Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (8. Kammer) - 8 B 16/17

Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller ist türkischer Staatsangehöriger. Anfang März 2017 beantragte er bei dem Antragsgegner eine Duldung zum Zwecke der Eheschließung und machte geltend, er beabsichtige, die bulgarische Staatsangehörige D. zu heiraten. Er legte einen Merkzettel des Standesamtes A-Stadt vor und erklärte, die Unterlagen lägen inzwischen vor, sodass eine Eheschließung alsbald vorgenommen werden könne. Er sei illegal in das Bundesgebiet eingereist, besitze weder einen türkischen Nationalpreis noch einen Nüfus. Der Antragsgegner stellte eine Grenzübertrittsbescheinigung aus und forderte den Antragsteller auf, die Bundesrepublik Deutschland bis zum 24. 3. 2017 zu verlassen. Diese Frist wurde später bis zum 7. 4. 2017 verlängert.

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Nachdem der Antragsgegner den Antragsteller (mit Schreiben vom 8. 3. 2017) zu seiner Absicht angehört hatte, den Antrag abzulehnen, beantragte der Antragsteller am 31.3.2017 bei dem Verwaltungsgericht Schwerin,

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dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung, der Dringlichkeit halber ohne vorherige mündliche Verhandlung, zu verbieten, aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen ihn einzuleiten oder durchzuführen.

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Der Antragsgegner beantragt,

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den Antrag abzulehnen.

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Mit Beschluss vom 3. 4. 2017 hat das Verwaltungsgericht Schwerin den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Schleswig verwiesen.

7

Mit Verfügung vom 6. 4. 2017 lehnte der Antragsgegner den Antrag des Antragstellers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis/einer Duldung ab, gewährte eine Frist zur freiwilligen Ausreise bis zum 28.04.2017 und drohte die Abschiebung in den Türkei an. Für den Fall der Abschiebung drohte er ein Einreise- und Aufenthaltsverbot von zwei Jahren an.

II.

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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO mit dem Ziel, dem Antragsgegner vorläufig aufenthaltsbeendende Maßnahmen zu untersagen, ist zulässig. Dieser Antrag ist nicht gemäß § 123 Abs. 5 VwGO subsidiär, weil hier ein Fall von § 80 VwGO nicht vorliegt. Der Antragsteller hat – nach gegenwärtiger Aktenlage – gegen die Verfügung vom 6. 4. 2017 noch keinen Widerspruch eingelegt. Die Widerspruchsfrist ist noch nicht abgelaufen, so dass der Bescheid noch nicht bestandskräftig ist.

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Der Antrag ist allerdings nicht begründet. Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.

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Voraussetzung für einen Anordnungsanspruch ist, dass der Antragsgegner gegenwärtig gehindert ist, gegen den Antragsteller aufenthaltsbeendende Maßnahmen durchzuführen. Das wäre der Fall, wenn zumindest die Voraussetzungen für eine Duldung vorlägen. Das ist jedoch nicht der Fall.

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Gemäß § 60 a Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern.

12

Aus einer unmittelbar bevorstehenden Eheschließung kann sich (möglicherweise) ein derartiges rechtliches Abschiebungshindernis ergeben. Das setzt allerdings voraus, dass die Eheschließung unmittelbar bevorsteht. Dafür ist erforderlich, dass die Anmeldung der Eheschließung bei dem Standesamt vorgenommen wurde und die Verlobten die vom Standesbeamten geforderten Urkunden beschafft haben. Bei ausländischen Verlobten ist weiterhin (gemäß § 1309 BGB) die Ehefähigkeit nachzuweisen oder die Entscheidung der Präsidentin des Oberlandesgerichts über die Befreiung von der Beibringung des Ehefähigkeitszeugnisses (§ 1309 Abs. 2 BGB) vorzulegen bzw. zu beantragen (Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Beschluss vom 05.01.2017 – 1 B 70/16 – juris Rn 33; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26. 1. 2017 – OVG 3 S 109.16 – juris Rn 2). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

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Nach eigenen Angaben besitzt der Antragsteller weder einen türkischen Nationalpreis noch einen Nüfus. Zu der Angabe des Antragstellers, die für die Heirat erforderlichen Unterlagen lägen vor, hielt der Sachbearbeiter des Antragsgegners in seinem Vermerk vom 08.03.2017 fest, der Standesbeamte habe auf seine telefonische Rückfrage mitgeteilt, ohne die erforderlichen Unterlagen sei mit einem Heiratstermin in nächster Zeit nicht zu rechnen. Der Antragsteller und seine Verlobte seien nur zu einem Beratungsgespräch bei dem Standesamt gewesen, um die Voraussetzungen einer Eheschließung zu erfahren.

14

Aus diesen Umständen ergibt sich, dass weder die erforderlichen Urkunden (Personalausweis oder Reisepass, Geburtsurkunde, beglaubigte Abschrift des Familienregisters) noch das Ehefähigkeitszeugnisses vorliegen. Daher hat der Antragsteller die Anmeldung der Eheschließung auch noch nicht bei dem Standesamt vorgenommen und auch nicht vornehmen können. Auch die Befreiung von der Beibringung des Ehefähigkeitszeugnisses ist noch nicht beantragt worden.

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In seiner Antragsschrift hat der Antragsteller erwähnt, dass seine Verlobte freizügigkeitsberechtigte bulgarische Staatsangehörige sei. Auch hierfür liegen Nachweise nicht vor. Im Übrigen besteht ein Anspruch auf Nachzug zu gemäß § 2 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern nur für Familienangehörige im Sinne von § 3 Abs. 2 FreizügG/EU, also für Ehegatten, Lebenspartner und Verwandte (gemäß den Nrn. 1 und 2 dieser Vorschrift). Auch diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

16

Da ein rechtliches Abschiebungshindernis nicht vorliegt, und der Antragsgegner auch nicht aus sonstigen Gründen gehindert ist, den Antragsteller abzuschieben, ist der Antrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus § 62 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nummer 2, § 52 Abs. 2 GKG.


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