Beschluss vom Verwaltungsgericht München - M 31 K 21.3262

Tenor

Der Antrag der Klägerin und Antragstellerin, gerichtet auf Beiladung der Bundesrepublik Deutschland und des Freistaats Bayern, wird sowohl für das Hauptsacheverfahren M 31 K 21.3262 als auch für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes M 31 E 21.3263 abgelehnt.

Gründe

I.

Die Klägerin und Antragstellerin begehrt, ihr unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids der Beklagten und Antragsgegnerin vom 18. Mai 2021 eine außerordentliche Wirtschaftshilfe für Dezember 2020 („Dezemberhilfe“) zu gewähren. Sie hat hierzu durch ihre Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 18. Juni 2021 Klage mit verschiedenen Anträgen erheben lassen und beantragt gleichzeitig den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Sie beziffert den von ihr begehrten Umfang der Dezemberhilfe mit 126.527,47 EUR. Zur Begründung wird im Wesentlichen geltend gemacht, durch die Gewährung der außerordentlichen Wirtschaftshilfe der November- und Dezemberhilfe für bestimmte Unternehmen und Betriebe unter Ausschluss der nicht privilegierten Unternehmen und Betriebe des Einzelhandels - wie dem der Klägerin und Antragstellerin - liege eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung und somit ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor. In der Rechtsfolge ergebe sich ein Anspruch auf Gewährung der außerordentlichen Wirtschaftshilfe.

Zudem wird beantragt,

die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und den Freistaat Bayern, vertreten durch das zuständige Ministerium, zum Verfahren beizuladen.

Zur Begründung wird im Schriftsatz vom 18. Juni 2021 ausgeführt, die Bundesrepublik Deutschland und der Freistaat Bayern seien gemäß § 65 Abs. 1 VwGO beizuladen, weil die rechtlichen Interessen des Bundes und des Landes bei der Überprüfung des Förderprogramms der November- bzw. Dezemberhilfe berührt würden. Die Beiladung diene der Verfahrensökonomie und der Rechtssicherheit. Gegenüber den Beigeladenen bewirke die Einbeziehung in die Rechtskraft des Urteils eine Präjudizialität. Die Betroffenheit sowohl des Bundes als auch des Landes liege darin begründet, dass dem Streitgegenstand bzw. dem Bescheid gegenüber der Klägerin und Antragstellerin zwar ein Förderprogramm des Bundes zugrunde liege, weil der Bund die Mittel bereitstelle. Die Programme würden aber aufgrund von Verwaltungsvereinbarungen von den Ländern ausgeführt, die auch die entsprechenden Förderrichtlinien erließen. Insoweit seien bei einer Entscheidung über die Einbeziehung der Klägerin und Antragstellerin in die außerordentliche Wirtschaftshilfe bzw. Dezemberhilfe sowohl die rechtlichen Interessen des Bundes als auch des Landes berührt.

Die Beklagte und Antragsgegnerin hat im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 16. Juli 2021 Stellung genommen, sich zur Frage der Beiladung allerdings nicht geäußert.

II.

Der Antrag ist abzulehnen.

1. Es fehlt bereits an einer Tatbestandsvoraussetzung der Beiladung. Die für eine Beiladung in Betracht kommende Person muss ein „anderer“ oder ein „Dritter“, also von den Hauptbeteiligten personenverschieden sein. Weder die Bundesrepublik Deutschland noch der Freistaat Bayern sind indessen „andere“ bzw. „Dritte“ i.S.d. § 65 Abs. 1 und 2 VwGO.

Nach § 47b ZustV, hier anwendbar i.d.F. der letzten Änderung vom 12. April 2021 (GVBl. S. 263), ist die Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern in eigener Verantwortlichkeit im Freistaat Bayern zuständig für die Abwicklung der Corona-Überbrückungshilfe des Bundes für kleine und mittelständische Unternehmen, der außerordentlichen Wirtschaftshilfe des Bundes anlässlich der Corona-Pandemie, der Bayerischen Lockdown-Hilfe und der Bayerischen Corona-Härtefallhilfe, insbesondere für die Entgegennahme und Prüfung der Anträge, den Erlass der Bescheide und die Auszahlung der Beträge. Damit ist die Beklagte und Antragsgegnerin normativ damit beauftragt bzw. dazu beliehen, im Freistaat Bayern in eigener Zuständigkeit mit Außenwirkung im Vollzug der im Einzelnen in § 47b ZustV bezeichneten Förderprogramme exekutiv tätig zu werden. Der Rechtsstreit betrifft mit dem angefochtenen Bescheid vom 18. Mai 2021 eine solche Auftragsangelegenheit. Die Richtlinien für die Gewährung von außerordentlicher Wirtschaftshilfe des Bundes für November 2020 (Novemberhilfe) und Dezember 2020 (Dezemberhilfe) stellen in ihren Präambeln sowie in der Regelung über die Zuständigkeit (vgl. dort jeweils Nr. 5 Satz 1) im Übrigen ausdrücklich klar, dass die Beklagte und Antragsgegnerin als Bewilligungsstelle normativ durch § 47b ZustV entsprechend zum Vollzug ermächtigt ist und dies im Innenverhältnis auf korrespondierenden Verwaltungsvereinbarungen einerseits zwischen dem Bund und dem Freistaat Bayern sowie andererseits zwischen dem Freistaat Bayern und der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern beruht (vgl. zu Einzelheiten der Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Freistaat Bayern und der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern auch: LT-Drs. 18/12022, S. 14).

Im Verwaltungsstreitverfahren obliegt es vorliegend der im Außenverhältnis allein zuständigen Beklagten und Antragsgegnerin als Beauftragter bzw. Beliehener in der Funktion eines gesetzlichen Prozessstandschafters der Bundesrepublik Deutschland und des Freistaats Bayern auch für diese aufzutreten. Dieses zur Bundesauftragsverwaltung (Art. 85 GG) anerkannte Rechtsverständnis (stRspr. vgl. z.B. BVerwG, B.v. 21.3.2006 - 9 B 18.05 - juris Rn. 11) ist auch auf die vorliegende Konstellation zu übertragen. Die Wahrnehmungskompetenz, d.h. das Handeln und die Verantwortlichkeit nach außen im Verhältnis zu Dritten, steht alleine der Beklagten und Antragsgegnerin zu. Ist der Beliehene - wie hier - am Verwaltungsrechtsstreit als Beklagter beteiligt, entfällt eine Beiladung des ihn mit der öffentlichen Gewalt beleihenden Staates oder einer Behörde desselben, da der Beliehene nicht „anderer“, sondern nur ein anderer Verwaltungsträger „anstelle“ des Staates ist (vgl. NK-Kluckert, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 65 Rn. 74; Bier/Steinbeiß-Winkelmann in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand Februar 2021, § 65 Rn. 12). Rechte der Bundesrepublik Deutschland und des Freistaats Bayern, die im Wege der (einfachen oder notwendigen) Beiladung prozessual zur Geltung gebracht werden müssten, bestehen daher nicht. Die im Verwaltungsprozess ergehende Entscheidung betrifft unmittelbar allein das zwischen Klägerin/Antragstellerin und Beklagter/Antragsgegnerin bestehende zuwendungsrechtliche Verhältnis, während sie für das Verhältnis sowohl zur Bundesrepublik Deutschland als auch zum Freistaat Bayern nur mittelbar im Sinne eines Rechtsreflexes wirkt.

2. Im Übrigen bliebe der von der Klägerin und Antragstellerin ausdrücklich allein auf § 65 Abs. 1 VwGO gestützte Antrag auch dann ohne Erfolg, wenn man von der tatbestandlichen Anwendbarkeit dieser Vorschrift ausginge.

Nach dieser Vorschrift kann das Gericht, solange das Verfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen oder in höhere Instanz anhängig ist, von Amts wegen oder auf Antrag andere, deren rechtliche Interessen durch die Entscheidung berührt werden, beiladen. Die Entscheidung ergeht nach pflichtgemäßem Ermessen, da insoweit kein Rechtsanspruch auf Beiladung besteht. Über die Vornahme oder Unterlassung der einfachen Beiladung kann folglich insbesondere aufgrund von Zweckmäßigkeitserwägungen im Lichte der Prozessökonomie entschieden werden. Zu prüfen ist dabei, ob der Beiladungszweck im konkreten Fall die Beiladung nahelegt (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 23.8.2016 - 21 C 16.325 - juris Rn. 8 m.w.N.). Pflichtgemäßer Betätigung des gerichtlichen Verfahrensermessens entspricht es hier, den Kreis einfach Beigeladener schon aus Gründen der Praktikabilität und Ökonomie des Verfahrens zu begrenzen. Es ist nicht ersichtlich, dass unter dem Gesichtspunkt des effektiven Rechtsschutzes der Klägerin und Antragstellerin die Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland und des Freistaats Bayern erforderlich wäre. Vielmehr vertritt die Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern, entsprechend den vorgenannten Zuwendungsrichtlinien und nach der ausdrücklichen normativen Zuständigkeitszuweisung des § 47b ZustV, die Beklagtenpartei im Freistaat Bayern in gesetzlicher Prozessstandschaft im Rahmen der ihr zum Vollzug zugewiesenen Corona-Förderprogramme eigenverantwortlich auch im Verwaltungsprozess. Eine zusätzliche antragsgemäße Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland und des Freistaats Bayern als (einfache) Beigeladene würde die Zahl der Verfahrensbeteiligten verdoppeln, ohne dass hierfür nach dem vorstehend Ausgeführten Erhebliches streiten würde. Mit Blick auf das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) sind die Bundesrepublik Deutschland und der Freistaat Bayern im Übrigen gehalten, verwaltungsgerichtliche Entscheidungen, die gegen ihre Prozessstandschafter ergehen, ohne weiteres auch gegen sich selbst gelten zu lassen.

Nach alledem bleibt der Beiladungsantrag der Klägerin und Antragstellerin ohne Erfolg.

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