Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (15. Kammer) - 15 B 90/15

Tenor

Die aufschiebende Wirkung eines noch einzulegenden Widerspruches gegen die vom Antragsgegner verfügte Beendigung der vorläufigen Inobhutnahme des Antragstellers wird angeordnet.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

1

Der Antrag des Antragstellers auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes, den das Gericht bei verständiger Würdigung des Vorbringens des Antragstellers als Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines noch einzulegenden Widerspruches gegen die vom Antragsgegner gemäß § 42 f Abs. 3 SGB VIII verfügte Beendigung der vorläufigen Inobhutnahme wertet, ist zulässig und begründet.

2

Die gerichtliche Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO ergeht regelmäßig auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung sind das Aufschubinteresse des Antragstellers einerseits und das öffentliche Interesse an der Vollziehung des streitbefangenen Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung können auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit und die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes, der vollzogen werden soll, Bedeutung erlangen, allerdings nicht als unmittelbare Entscheidungsgrundlage, sondern als in die Abwägung einzustellende Gesichtspunkte.

3

Nach diesem Maßstab hat das vorläufige Rechtsschutzgesuch des Antragstellers Erfolg. Sein privates Interesse, vorläufig vom Vollzug der angefochtenen Verfügung nach §42f SGB VIII verschont zu bleiben, überwiegt das öffentliche Interesse an einer sofortigen Durchsetzung. Es lässt sich nämlich bereits auf der Grundlage einer im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit feststellen, dass der eingelegte Widerspruch wegen offensichtlicher Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verfügung aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben wird.

4

Entscheidungserheblich ist insoweit, ob der Antragsgegner bei der Beendigung der vorläufigen Inobhutnahme des Antragstellers zu Recht das Vorliegen eines Zweifelsfalles iSv § 42 f Abs. 2 SGB VIII, der eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zur Folge gehabt hätte, verneint hat. Dies ist nach dem Vorbringen der Beteiligten und insbesondere nach Durchführung des heutigen Erörterungstermines nicht der Fall. Danach steht zur Überzeugung des Gerichts zunächst fest, dass der Antragsteller weder im Jahr 2000 noch im Jahre 1989 geboren ist. Das Zustandekommen des angeblichen Geburtsjahres 2000 hat der Antragsteller im Erörterungstermin plausibel damit erläutert, dass bei der Datenerfassung durch die Polizei kein Dolmetscher anwesend gewesen sei und er sich dieses Geburtsjahr nicht erklären könne. Die Zahl „2000" in der Anlage zur Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender ist auch offenbar nicht vom Antragsteller eingetragen worden.

5

Hinsichtlich des Vermerks „3 x nachgefragt“ im Fragebogen des Antragsgegners hat der Antragsteller unwidersprochen dargelegt, er sei immer nur nach Daten, nicht aber seinem Alter in Jahren gefragt worden. Als ihm vorgehalten worden sei, nach den Daten müsse er 26 Jahre alt sein, habe er dies bereits abgestritten.

6

Angesichts der Tatsache, dass ein Alter des Antragstellers von 26 Jahren wegen seines äußeren Erscheinungsbildes eher unwahrscheinlich erscheint, mag es sich bei den in Rede stehenden Geburtsjahren 1989 oder 1998 auch um einen Zahlendreher handeln. Das vom Antragsteller im Erörterungstermin angegebene Geburtsdatum 19.06.1377 (nach dem iranischen Kalender) entspricht nach dem gregorianischen Kalender dem 10.09.1998. Ob dieses Datum der Wirklichkeit entspricht, ist angesichts der Tatsache, dass aussagekräftige Papiere zurzeit nicht erreichbar sind, aktuell nicht feststellbar. Angesichts des äußeren Erscheinungsbildes erscheint es allerdings für das Gericht nicht ausgeschlossen, dass der Antragsteller tatsächlich noch keine 18 Jahre alt ist und damit gemäß § 42 a SGB VIII vorläufig in Obhut zu nehmen wäre. Angesichts des äußeren Erscheinungsbildes und des plausiblen, widerspruchsfreien Vortrages im Erörterungstermin ist deshalb von einem Zweifelsfall iSv § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII mit der Folge einer zwingenden ärztlichen Untersuchung zur Altersbestimmung auszugehen. Dies hat zur Folge, dass der Antragsteller bis zur Klärung seines Alters durch eine ärztliche Untersuchung wieder vorläufig in Obhut zu nehmen ist.

7

Nach alledem war die aufschiebende Wirkung eines noch einzulegenden Widerspruches des Antragstellers wegen offensichtlicher Rechtswidrigkeit der verfügten Beendigung der vorläufigen Inobhutnahme anzuordnen.

8

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.


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