Beschluss vom Verwaltungsgericht Magdeburg (8. Kammer) - 8 B 139/17

Gründe

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Der zulässige Antrag ist begründet. Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall des hier einschlägigen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen.Es hat abzuwägen zwischen dem sich aus § 75 AsylG ergebenden öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsanordnung und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO allein erforderliche summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass die Klage voraussichtlich erfolglos bleiben wird, tritt das Interesse der Antragstellerin regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid als rechtswidrig, so besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung. Im Rahmen dieser ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber in den Fällen, in denen die Klage – wie hier nach § 75 Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO – keine aufschiebende Wirkung hat, einen grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses angeordnet hat und es deshalb besonderer Umstände bedarf, um eine hiervon abweichende Entscheidung zu rechtfertigen. Eine Einzelfallbetrachtung ist grundsätzlich nur im Hinblick auf solche Umstände geboten, die von den Beteiligten vorgetragen werden und die Annahme rechtfertigen können, dass im konkreten Fall von der gesetzgeberischen Grundentscheidung ausnahmsweise abzuweichen ist. Dabei ist der Rechtsschutzanspruch umso stärker und darf umso weniger zurückstehen, je schwerwiegender die dem Einzelnen auferlegte Belastung ist und je mehr die Maßnahmen der Behörde Unabänderliches bewirken (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14.04.2005 – 4 VR 1005/04 – Rdnr. 12, juris).

2

Die Abschiebungsanordnung findet ihre Rechtsgrundlage in § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AsylG. Danach hat die Antragsgegnerin in den Fällen, in denen der Asylantrag nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AsylG unzulässig ist, die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat anzuordnen, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Die Voraussetzungen für die Abschiebungsanordnung liegen hier nach summarischer Prüfung nicht vor.

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Zwar hat die Antragsgegnerin den Asylantrag der Antragsteller zu Recht gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG als unzulässig abgelehnt, da den Antragstellern in Italien bereits internationaler Schutz gewährt worden ist. Hierbei ist auch unbeachtlich, ob den Ausländern die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist. Denn beide stellen Formen internationalen Schutzes im Sinne von § 1 Abs. 1 Ziff. 2 AsylG dar.

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Indes ist Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung, dass nach § 34 Abs. 1 Nr. AsylG ferner, dass keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen. Da Familien mit Kleinkindern besonders schutzbedürftig sind, ist deren Abschiebung nach Italien nur dann mit dem Interesse an einem wirksamen Schutz des Kindeswohls vereinbar ist, wenn dem Risiko, im Falle der Abschiebung nach Italien ohne Unterkunft zu bleiben oder in überfüllten Einrichtungen ohne jede Privatsphäre oder gar in einer gesundheitsgefährdenden oder gewalttätigen Umgebung untergebracht zu werden, wirksam und sicher vorgebeugt ist. Hierzu ist ausreichend aber auch notwendig, dass die Antragsgegnerin eine Zusicherung der italienischen Behörden einholt, dass die Antragsteller bei der Ankunft in Italien in einer Einrichtung und unter Bedingungen aufgenommen werden, die dem Alter der Kindes angemessen sind und dass sie als Familie zusammenbleiben können (vgl. EGMR, Urt. v. 04.11.2014 – 29217/12 – , Rdnr. 122). Solange eine solche Zusicherung nicht vorliegt, steht nicht fest, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann (vgl. VG Magdeburg, Urteil vom 03.02.2016 – 8 A 17/16 MD).


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