Urteil vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (4. Kammer) - 4 A 148/16

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich im vorliegenden Verfahren als Zwangsverwalter gegen einen Gebührenbescheid der Beklagten.

2

Die                 war bis Mitte 2016 Eigentümerin der Flurstücke            in            (Grundbuch von         Blatt        , Flurstück           ) und            ,            (Grundbuch von         Blatt          , Flurstück          ).

3

Mit Beschluss vom 14.10.2011 (Az.:           ) ordnete das Amtsgericht         in der Zwangsverwaltungsrechtssache der            gegen die               die Zwangsverwaltung der im Eigentum der Schuldnerin stehenden Pfandobjekte, eingetragen im Grundbuch von          Blatt         , Flurstück         ,           , und Flurstück     ,             an und bestellte den Kläger zum Zwangsverwalter.

4

Mit Schreiben vom 16.07.2012, das an den Kläger adressiert war, übersandte die Beklagte einen Erhebungsbogen für die Niederschlagswasserveranlagung hinsichtlich des „Grundstück: [..] Flurstück             “ und bat um Überprüfung und Korrektur bzw. Ergänzung der Angaben auf dem Erhebungsbogen. Mit Schreiben vom 03.07.2012, das ebenfalls an den Kläger adressiert war, erinnerte die Beklagte an die Verpflichtung zur Mitwirkung in dem Selbstauskunftsverfahren.

5

Mit Bescheid vom 13.06.2013, der an den Kläger als Zwangsverwalter adressiert war, setzte die Beklagte Niederschlagswassergebühren gegenüber der „          “ als Eigentümer für das Jahr 2013 in Höhe von 4.146,22 € und ab 2014 in Höhe von jährlich 6.465,30 € für das Grundstück            (Flurstück        ) fest und forderte zur Zahlung der Beträge auf. Zur Begründung des Bescheides verwies die Beklagte auf die §§ 9 Abs. 1, 10 S. 1, 13 Abs. 2 und 14 Abs. 7 ihrer Entwässerungsgebührensatzung.

6

Mit Schreiben vom 23.07.2013 legte der Kläger als Zwangsverwalter Widerspruch gegen den Bescheid vom 13.06.2013 ein.

7

Mit Bescheid vom 18.04.2016 wies die Beklagte den Widerspruch vom 23.07.2013 als unzulässig zurück. Zur Begründung trug sie vor, dass der Widerspruch verspätet sei.

8

Im Mai 2016 verkaufte die                       das Flurstück          , Flur       , Gemarkung            an          ..              ist mittlerweile im Grundbuch als Eigentümer eingetragen.

9

Am 23.05.2016 hat der Kläger als Zwangsverwalter Klage beim Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht erhoben.

10

Mit Beschluss vom 16.08.2016 (Az.:          ) hat das Amtsgericht        das Verfahren der              aus dem Beschlagnahmebeschluss vom 14.10.2011 aufgrund der Rücknahme des Antrages durch die Zwangsverwaltungsverfahrensgläubigerin aufgehoben.

11

Mit Schreiben 16.11.2016 und 27.02.2017 hat der neue Eigentümer des Flurstücks       (Grundbuch von        Blatt       ) mitgeteilt, dass er nicht in das vorliegende Verfahren eintreten wolle. Auch der Geschäftsführer der              hat gegenüber dem Gericht mit Schreiben 08.08.2018 (Bl. 62 d.A.) erklärt, dass vorliegende Verfahren nicht weiterführen zu wollen.

12

Der Kläger trägt nunmehr im Klageverfahren vor: Er sei nach Aufhebung der Zwangsverwaltung nicht mehr befugt, in irgendeiner Weise tätig zu sein und Erklärungen abzugeben. Eine weitere Tätigkeit des Zwangsverwalters sei ihm durch gerichtliche Verfügung nicht erlaubt worden. Es sei allein der ehemalige Eigentümer prozessführungsbefugt.

13

Der Kläger beantragt schriftsätzlich,

14

den (Dauer-)Bescheid der Beklagten vom 13.06.2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2016 aufzuheben.

15

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

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die Klage abzuweisen.

17

Zur Begründung trägt sie vor:

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Sie gehe davon aus, dass der ehemalige Eigentümer zu entscheiden habe, ob er den Rechtsstreit fortführe. Die Prozessführungsbefugnis des Klägers als Zwangsverwalter ende mit der Aufhebung der Zwangsverwaltung. Sollte dieser das Verfahren nicht führen wollen, wäre es einzustellen.

19

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Das Gericht konnte trotz der Abwesenheit der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung in der Sache entscheiden. Die Beteiligten sind mit Schreiben vom 23.10.2018 zum Termin am 05.12.2018 geladen und auf die Folgen ihres Ausbleibens hingewiesen worden, § 102 Abs. 2 VwGO. Die Ladung ist den Beteiligten ausweislich der vorliegenden Empfangsbekenntnisse am 24.10.2016 bzw. 26.10.2018 zugestellt worden.

21

Nach Auffassung der Kammer ist der Kläger im vorliegenden Verfahren weiterhin Aktivbeteiligter.

22

Der Kläger hat die Klage in seiner Funktion als Zwangsverwalter für das der Veranlagung im angegriffenen Bescheid zu Grunde gelegte Grundstück –         ,            (Grundbuch von          Blatt       , Gemarkung           , Flurstück          ) – zunächst zulässig erhoben.

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Zwar heißt es im Rubrum der Klagschrift „,           , gelegene Grundstück“. Der Kläger hat allerdings in der Begründung der Klage deutlich gemacht, dass er sich als amtsgerichtlich bestellter Zwangsverwalter des Grundstückes         , Gemarkung       , Flur   , Flurstück          legitimiere und sich in dieser Funktion gegen den Bescheid vom 13.06.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2016 wende. Der angegriffene Bescheid setzt Niederschlagswassergebühren für das Grundstück        , Gemarkung        , Flur   , Flurstück        fest.

24

Der Kläger ist mit Beschluss des Amtsgerichts           vom 14.10.2011 (Az.:     ) zum Zwangsverwalter über das Grundstück         , Grundbuch von         Blatt      , Flurstück       bestellt worden. Mit diesem Beschluss hat das Amtsgericht           auch die Zwangsverwaltung des entsprechenden Grundstückes angeordnet. Der Kläger war daher aufgrund der Regelung des § 152 Abs. 1 HS 2 ZVG gesetzlicher Prozessstandschafter des Zwangsverwaltungsverfahrensschuldners sowie Partei kraft Amtes (vgl. zur Stellung des Zwangsverwalters Keller, in: Böttcher (Hrsg.), ZVG, 6. Auflage 2016, § 152 Rn. 55).

25

Der Umstand, dass das Amtsgericht         mit Beschluss vom 16.08.2016 (Az.:          ) das Zwangsverwaltungsverfahren über das Flurstück      (Grundbuch von         Blatt       , Gemarkung           ) aufgehoben hat, hat nach Auffassung der Kammer keinerlei Auswirkungen auf die Stellung des Klägers im Verfahren.

26

Zwar endete mit dem Beschluss vom 16.08.2016 (Az.:      ) die Beschlagnahme des Flurstücks          , Gemarkung         , Grundbuch von       Blatt        (vgl. Ziffer 2 des Beschlusses des AG            vom 16.08.2016, Az.:          ; vgl. zum Ende der Beschlagnahme bei Antragsrücknahme Depré, in: Depré (Hrsg.), ZVG, 2. Auflage 2018, § 152, Rn. 49). Mit dem Wegfall der Beschlagnahme als Grundlage des Verwaltungsrechtes nach § 152 ZVG entfällt auch die Klagebefugnis des Zwangsverwalters (so zur Prozessführungsbefugnis im Zivilprozess Depré, in: Depré (Hrsg.), ZVG, 2. Auflage 2018, § 152, Rn. 49; BGH, Urteil vom 08.05.2003, Az.: IX ZR 385/00, juris, Rn. 16). Dies gilt jedenfalls, sofern nicht die Anordnung einer Fortdauer des Verwaltungsrechtes im Aufhebungsbeschluss erkennbar bestimmt ist (so BGH, Urteil vom 08.05.2003, Az.: IX ZR 385/00, juris, Rn. 16). Eine entsprechende Anordnung ist hier – wie auch der Kläger selbst mit seinem letzten Schriftsatz mitgeteilt hat – nicht gegeben.

27

Der Wegfall der Klagebefugnis des Klägers hat allerdings keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Stellung des Klägers als Beteiligter im vorliegenden Verfahren. Ein Ausscheiden des Klägers aus dem vorliegenden Verfahren wäre nur dann möglich, wenn der Wegfall der Klagebefugnis des Klägers hier zu einem Beteiligtenwechsel geführt hätte.

28

Nach Auffassung der Kammer hat jedoch weder ein gesetzlicher noch ein gewillkürter Beteiligtenwechsel stattgefunden.

29

Gesetzliche Vorschriften, die im Zusammenhang mit einem Beteiligtenwechsel stehen, lassen sich § 173 S. 1 VwGO i.V.m. §§ 239 ff. ZPO entnehmen. Ein Anwendungsfall der §§ 239 ff. ZPO liegt hier jedoch offensichtlich nicht vor.

30

Die Kammer erkennt auch nicht, dass im vorliegenden Fall eine Interessenlage gegeben ist, die eine analoge Anwendung von § 173 S. 1 VwGO i.V.m. §§ 239, 240, 242, 243 und 244 ZPO ermöglicht (vgl. dazu i.E. BGH, Urteil vom 08.05.2003, Az.: IX ZR 385/00, juris, Rn. 20). Der Wegfall der Klagebefugnis ist nicht mit Fällen der Rechtsnachfolge (§ 239 ZPO) vergleichbar. § 240 ZPO ist eine Spezialregelung für das Insolvenzverfahren, die der Regelung des § 80 InsO Rechnung trägt und den Fall erfasst, dass der Insolvenzverwalter in ein bereits vom Insolvenzschuldner anhängig gemachtes Verfahren eintritt. Es wird darin gerade nicht die dem vorliegenden Fall vergleichbare Situation geregelt, dass ein Insolvenzverwalter im Laufe des Klageverfahrens die Befugnis zur Führung dieses Verfahrens verliert. Auch ist die hier gegebene Interessenlage nicht dem in § 173 S. 1 VwGO i.V.m. § 244 ZPO geregelten Fall des Anwaltsverlusts vergleichbar. § 244 ZPO soll die Beteiligten bei Verlust eines Anwalts im laufenden Verfahren schützen, und erfasst nicht den Fall, dass eine in der Person eines Beteiligten liegende Sachurteilsvoraussetzung im laufenden Verfahren wegfällt. Eine analoge Anwendung der § 173 S. 1 VwGO i.V.m. §§ 242, 243, 245 ZPO ist fernliegend.

31

Eine analoge Anwendung von § 173 S. 1 VwGO i.V.m. § 241 Abs. 1 ZPO erscheint der Kammer hier nicht grundsätzlich ausgeschlossen. § 241 Abs. 1 ZPO regelt den Fall der Unterbrechung eines Verfahrens bei Eintritt der Prozessunfähigkeit eines Beteiligten und erfasst insofern eine Fallgestaltung, in dem eine in der Person eines Beteiligten liegende Sachurteilsvoraussetzung unverschuldet entfällt. So liegt es auch im vorliegenden Fall. Der Kläger hat hier unverschuldet die Klagebefugnis verloren.

32

Es kann hier allerdings dahinstehen, ob bereits diese Parallele eine analoge Anwendung von § 173 S. 1 VwGO i.V.m. § 241 Abs. 1 ZPO auf den vorliegenden Fall rechtfertigt. Denn zum einen regelt § 173 S. 1 VwGO i.V.m. § 241 Abs. 1 ZPO nicht den Fall eines Beteiligtenwechsels, sondern enthält lediglich Vorgaben zur Unterbrechung des Verfahrens. Zum anderen müsste nach Auffassung der Kammer eine analoge Anwendung vollständig erfolgen und damit auch die Regelung des § 173 S. 1 VwGO i.V.m. § 246 Abs. 1 ZPO einbeziehen. Danach tritt im Fall des § 241 Abs. 1 ZPO eine Unterbrechung des Verfahrens bei Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten nicht ein, es sei denn der Bevollmächtigte stellt einen dahingehenden Antrag. Da der Kläger im vorliegenden Fall eine Kanzlei als Prozessbevollmächtigten benannt und diese keinen Aussetzungsantrag gestellt hat, kommt eine Unterbrechung nach § 173 S. 1 VwGO i.V.m. § 241 Abs. 1 ZPO hier nicht in Betracht.

33

Es liegt auch kein gewillkürter Beteiligtenwechsel auf der Aktivseite vor.

34

Ein gewillkürter Beteiligtenwechsel in Form der subjektiven Klageänderung nach § 91 VwGO auf Klägerseite erfordert zwingend die Einwilligung des eintretenden Klägers. Eine solche Einwilligung ist hier nicht gegeben. Sowohl der ehemalige Eigentümer des der Veranlagung zugrunde liegenden Grundstücks – die                – als auch der neue Eigentümer –              – haben mitgeteilt, dass sie nicht in das Verfahren eintreten wollen.

35

Die Klage ist jedoch unzulässig geworden.

36

Dem Kläger fehlt nach Aufhebung der Beschlagnahme durch Beschluss des Amtsgerichts             vom 16.08.2016 (Az.:           ) – wie bereits ausgeführt – die über das Verwaltungsrechtes nach § 152 ZVG vermittelte Klagebefugnis.

37

Dem steht auch § 173 S. 1 VwGO i.V.m. § 265 Abs. 2 S. 1 ZPO analog nicht entgegen. Nach § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO hat die Veräußerung oder Abtretung der Streitsache auf den Prozess keinen Einfluss. Aufgrund dieser Regelung wird die sachliche Berechtigung an einem Anspruch verändert. Der bisherige Rechtsinhaber wird Prozessstandschafter und kann das nunmehr fremde Recht grundsätzlich weiter in eigenem Namen geltend machen.

38

Insofern mag eine analoge Anwendung von § 173 S. 1 VwGO i.V.m. § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO dann in Betracht kommen, wenn während eines laufenden Verfahrens die Zwangsverwaltung angeordnet wird und sich die Frage stellt, ob und wie der Zwangsverwalter in das gerichtliche Verfahren eintreten kann (vgl. dazu Jaspersen, in: BeckOK ZPO, § 241, Rn. 13). Denn in diesem Fall tritt der Zwangsverwalter als Prozessstandschafter auf.

39

Im vorliegenden Fall endet jedoch die Prozessstandschaft des Klägers gerade in Folge des Wegfalls der Verwaltungsbefugnis nach § 152 ZVG nach Aufhebung der Zwangsverwaltung durch Beschluss des Amtsgerichts            vom 16.08.2018 (Az.:             ).

40

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

41

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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