Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (1. Kammer) - 1 B 91/20

Tenor

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 7.500, -- € festgesetzt.

Gründe

1

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat keinen Erfolg.

2

Das Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin ist als Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die tierschutzrechtliche Ordnungsverfügung des Antragsgegners mit den Anordnungen zu Ziffer 1-4 des Bescheides vom 4. Mai 2020 statthaft. Der Antragsgegner ordnete darin die sofortige Vollziehung des Widerrufs der Erlaubnis, gewerbsmäßig Wirbeltiere zu züchten (Ziffer 1), des Verbots des gewerbsmäßigen Züchtens von Hunden (Ziffer 2), der Untersagung des gewerbsmäßigen Haltens von Hunden sowie der Tätigkeit, gewerbsmäßig Hunde für Dritte auszubilden oder die Ausbildung der Hunde durch den Tierhalter anzuleiten (Ziffer 3), sowie der Anordnung, unverzüglich (bis spätestens 22.5.2020) schriftlich mitzuteilen, in welchen Haltungseinheiten und unter welcher Verantwortung die bisher von der Antragstellerin gehaltenen Hunde ab sofort gehalten würden, wobei die bisher gewerbsmäßig gehaltenen Hunde aus dem Bestandsbuch hervorgehen müssten, das die Antragstellerin daher ebenfalls unverzüglich vorzulegen habe (Ziffer 4), nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO an. Insoweit ist ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nach § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alt. VwGO statthaft. Hinsichtlich der darüber hinaus in dem Bescheid enthaltenen Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von jeweils 500 € für den Fall einer Zuwiderhandlung gegen Ziffer 2-4 der Verfügung ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. VwGO statthaft, da einem Widerspruch gegen diese Vollzugsmaßnahme bereits von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung zukommt (vgl. § 248 Abs. 1 Satz 2 LVwG, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO).

3

Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann durch das Gericht die aufschiebende Wirkung im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 4, also insbesondere in Fällen, in denen die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes im öffentlichen Interesse von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wurde, ganz oder teilweise wiederhergestellt werden. In den Fällen (unter anderem) des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs ganz oder teilweise anordnen. Die gerichtliche Entscheidung ergeht dabei auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung sind das private Aufschubinteresse einerseits und das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen der Interessenabwägung können auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit und die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes Bedeutung erlangen. Lässt sich bei der gebotenen summarischen Überprüfung die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ohne weiteres feststellen, ist sie also offensichtlich, so ist die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs wiederherzustellen bzw. anzuordnen, weil an der sofortigen Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Bescheides kein öffentliches Interesse bestehen kann. Erweist sich der angefochtene Bescheid als offensichtlich rechtmäßig, bedarf es in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse von der Behörde im Einzelfall angeordnet wurde, noch eines besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung, das mit dem Interesse am Erlass eines Verwaltungsaktes in der Regel nicht identisch ist, sondern vielmehr ein qualitativ anderes Interesse ist. Insbesondere in Fällen der Gefahrenabwehr kann dieses besondere Vollzugsinteresse aber mit dem Interesse am Erlass des Bescheides selbst identisch sein. Lässt sich die Rechtmäßigkeit bei summarischer Prüfung nicht eindeutig beurteilen, bedarf es schließlich einer allgemeinen Interessenabwägung im Sinne einer Folgenabwägung. Dabei sind die Folgen gegenüberzustellen, die einerseits eintreten, wenn dem Antrag stattgegeben wird, der Bescheid sich aber später im Hauptsacheverfahren als rechtmäßig erweist bzw. die andererseits eintreten, wenn der Antrag abgelehnt wird, der Bescheid sich aber später im Hauptsacheverfahren als rechtswidrig erweist (Schl.-Holst. OVG, Beschluss vom 06. August 1991 – 4 M 109/91 –, zitiert nach Juris).

4

Vorliegend entfalten die für sofort vollziehbar erklärten Maßnahmen die Wirkungen eines vorläufigen Berufsverbots für die bislang ausgeübte Tätigkeit der Antragstellerin als Hundezüchterin. Die Verhängung eines vorläufigen Berufsverbots setzt gemäß Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsgebot die zusätzliche Feststellung voraus, dass sie schon vor Rechtskraft des Hauptsacheverfahrens als Präventivmaßnahme zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter erforderlich ist. Dieses Erfordernis entspricht der Funktion von Präventivmaßnahmen, mit denen für eine Zwischenzeit ein Sicherungszweck verfolgt wird, der es ausnahmsweise rechtfertigt, den aus Art. 19 Abs. 4 GG folgenden Rechtsschutzanspruch des Grundrechtsträgers einstweilen zurückzustellen, um unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des allgemeinen Wohls rechtzeitig in die Wege zu leiten. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, hängt von einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls und insbesondere davon ab, ob eine weitere Berufstätigkeit konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter befürchten lässt (BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Oktober 2003 – 1 BvR 1594/03 –, Rn. 16, juris).

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Nach diesen Grundsätzen erweist sich der Antrag als nicht begründet.

6

Der Antragsgegner hat die Anordnung der sofortigen Vollziehung in ausreichender Weise gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet. Nach dieser Vorschrift ist in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Erforderlich ist eine auf den konkreten Einzelfall abstellende, nicht lediglich formelhafte Darlegung des besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehbarkeit. Im Tierschutzrecht ist die zu befürchtende Gefahr weiterer Verstöße gegen Anforderungen des Tierschutzrechts, insbesondere von § 2 TierSchG, soweit damit die Gefahr von Schmerzen, Leiden oder Schäden der Tiere verbunden ist, als Begründung des Sofortvollzugs in der Regel ausreichend (vgl. Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 3. Auflage 2016, § 16a Rn. 30; Lorz/Metzger, TierSchG, 7. Auflage 2019, § 16a Rn. 23 m.w.N.). Insoweit liegt in der Regel auch eine Gefahr für ein wichtiges Gemeinschaftsgut, nämlich den verfassungsrechtlich nach Art. 20a GG hervorgehobenen Schutz der Tiere, vor. Der Antragsgegner hat zur Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung auf die festgestellten tierschutzrechtlichen Verstöße abgestellt und ausgeführt, dass das private Interesse der Antragstellerin, die Hundezucht, die Hundepension und das Hundetraining in der bisher gewohnten Weise fortzuführen, hinter dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung tierschutzrechtlicher Bestimmungen zurückzutreten hat. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei notwendig, um die rechtswidrigen Zustände umgehend zu beseitigen und zu verhindern, dass die Antragstellerin weiterhin Hunde ohne Einhaltung der tierschutzrechtlichen Vorgaben gewerbsmäßig züchtet, hält und trainiert. Der Antragsgegner hat damit insbesondere auf die Zeit eines möglichen Rechtsbehelfsverfahrens abgestellt und eine besondere Dringlichkeit der angeordneten Maßnahmen zum Schutz der Tiere insoweit dargelegt. Wenn sich die Ausführungen im Hinblick auf die Begründung des besonderen Vollzugsinteresses mit der Begründung der Ordnungsverfügung teilweise decken, ist dies insoweit unschädlich, als dass sich bei Gefahrabwehrmaßnahmen – vorliegend Maßnahmen zur Abwehr von Schmerzen, Leiden oder Schäden von betreuten Tieren – aufgrund der typischerweise gesteigerten Gefährdungslage für das öffentliche Interesse eine (teilweise) Identität der Begründung schon aus der besonderen Dringlichkeit rechtfertigen lässt. Ob die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung inhaltlich zutrifft und ob sie die Anordnung zu rechtfertigen vermag, ist hingegen keine Frage des Begründungserfordernisses des § 80 Abs. 3 VwGO (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. August 2013 – OVG 11 S 13.13 –, juris).

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Der Bescheid vom 4. Mai 2020 ist offensichtlich rechtmäßig, es besteht auch ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ziffern 1-4 des Bescheides.

8

Der Antragsgegner stützt den Widerruf der der Antragstellerin mit Bescheid vom 15. Oktober 2018 erteilten Erlaubnis auf § 117 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG. Danach kann ein begünstigender Verwaltungsakt widerrufen werden, wenn der Widerruf im Verwaltungsakt vorbehalten ist (Nr. 1), mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Betroffene diese nicht erfüllt hat (Nr. 2) oder wenn die Behörde aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde (Nr. 3). Maßgeblicher Zeitpunkt der Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs ist dabei regelmäßig derjenige der Entscheidung der Widerspruchsbehörde bzw. im hier anhängigen vorläufigen Rechtsschutzverfahren der Zeitpunkt der Beschlussfassung durch das Gericht.

9

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 117 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 2 und 3 LVwVfG liegen vor. In Nr. 4 der Erlaubnis vom 15. Oktober 2018 wurde ausdrücklich der Widerruf vorbehalten. Danach kann die Erlaubnis jederzeit widerrufen werden. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 117 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LVwG sind nach allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsätzen schon dann gegeben, wenn der Widerrufsvorbehalt wirksam ist. Auf die Rechtmäßigkeit der Beifügung des Widerrufsvorbehalts kommt es demnach – vorbehaltlich der Nichtigkeit, für die hier allerdings nichts ersichtlich ist – in dieser Hinsicht nicht an. Vielmehr muss der Begünstigte, der von den ihm eröffneten Rechtschutzmöglichkeiten keinen Gebrauch gemacht hat, sich auch insoweit die Bestandskraft des Bescheids entgegenhalten lassen (BVerwG, Urteil vom 22. November 2018 – 7 C 11/17 –, Rn. 32, juris). Die Rechtmäßigkeit des Widerrufsvorbehaltes kann allerdings im Rahmen der pflichtgemäßen Ausübung des Ermessens von Belang sein (BVerwG, Urteil vom 22. November 2018 – 7 C 11/17 –, Rn. 33, juris). Die Frage der Rechtmäßigkeit des Widerrufsvorbehaltes kann insoweit allerdings offenbleiben, da der Antragsgegner ermessenfehlerfrei den Widerruf nach § 117 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 LVwG ausgesprochen hat.

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So hat die Antragstellerin entgegen der Nebenbestimmung Ziffer 2 Buchstabe d der Erlaubnis vom 15. Oktober 2018 wiederholt den Aufenthaltsbereich der Hunde nicht sauber gehalten und Kot nicht täglich entfernt. Es wurde bereits bei der Kontrolle am 8. August 2019 festgestellt, dass das Wohnhaus unsauber war und das Welpenspielzimmer mit Kot und großflächig mit Urin, von dem bereits ein beißender Geruch ausging, verschmutzt war. Zudem befanden sich zahlreiche alte Kothaufen in der Halle, im vorderen Bereich der Indoorspielhalle sowie in 2 Boxen im Pferdestall. Kot wurde auch dort nicht täglich entfernt. Trotz der daraufhin erlassenen Ordnungsverfügung vom 19. August 2019 durch das Amt Eggebek, mit der u.a. angeordnet wurde, dass der Aufenthaltsbereich der Hunde unverzüglich zu reinigen sowie in Zukunft sauber zu halten sei, hielten sich bei der Kontrolle am 22. April 2020 7 Hunde, die durch die Fensterscheiben sichtbar waren, in einem stark vermüllten und verschmutzten Zimmer auf. Bei der weiteren Kontrolle am 28. April 2020, bei der die Antragstellerin den Zutritt zu den Wohnräumen verweigerte, lag in der Halle, zu der die Hunde laut den Angaben der Antragstellerin während der Freilaufphase Zugang hätten, massenhaft alter, zum Teil verschimmelter Hundekot. Die Antragstellerin konnte zuvor bei der Kontrolle am 8. August 2019 und bei der Kontrolle am 28. April 2019 nicht ein Tierbestandsbuch vorlegen, dessen Führung ihr in der Nebenbestimmung Buchstabe j auferlegt worden war. Darüber hinaus teilte die Antragstellerin entgegen der Nebenbestimmung Buchstabe k der Erlaubnis vom 15. Oktober 2018 wesentliche Änderungen der in der Erlaubnis festgelegten Sachverhalte, insbesondere Änderungen hinsichtlich der verantwortlichen Personen – vorliegend der Wechsel ihrer Vertreterin – nicht unverzüglich schriftlich mit. Darüber hinaus hielt die Antragstellerin Hunde in Räumlichkeiten, die nicht Bestandteil der Erlaubnis vom 15. Oktober 2018 waren, so am 8. August 2019 einen Hund im Zwinger, einen im Bullenstall und einen Hund im Gehege mit Halle. Außerdem wurden zahlreiche Hundekothaufen in der Indoorspielhalle und dem ehemaligen Pferdestall vorgefunden. Am 28. April 2020 stellte der Antragsgegner fest, dass ein Hund in dem Gehege mit Halle untergebracht war und im Bullenstall neben den Zwingern 3 und 4 weitere Zwinger belegt waren.

11

Der Widerruf kann darüber hinaus auf § 117 Abs. 2 Nr. 3 LVwG gestützt werden. § 117 Abs. 2 Nr. 3 LVwG ermöglicht den Widerruf, wenn die Behörde aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde. Tatsachen sind konkrete Gegebenheiten, die das objektive Recht zur Voraussetzung einer Rechtswirkung gemacht hat. Im Gegensatz zur Sachlage bei Erteilung der Erlaubnis im Oktober 2018 liegen nunmehr bei dem Widerruf der Erlaubnis bei der Antragstellerin nicht mehr die tatsächlichen persönlichen Voraussetzungen vor, die auf eine für die ausgeübten Tätigkeiten rechtlich erforderliche Zuverlässigkeit schließen lassen könnten.

12

Nach § 21 Abs. 5 TierSchG ist bis zum Erlass einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 oder 6 Satz 2 § 11 Abs. 1 Satz 2 und 3, Abs. 2, 2 a, 5 und 6 TierSchG in der bis zum 13. Juli 2013 geltenden Fassung mit bestimmten hier nicht einschlägigen Maßgaben weiter anzuwenden. Nach § 11 Abs. 2 TierSchG a. F. darf die Erlaubnis nur erteilt werden, wenn die für die Tätigkeit verantwortliche Person die für die Tätigkeit erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten (Sachkunde) und die erforderliche Zuverlässigkeit (§ 11 Abs. 2 Nr. 2 TierSchG a. F.) besitzt. Weiter müssen die für die Tätigkeit dienenden Räume und Einrichtungen eine den Anforderungen des § 2 TierSchG entsprechende Ernährung, Pflege und Unterbringung der Tiere ermöglichen (Nr. 3). Nach § 11 Absatz 2 a TierSchG a. F. kann die Erlaubnis, soweit es zum Schutz der Tiere erforderlich ist, unter Befristungen, Bedingungen und Auflagen erteilt werden.

13

Bei dem Begriff der Zuverlässigkeit handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der weder mit einem Beurteilungsspielraum verbunden ist noch einen Ermessenspielraum zugunsten der Behörde eröffnet und somit der vollen verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung unterliegt. Der Begriff der Zuverlässigkeit selbst ist im Tierschutzgesetz nicht definiert. Der Gesetzgeber hat hier auch nicht bestimmte Versagungsgründe aufgezählt. Zur Ausfüllung des Begriffs kann aber an den Begriff der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit, wie er sich beispielsweise in § 35 Abs. 1 Gewerbeordnung oder § 4 Gaststättengesetz findet, und an die dazu ergangene Rechtsprechung angeknüpft werden (vgl. Hess. VGH, Urteil vom 20.07.1993 -11 UE 7407/89 -, Juris). Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzt danach derjenige nicht, der nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens keine Gewähr dafür bietet, dass Rechtsvorschriften eingehalten werden und keine Gefahren für das Wohlergehen der aufgenommenen Tiere bestehen. Entscheidend ist, ob aufgrund begangener Rechtsverstöße nach objektiven Maßstäben und unter Würdigung der Persönlichkeit des Betroffenen und der Umstände des Einzelfalls die Gefahr besteht, dieser werde künftig seine tierschutzrechtlichen Pflichten nicht erfüllen (VG Freiburg (Breisgau), Beschluss vom 09. Dezember 2008 – 2 K 1500/08 –, Rn. 10 - 11, juris). Dabei kann auch bereits ein einzelner Verstoß Zweifel an der Zuverlässigkeit begründen, wenn er genügend schwer wiegt (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 23. Dezember 2014 – 9 ZB 11.1525 –, Rn. 6, juris).

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Die zahlreichen von dem Antragsgegner festgestellten tierschutzrechtlichen Verstöße lassen nur den Schluss zu, dass die Antragstellerin trotz der zahlreichen für den Bereich der Hundehaltung und insbesondere des Hundetrainings vorgelegten Sachkundenachweise gegenwärtig aufgrund ihrer persönlichen Situation nicht in der Lage ist, bei den bislang erlaubten Tätigkeiten tierschutzrechtliche Verstöße zu vermeiden und auftretende Schwierigkeiten zu bewältigen, ohne dabei die von ihr gehaltenen, gezüchteten und zum Training anvertrauten Hunde, deren Wohlergehen ihr im Rahmen ihrer gewerblichen Hundezucht, der Pensionshaltung und des Hundetrainings anvertraut ist, in Mitleidenschaft zu ziehen, weil sie mit der Situation häufig überlastet ist und Problemen bei der Haltung der Tiere nicht mit angemessenen Maßnahmen begegnen kann. Auch die gezeigte mangelnde Kooperation mit den Tierschutzbehörden lässt künftig befürchten, dass es bei den bislang erlaubten Tätigkeiten wieder zu Verstößen gegen das Tierschutzrecht kommen wird.

15

Dies zeigen insbesondere auch die nach Erlass des Bescheides bei der Antragstellerin durchgeführten Kontrollen. So verweigerte die Antragstellerin bei der Kontrolle am 28. Mai 2020 zunächst die Mitwirkung bei der Kontrolle. Erst auf mehrfache Aufforderung wurde dann die Kontrolle gestattet. In der Halle wurden zum Zeitpunkt der Kontrolle zwar keine Hunde gehalten, es wurde aber massenhaft zum Teil bereits verschimmelter Hundekot in mehreren Bereichen der Halle vorgefunden. An der Hintertür der Halle wurden Kratzgeräusche gehört, auf Nachfrage erklärte die Antragstellerin, dass das der Handwerker sei. Durch den Spalt der Hintertür sei jedoch ein Hund zu erkennen gewesen, so die amtstierärztliche Stellungnahme des Antragsgegners vom 3. Juni 2020. Die Zimmer im Wohnhaus, in denen Hunde gehalten wurden, waren nach der amtstierärztlichen Stellungnahme verschmutzt und befanden sich in einem unhygienischen Zustand. Kothaufen wurden vorgefunden. In den Wasserschalen stand den Hunden kein Wasser zur Verfügung. Wohnzimmer und Schlafzimmer waren stark vermüllt und stark verschmutzt. Massenhaft Kothaufen und Urinlachen wurden vorgefunden. Es roch sehr stark.

16

Die Situation hatte sich bei dem weiteren Ortstermin am 18. Juni 2020 nicht wesentlich verbessert. Die Antragstellerin teilte noch in ihrem Schriftsatz vom 16. Juni 2020 mit, dass es Lebensphasen gegeben habe, die es ihr unmöglich gemacht hätten, für allumfassende Sauberkeit zu sorgen. Sie habe alles gesäubert, die Ausläufe hergerichtet und dafür gesorgt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen der Tierschutzhundeverordnung eingehalten würden. Dabei hätten ihr ihre neue Vertreterin und 4 Helferinnen geholfen. Auch bei dem Termin am 18. Juni 2020 kooperierte die Antragstellerin jedoch entgegen ihrer Rechtspflicht aus § 16 Abs. 2 und Abs. 3 TierSchG nicht hinreichend mit den Vertretern der Behörden. Der Termin dauerte von ca. 10:15 Uhr bis ca. 15:00 Uhr. Nach der amtstierärztlichen Stellungnahme des Antragsgegners vom 23. Juni 2020 war die Antragstellerin zunächst nicht bereit, an der Aufklärung des Sachverhaltes mitzuwirken, ging auch nicht an ihr Mobiltelefon und wurde dann dabei beobachtet, wie sie mit einer Schaufel Kothaufen aus einem Raum schaffte. Auf Klopfen und Rufen reagierte sie nicht und meldete sich dann telefonisch mit der Angabe, dass sie noch unterwegs wäre. Auch bei diesem Termin waren die Aufenthaltsbereiche der Hunde stark verschmutzt und teilweise sehr stark vermüllt, wie die bei dem Termin gefertigten Fotoaufnahmen belegen. Diese Aufnahmen zeigen auch, dass die Antragstellerin, die durch die vorherigen Kontrollen und die ergangene Ordnungsverfügung bereits auf die groben tierschutzwidrigen Missstände hingewiesen worden war, gegenwärtig schlechterdings nicht in der Lage ist, für saubere und den Bedürfnissen der Tiere angemessene Aufenthaltsbereiche und damit tierschutzgemäße Zustände bei den Hunden zu sorgen. Das über einen längeren Zeitraum gezeigte unkooperative Verhalten lässt befürchten, dass die Antragstellerin auch in Zukunft nicht hinreichend bei der Beseitigung von Missständen mitwirken wird.

17

Ohne den Widerruf wäre auch das öffentliche Interesse im Sinne von § 117 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 LVwG gefährdet. Nach dieser Regelung genügt es nicht, dass der Widerruf im öffentlichen Interesse liegt. Erforderlich ist vielmehr, dass der Widerruf zur Abwehr einer Gefährdung des öffentlichen Interesses, das heißt zur Beseitigung oder Verhinderung eines sonst drohenden Schadens für wichtige Gemeinschaftsgüter geboten ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.01.1992 - 7 C 38.90 - UPR 1992, 191 = juris Rn. 13). Ohne den Widerruf wäre vorliegend das öffentliche Interesse gefährdet, da bei einer fortgesetzten gewerblichen Tätigkeit der Antragstellerin in diesem Bereich weitere Verstöße gegen tierschutzrechtliche Vorschriften zu befürchten wären, die zu einem Leiden der Hunde führen würden.

18

Der Widerruf der Erlaubnis zur Hundezucht, zur gewerblichen Hundehaltung (Hundepension) und zum gewerbsmäßigen Hundetraining ist geeignet und erforderlich, um künftig tierschutzwidrige Zustände bei diesen Tätigkeiten durch die Antragstellerin zu unterbinden. Das Tierschutzgesetz legt mit dem Begriff der Gewerbsmäßigkeit nicht nur die vorbeugende Kontrolle, sondern auch erhöhte Anforderungen an die verantwortlichen Personen in den Fällen fest, in denen durch das dauerhafte und planmäßige Handeln einer Vielzahl von Tieren betroffen ist, deren Umfang erhöhte tierschutzrechtliche Anforderungen notwendig werden lässt. Die Antragstellerin hat gezeigt, dass es ihr bei ihrer erlaubnispflichtigen Tätigkeit nicht gelungen ist, bei der Vielzahl der Tiere tierschutzgerechte Zustände, insbesondere im Hinblick auf die Sauberhaltung der Aufenthaltsbereiche der Tiere zu gewährleisten. Es handelt sich dabei nicht um einzelne Vorfälle, sondern die Verstöße erfolgten fortlaufend über einen längeren Zeitraum. Mildere Maßnahmen kommen nicht in Betracht, nachdem auch eine Ordnungsverfügung durch die örtlich zuständige Tierschutzbehörde keine nachhaltige Besserung erbracht hat. Es ist kein milderes, in die Berufsfreiheit der Antragstellerin (Art. 12 Abs. 1 GG) weniger eingreifendes Mittel ersichtlich, das den verfolgten Zweck in gleicher Weise erreichen würde.

19

Die sich aus dem Widerruf der gewerblichen Hundezucht-Erlaubnis und der weiteren erlaubnispflichtigen Tätigkeiten ergebenden Konsequenzen sind für die Antragstellerin auch zumutbar. Dass der Gesetzgeber in § 11 Abs. 2 Nr. 2 TierSchG a. F. die gewerbliche Hundezucht und darüber hinaus das gewerbliche Halten und das gewerbliche Training von der Zuverlässigkeit der für die Tätigkeit verantwortlichen Person abhängig machen durfte, begegnet auch mit Blick auf die Staatszielbestimmung Tierschutz (Art. 20a GG) und damit einhergehenden staatlichen Schutzpflichten keinen ernstlichen verfassungsrechtlichen Bedenken, auch wenn damit in die Berufsfreiheit in ihrem Wahlaspekt durch Errichtung subjektiver Zulassungsschranken eingegriffen wird (vgl. dazu Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 14. Juli 2008 – 9 CS 08.536 –, Rn. 2 - 28, juris).

20

Die Untersagung der weiteren gewerblichen Tätigkeit (Ziffer 2 und 3 des Bescheides) beruht auf § 11 Abs. 5 Satz 6 TierSchG. Danach soll die zuständige Behörde demjenigen die Ausübung der Tätigkeit untersagen, der hierzu keine Erlaubnis hat. Infolge der Vollziehbarkeit des Widerrufs der Erlaubnis würde die Antragstellerin ihre gewerbliche Tätigkeit ohne die erforderliche Erlaubnis ausüben. Das Bestehen einer atypischen Ausnahmesituation, die das Unterlassen einer Untersagung rechtfertigen würde, hat die Antragstellerin nicht vorgetragen und ist auch nicht erkennbar.

21

Die Anordnung zur Erteilung eines schriftlichen Nachweises für die Auflösung des von der gewerblichen Tätigkeit betroffenen Tierbestandes beruht auf § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TierSchG. Gemäß § 16a Abs. 1 Satz 1 TierSchG kann die zuständige Behörde, die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen treffen. Nach Satz 2 Nr. 1 kann sie insbesondere im Einzelfall die zur Erfüllung der Anforderungen des § 2 TierSchG erforderlichen Maßnahmen anordnen. Die auferlegten Nachweispflichten dienen dem Zweck der Befolgung der Untersagungsanordnung und sollen deren Einhaltung sicherstellen.

22

Rechtsgrundlage für die Androhung der Zwangsgelder sind §§ 228, 229 Abs. 1 Nr. 1, 232 Abs. 1 Nr. 1, 235 Abs. 1 Nr. 1, 236, 237 LVwG. Die Bemessungen der Zwangsgelder in Höhe von jeweils 500 € für einen Verstoß gegen Ziffer 2-4 des Bescheides sind nicht zu beanstanden. Ein Zwangsgeld ist der Höhe nach verhältnismäßig, wenn es ein fühlbares Maß bezogen auf den mit der Zuwiderhandlung erstrebten Erfolg erreicht (OVG Münster, Urteil vom 30. September 1992 - 4 A 3840/91 - DÖV 1993, 398). Dies ist vorliegend bei dem angedrohten Zwangsgeld in Höhe von jeweils 500 € gewährleistet, belastet die Antragstellerin auch nicht unverhältnismäßig.

23

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Streitwert wurde gem. § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1 iVm § 52 Abs. 1 GKG festgesetzt; im vorliegenden Fall ist in Anlehnung an Nr. 54.2.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit – Fassung 2013 (NordÖR 2014, 11) für die Berechnung des Streitwerts zunächst ein Streitwert in Höhe von 15.000 EUR in Ansatz zu bringen. Der Widerruf der erteilten Erlaubnisse zur gewerbsmäßigen Hundezucht, Hundepension und zum gewerbsmäßigen Hundetraining wirkt sich für die Antragstellerin in wirtschaftlicher Hinsicht wie eine Gewerbeuntersagung aus, sodass der Jahresbetrag des erwarteten Gewinns, mindestens ein Betrag in Höhe von 15.000 EUR, für ein Verfahren in der Hauptsache anzusetzen wäre. Diesen Betrag reduziert die Kammer für das vorliegende einstweiligen Rechtsschutzverfahren um die Hälfte.


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