Beschluss vom Verwaltungsgericht Köln - 10 L 1039/22
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt
1
Gründe
2Der Antrag des Antragstellers,
3den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zu verpflichten, den Antragsteller vorläufig zum Schuljahr 2022/2023 in die 1. Jahrgangstufe der E. -C. -Schule der Stadt Q. aufzunehmen,
4hilfsweise
5den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO zu verpflichten, unter der Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts, eine ermessensfehlerfreie Neubescheidung des Antrags auf – hilfsweise vorläufige – Aufnahme des Antragstellers zum Schuljahr 2022/2023 in die 1. Jahrgangstufe der E. -C. -Schule der Stadt Q. durchzuführen,
6hat mit Haupt- und Hilfsantrag keinen Erfolg.
7I.
8Der Hauptantrag ist zulässig, aber unbegründet.
9Das Gericht kann gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung treffen, wenn diese Regelung, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der geltend gemachte Anordnungsanspruch und die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung sind glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung).
10Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass ihm gegenüber dem Antragsgegner der mit dem Hauptantrag verfolgte vorläufige Aufnahmeanspruch an der E. -C. -Schule, Evangelische Grundschule der Stadt Q. (nachfolgend: E1. ) zum Schuljahr 2022/2023 zusteht. Die Schulleiterin der E1. hat den Antrag des Antragstellers auf Aufnahme in die Jahrgangstufe 1 für das Schuljahr 2022/2023 zu Recht abgelehnt.
11Die Aufnahme erfolgt gemäß § 46 Abs. 3 Satz 1 Schulgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (SchulG NRW), § 1 Abs. 2 Satz 1 Ausbildungsordnung Grundschule (AO-GS). Danach hat jedes Kind einen Anspruch auf Aufnahme in die seiner Wohnung nächstgelegene Grundschule der gewünschten Schulart in seiner Gemeinde im Rahmen der vom Schulträger festgelegten Aufnahmekapazität hat, soweit der Schulträger, wie im vorliegenden Fall, keinen Schuleinzugsbereich gebildet hat. Gemäß § 46 Abs. 3 Satz 2 SchulG NRW legt der Schulträger unter Beachtung der Höchstgrenze für die zu bildenden Eingangsklassen an Grundschulen nach der Verordnung zur Ausführung des § 93 Abs. 2 SchulG NRW (VO zu § 93 Abs. 2 SchulG NRW) die Zahl und die Verteilung der Eingangsklassen auf die Schulen fest. Nach § 46 Abs. 3 Satz 4 SchulG NRW bleiben die Vorschriften zu den Klassengrößen unberührt. Die Klassengrößen ergeben sich aus der VO zu § 93 Abs. 2 SchulG NRW, hier anzuwenden in der Fassung vom 5. Mai 2021.
12Maßgebliche Berechnungsgröße für die Errechnung der Aufnahmekapazität einer Grundschule ist je nach der Anzahl der Eingangsklassen, welche der Schulträger für das betreffende Schuljahr auf sie rechtmäßig verteilt hat, die jeweils einschlägige Schülerzahlobergrenze nach § 6a Abs. 1 Sätze 1 und 2 VO zu § 93 Abs. 2 SchulG NRW.
13Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. März 2020 – 19 B 1212/19 –, juris, Rn. 8.
14Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 VO zu § 93 Abs. 2 SchulG NRW beträgt die Anzahl der zu bildenden Eingangsklassen an einer Grundschule für jahrgangsbezogenen und jahrgangsübergreifenden Unterricht bei einer Schülerzahl 126 bis 150 (Nr. 6) sechs Klassen; bei jeweils bis zu weiteren 25 Schülern ist eine weitere Eingangsklasse zu bilden (Satz 2). Nach § 6a Abs. 2 Satz 1 VO zu § 93 Abs. 2 SchulG NRW darf die Zahl der zu bildenden Eingangsklassen die kommunale Klassenrichtzahl nicht überschreiten. Die Klassenrichtzahl berechnet der Schulträger (vgl. § 6a Abs. 2 Satz 5 VO zu § 93 Abs. 2 SchulG NRW).
15Nach diesen Maßgaben ist die seitens der Schulleiterin angenommene Aufnahmekapazität von 75 Schülern an der E1. rechtlich nicht zu beanstanden. Da die E1. ein jahrgangsübergreifendes Konzept für die Jahrgangstufen 1 bis 4 verfolgt und in jede Klasse zu Beginn des Schuljahres Schüler der 1. Jahrgangsstufe aufgenommen werden, sind alle Klassen der E1. als Eingangsklassen einzuordnen. Eingangsklassen sind nämlich solche Klassen, die sowohl von neu einzuschulenden Schülern als auch bei jahrgangsübergreifenden Schulkonzepten von Schülern höherer Jahrgänge besucht werden (vgl. 6a.1.1 der Verwaltungsvorschrift zur VO zu § 93 Abs. 2 SchulG NRW). Nachdem seitens des Schulträgers nach § 46 Abs. 3 Satz 2 SchulG NRW, § 6a Abs. 2 der VO zu § 93 Abs. 2 SchulG NRW für die E1. 12 Eingangsklassen festgelegt worden waren, war für die Berechnung der Aufnahmekapazität von einer Schülerzahl von 300 Schülern in den Eingangsklassen auszugehen (300 aufgeteilt auf 12 Klassen entspricht 25 Schülern pro Klasse). Grund hierfür ist die Schülerzahlobergrenze nach § 6a Abs. 1 Sätze 1 und 2 VO zu § 93 Abs. 2 SchulG NRW, die vorschreibt, dass ab einer Schülerzahl von über 150 Schülern bei jeweils bis zu weiteren 25 Schülern eine weitere Eingangsklasse zu bilden ist. Dabei ist zu beachten, dass die Überschreitung einer Schülerzahlobergrenze des § 6a Abs. 1 Sätze 1 und 2 VO zu § 93 Abs. 2 SchulG NRW dazu führt, dass die jeweils nächsthöhere Schülerzahlobergrenze die Aufnahmekapazität bestimmt.
16Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. März 2020 – 19 B 1212/19 –, juris, Rn. 11.
17Im Fall der E1. hätte eine Überschreitung der Schülerzahl von 300 Schülern durch die Aufnahme weiterer Schüler nach den genannten Vorschriften zwingend zur Notwendigkeit der Bildung mindestens einer weiteren Eingangsklasse geführt. Dies hätte aber die seitens des Schulträgers vorgegebene Anzahl der Eingangsklassen an der E1. überschritten.
18Demgegenüber verkennt der Einwand des Antragstellers, die Schulleiterin hätte 81 Schüler aufnehmen müssen, den Zusammenhang zwischen der vom Schulträger festgelegten Anzahl der Eingangsklassen und dem jahrgangsübergreifenden Konzept.
19Die Schulleiterin der E1. hat unter Zugrundelegung der dargelegten Aufnahmekapazität bis zum Erreichen der Schülerzahlobergrenze von 300 maximal 75 Schüler aufnehmen können, weil die 12 Eingangsklassen nur so viele Abgänge für das Schuljahr 2022/2023 aufwiesen. Dieser Aufnahmekapazität standen 86 Anmeldungen gegenüber.
20Verbleibt nach Ausschöpfung der Aufnahmekapazität ein Anmeldeüberhang, sind gemäß § 1 Abs. 2 Satz 4 AO-GS die Kriterien des Absatzes 3 für die Aufnahmeentscheidung heranzuziehen. Darüber hinaus schränken bei einer Bekenntnisschule nach § 26 Abs. 3 SchulG NRW, wie der hier vorliegenden evangelischen Grundschule, Art. 12 Abs. 3 Satz 2 Landesverfassung NRW sowie der wortgleiche § 26 Abs. 3 Satz 1 SchulG NRW das eröffnete Aufnahmeermessen dahingehend ein, dass in einem ersten Schritt formell bekenntnisangehörige Kinder vorrangig vor bekenntnisfremden Kindern aufzunehmen sind,
21vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. März 2016 – 19 B 996/15 –, juris, Rn. 10.
22Erst anschließend hat der Schulleiter gemäß § 1 Abs. 3 Satz 4 AO-GS Härtefälle zu berücksichtigen und im Übrigen eines oder mehrere der genannten Kriterien (Nr. 1- 5) für die Aufnahmeentscheidung heranzuziehen.
23Diese Vorgaben hat die Schulleiterin der E1. berücksichtigt, indem sie vorrangig 19 Kinder mit evangelischer Konfession aufgenommen hat. Härtefälle waren nicht zu berücksichtigen. Soweit die Schulleiterin nachfolgend das Auswahlkriterium der Geschwister nach § 1 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 AO-GS herangezogen und dabei fehlerhaft drei Schüler aufgenommen hat, die im kommenden Jahr nicht zusammen mit einem älteren Geschwisterkind die Schule besuchen werden, hat sich dieser Fehler jedenfalls nicht zu Lasten des Antragstellers ausgewirkt. Denn die Schulleiterin hat die weitere Auswahlentscheidung auf das Kriterium der Schulweglänge nach § 1 Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 AO-GS gestützt. Bei richtiger Anwendung des Geschwisterkriteriums wären die drei aufgenommenen Schüler nach dem Kriterium der Entfernung (bei Entfernungen von 456m, 763m und 1,48km) in der Rangliste jedenfalls vor dem Antragsteller (Entfernung 1,59km) zu berücksichtigen gewesen, so dass der Antragsteller auch bei richtiger Anwendung des Geschwisterkriteriums nicht zum Zuge gekommen wäre.
24II.
25Der zulässige Hilfsantrag ist ebenfalls unbegründet. Aus den dargelegten Gründen steht dem Antragsteller auch kein Anspruch auf erneute Bescheidung seines Aufnahmeantrags zu.
26Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
27Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG, wobei die Kammer im Eilverfahren die Hälfte des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts in Höhe des Auffangstreitwerts (5.000,00 Euro) zugrunde gelegt hat.
28Rechtsmittelbelehrung
29Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.
30Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.
31Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
32Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) wird hingewiesen.
33Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen; dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde und für die Begründung. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
34Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
35Die Beschwerde ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.
36Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
37Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.
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Referenzen
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