Beschluss vom Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße (4. Kammer) - 4 L 227/11.NW
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 54,34 € festgesetzt.
Gründe
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Der Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seiner Widersprüche gegen die Abgabenbescheide der Antragsgegnerin vom 15. September 2010 und vom 6. Januar 2011 sowie die Mahnung vom 31. Januar 2011 nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. VwGO anzuordnen, ist bereits unzulässig.
I.
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Die von dem Antragsteller angefochtenen Abgabenbescheide vom 15. September 2010 und vom 6. Januar 2011 haben die Anforderung von öffentlichen Abgaben im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO zum Gegenstand. In einem solchen Fall ist gemäß § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO ein Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. VwGO nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Diese Voraussetzungen müssen im Zeitpunkt der Stellung des Aussetzungsantrages bei Gericht erfüllt sein, denn sie stellen eine so genannte Zugangsvoraussetzung dar, ohne deren Vorliegen die Anrufung des Verwaltungsgerichts nicht zulässig ist (s. z.B. OVG Rheinland-Pfalz, NVwZ-RR 1999, 810 und Beschluss vom 23. Februar 2011 - 6 B 10198/11.OVG -; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 28. Februar 2011 - 2 S 107/11 -, juris). Diese Zugangsvoraussetzung war bei Eingang des Antrags des Antragstellers bei Gericht am 14. März 2011 nicht gegeben.
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Auf eine der in § 80 Abs. 6 Satz 2 VwGO geregelten Ausnahmen kann sich der Antragsteller nicht berufen. Danach gilt Satz 1 nicht, wenn erstens die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder zweitens eine Vollstreckung droht. Beide Varianten liegen hier nicht vor.
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Die erste Alternative ist nicht erfüllt. § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 VwGO trifft keine ausdrückliche Bestimmung, welche Frist für die Bescheidung eines Aussetzungsantrags im vorangeschalteten behördlichen Aussetzungsverfahrens als angemessen betrachtet werden kann. In der Rechtsprechung wird insoweit eine Frist von einem Monat als Anhalt herangezogen; maßgebend sind letztlich die konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls (s. z.B. OVG Bremen, NVwZ-RR 2010, 866; OVG Berlin-Brandenburg, NVwZ 2006, 356). So kann die Zahl der anhängigen Widerspruchs- und Aussetzungsverfahren die angemessene Bearbeitungsdauer beeinflussen (OVG Mecklenburg-Vorpommern, NVwZ-RR 2004, 797), gleiches gilt für das Gewicht der geltend gemachten Aussetzungsgründe (OVG Niedersachsen, NVwZ-RR 2008, 594).
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Nach diesem Maßstab war vorliegend bei Eingang des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO am 14. März 2011 die angemessene Frist nach § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 VwGO noch nicht überschritten. Zur Beurteilung der Angemessenheit kommt es insoweit auf die Verhältnisse zu diesem Zeitpunkt an (vgl. Puttler in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Auflage 2010, Rn. 180). Den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche gegen die beiden Abfallgebührenbescheide vom 15. September 2010 und 6. Januar 2011 stellte der Antragsteller am 22. Februar 2011, so dass am 14. März 2011 knapp drei Wochen vergangen waren, in denen die Antragsgegnerin noch keine Entscheidung über den Aussetzungsantrag getroffen hatte. Eine Bearbeitungsdauer von drei Wochen ist jedenfalls nicht unangemessen, zumal die Antragsgegnerin nach ihren eigenen Angaben mit einer Vielzahl von derartigen Verfahren belastet ist.
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Die vorherige Durchführung eines behördlichen Aussetzungsverfahrens war auch nicht im Hinblick auf eine dem Antragsteller drohende Vollstreckung (§ 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO) entbehrlich. Von einer drohenden Vollstreckung in diesem Sinne ist auszugehen, wenn eine konkrete Vollstreckungsmaßnahme eingeleitet oder der Beginn der Vollstreckung behördlich angekündigt worden ist; wenigstens müssen aus der Sicht eines objektiven Betrachters konkrete Vorbereitungshandlungen der Behörde für eine alsbaldige Durchsetzung des Abgabenbescheids vorliegen. Die Festsetzung eines Säumniszuschlags oder der Erlass einer Mahnung genügen hierfür nicht. Eine Mahnung ist noch nicht mit dem Beginn der Vollstreckung gleichzusetzen, denn sie hat keine unmittelbaren Rechtswirkungen und lässt auch keine Schlussfolgerungen über das Ob, Wann und Wie der Vollstreckung zu. Ebenso wenig genügt die in einem Bescheid enthaltene formularmäßige Ankündigung, man werde die Vollstreckung nach Ablauf einer Zahlungsfrist einleiten. Denn aus der Sicht eines objektiven Betrachters steht die Vollstreckung auch dann zeitlich nicht so unmittelbar bevor, dass es dem Abgabenschuldner unzumutbar wäre, sich zunächst an die Behörde zu wenden (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 28. Februar 2011 - 2 S 107/11 -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 23. Februar 2011 - 6 B 10198/11.OVG -; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21. Mai 2010 - 7 B 356/10 - juris).
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Gemessen hieran ist vorliegend nicht von einer drohenden Vollstreckung im Zeitpunkt der Antragstellung vor Gericht auszugehen. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller lediglich am 31. Januar 2011 ein Mahnschreiben betreffend den Abfallgebührenbescheid vom 15. September 2010 zukommen lassen. Damit hat sie aber keine konkrete Maßnahme zur zwangsweisen Beitreibung der festgesetzten Abfallgebühr für einen unmittelbar bevorstehenden Termin angekündigt.
II.
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Soweit sich der Antragsteller gegen die in dem Schreiben der Antragsgegnerin vom 31. Januar 2011 enthaltene Anmahnung der fälligen Rückstände für das Jahr 2010 in Höhe von 22,50 € wendet, ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. VwGO schon nicht statthaft. Denn eine Mahnung stellt mangels Regelung eines konkreten Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen kein Verwaltungsakt dar (vgl. § 1 LVwVfG i.V.m. § 35 VwVfG sowie § 3 Abs. 1 Nr. 3 KAG i.V.m. § 118 Satz 1 AO). Bei dem Schreiben der Antragsgegnerin vom 31. Januar 2011 handelt es sich um eine Mahnung im Sinne von § 22 Abs. 2 LVwVG, welche wie die Fälligkeit der Leistung (§ 22 Abs. 1 Nr. 1 LVwVG) und der Ablauf einer Schonfrist von einer Woche (§ 22 Abs. 1 Nr. 2 LVwVG) eine besondere Voraussetzung für den Beginn der Vollstreckung einer Geldforderung zusätzlich zu den allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen nach § 2 LVwVG ist (s. Beckmann/Gast, LVwVG, April 2002, § 22 Anm. 2 f.). Der Mahnung kommt keine Verwaltungsaktqualität zu, weil sie den Abgabeschuldner lediglich an seine Zahlungspflicht erinnert und nicht unmittelbar auf die Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichtet ist (Bay. VGH, Beschluss vom 13. September 1999 – 23 ZB 99.2507 – m.w.N., juris; OVG Rheinland-Pfalz, NJW 1982, 2276).
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Soweit sich der Antragsteller ferner gegen die Erhebung von Mahngebühren, Auslagen und Säumniszuschlägen in dem Schreiben der Antragsgegnerin vom 31. Januar 2011 zur Wehr setzt, ist sein Begehren ebenfalls unzulässig. Bezüglich der - aufgrund § 2 LVwVGKostO erhobenen - Mahngebühr und der - aufgrund § 10 LVwVGKostO i.V.m. § 10 LGebG verlangten - Auslagen fehlt es ebenfalls an dem erforderlichen Aussetzungsverfahren nach § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO. Denn sowohl Mahngebühren als auch Auslagen unterfallen als „Kosten“ dem Anwendungsbereich des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO. Was die zugleich in dem Schreiben vom 31. Januar 2011 geforderten Säumniszuschläge (s. § 3 Abs. 1 Nr. 5 KAG i.V.m. § 240 AO) anbetrifft, kann die Kammer offen lassen, ob diese ebenfalls unter § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO fallen (bejahend z.B. OVG Hamburg, NVwZ-RR 2006, 156; Puttler in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Auflage 2010, § 80 Rn. 59; verneinend z.B. OVG Rheinland-Pfalz, NVwZ 1987, 64; Finkelnburg in: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 5. Auflage 2008, Rn. 687). Entweder hat der Widerspruch des Antragstellers dagegen dann aufschiebende Wirkung oder es mangelt auch hier an dem Aussetzungsverfahren nach § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Festsetzung des Wertes des Verfahrensgegenstandes folgt aus §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Satz 2 GKG; nach der ständigen Rechtsprechung sowohl der beschließenden Kammer als auch des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz ist in Verfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. VwGO als Streitwert ein Viertel der angeforderten Abgabe festzusetzen.
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Referenzen
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- § 10 LVwVGKostO 1x (nicht zugeordnet)
- § 1 LVwVfG 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Satz 2 GKG 2x (nicht zugeordnet)
- § 10 LGebG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 80 15x
- § 2 LVwVG 1x (nicht zugeordnet)
- § 240 AO 1x (nicht zugeordnet)
- VwVfG § 35 Begriff des Verwaltungsaktes 1x
- § 118 Satz 1 AO 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- 6 B 10198/11 2x (nicht zugeordnet)
- § 22 Abs. 2 LVwVG 1x (nicht zugeordnet)
- 7 B 356/10 1x (nicht zugeordnet)
- § 22 Abs. 1 Nr. 2 LVwVG 1x (nicht zugeordnet)
- § 3 Abs. 1 Nr. 5 KAG 1x (nicht zugeordnet)
- § 22 Abs. 1 Nr. 1 LVwVG 1x (nicht zugeordnet)
- § 3 Abs. 1 Nr. 3 KAG 1x (nicht zugeordnet)
- § 2 LVwVGKostO 1x (nicht zugeordnet)