Beschluss vom Verwaltungsgericht Köln - 6 M 63/22
Tenor
Der Vollstreckungsschuldnerin wird ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,00 EUR für den Fall angedroht, dass sie ihrer Verpflichtung aus der mit Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 29.07.2022 unter dem Aktenzeichen 15 B 1177/21 erlassenen einstweiligen Anordnung zur Beantwortung der Frage zu 4.
„Auf wessen Veranlassung im Gesundheitsministerium wurde akzeptiert, dass die Firma S.. E.. GmbH lange nach dem 30. April 2020 anliefern konnte und diese gleichwohl be- zahlt wurde?“
nicht binnen drei Tagen nach Zustellung dieses Beschlusses nachkommt.
Die Vollstreckungsschuldnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
1
Gründe
2Das Verwaltungsgericht ist als Gericht des ersten Rechtszuges nach § 172 Satz 1 VwGO für den Antrag auf Erlass eines Vollstreckungsbeschlusses zuständig. Der Umstand, dass der hier zu vollstreckende Beschluss erst im Beschwerdeverfahren durch das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen erlassen worden ist, ändert daran nichts. Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen wird erst dann für die hier begehrte Vollstreckungshandlung zuständig, wenn Beschwerde gegen den Vollstreckungsbeschluss erhoben wird.
3Vgl. zur dann bestehenden Anordnungsbefugnis des Beschwerdegerichts: OVG NRW, Beschluss vom 10.09.2013 – 16 E 100/13 –, juris, Rn. 13 - 15.
4Das Verwaltungsgericht entscheidet nach der genannten Norm durch Beschluss in der Besetzung gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 VwGO.
5Vgl. Pietzner/Möller, in: Schoch/Schneider u. a., 42. EL Juli 2022, § 172 VwGO Rn. 40.
6Der Vollstreckungsantrag der Vollstreckungsgläubigerin vom 22.08.2022 ist zulässig und begründet.
7Rechtsgrundlage für die beantragte Vollstreckungsmaßnahme ist § 172 Satz 1 VwGO. Danach kann das Gericht auf Antrag unter Fristsetzung ein Zwangsgeld bis 10.000,00 EUR durch Beschluss androhen, wenn die Behörde unter anderem im Fall des § 123 VwGO der ihr in der einstweiligen Anordnung auferlegten Verpflichtung nicht nachkommt.
8Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor.
9Die vom Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen unter dem Aktenzeichen 15 B 1177/21 im Beschluss vom 29.07.2022 erlassene – rechtskräftige – einstweilige Anordnung ist gemäß § 168 Abs. 1 Nr. 2 VwGO ein Vollstreckungstitel.
10Eine Vollstreckungsklausel ist entbehrlich, da es ihrer nur in den – hier nicht vorliegenden – Fällen des § 929 Abs. 1 ZPO, der gemäß § 123 Abs. 3 VwGO für einstweilige Anordnungen entsprechend gilt, bedarf. Die einstweilige Anordnung, aus der vollstreckt wird, ist der Vollstreckungsschuldnerin nach nicht bestrittener Auskunft der Vollstreckungsgläubigerin am 01.08.2022 – von Amts wegen – zugestellt worden.
11Entgegen der Ansicht der Vollstreckungsschuldnerin fehlt es dem Vollstreckungstitel nicht an einem vollstreckungsfähigen Inhalt. Die mit dem Beschluss u.a. auferlegte Verpflichtung zur Beantwortung der Frage zu 4. ist insbesondere hinreichend bestimmt.
12Ein Titel ist nur dann bestimmt genug und zur Zwangsvollstreckung geeignet, wenn er den Anspruch des Gläubigers ausweist und Art, Inhalt und Umfang der Leistungspflicht bezeichnet. Bei einer Verpflichtung zur Vornahme einer unvertretbaren Handlung – wie hier – muss die zur Erfüllung geeignete Handlung im Titel hinreichend konkretisiert und für die Durchführenden klar erkennbar sein. Lässt der Wortlaut des Titels Deutungen offen, ist notfalls der Inhalt des Titels durch Auslegung festzustellen. Dabei muss der Titel jedoch aus sich heraus für eine Auslegung genügend bestimmt sein oder jedenfalls sämtliche Kriterien für seine Bestimmbarkeit eindeutig festlegen.
13Vgl. etwa OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 15.01.2020 – 2 O 131/19 –, juris, Rn. 21.
14Gemessen daran fehlt es dem Titel in Bezug auf die hier zu vollstreckende Auskunftspflicht nicht an Bestimmtheit. Die zu beantwortende Frage zu 4. lautet:
15„Auf wessen Veranlassung im Gesundheitsministerium wurde akzeptiert, dass die Firma S. E. GmbH lange nach dem 30. April 2020 anliefern konnte und diese gleichwohl bezahlt wurde?'
16Die Frage zielt ersichtlich auf die Benennung derjenigen Person/en, auf deren Veranlassung akzeptiert wurde, dass die besagte Firma „lange nach dem 30. April 2020 anliefern konnte und diese gleichwohl bezahlt wurde“. Bereits bei einer wörtlichen Betrachtung dieser Frage („auf wessen Veranlassung“) ist erkennbar, dass eine konkrete Auskunft über die Person des Handelnden begehrt wird. Denn bei objektiver Betrachtung der Frage geht der Fragesteller ersichtlich davon aus, dass hier eine oder mehrere Person/en die erfragte Veranlassung bewirkt hat/haben. Die Vollstreckungsschuldnerin kann in Ansehung der Fragestellung mithin klar erkennen, dass sie, um ihre Verpflichtung zu erfüllen, die betreffende/n Person/en nennen müsste. Jedenfalls unter Heranziehung der Gründe des zu vollstreckenden Beschlusses vom 29.07.2022 lässt sich eindeutig bestimmen, was von der Vollstreckungsschuldnerin verlangt wird. Denn dort (Seite 12 des Beschlussabdrucks) führt das Oberverwaltungsgericht unter Hinweis auf eine bislang nicht vollständige Beantwortung der Frage aus, dass die unter dem 14.03.2022 erteilte Antwort offen lasse, „auf wen die erfragte Veranlassung innerhalb des Ministeriums zurückgeht“. Daraus folgt zwanglos, dass zur Beantwortung der Frage anzugeben ist, „auf wen die erfragte Veranlassung innerhalb des Ministeriums zurückgeht“, m.a.W. wer die in der Frage beschriebene Handlung („...akzeptiert, dass ...“) veranlasst hat.
17Die Vollstreckungsschuldnerin hat ihre so verstandene Verpflichtung aus dem Beschluss nicht erfüllt.
18Dass die Frage nicht bereits durch die Antwort vom 14.03.2022 beantwortet wurde, ist bereits durch das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen im zu vollstreckenden Beschluss festgestellt worden. Auf die entsprechenden Ausführungen (Seite 12 des Beschlussabdrucks), denen die Kammer folgt, kann insoweit Bezug genommen werden.
19Die Frage ist aber auch nicht durch die Ergänzung der Antwort vom 14.03.2022 durch das Schreiben vom 08.08.2022 beantwortet worden. Dort heißt es wörtlich:
20„Sofern beim Vorliegen zwingender logistischer Gründe unter bestimmten Voraussetzungen nach dem 30. April 2020 angeliefert wurde, beruht dies auf Entscheidungen, die im Zusammenwirken zwischen dem jeweils betroffenen Lieferanten, dem Bundesministerium für Gesundheit unter Wahrung der vorgesehenen Zuständigkeiten im Bundesministerium und den Dienstleistern des Bundes getroffen wurden.“
21Die Frage, auf wen die erfragte Veranlassung innerhalb des Ministeriums zurückgeht, ist mit der Angabe „Bundesministerium für Gesundheit unter Wahrung der vorgesehenen Zuständigkeiten im Bundesministerium“ nicht beantwortet. Die Antwort benennt ersichtlich nicht die betreffende/n Person/en im Ministerium, sondern verweist darauf, dass die vorgesehenen Zuständigkeiten gewahrt worden seien. Unabhängig davon, dass danach nicht gefragt war, sind der Vollstreckungsgläubigerin die betreffende/n Person/en im Ministerium nicht genannt, sondern lediglich Kriterien mitgeteilt worden, anhand derer sie möglicherweise durch weitere Recherchetätigkeit ermitteln könnte, wen die Vollstreckungsschuldnerin mit ihrer Antwort meint. Mit dem sinngemäßen Verweis auf weitere Rechercheansätze kann eine auf die Benennung von Personen abzielende Frage indes nicht beantwortet werden.
22Vollstreckungshindernisse sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere ist nicht dargetan, dass der Vollstreckungsschuldnerin eine Benennung der Person/en nicht möglich wäre.
23Die Höhe des angedrohten Zwangsgelds von 5.000,00 EUR ist angemessen, um der Vollstreckungsschuldnerin nunmehr Veranlassung zu geben, ihrer Verpflichtung in der gebotenen Weise nachzukommen. Dabei hat das Gericht berücksichtigt, dass vorliegend zwar das erste Zwangsgeld angedroht wird, die Höhe jedoch im Hinblick auf eine zeitlich nur beschränkte Verwertbarkeit der Information unter dem Gesichtspunkt der Nachrichtenaktualität mit Blick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes erforderlich ist. Aus dieser Erwägung heraus rechtfertigt sich auch die Setzung einer Erfüllungsfrist von (nur) drei Tagen.
24Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
25Die Festsetzung eines Streitwerts ist entbehrlich, da eine streitwertunabhängige Festgebühr nach Nr. 5301 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG)
26anfällt.
27Rechtsmittelbelehrung
28Gegen diesen Beschluss kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen entscheidet, falls das beschließende Gericht ihr nicht abhilft.
29Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht. In Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
30Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) wird hingewiesen.
31Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen; dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde und für die Begründung. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der VwGO im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
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Referenzen
- VwGO § 172 3x
- VwGO § 123 1x
- VwGO § 5 1x
- VwGO § 168 1x
- 16 E 100/13 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- § 3 Abs. 2 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 67 1x
- 15 B 1177/21 1x (nicht zugeordnet)
- 2 O 131/19 1x (nicht zugeordnet)
- 15 B 1177/21 1x (nicht zugeordnet)