Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (8. Kammer) - 8 B 54/16

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 100.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller wendet sich gegen einen mit der Anordnung des Sofortvollzuges versehenen Zurückstellungsbescheid.

2

Der Antragsteller stellte unter dem 31.03.2016 (Eingang am 01.04.2016) eine Bauvoranfrage für das Grundstück XXX XXX in A-Stadt ( XXX XXX, Flur 19, Gemarkung …). Er beabsichtigt die Errichtung eines 4-geschossigen Mehrfamilienhauses (als Doppelhaus mit 40 Wohneinheiten, vgl. Bl. 24 der Beiakte B) mit einer Grundfläche von etwa 13,00 x 70,00 m. Das Grundstück befindet sich im Geltungsbereich des B-Plans 22.02.00 – B.... in der Fassung des B-Plans 22.02.03 – B..../M... Allee. Dort ist ein allgemeines Wohngebiet festgesetzt. Zulässig sind 14 Geschosse, eine GRZ von 0,3 und eine GFZ von 1,0.

3

Unter dem 24.05.2016 (Bl. 7 der Beiakte B)) beantragte der Fachbereich Stadtplanung beim Fachbereich Bauordnung der Antragsgegnerin gemäß § 15 Abs. 1 BauGB, die Entscheidung über die Bauvoranfrage des Antragstellers für zwölf Monate auszusetzen. Das Grundstück liege im Geltungsbereich des in Aufstellung befindlichen B-Plans 22.04.00 B..../P....weg. Der B-Plan 22.04.00 werde für große Teile seines Geltungsbereichs die B-Pläne 22.02.00 und 22.02.03 vollständig ersetzen. Mit dem B-Plan 22.04.00 sollten die planungsrechtlichen Voraussetzungen für die Entwicklung attraktiver und zeitgemäßer Wohnbauflächen für Geschosswohnungsbau und verdichteten Einfamilienhausbau geschaffen werden. Auf Grundlage der B-Pläne 22.02.00 sowie 22.02.03 müsste das beantragte Vorhaben als Wohngebäude zugelassen werden.

4

Der Bauausschuss der Antragsgegnerin beschloss am 20.06.2016 die Aufstellung des B-Plans 22.04.00. Der vorgesehene Geltungsbereich umfasst auch das Grundstück des Antragstellers. Der Aufstellungsbeschluss wurde am 28.06.2016 in der Lübecker Stadtzeitung bekannt gemacht.

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Mit Bescheid vom 28.06.2016 wurde der Antrag auf den Erlass eines Vorbescheides bis zum 30.03.2017 zurückgestellt und die sofortige Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO angeordnet.

6

Der Antragsteller legte am 26.07.2016 Widerspruch ein.

7

Am 16.11.2016 hat er um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht.

8

Er macht im Wesentlichen geltend, dass die Anordnung des Sofortvollzuges rechtswidrig sei, da diese nur formelhaften Charakter besitze. Die Zurückstellung sei aber auch in materiell-rechtlicher Hinsicht rechtswidrig. Es müsse ein Mindestmaß dessen zu erkennen sein, was Inhalt des B-Plans sein solle. Eine reine Negativplanung reiche nicht aus. Es sei nicht ansatzweise erkennbar, was Inhalt des zukünftigen B-Plans sein solle. Es dränge sich der Eindruck auf, dass seitens der Antragsgegnerin lediglich die Planungshoheit der Gemeinde einstweilen gesichert werden solle. Es seien auch keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, welche die Befürchtung belegen würden, dass die Verwirklichung des Bauvorhabens die Wirkung haben könne, die durch die Zurückstellung verhindert werden solle.

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Der Antragsteller beantragt,

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die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Zurückstellungsbescheid der Antragsgegnerin vom 28.06.2016 wiederherzustellen.

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Die Antragsgegnerin beantragt,

12

den Antrag abzulehnen.

13

Sie macht im Wesentlichen geltend, dass dem Begründungserfordernis genügt sei und die Zurückstellung rechtmäßig sei. Insbesondere sei auch das Mindestmaß dessen zu erkennen, was Inhalt des künftigen B-Plans sein solle. Es solle ein in den Grundzügen bereits feststehendes Planungskonzept umgesetzt werden. Es gehe mit dem Aufstellungsbeschluss um eine Gesamtplanung für das Quartier P....weg, die ein Wohnen gemäß den heutigen Anforderungen ermögliche. Gemessen an dem Planungskonzept sei es erforderlich, den Vorbescheidsantrag zurückzustellen. Der Antragsteller beabsichtige, vorab einen Teil aus dem Baugebiet herauszuschneiden, um dort ein Vorhaben mit hoher baulicher Ausnutzung zu verwirklichen.

II.

14

Der zulässige Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist unbegründet.

15

Die Entscheidung über einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ergeht aufgrund einer Interessenabwägung. In diese ist die Erfolgsaussicht des eingelegten Rechtsbehelfs dann maßgeblich einzustellen, wenn sie in der einen oder anderen Richtung offensichtlich ist. An der Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Bescheides kann kein besonderes Interesse bestehen. Ist der Bescheid hingegen offensichtlich rechtmäßig, ist ein Aussetzungsantrag regelmäßig anzulehnen. Lässt sich nach der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen summarischen Überprüfung weder die Rechtmäßigkeit noch die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes mit der erforderlichen Sicherheit feststellen, so ergeht die Entscheidung aufgrund einer Interessenabwägung, in der gegenüberzustellen sind zum einen die Auswirkungen in Bezug auf das öffentliche Interesse in dem Fall, dass dem Antrag stattgegeben wird, die Klage im Hauptsacheverfahren indes erfolglos bleibt, und zum anderen die Auswirkungen auf den Betroffenen für den Fall, dass der Antrag abgelehnt, seine gegen die Verfügung erhobene Klage indes Erfolg hat (vgl. OVG Schleswig, Beschluss vom 29.07.2013 - 2 MB 19/13 -).

16

Vorliegend überwiegt das öffentliche Vollzugsinteresse gegenüber dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers, da sich der Zurückstellungsbescheid vom 28.06.2016 nach summarischer Prüfung als offensichtlich rechtmäßig erweist.

17

Wird eine Veränderungssperre nach § 14 BauGB nicht beschlossen, obwohl die Voraussetzungen gegeben sind, oder ist eine beschlossene Veränderungssperre noch nicht in Kraft getreten, hat die Baugenehmigungsbehörde auf Antrag der Gemeinde die Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben im Einzelfall für einen Zeitraum bis zu zwölf Monaten auszusetzen, wenn zu befürchten ist, dass die Durchführung der Planung durch das Vorhaben unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert werden würde (§ 15 Abs. 1 S. 1 BauGB). Gemäß § 14 Abs. 1 BauGB kann die Gemeinde zur Sicherung der Planung für den künftigen Planbereich eine Veränderungssperre erlassen, wenn ein Beschluss über die Aufstellung eines B-Plans gefasst ist.

18

Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

19

Die Antragsgegnerin hat am 20.06.2016 den Beschluss zur Aufstellung des B-Plans 22.04.00 – B..../P....weg gefasst und diesen am 28.06.2016 in der Lübecker Stadtzeitung bekannt gemacht. Dem Aufstellungsbeschluss liegt ein sicherungsfähiges Planungskonzept zugrunde. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass ein Mindestmaß dessen, was Inhalt des künftigen Planes sein soll, erkennbar sein muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.02.2004 - 4 CN 16/03 -, Rn. 28, juris). Die „Absicht zu planen“ ist nicht ausreichend. Allerdings dürfen keine überspannten Anforderungen an die Konkretisierung der beabsichtigten Planung gestellt werden, erforderlich aber auch ausreichend ist eine Vorstellung über die Grundrichtung der Planung. Es genügt, dass sich aus dem Planaufstellungsbeschluss oder weiteren Verfahrensschritten wenigstens ansatzweise ersehen lässt, was Inhalt des zukünftigen Bebauungsplans sein soll. Das schließt es aus, bereits ein detailliertes und abgewogenes Planungskonzept zu fordern (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15.08.2000 - 4 BN 35/00 -, Rn. 3, juris; VG Schleswig, Beschluss vom 16.11.2011 – 8 B 38/11 -). Grundsätzlich ist es ausreichend, dass die Gemeinde zumindest Vorstellungen über die Art der baulichen Nutzung besitzt, sei es, dass sie einen bestimmten Baugebietstyp, sei es, dass sie nach den Vorschriften des § 9 Abs. 1 BauGB festsetzbare Nutzungen ins Auge fasst (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21.10.2010 – 4 BN 26/10 –, Rn. 8, juris).

20

Diesen Anforderungen wird der Aufstellungsbeschluss der Antragsgegnerin gerecht. Schon aus diesem ergibt sich das Planungskonzept der Antragsgegnerin, nämlich, dass mit dem B-Plan 22.04.00 die planungsrechtlichen Voraussetzungen für die Entwicklung attraktiver und zeitgemäßer Wohnbauflächen für Geschosswohnungsbau und verdichteten Einfamilienhausbau im Stadtteil B.... geschaffen werden sollen. Als Art der baulichen Nutzung ist eine Wohnnutzung angedacht. Aus der Begründung zum Aufstellungsbeschluss ergibt sich weiter, dass es Ziel der Antragsgegnerin ist, eine angemessene Entwicklung des Wohnstandortes unter Berücksichtigung schallschutz-technischer Aspekte zu ermöglichen. Die geplante Wohnbebauung soll neben einer entsprechenden architektonischen Antwort auf die räumliche Situation im stark befahrenen Kreuzungsbereich der Ecke M... Allee / B....weg den vorhandenen Wohnungs-Mix in geeigneter Weise ergänzen. Dies gilt sowohl für die Mischung von Geschosswohnungsbau als auch für einen Anteil im verdichteten Einfamilienhausbau (vgl. Bl. 8 der Beiakte A).

21

Das Bauvorhaben des Antragstellers lässt auch befürchten, dass es die Durchführung der Planung zumindest wesentlich erschweren würde. Die Errichtung eines 4-geschossigen etwa 13,00 x 70,00 m großen Gebäudes auf dem Grundstück XXX XXX würde die planerischen Möglichkeiten der Antragsgegnerin zur Entwicklung eines Gesamtkonzeptes für das Baugebiet deutlich einengen. Dies beträfe vor allem die planerisch zu klärende Frage, wo und in welchem Ausmaß im Baugebiet Geschosswohnungsbau und an welcher Stelle der verdichtete Einfamilienhausbau erfolgen soll.

22

Auch die Anordnung des Sofortvollzuges ist nicht zu beanstanden, insbesondere entspricht die Begründung den Anforderungen von § 80 Abs. 3 VwGO. Die Antragsgegnerin hat mit ihrer Begründung, dass eine – im Falle der Einlegung eines Widerspruchs ansonsten erforderliche - Weiterbearbeitung des Antrages den der Gemeinde zustehenden gesetzlichen Möglichkeiten und Rechten nach dem Baugesetzbuch zuwiderlaufen würde, die Ausnahmesituation der Anordnung des Sofortvollzuges erkannt. Angesichts einer solchen Konstellation sind weitere Anforderungen an die Begründung des Sofortvollzuges nicht erforderlich (vgl. hierzu auch OVG Hamburg, Beschluss vom 06.10.2016 – 2 Bs 127/16 -, Rn. 15, juris; VG Schleswig, Beschluss vom 16.11.2011 – 8 B 38/11 -).

23

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

24

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 63 Abs. 2 GKG, wobei die Kammer für eine Zurückstellung die Hälfte des Genehmigungswerts ansetzt, woraus sich hier bei dem beantragten Vorbescheid für 40 Wohneinheiten (ausgehend von einem Streitwert von 400.000,-- €) ein Wert von 200.000,-- € ergibt. Dieser ist im Hinblick auf die Vorläufigkeit des einstweiligen Rechtsschutzes zu halbieren.


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