen Atteste – teils im Widerspruch zu ihren Angaben bei der Anhörung beim Bundesamt und legen kein psychisches Krankheitsbild dar, welches gegen die Möglichkeit der Erwerbstätigkeit sprechen würde. Vielmehr hat die Antragstellerin dargetan, dass die Arztbesuche im Zusammenhang mit dem Ablauf ihres Visums standen und sie Angst vor der Rückkehr in ihr Heimatland gehabt habe.
29Aus dem in Bezug genommenen Urteil des erkennenden Gerichts vom 29.06.2021 – 6 K 10383/17.A – kann die Antragstellerin für sich nichts herleiten. Der dort entschiedene Einzelfall betraf eine alleinstehende Mutter eines Kindes unter 6 Jahren, die nach der Überzeugung des Gerichts aus den im Urteil im Einzelnen dargelegten Gründen zwingend auf die – nicht vorhandene – Unterstützung durch andere Personen angewiesen ist. Damit ist der vorliegende Fall aus den vorstehend genannten Gründen nicht vergleichbar.
30Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
31Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).
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