Beschluss vom Verwaltungsgericht Minden - 3 L 759/21
Tenor
- 1.
Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
- 2.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
- 3.
Der Streitwert wird auf 12.500,00 € festgesetzt.
1
Gründe:
2Der – wörtlich gestellte – Antrag
3„[f]ür die Zeit bis zur Entscheidung über diese Klage […] dem, dem hier beklagten Ablehnungsbescheid zugrunde liegenden, im Weiteren als Kopie anhängenden Antrag des Klägers vom 13.10.21 durch Gerichtsbeschluss bis auf Weiteres stattzugeben oder wenigstens mit wahrscheinlich möglichen und möglichst ähnlichen Praxis-Folgen zu beschließen (Vorläufige Regelung im Eilverfahren)“,
4mit dem der anwaltlich nicht vertretenen Antragsteller bei verständiger Würdigung seines Rechtsschutzziels in Ansehung der Antragsbegründung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO den Erlass einer einstweiligen Anordnung auf vorläufige Herausgabe des nicht in seinem Eigentum stehenden, im Rahmen des Vollzugs der Untersagung des – jedenfalls vordergründig – durch Dritte erfolgten Betriebs einer illegalen Prostitutionsstätte durch den Antragsgegner versiegelten Gebäudes I. L. , B. , Q. X. bis zur Entscheidung über seine zum Aktenzeichen des beschließenden Gerichts 3 K 6820/21 in der Hauptsache erhobene Klage begehrt, hat keinen Erfolg.
5Der Antrag ist unzulässig, weil er nicht den sich aus § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO ergebenden Anforderungen entspricht. Der Antragsteller hat trotz gerichtlicher Aufforderung seine ladungsfähige Anschrift nicht mitgeteilt, § 82 Abs. 2 Satz 1 VwGO.
6Nach gefestigter Rechtsprechung, die aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden ist, bedarf es aufgrund von § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO für die Zulässigkeit einer Klage oder eines Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes einer natürlichen Person grundsätzlich der Angabe ihrer „ladungsfähigen Anschrift“, unter der die Partei tatsächlich zu erreichen ist. Diese Pflicht entfällt im Hinblick auf den Art. 19 Abs. 4 GG zu entnehmenden Anspruch auf effektiven Rechtsschutz nur, wenn ihre Erfüllung ausnahmsweise – etwa bei Obdachlosigkeit – unmöglich oder zur Wahrung schutzwürdiger Geheimhaltungsinteressen unzumutbar ist.
7Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. April 1999 – 1 C 24.97 –, juris; OVG NRW, Urteil vom 30. April 2009 – 10 D 47/08.NE –, juris, Rn. 14 ff., und Beschluss vom 27. August 2007 – 18 A 1925/07 –, Abdruck S. 3 f., m. w. N.
8B. der Angabe der ladungsfähigen Anschrift fehlt es im vorliegenden Fall. Der Antragsteller ist unbekannten Aufenthalts. Die Benennung einer Zustellungsbevollmächtigten genügt nicht den dargestellten Anforderungen. Denn in bestimmten prozessualen Situation, wie unter anderem bei der Anordnung des persönlichen Erscheinens oder im Falle einer etwaigen Kostentragungspflicht kommt es auf die persönliche Erreichbarkeit des Antragstellers an. Abgesehen davon dient die Angabe der ladungsfähigen Anschrift der Partei deren Individualisierung.
9Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9. Januar 2012 – 18 E 1327/11 – juris, m. w. N, und Urteil vom 20. Februar 2001 –- 22 A 3200/97 –, juris.
10Es liegt auch kein Ausnahmefall vor, der den Antragsteller von der Pflicht zur Angabe einer ladungsfähigen Anschrift befreien könnte. Anhaltspunkte dafür, dass ihm die Angabe einer Wohnungsanschrift unmöglich oder unzumutbar sein könnte, hat der Antragsteller nicht so nachvollziehbar aufgezeigt, dass eine weitere Sachaufklärung insoweit angezeigt wäre. Insoweit er pauschal angibt, keine Wohnungsanschrift zu haben, ist sein dahingehendes Vorbringen bereits vollkommen unsubstantiiert und geht nicht über die vorgenannte, negative Tatsachenbehauptung hinaus. Insbesondere macht der Antragsteller keine Angaben zu seinem Aufenthalt und behauptet auch nicht, obdachlos zu sein. In Ansehung dessen wird schon nicht hinreichend deutlich, ob sich die Angabe des Antragstellers allein auf eine melderechtlich erfasste Wohnungsanschrift bezieht oder ob er tatsächlich behauptet, über keinen Wohnsitz zu verfügen. Damit genügt der Sachvortrag bereits nicht dem Darlegungserfordernis, zumal das Gericht nicht in die Lage versetzt wird, zu prüfen, ob ausnahmsweise auf die Mitteilung der ladungsfähigen Anschrift des Antragstellers verzichtet werden kann.
11Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. April 1999 – 1 C 24.97 –, juris, Rn. 40, m. w. N.
12Die vom Antragsteller abgegebene bzw. angebotene – ebenfalls auf die negative Tatsache einer fehlenden Wohnungsanschrift beschränkte – eidesstattliche Versicherung kann die fehlende Substantiierung seines Vorbringens nicht ersetzen. Dass der Antragsteller ausweislich der seitens des Beklagten am 17. Juli 2018 durchgeführten Meldeportalanfrage (Bl. 34 f. d. VV) bereits seit dem 10. November 1982 nicht mehr gemeldet ist, belegt ebenfalls nicht, dass er über keinen Wohnsitz verfügt. Vielmehr liegt eine Verletzung melderechtlicher Pflichten nach dem Bundesmeldegesetz nahe. Denn es ist gerade angesichts seiner offenbar umfangreichen wirtschaftlichen Aktivitäten – u. a. tritt er seit Jahren gegenüber Behörden und dem erkennenden Gericht als Pächter und Unterverpächter der streitgegenständlichen Immobilie auf – mehr als unwahrscheinlich, dass der Antragsteller bereits seit 39 Jahren obdachlos ist. Sollte sich der Antragsteller außer Stande sehen, eine feste Wohnanschrift anzugeben, um vorsätzlich seine Erreichbarkeit zu vermeiden, ergäbe sich hieraus bereits keine Unzumutbarkeit im o. g. Sinne.
13Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 27. Juli 2021 – 4 A 1876/21 –, Abdruck S. 4, und vom 14. Juli 2021 – 4 B 1161/21 –, Abdruck S. 3 f.
14Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
15Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG. Dabei hat die Kammer sowohl bezüglich der im Wege des unmittelbaren Zwangs vollstreckten Ordnungsverfügung des Beklagten vom 21. Juni 2018, mit welcher dieser den Betrieb der unerlaubten Prostitutionsstätte untersagt hat,
16vgl. VG Minden, Beschluss vom 25. September 2019 – 3 K 2902/18 –,
17als auch mit Blick auf den Herausgabeantrag des Antragstellers betreffend das in Rede stehende Gebäude,
18vgl. VG Minden, Beschluss vom 16. Juni 2021 – 3 K 1722/21 –,
19im Hauptsacheverfahren jeweils einen Streitwert von 25.000,00 € angenommen. Hieran orientiert sie sich auch im vorliegenden Verfahren, zumal der Antragsteller bei verständiger Würdigung seines Vorbringens im gerichtlichen wie auch im behördlichen Verfahren offensichtlich die Wiederaufnahme des Betriebs als Prostitutionsstätte beabsichtigt, wobei der Streitwert im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auf die Hälfte zu reduzieren ist.
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Referenzen
- §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG 2x (nicht zugeordnet)
- 3 K 2902/18 1x (nicht zugeordnet)
- 18 A 1925/07 1x (nicht zugeordnet)
- 3 K 1722/21 1x (nicht zugeordnet)
- 4 A 1876/21 1x (nicht zugeordnet)
- 18 E 1327/11 1x (nicht zugeordnet)
- 4 B 1161/21 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- VwGO § 123 1x
- 10 D 47/08 1x (nicht zugeordnet)
- 3 K 6820/21 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 82 3x
- 22 A 3200/97 1x (nicht zugeordnet)