Beschluss vom Verwaltungsgericht Köln - 24 L 95/22
Tenor
1.
Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, die Zwangsvollstreckung gegen die Antragstellerin aus den Vergnügungssteuerbescheiden vom 5. und 12. Dezember 2011 vorläufig einzustellen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.
2.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 1.029,87 Euro festgesetzt.
1
Gründe
21. In Anwendung von § 122 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in Verbindung mit § 88 VwGO legt das Gericht das Begehren im wohlverstandenen Interesse der nicht anwaltlich vertretenen Antragstellerin unter Einbeziehung der Antragsbegründung dahingehend aus, dass diese beantragt,
3der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO aufzugeben, die Zwangsvollstreckung aus den Vergnügungssteuerbescheiden der Antragsgegnerin vom 5. und 12. Dezember 2011 vorläufig einzustellen.
4Der so verstandene Antrag hat Erfolg.
5Er ist zulässig.
6Insbesondere ist vorläufiger Rechtsschutz nach § 123 VwGO statthaft, weil die Antragstellerin gegen die Zwangsvollstreckung das Erlöschen der Forderungen durch Verjährung einwendet. Diese Einwendung ist nur im selbständigen Verfahren nach § 7 Abs. 2 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVG NRW) geltend zu machen und kann Grundlage einer einstweiligen Anordnung sein,
7vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 15. Oktober 2012 - 14 B 948/12 -, juris Rn. 24, 34; Verwaltungsgericht (VG) Köln, Beschluss vom 19. August 2013 - 24 L 420/13 -, juris Rn. 17 f.
8Nachdem die Antragsgegnerin sich im vorliegendes Verfahren dahingehend eingelassen hat, die Forderungen seien nicht zahlungsverjährt, bedurfte es eines vorherigen Antrags bei der Antragsgegnerin hier nicht (mehr),
9vgl. VG Köln, Beschluss vom 19. August 2013 -24 L 420/13 -, juris Rn. 19 ff.
10Der Antrag ist begründet.
11Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht bereits vor Erhebung einer Klage eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Sowohl der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderliche Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund sind von dem Antragsteller glaubhaft zu machen, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO).
12Hinsichtlich des Bestehens eines Anordnungsanspruchs kommt es auf die Abschätzung der Erfolgsaussichten in der - hier noch anhängig zu machenden - Hauptsache an. Voraussetzung des Erlasses einer einstweiligen Anordnung ist grundsätzlich, dass in der Hauptsache überwiegende Erfolgsaussichten bestehen. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, steht dies indes dem Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht entgegen. Es sind dann entsprechend strenge Anforderungen an den Anordnungsgrund zu stellen, wobei die Zumutbarkeit des jeweiligen Regelungszustandes für die Beteiligten den Maßstab bildet. Die Effektivität des Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz) erfordert in diesen Fällen eine Entscheidung aufgrund einer Folgen- und Interessenabwägung,
13vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (BayVGH), Beschluss vom 11. Dezember 2013 – 7 CE 13.2063 –, juris, Rn. 12, 13, 18 m.w.N. (für § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO); zur Folgen- bzw. Interessenabwägung bei offenen Erfolgsaussichten in der Hauptsache vgl. auch OVG NRW, Beschlüsse vom 1. August 2013 – 4 B 608/13 –, juris, Rn. 31 und 11. Juni 2013 – 6 B 566/13 –, juris, Rn. 2.
14Nach diesem Maßstab liegen im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung vor. Die Antragstellerin hat sowohl einen Anordnungsanspruch (1.1) als auch einen Anordnungsgrund (1.2) glaubhaft gemacht.
151.1. Es bestehen allerdings keine Zweifel daran, dass die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen vorliegen, wobei diesbezüglich zwischen den Beteiligten allein streitig ist, ob hinsichtlich der in der Vollstreckung befindlichen Hauptforderungen die gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVG NRW) erforderlichen wirksamen Leistungsbescheide vorliegen.
16Die Antragsgegnerin vollstreckt gegen die Antragstellerin Vergnügungssteuerforderungen, die sie ihr gegenüber wegen des Angebots sexueller Handlungen gegen Entgelt (vgl. die Satzung der Stadt Köln über die Erhebung einer Steuer auf Vergnügungen sexueller Art) für den Zeitraum vom 1. Oktober 2010 bis 31. Dezember 2010 in Höhe von 444,00 Euro und für den Zeitraum 1. Januar bis 31. Oktober 2011 in Höhe von 1.500,00 Euro mit Bescheiden vom 5. und 12. Dezember 2011 festgesetzt hat.
17Die Bescheide sind gegenüber der Antragstellerin wirksam geworden.
18Nach § 124 Abs.1 Satz 1 Abgabenordnung (AO), welcher hier gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 3b des Kommunalabgabengesetzes NRW (KAG) ebenso wie die im Folgenden in Bezug genommenen Regelungen der Abgabenordnung Anwendung findet, wird ein schriftlicher Verwaltungsakt gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen ist, wirksam, wenn er ihm zugeht.
19Dies ist hier der Fall. Die Vergnügungssteuerbescheide wurden der Antragstellerin unter ihrer damaligen Wohnadresse mittels Postzustellungsurkunden, die sich in den Verwaltungsvorgängen der Antragsgegnerin befinden, ordnungsgemäß durch Einlegung in deren Briefkasten jeweils am 6. Dezember 2011 zugestellt.
20Mit ihrem Vortrag, sie habe die Bescheide nicht erhalten, kann sie nicht durchdringen, denn gemäß § 73 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 3 Abs. 2 VwZG, § 182 Abs. 1 Satz 2, § 418 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erbringt die Zustellungsurkunde als öffentliche Urkunde den vollen Beweis der in ihr bezeugten Tatsachen. Die Beweiskraft erstreckt sich nicht nur auf das Datum der Zustellung, sondern insbesondere auch auf die Tatsache, dass das Schriftstück in den Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung eingelegt wurde,
21vgl. z.B. Bundesfinanzhof (BFH), Beschluss vom 25. März 2010, - V B 151/09 -, BFH/NV 2010, 1113.
22Der Beweis der Unrichtigkeit dieser Tatsachen, kann nach § 418 Abs. 2 ZPO nur durch den Beweis der Unrichtigkeit der in der Zustellungsurkunde bezeugten Tatsachen geführt werden, d. h. es bedarf zur Widerlegung der beurkundeten Tatsache des Vollbeweises. Nicht ausreichend ist es hingegen, lediglich die (bloße) Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufes darzulegen oder zu behaupten, das Schriftstück nicht erhalten oder von ihm keine Kenntnis erhalten zu haben,
23vgl. OVG NRW, Urteil vom 23. November 2017 - 1 A 203/15 -, juris, Rn. 51 ff.
24Den danach erforderlichen Beweis des Gegenteils hat die Antragstellerin nach jetzigem Sach- und Streitstand nicht erbracht.
25Dem steht nicht entgegen, dass der Bescheid, mit dem die Antragstellerin für den Zeitraum 1. Januar bis 31. Oktober 2011 zur Vergnügungssteuer veranlagt wurde, das Datum 12. Dezember 2011 trägt und somit auf einen Zeitpunkt nach seiner Zustellung datiert ist. Denn das Bescheiddatum hat lediglich die Funktion, die Steuerfestsetzung zeitlich zu fixieren und den Bescheid in diesem Sinne zu kennzeichnen,
26vgl. BFH, Urteil vom 9. Dezember 2009 - II R 52/07 -, juris, Rn. 27, m.w.N.
27Da der zuzustellende Bescheid in der Postzustellungsurkunde ebenfalls als Bescheid vom 12. Dezember 2011 bezeichnet ist, bestehen auch keine Zweifel daran, dass es sich bei dem zugestellten Bescheid um den genannten Veranlagungsbescheid gehandelt hat.
28Der Anordnungsanspruch der Antragstellerin ergibt sich jedoch daraus, dass bei summarischer Prüfung Überwiegendes dafür spricht, dass - was die Antragstellerin ausdrücklich geltend macht - die Vergnügungssteuerforderungen der Antragsgegnerin zahlungsverjährt sind.
29Gemäß §§ 228 ff. AO unterliegen Ansprüche aus dem Gewerbesteuerschuldverhältnis einer besonderen Zahlungsverjährung. Durch die Verjährung erlöschen der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis und die von ihm abhängenden Zinsen (§ 232 AO). Verwirkte Säumniszuschläge, die gemäß § 240 AO kraft Gesetzes entstehen und mit ihrer Entstehung nach § 220 Abs. 2 AO fällig werden, bleiben allerdings unberührt. Sie unterliegen der Zahlungsverjährung unabhängig von der Verjährung des Hauptanspruchs,
30vgl. BFH, Beschluss vom 8. November 2004 – VII B 137/04 –, juris Rn. 15.
31Die Verjährungsfrist beträgt fünf Jahre (§ 228 Satz 2 AO) und beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch erstmals fällig geworden ist, jedoch nicht vor Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Festsetzung des Anspruchs wirksam geworden ist (§ 229 Abs. 1 AO).
32Ausgehend hiervon sind die Vergnügungssteuerforderungen der Antragsgegnerin, die am 15. und 22. Dezember 2011 fällig geworden sind, mit Ablauf des 31. Dezember 2016 verjährt.
33Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist die Verjährung der Ansprüche nicht durch eine der in § 231 AO abschließend aufgeführten Unterbrechungshandlungen unterbrochen worden, wobei im vorliegenden Fall nur die Unterbrechungstatbestände des § 231 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 7 AO in Betracht kommen.
34Gemäß § 231 Abs. 1 Nr. 3 AO wird die Verjährung eines Anspruches durch eine Vollstreckungsmaßnahme unterbrochen. Da die Vorschriften der §§ 249 ff. AO (über die Vollstreckung von Forderungen) bis auf wenige Ausnahmen nicht durch § 12 KAG für entsprechend anwendbar erklärt werden, kommt es für den Begriff der Vollstreckungsmaßnahme darauf an, ob eine Vollstreckungsmaßnahme nach §§ 1 bis 54 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes NRW (VwVG NRW) bzw. eine solche nach anderen anwendbaren Vorschriften vorliegt. Maßnahmen, welche die eigentliche Vollstreckung nur vorbereiten sollen, fallen hingegen nicht hierunter,
35vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. Oktober 2014 - 14 A 1098/14 -, juris, Rn. 4ff.; BFH, Urteil vom 24. September 1996 - VII R 31/96 -, juris, Rn. 17.
36Dies zugrunde gelegt, kommt zunächst dem offenbar 2012 an die Stadt T. gerichteten Vollstreckungsersuchen (welches sich allerdings nicht in den von der Antragsgegnerin vorgelegten Verwaltungsvorgängen befindet) keine Unterbrechungswirkung zu, denn auch, wenn sich das Vollstreckungsersuchen an eine andere Behörde richtet, handelt es sich um eine bloße Vorbereitungshandlung,
37vgl. BFH, Urteil vom 24. September 1996 - VII R 31/96 - juris, Rn. 17; Heuermann in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, 264. Stand 8/2021, § 231 AO, Rn. 27¸ Loose in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Stand 8/2021, § 231 AO, Rn. 25 f.
38Gleiches gilt für den Vollstreckungsauftrag der Stadt T. an die zuständige Gerichtsvollzieherin. Zudem ergibt sich aus dem Vollstreckungsbericht der Gerichtsvollzieherin, dass die Antragstellerin nicht mehr in T. wohnhaft, sondern in die Schweiz verzogen war und keine konkreten Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen wurden.
39Darüber hinaus ist die Verjährung nach summarischer Prüfung nicht gemäß § 231 Abs. 1 Nr. 7 AO durch Ermittlungen der Finanzbehörde nach dem Wohnsitz der Antragstellerin oder deren Aufenthaltsort unterbrochen worden.
40In den Verwaltungsakten befindet sich lediglich die von der Stadt T. bzw. wohl von der dort zuständigen Gerichtsvollzieherin am 27. August 2012 eingeholte MESO Intranetauskunft, aus der sich ergibt, dass die Antragstellerin ohne Angabe einer Adresse in die Schweiz verzogen war.
41Dieser Wohnsitzermittlung kommt jedoch keine verjährungsunterbrechende Wirkung zu, weil § 231 Abs. 1 Nr. 7 AO dahingehend auszulegen ist, dass die Wohnsitzermittlung von der Behörde durchgeführt werden muss, die berechtigt ist, den Anspruch geltend zu machen, mithin von der sachlich und örtlich zuständige Behörde (hier: die Antragsgegnerin),
42vgl. Heuermann in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Stand 9/2019, Band VII, § 231 Rn.6 m.w.N.; a.A.: Loose in: Tipke/Kruse, AO /FGO, Stand 3/2022, Band II, § 231 Rn. 30.
43Nach dem Wortlaut des § 231 AO ist die Wirksamkeit der Unterbrechungshandlung zwar nicht ausdrücklich von der Zuständigkeit der handelnden Behörde abhängig. Die Vorschrift verweist jedoch in Absatz 1 Satz 2 auf § 169 Abs. 1 Satz 3 AO, der für die Wahrung der Festsetzungsfrist verlangt, dass der Steuerbescheid vor Fristablauf den Bereich der für die Festsetzung zuständigen Behörde verlassen hat. Das Tatbestandsmerkmal „zuständige Behörde“ ist wiederum dahingehend auszulegen, dass die Wirkungen des § 169 Abs. 1 Satz 3 AO nur eintreten sollen, wenn der Bescheid auch von der örtlich zuständigen Finanzbehörde erlassen wurde.Schon der Wortlaut der Vorschrift, der die sachliche, die verbandsmäßige und die örtliche Zuständigkeit umfasst, spricht gegen eine Begrenzung lediglich auf Fälle der sachlichen oder verbandsmäßigen Zuständigkeit. Des Weiteren legt es der Ausnahmecharakter der Vorschrift nahe, die Wirkungen des § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO nur dann eintreten zu lassen, wenn das Finanzamt sachlich und örtlich für den Erlass des Bescheides zuständig war. Eine für den Steuerpflichtigen nachteilige Vorschrift im Bereich der Eingriffsverwaltung ist, wenn sich kein eindeutiger Gesetzeszweck ermitteln lässt, im Zweifel zugunsten des Steuerpflichtigen auszulegen, insbesondere wenn der Wortlaut der Vorschrift diese Auslegung nahe legt.Hinzu kommt, dass das Tatbestandsmerkmal "zuständige Finanzbehörde" weitgehend überflüssig wäre, wenn es lediglich die sachliche und verbandsmäßige Zuständigkeit umfassen würde. Bescheide, die unter Verletzung der sachlichen oder verbandsmäßigen Zuständigkeit ergehen, sind entweder nichtig oder rechtswidrig. Wird daher ein Steuerbescheid, der von einer sachlich unzuständigen Finanzbehörde erlassen wurde, angefochten, wird er ersatzlos aufgehoben. Die Regelung des § 127 AO gilt nach allgemeiner Auffassung nicht bei Verstößen gegen die sachliche oder verbandsmäßige Zuständigkeit. Mit der Aufhebung entfallen rückwirkend auch die Wirkungen des § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO, weil ein Bescheid um den Lauf der Festsetzungsfrist beeinflussen zu können, nicht nur wirksam werden, sondern auch wirksam bleiben muss. Diese Folge träte bei sachlicher und verbandsmäßiger Unzuständigkeit auch ein, wenn die Vorschrift keine entsprechende Regelung über die Zuständigkeit enthielte. Da nicht unterstellt werden kann, der Gesetzgeber habe ein überflüssiges Merkmal in das Gesetz aufgenommen, ist im Zweifel die Auslegung des Gesetzes zu bevorzugen, die einem Tatbestandsmerkmal einen sinnvollen Gehalt zuweist,
44so BFH, Urteil vom 13.Dezember 2001 - III R 13/00 -, juris, Rn. 25-29; dem folgend: Frotscher in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, Stand 9/2018, Band II, § 169 Rn. 55; Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, Stand 3/2022, Band II, § 169 Rn. 27.
45Für die in § 231 Abs. 2 Satz 1 AO angeordnete sinngemäße Anwendung des § 169 Abs. 1 Satz 3 AO auf schriftliche Unterbrechungshandlungen der Behörde gilt nichts anderes. Auch die Wahrung der Zahlungsverjährungsfrist durch eine Unterbrechungshandlung hat der Gesetzgeber mit der Verweisung auf § 169 Abs. 1 Satz 3 AO davon abhängig gemacht, dass diese Handlung nicht nur durch die sachliche, sondern auch die örtlich zuständige Behörde vorgenommen wird.Für diese Auslegung spricht auch der Grund für die verjährungsunterbrechende Wirkung der in § 231 Abs. 1 AO angeführten Maßnahmen, der darin besteht, dass die Behörde vor Ablauf der Zahlungsverjährungsfrist den Entschluss fasst, ihren Zahlungsanspruch durchzusetzen und diesen Entschluss nach außen erkennbar macht. Berechtigt, den Anspruch geltend zu machen, ist jedoch nur die zuständige Behörde,
46vgl. Heuermann in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Stand 9/2019, Band VII, § 231 Rnr.7.
47Weitere Maßnahmen, welche geeignet gewesen sein könnten, die Verjährung der Hauptforderungen zu unterbrechen, hat die Antragsgegnerin nach bisherigem Sachstand erst im Jahr 2017 und damit nach Eintritt der Zahlungsverjährung ergriffen.
48Hinsichtlich der von der Antragsgegnerin geltend gemachten Säumniszuschläge und Vollstreckungskosten ist die Zwangsvollstreckung ebenfalls vorläufig einzustellen.
49Für die Säumniszuschläge ab dem Jahr 2017 ergibt sich dies bereits daraus, dass die Hauptforderungen mit Ablauf des Jahres 2016 verjährt sind, so dass ab diesem Zeitpunkt keine Säumniszuschläge mehr entstanden sein können. Hinsichtlich der in den Jahren 2012 bis 2016 entstandenen Säumniszuschläge und die geltend gemachten Vollstreckungskosten ergibt sich dies daraus, dass diese gemäß § 254 Abs. 2 Satz 1 und 2 AO nur ohne Leistungsgebot beigetrieben werden können, solange sie zusammen mit der Hauptforderung vollstreckt werden,
50vgl. zu Vollstreckungskosten: OVG NRW, Urteil vom 7. März 1994 - 22 A 1063/91 -, juris Rn. 22 ff.
51Dies ist hier nicht (mehr) der Fall, da der Antragsgegnerin mit dem vorliegenden, sofort vollziehbaren Beschluss (vgl. § 149 VwGO) aufgegeben wird, die Zwangsvollstreckung wegen der Hauptforderungen vorläufig einzustellen.
52Ein Leistungsgebot liegt nach Aktenlage indes nicht vor.
53Soweit die Antragsgegnerin die Antragstellerin unter dem 16. Oktober 2017 zur Zahlung der rückständigen Vergnügungssteuerforderungen einschließlich der bis dahin entstanden Säumniszuschläge und Vollstreckungskosten aufgefordert hat, ist dieses „Leistungsgebot“ der Antragstellerin nicht zugegangen und damit nicht wirksam geworden. Es gilt auch nicht gemäß § 10 Abs. 4 Satz 7 des Verwaltungszustellungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (Landeszustellungsgesetz – LZG NRW) als zugestellt, weil die Zahlungsaufforderung öffentlich bekannt gemacht wurde. Denn gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 LZG NRW ist die öffentliche Zustellung durch einen zeichnungsberechtigten Bediensteten anzuordnen.
54Daran fehlt es hier. Die Anordnung der öffentlichen Zustellung, die in einem von der Antragsgegnerin verwendeten Vordruck vorformuliert ist, ist nicht unterschrieben. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin lässt sich die Anordnung der öffentlichen Zustellung nicht daraus herleiten, dass die Zahlungsaufforderung als das Schriftstück, dessen öffentliche Zustellung angeordnet werden soll, von der zuständigen Bediensteten unterschrieben und mit einem Abvermerk versehen wurde.
55Schließlich ergibt sich etwas anderes nicht aus dem Umstand, dass die Stadt T1. (wie sich aus den von der Antragstellerin vorgelegten Unterlagen ergibt) die Antragstellerin im Rahmen der Amtshilfe für die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 22. November 2011 zur Zahlung aufgefordert hat. Denn sowohl in dem Schreiben selbst als auch in der beigefügten Forderungsaufstellung ist lediglich die Gesamtsumme der Forderungen in Höhe von 4.120,30 bzw. 4.119,50 Euro aufgeführt, ohne dass diese näher aufgeschlüsselt wären. Zudem werden die Forderungen in der Aufstellung als „öffentliche Hauptforderung [Hervorhebung durch das Gericht] laut Bescheid vom 27. Januar 2012“ bezeichnet.
561.2. Der erforderliche Anordnungsgrund liegt vor, denn die Antragstellerin wurde bereits zur Abgaben einer Vermögensauskunft geladen. Diese Vollstreckungsmaßnahme kann für die Antragstellerin zu Nachteilen führen (z.B. Verlust der Kreditwürdigkeit), die nachträglich bei einem Obsiegen in der Hauptsache auch mit der möglichen Rückzahlung des beigetriebenen Betrages nicht bzw. nur sehr schwer wieder ausgeglichen werden könnten.
57Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
582. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nrn. 2 und 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Er beträgt in Übereinstimmung mit Nrn. 3.1 und 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 ein Viertel des streitgegenständlichen Abgabenbetrages.
59Rechtsmittelbelehrung
60Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.
61Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.
62Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
63Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) wird hingewiesen.
64Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen; dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde und für die Begründung. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
65Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
66Die Beschwerde ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.
67Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
68Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.
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