Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (1. Kammer) - 1 B 110/20

Tenor

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 23. Juli 2020 gegen Ziffer 3 Satz 2 des Bescheides vom 8. Juli 2020 wird angeordnet, soweit die Antragsgegnerin androht, die streitgegenständlichen Tiere im Wege des unmittelbaren Zwangs zu veräußern. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

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Der statthafte und auch im Übrigen zulässige Antrag der Antragstellerin,

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die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die tierschutzrechtliche Ordnungsverfügung vom 8. Juli 2020 wiederherzustellen,

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ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

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Soweit die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung der Ordnungsverfügung vom 8. Juli 2020 nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) hinsichtlich der Anordnungen in Ziffern 1-2 ausgesprochen hat, ist der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nach § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alt. VwGO statthaft. Hinsichtlich der darüber hinaus in dem Bescheid enthaltenen Androhung des unmittelbaren Zwangs für den Fall der Nichtbefolgung der zuvor genannten Anordnungen ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. VwGO statthaft, da einem Widerspruch gegen diese Vollzugsmaßnahme bereits von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung zukommt (§ 248 Abs. 1 Satz 2 Allgemeines Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig-Holstein - LVwG -, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO).

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Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden.

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Die Antragsgegnerin hat die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Haltungs- und Betreuungsverbotes sowie der Anordnung der Bestandsauflösung im Bescheid vom 8. Juli 2020 in einer den Erfordernissen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise begründet. Das Erfordernis einer schriftlichen Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts soll neben der Information der Betroffenen und des mit einem eventuellen Aussetzungsantrag befassten Gerichts vor allem die Behörde selbst mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG zwingen, sich des Ausnahmecharakters der Vollziehungsanordnung bewusst zu werden und die Notwendigkeit des Sofortvollzuges besonders sorgfältig zu prüfen. Die Anforderungen an den erforderlichen Inhalt einer solchen Begründung dürfen hierbei aber nicht überspannt werden. Diese muss allein einen bestimmten Mindestinhalt aufweisen. Dazu gehört es insbesondere, dass sie sich – in aller Regel – nicht lediglich auf eine Wiederholung der den Verwaltungsakt tragenden Gründe, auf eine bloße Wiedergabe des Textes des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO oder auf lediglich formelhafte, abstrakte und letztlich inhaltsleere Wendungen ohne erkennbaren Bezug zu dem konkreten Fall beschränken darf. Die Angabe qualitativ anderer Gründe unter Wiederholung der den Grundverwaltungsakt rechtfertigenden Erwägungen ist ausnahmsweise verzichtbar, wenn schon die gegebene Begründung des Verwaltungsaktes selbst die besondere Dringlichkeit der sofortigen Vollziehung und die von der Behörde insoweit vorgenommene Interessenabwägung erkennen lässt und die Behörde dies ausdrücklich feststellt (OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 18. Juni 2020 – 4 MB 21/20 –, juris Rn. 9 m. w. N.)

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Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Erwägungen der Antragsgegnerin lassen einen Einzelfallbezug erkennen. Aus der Begründung geht ferner hervor, dass der Antragsgegnerin der Ausnahmecharakter der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit im Einzelfall bewusst war. Sie geht ausführlich darauf ein, dass das Abwarten eines Rechtsbehelfs- bzw. möglichen Gerichtsverfahrens aus tierschutzrechtlichen Gründen nicht hinnehmbar und die sofortige Vollziehung der Anordnungen zu 1. bis 3. erforderlich sei, um die Tierhaltung durch die Antragstellerin unter Einhaltung tierschutzrechtlicher Vorschriften zur Wahrung des effektiven Tierschutzes aufzulösen. Darüber hinaus hat die Antragsgegnerin unter Bezugnahme auf bisher festgestellte Verstöße sowie die Missachtung der ordnungsrechtlich verfügten Auflagen seit 2015 durch die Antragstellerin und ihre Tochter begründet, warum auch in Zukunft nicht mit einer art- und verhaltensgerechten Tierhaltung zu rechnen ist. Ihr Bewusstsein über den Ausnahmecharakter verdeutlicht auch der Hinweis darauf, dass die sofortige Vollziehung der tierschutzrechtlichen Grundverfügung der Gefahrenabwehr dient und auch unter Berücksichtigung der Grundrechte der Antragstellerin keinen Aufschub duldet.

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Im Übrigen kommt es auf die inhaltliche Richtigkeit der Erwägungen zur Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht an. Vielmehr trifft das Gericht in dem Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO unter Würdigung aller relevanten Umstände eine eigene Entscheidung über die Rechtfertigung der sofortigen Vollziehung. Daher ist es in diesem Zusammenhang nicht von Relevanz, ob die Erwägungen, die die Antragsgegnerin zur Anordnung der sofortigen Vollziehung veranlasst haben, zutreffen.

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Das Gericht kann gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung im Falle des Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, also insbesondere in Fällen, in denen die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes im öffentlichen Interesse von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wurde, ganz oder teilweise wiederherstellen. Die gerichtliche Entscheidung ergeht dabei regelmäßig auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung sind das Aufschubinteresse der Betroffenen einerseits und das öffentliche Interesse an der Vollziehung des streitbefangenen Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung können auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit und die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes, der vollzogen werden soll, Bedeutung erlangen. Lässt sich bei der summarischen Überprüfung die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ohne Weiteres feststellen, ist sie also offensichtlich, so ist die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs (wieder-) herzustellen, weil an einer sofortigen Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Bescheides kein öffentliches Interesse bestehen kann. Erweist sich der angefochtene Bescheid als offensichtlich rechtmäßig, bedarf es in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse von der Behörde im Einzelfall angeordnet wurde, noch eines besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung, das mit dem Interesse am Erlass eines Verwaltungsaktes in der Regel nicht identisch ist, sondern vielmehr ein qualitativ anderes Interesse ist. Insbesondere in Fällen der Gefahrenabwehr kann dieses besondere Vollzugsinteresse aber mit dem Interesse am Erlass des Bescheides selbst identisch sein (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 6. August 1991 – 4 M 109/91 –, juris).

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Gemessen an diesen Maßstäben erweist sich der Antrag als teilweise begründet.

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Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ziffern 1 und 2 des angefochtenen Verwaltungsakts das private Interesse der Antragstellerin an einem einstweiligen Aufschub der Vollziehung, weil sich der angefochtene Bescheid bezüglich der dort getroffenen Anordnungen bei der hier lediglich möglichen summarischen Prüfung der Sachlage und der Beurteilung der Rechtslage auf dieser Grundlage als offensichtlich rechtmäßig erweist und die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. An der sofortigen Vollziehung der Ziffern 1. und 2. besteht auch ein besonderes öffentliches Interesse (I.). Soweit die Antragsgegnerin in Ziffer 3 den Sofortvollzug anordnet und ausweislich Ziffer 3 Satz 2 des Bescheidtenors die Auffassung vertritt, auch zur Veräußerung der Tiere befugt zu sein, erweist sich der Bescheid als rechtswidrig, weshalb an seiner sofortigen Vollziehung kein öffentliches Interesse bestehen kann (II.).

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I. Ermächtigungsgrundlage für das in Ziffer 1 normierte Haltungs- und Betreuungsverbot für Tiere jeglicher Art ist § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Tierschutzgesetz (TierSchG). Danach kann dem- bzw. derjenigen, der/die den Vorschriften des § 2 TierSchG, einer Anordnung nach § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TierSchG oder einer Rechtsverordnung nach § 2a TierSchG wiederholt oder grob zuwidergehandelt und dadurch den von ihm/ihr gehaltenen oder betreuten Tieren erhebliche oder länger anhaltende Schmerzen, Leiden oder erhebliche Schäden zugefügt hat, das Halten oder Betreuen von Tieren einer bestimmten oder jeder Art untersagt werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er/sie weiterhin derartige Zuwiderhandlungen begehen wird. Nach § 2 Nr. 1 TierSchG muss, wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, dieses seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen. Er/Sie darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden (§ 2 Nr. 2 TierSchG). Die Person muss über die für eine angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung des Tieres erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen (§ 2 Nr. 3 TierSchG). Dabei regelt § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG den Fall einer „tierschutzrechtlichen Unzuverlässigkeit“. Die Untersagung dient dem vorbeugenden Schutz der Tiere und kommt insbesondere dann in Betracht, wenn wegen mangelnder Eignung oder wegen Unzuverlässigkeit des Tierhalters oder der Tierhalterin die Gefahr besteht, dass den von ihm/ihr gehaltenen Tieren auch in Zukunft erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden. Dabei genügt, wenn sich im Zeitpunkt des Bescheiderlasses derartige Schmerzen, Leiden oder Schäden bei einem Teil der Tiere eines Bestandes feststellen lassen (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 28. April 2004 – 1 S 756/04 –, juris Rn. 10).

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Soweit es zum Schutz der Tiere erforderlich ist, wird das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft in § 2a Abs. 1 TierSchG ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Anforderungen an die Haltung von Tieren nach § 2 TierSchG näher zu bestimmen. Diese Konkretisierung ist u. a. durch die Tierschutz-Hundeverordnung (TierSchHuV) und die Tierschutznutztierverordnung (TierSchNutztV) vorgenommen worden.

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Der gerichtlichen Prüfung ist vorauszuschicken, dass bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der tierschutzrechtlichen Anordnungen vom 8. Juli 2020 den zuständigen Amtstierärzten und -ärztinnen vom Gesetz eine vorrangige Beurteilungskompetenz bei der Beantwortung der Frage eingeräumt ist, ob die Anforderungen des § 2 TierSchG erfüllt sind. Das Gericht überprüft dann, ob sich die Beurteilungen dieser innerhalb der rechtlichen Vorgaben bewegen und unter Berücksichtigung der Einlassungen der Antragstellerin vertretbar sind. Die Einschätzung der Tierärzte und -ärztinnen wird vom Gesetz in § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG als maßgeblich angesehen. Als gesetzlich vorgesehene Sachverständige sind sie für Aufgaben wie diese eigens bestellt (vgl. § 15 Abs. 2 TierSchG). Ihrer fachlichen Beurteilung kommt besonderes Gewicht zu (siehe BVerwG, Beschluss vom 2. April 2014 – 3 B 62/13 –, juris Rn. 10; vgl. Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 3. Auflage 2016, § 16a Rn. 23).

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Danach erweist sich das in Ziffer 1 ausgesprochene Haltungs- und Betreuungsverbot für Tiere jeder Art als ermessensgerecht.

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Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen des befassten Amtstierarztes Herr aaa und der befassten Amtstierärztin Frau Dr. xxx (im Weiteren „Amtstierärzt/innen“) und der Einschätzung als relevante Verstöße gegen das Tierschutzgesetz wird vollumfänglich auf die Feststellungen in den Kontrollberichten vom 28. und 30. April 2020 (Bl. 1145-1167 und 1181-1194 Beiakte C), die zugehörige Fotodokumentation (Bl.1300-1389 Beiakte C) sowie die Ausführungen im Vermerk vom 12. Mai 2020 (Bl. 1275-1993 Beiakte C) gegenüber der Antragsgegnerin sowie die Ausführungen im angefochtenen Bescheid Bezug genommen. Die dort beschriebenen und weitgehend fotografisch dokumentierten Zustände der Tierhaltung belegen erhebliche Verstöße gegen die art- und bedürfnisgerechte Pflege der Tiere und deren verhaltensgerechte Unterbringung (§ 2 Nr. 1 TierSchG) sowie gegen das in § 2 Nr. 2 TierSchG normierte Gebot, die Möglichkeit von Tieren zur artgemäßen Bewegung nicht so einzuschränken, dass ihnen Schmerzen, vermeidbare Leiden oder Schäden entstehen.

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So wurde bei der Kontrolle am 16. April 2020 festgestellt, dass nach wie vor Hunde dauerhaft in Zwingern gehalten werden, die den gesetzlichen Anforderungen des § 6 TierSchHuV nicht genügen, weil die gehaltenen Hunde weder den in Abs. 5 normierten Sichtkontakt zueinander noch den in Abs. 3 Satz 4 normierten freien Blick nach außen hatten (vgl. Bilddokumentation Bl. 1306 ff. Beiakte C). Auch die in Abs. 2 Nr. 1 normierten Mindestmaße für die Zwingerhaltung (Seitenlänge mindestens zwei Meter) waren teilweise nicht eingehalten. Die Zwinger waren darüber hinaus mit mehreren Kothaufen besetzt und die Wände teilweise durchtränkt von Urin (vgl. Bl. 1305 f. Beiakte C), was einen Verstoß gegen die in § 8 Abs. 1 Nr. 4 TierSchHuV normierte Pflicht zur täglichen Reinigung darstellt und zudem die Annahme rechtfertigt, dass die Tiere nicht den in § 2 Abs. 1 TierSchHuV vorgeschriebenen Auslauf im Freien erhielten. Die vorgenannten Feststellungen werden in der Sache von der Antragstellerin nicht substantiiert angegriffen. Die Unterbringung der vier bis fünf Hunde in der so ausgestalteten Zwingeranlage hat für die Hunde bereits zu länger anhaltenden Leiden bzw. teilweise erheblichen Schäden in Form von Verhaltensstörungen geführt. Hierzu führen die Amtstierärzt/innen nachvollziehbar und unter Verweis auf einschlägige Fachliteratur aus, dass das Erkundungs- und Sozialverhalten der Hunde durch die Haltung im Zwinger ohne regelmäßige Spaziergänge oder Training (jedenfalls seit Anhalten der Corona-Pandemie nicht) stark eingeschränkt sei. Der Rüde Feivel weise bereits seit Kontrollen im Jahr 2018 stereotype Verhaltensmuster durch „im Kreis laufen“ auf, die er auch bei den Kontrollen im April 2020 noch gezeigt habe. Auch das Verhalten der übrigen Hunde habe bei den Kontrollen einen enorm hohen Bedarf an menschlicher Zuneigung suggeriert. Auch dies lässt darauf schließen, dass sie nicht ihren natürlichen Bedürfnissen entsprechend durch die Halter/innen untergebracht und gepflegt werden. Der den Hunden in dem Auslauf auf dem Grundstück stundenweise gewährte Freilauf kann nicht die Interaktion mit Menschen bzw. das Spazierengehen und die Möglichkeit, auch fremde Duftmarken zu erkunden, ersetzen. Dies gilt vor allem bezüglich der gehaltenen Schäferhunde, die als Hüte- und Schutzhunde einen überdurchschnittlich ausgeprägten Lernwillen haben und ein menschenbezogenes, ausdauerndes und intelligentes Wesen beweisen, aufgrund dessen sie viel Ansprache und Auslastung brauchen (https://www.tierfreund.de/deutscher-schaferhund/, zuletzt abgerufen am 12. Oktober 2020). In der vornehmlichen Zwingerhaltung liegt ein Verstoß gegen § 2 Abs. 1 TierSchHuV, wonach einem Hund ausreichend Auslauf im Freien (außerhalb des Zwingers) und Umgang mit der Person, die den Hund hält oder betreut, zu gewähren ist und Auslauf und Sozialkontakte dabei der Rasse, dem Alter und dem Gesundheitszustand des Hundes anzupassen sind.

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Zudem wurde die Hündin Quinn trotz der bestehenden Hüftdysplasie und den damit einhergehenden und akuten Bewegungsproblemen (mehrfaches Wegknicken der Hinterhand während Kontrolle) nicht einem Tierarzt vorgestellt bzw. physiotherapeutisch behandelt, worin ein Verstoß gegen § 2 Nr. 1 TierSchG i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 TierSchHuV liegt.

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Auch die Geflügelhaltung auf dem Grundstück beziehungsweise den gepachteten Flächen nahe dem Wohngrundstück der Antragstellerin war bei den Kontrollen im April 2020 nach wie vor tierschutzrechtlich mangelhaft. Entgegen der Auflage, lediglich noch zehn Geflügel zu halten bzw. zu betreuen, wurden auf dem Grundstück weiterhin circa 80 (16. April 2020) bzw. jedenfalls deutlich über zehn (23. April 2020) Stück Geflügel gehalten. Auf der zur Geflügelhaltung genutzten Wiese sowie im Bereich der Schutzhütten wurden trotz vorangegangener Kontrollen und entsprechender Beseitigungsaufforderungen weiterhin zahllose Gegenstände, vor allem vielfältige Baumaterialien und sperrmüllartiger Unrat (Reifen, Tische, Wannen, Totholz, Zaungitter, Fässer, Planen/Abdeckmaterial) gelagert, von denen erhebliche Verletzungsrisiken für das Geflügel ausgingen. Das Gelände war nicht hinreichend eingezäunt, sodass Tiere auf die Straße laufen konnten, die Unterstellmöglichkeiten waren unzureichend gegen Beutegreifer gesichert und für die nächtliche Unterbringung bestand kein ausreichender Schutz vor Witterung und Mardern. Die Tränkvorrichtungen waren schmutzig. Bei zwei Hähnen, die tierschutzwidrig im Keller des gemeinsamen Wohnhauses gehalten wurden, und einem Puter wurden bei einer während der anderweitigen pfleglichen Unterbringung erfolgten tierärztlichen Untersuchung chronische, eitrige Sinusitis diagnostiziert. Der Puter litt zudem an einem entzündeten Fußwurzelgelenk mit Knochenveränderungen. Sowohl ein Hahn als auch der Puter mussten aufgrund des nicht mehr vertretbaren Tierleides euthanasiert werden. Die festgestellten Zustände der Haltungseinrichtungen sowie der Tiergesundheit stellen – von der Antragsgegnerin zurecht angenommen – Verstöße gegen § 2 TierSchG i. V. m. § 3 Abs. 2 Nrn. 1 und 3, § 4 Abs. 1 Nrn. 3, 4 und 6 TierSchNutztV dar, wonach Haltungseinrichtung nach ihrer Bauweise und ihrem Zustand so beschaffen sein müssen, dass eine Verletzung der Tiere – so sicher wie nach dem Stand der Technik möglich – ausgeschlossen ist (§ 2 Abs. 2 Nr. 1) und den Tieren ausreichend Schutz vor Witterungseinflüssen und Beutegreifern geboten wird, soweit dies für den Erhalt der Gesundheit erforderlich ist (§ 2 Abs. 2 Nr. 3). Auch müssen kranke Tiere unverzüglich dem Tierarzt vorgestellt (§ 4 Abs. 1 Nr. 3), mit Futter und Wasser in ausreichender Qualität und Menge versorgt werden (§ 4 Abs. 1 Nr. 4) und an Haltungseinrichtungen festgestellte Mängel unverzüglich abgestellt werden bzw. die Tiere vor den durch die Mängel drohenden Gefahren geschützt werden (§ 4 Abs. 1 Nr. 6).

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Darüber hinaus wurden während der anderweitigen pfleglichen Unterbringung bei einem zweiten Puter einseitig beschnitte Schwungfedern festgestellt. Das vollständige oder teilweise Amputieren von Körperteilen von Wirbeltieren ist gemäß § 6 Abs. 1 TierSchG verboten und stellt mithin einen Verstoß gegen das TierSchG dar.

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Die fehlende Behandlung des akuten Hufreheschubes des Ponys Peppina stellt ebenfalls einen Verstoß gegen § 2 Nr. 1 TierSchG dar, denn nach der auf den Leitlinien der Gesellschaft für Pferdemedizin (https://www.bundestieraerztekammer.de/tieraerzte/leitlinien/downloads/171011_GPM-Hufrehe-Leitfaden-web.pdf, zuletzt abgerufen am 14. Oktober 2020) basierenden Therapieempfehlung für Hufrehe besteht das Prinzip bei der Behandlung darin, die Ursache zu beseitigen, die Grundkrankheit zu behandeln und Schäden am Hufbeinträger durch eine engmaschige Kontrolle des Krankheitsverlaufes zu begrenzen.

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Zudem liegt im Halten von mehr als zwei Hunden, zwei Ponys und zehn Geflügel ein Verstoß gegen die bestandskräftig durch Verfügung vom 18. Juni 2019 angeordnete Bestandsreduzierung, mithin ein für § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG tatbestandmäßiger Verstoß gegen eine Anordnung im Sinne des § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TierSchG.

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Das in der Folge mit Verfügung vom 8. Juli 2020 ausgesprochene Haltungs- und Betreuungsverbot für Tiere jeglicher Art ist ermessensfehlerfrei. Es konnte insbesondere gegenüber der Antragstellerin ergehen. Es spricht bereits Überwiegendes dafür, dass sie jedenfalls hinsichtlich der oben aufgeführten Hunde in den Zwingern, des Geflügels und der drei Ponys als (Mit-)Halterin anzusehen ist. Sie ist aber jedenfalls Tierbetreuerin, so dass gegen sie die Anordnungen nach § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG erlassen werden konnte.

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Unter Berücksichtigung des ordnungsrechtlichen Charakters des § 16a TierSchG ist für die Tierhaltereigenschaft das tatsächliche, umfassende Sorgeverhältnis gegenüber einem Tier entscheidend. Dementsprechend ist als Tierhalter/in grundsätzlich der- bzw. diejenige anzusehen, der/die an der Haltung des Tieres ein eigenes Interesse und eine grundsätzlich nicht nur vorübergehende Besitzerstellung und die Befugnis hat, über Betreuung und ggf. Existenz des Tieres zu entscheiden. Abzustellen ist mithin darauf, in wessen Haushalt oder Betrieb das Tier gehalten wird, wem – unabhängig von der Eigentümerstellung – die Bestimmungsmacht über das Tier zusteht und wer aus eigenem Interesse für die Kosten des Tieres aufkommt (vgl. VG Magdeburg, Urteil vom 4. Juli 2016 – 1 A 1198/14 –, juris Rn. 43). Im Rahmen der §§ 2, 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG geht es darum, wer für die wiederholten oder groben Zuwiderhandlungen und die den Tieren dadurch entstandenen erheblichen oder länger anhaltenden Schmerzen, Leiden oder Schäden verantwortlich ist und ob bzgl. dieser Person Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie weiterhin derartige Zuwiderhandlungen begehen wird. Die vorgenannten Kriterien müssen nicht alle kumulativ vorliegen, um die Tierhalter/inneneigenschaft einer Person zu begründen. Vielmehr handelt es sich bei sämtlichen Gesichtspunkten um Indizien, deren Einschlägigkeit anhand der besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu überprüfen ist und die erforderlichenfalls gegeneinander abzuwägen sind, wobei auch mehrere Personen nebeneinander Halter sein können (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 06. Juni 2013 – OVG 5 S 10.13 –, juris Rn. 5 m. w. N.).

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In Anwendung dieser Maßstäbe spricht bereits Überwiegendes für eine (Mit-)Halterinneneigenschaft der Antragstellerin. So war diese bis zur Bestandreduzierungsverfügung der Antragsgegnerin vom 18. Juni 2019 unzweifelhaft als Mithalterin der Ponys, des Geflügels und der Hunde anzusehen, da sie zum einen Miteigentümerin war (vgl. Bl 417 Beiakte A), die Hunde auf eigene Kosten gezüchtet und die Verkaufserlöse eingezogen hat (dies gilt auch für die Hunde Honey und Feivel von Herrn bbb) und die übrigen Tiere gemeinsam mit ihrer Tochter versorgt und auf dem gemeinsamen Wohngrundstück gehalten hat. Dies war nach Angaben ihrer Tochter gegenüber der Antragsgegnerin auch am 19. Juli 2019 noch unverändert der Fall (vgl. Bl. 857 Beiakte B). Die arbeitsteilige Verantwortungsübernahme für Geflügel, Ponys und Hunde hielt entgegen den als Schutzbehauptungen zu klassifizierenden Einwänden der Antragstellerin zur Eigentümerstellung des Herrn yyy bzw. der Frau Ewert auch noch bis zu den weiteren Kontrollen im April 2020 an. Hierfür sprechen die Zeugenaussagen einer Nachbarin (Bl. 1140 Beiakte C), die zu berichten wusste, dass die Antragstellerin nach wie vor morgens die Versorgung der Tiere auf der Weide sicherstellt, als auch eine weitere Zeugenaussage einer Nachbarin, die die Antragstellerin mehrmals die Woche mit zwei bis drei Hunden zum Hundeplatz fahren sehe (Vermerk Frau Dr. xxx vom 12. Mai 2020, Bl. 1277 Beiakte C). Dass die Tiere sich seit Juni 2019 im Eigentum von Herrn yyy befinden sollen, ist zum einen für die rechtliche Beurteilung der Haltereigenschaft unerheblich und erscheint zum anderen als unglaubhafte Schutzbehauptung. So wurde weder durch Herrn yyy noch durch die Antragstellerin nachvollziehbar und schlüssig dargelegt, wie dieser – trotz arbeitsbedingter Abwesenheit unter der Woche (vgl. Stellungnahme der Antragstellerin vom 24. Mai 2020 zur Anhörung, Bl. 1493 Beiakte C) – die Tiere versorgt haben will. Es ist auch nicht dargelegt worden, dass er die in den Zwingern gehaltenen Hunde und das Geflügel aus eigenem Interesse und auf eigene Kosten betreut und versorgt hat. So ist die Versorgung – auch mit tierärztlicher Behandlung und Medikamenten – immer wieder durch die Antragstellerin und ihre Tochter vorgenommen worden. Dass die Antragstellerin wesentliche Bestimmungsmacht über die Tiere hatte und diese auch aus eigenem Interesse an den Tieren genutzt hat, wird auch aus ihren Reaktionen in den Kontrollen sowie ihrer Stellungnahme deutlich, wenn sie sich zunächst beispielsweise für die Haltung der Hähne in dem (dem Wohnhaus der Antragstellerin zugehörigen) Keller rechtfertigt (Separierung der Hähne aus gesundheitlichen Gründen) und erst in einem Nachsatz darauf hinweist, dass sich die Tiere darüber hinaus seit Juni 2019 im Besitz von Herrn yyy befänden. Der diesbezügliche Kaufvertrag vom 23. Juni 2019 erscheint auch deshalb als Scheingeschäft, weil Herr yyy im Telefonat gegenüber einer Mitarbeiterin der Antragsgegnerin am 31. Juli 2019 noch versichert hat, die Tiere seien zwar an neue Eigentümer abgegeben worden, er könne aber keine Namen nennen, weil die Übereignung per Handschlag stattgefunden habe (vgl. Telefonvermerk Bl. 867 Beiakte B). Dass Herr yyy für die Tiere unabhängig von einer etwaigen Eigentümerstellung auch nicht die tatsächliche Verantwortung übernommen hat, zeigt sein Verhalten während der Kontrollen im April 2020. Hier wusste er zum Beispiel weder von der Existenz seines (vermeintlichen) Ausbildungshundes Connor im letzten Zwinger noch konnte er Angaben zur Behandlung der Hähne mit Medikamenten machen. Auch gab Herr yyy an, dass die Antragstellerin und ihre Tochter die Verletzungen der Hähne versorgten (Bl. 1156 Beiakte C). Auch im Übrigen mussten die Antragstellerin und ihre Tochter bei den Kontrollen Herrn yyy, der im Übrigen auch bereits seit 1. Februar 2020 wieder in Kaltenkirchen wohnhaft ist, bei Fragen zu den Tieren immer wieder mit Antworten „unter die Arme greifen“. All diese Umstände sowie der Verbleib des Tierbestandes auf den gleichen, teilweise zum Wohngrundstück gehörenden, teilweise von den Bewohner/innen gepachteten Flächen, die gemeinsam in Anspruch genommene „Futterküche“ im Keller des Wohnhauses der Antragstellerin, das Separieren kranker Tiere im gemeinsamen Keller und der bisherige Verfahrensverlauf legen die Annahme nahe, dass nach wie vor die Antragstellerin und ihre Tochter die draußen gehaltenen Hunde, Ponys und das Geflügel gehalten haben. Hierzu hat die Antragstellerin im Ortstermin am 16. April 2020 selbst angegeben, sich gemeinsam mit ihrer Tochter um alle fünf Ponys zu kümmern, wenn die Eigentümer/innen nicht da sind (Bl. 1163 Beiakte C).

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Jedenfalls war die Antragstellerin Betreuerin der im Zwinger gehaltenen Hunde, der Ponys und des Geflügels. Betreuer im Sinne des § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG ist, wer es in einem rein tatsächlichen Sinn übernommen hat, für das Tier (generell oder nur in einer einzelnen Beziehung, z. B. Fütterung) zu sorgen oder es zu beaufsichtigen. Im Gegensatz zum Halter kann die Beziehung des Betreuers auch nur ganz kurzfristiger Natur sein und sie kann auch ausschließlich oder überwiegend im fremden Interesse und/oder nach den Weisungen eines anderen ausgeübt werden. Kennzeichnend dafür, dass eine Person „Betreuer“ ist, ist eine solche Einwirkungsmöglichkeit auf das Tier, dass der Person dadurch die Aufgaben des § 2 zwangsläufig zuwachsen. In diesem Sinne betreut ein Tier schon die Person, die – ohne Halter zu sein – für das Tier einzelne Aufgaben wie bspw. Fütterung, Transport, Ausführen, Verwahren, Hilfe bei der Pflege übernommen hat (vgl. Hirt/Maisack/Moritz, 3. Aufl. 2016, TierSchG § 2 Rn. 5 m. w. N.). Die Anforderungen des § 2 TierSchG sind als dauerhafte Handlungspflichten des Tierhalters bzw. Tierbetreuers ausgestaltet, setzen in der Regel besondere Kenntnisse und Fähigkeiten (vgl. § 2 Nr. 3 TierSchG) sowie Vorkehrungen zur verhaltensgerechten Unterbringung voraus und sind ihrer Art nach nicht auf einen anderen übertragbar, ohne dass dieser selbst damit faktisch die Stellung eines Tierhalters oder Tierbetreuers übernehmen müsste (OVG Schleswig, Urteil vom 28. Januar 2016 – 4 LB 46/14 –, juris Rn. 38). Da die Antragstellerin immer wieder – mindestens partiell – die tatsächliche Verantwortung für die Tiere übernommen hat, liegen die Voraussetzungen vor.

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Soweit die Antragsgegnerin auf Seite 8 des angegriffenen Bescheides anführt, die Antragstellerin habe die im Dachgeschoss tierschutzwidrig gehaltenen (vier) Hunde und 16 Katzen jedenfalls sehenden Auges geduldet, folgt hieraus weder ein Verstoß gegen die bestandskräftige Verfügung zur Bestandsreduzierung noch gegen das TierSchG, weil die Haltereigenschaft der Antragstellerin, die allein eine Garantenpflicht zugunsten der Tiere zu statuieren vermag, nicht dargelegt ist. Da die Antragsgegnerin das Haltungs- und Betreuungsverbot aber vornehmlich auf die übrige, oben beschriebene Tierhaltung gestützt hat, folgt hieraus kein Ermessensfehlgebrauch.

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Die nach § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG zudem erforderliche negative Prognose, dass der/die Tierhalter/in bzw. Tierbetreuer/in auch weitere Zuwiderhandlungen gegen § 2 TierSchG begehen wird, kann in der Regel aufgrund der Zahl oder der Schwere der Verstöße angenommen werden. Eine Kette von Verfehlungen gegen § 2 TierSchG kann die Annahme weiterer Verstöße rechtfertigen (vgl. Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz, 3. Aufl. (2016), § 16a, Rn. 45; VG Würzburg, Beschluss vom 9. April 2011 – W 5 S 11.242 –, juris, Rn. 49). Vorliegend ist entscheidend, dass es bei den von der Antragstellerin gehaltenen bzw. betreuten Tiere teilweise erheblichen tierschutzrechtlichen Verstößen durch die fortgesetzte Fehlhaltung gekommen ist, infolge derer einige Tiere bereits notgetötet werden mussten und/oder erhebliche oder länger anhaltende Schmerzen oder Leiden erleben mussten. Erschwerend hinzu kommt, dass die Antragstellerin sich zum Schutz vor behördlichen Sanktionen immer noch versucht, durch vertragliche Scheinkonstruktionen ihrer Verantwortung als Tierhalterin und -betreuerin zu entziehen. Vor diesem Hintergrund erweist sich das ausgesprochene Haltungs- und Betreuungsverbot für Tiere als verhältnismäßig. Das Verbot dient dem legitimen Zweck des in Art. 20a GG verfassungsrechtlich verbürgten Schutzes der Tiere und ist als Mittel zu diesem Zweck geeignet, erforderlich und angemessen. Die Anwendung eines milderen Mittels kommt nicht in Betracht, weil die Antragstellerin sich über Jahre hinweg und auch unter Reduzierung ihres Tierbestandes nicht in der Lage gezeigt hat, die erforderlichen Haltungsbedingungen für Hunde, Geflügel und Ponys nachhaltig zu gewährleisten. Das Haltungs- und Betreuungsverbot ist auch verhältnismäßig im engeren Sinn, da angesichts der langanhaltenden, erheblichen und trotz behördlichen Einschreitens fortgesetzten Unzulänglichkeiten in der Tierhaltung der Antragstellerin die Belange des Tierschutzes gemäß Art. 20a GG höher zu gewichten sind als ihr Interesse am Erhalt ihrer Tierhalterinneneigenschaft.

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In der Folge ist auch die in Ziffer 2 des Bescheides vom 8. Juli 2020 verfügte Bestandsauflösung binnen eines Monats nach Zustellung des Bescheides offensichtlich rechtmäßig. Rechtsgrundlage ist § 16a Abs. 1 Satz 1 (ggfs. i. V. m. § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3) TierSchG (vgl. zur Ermächtigungsgrundlage für die Bestandauflösung Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz, 3. Aufl. (2016), § 16a, Rn. 52), dessen Voraussetzungen nach obigen Ausführungen erfüllt sind. Es bedarf entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch keiner konkreten Zuordnung von Tieren zu ihrer „Haltungseinheit“. Soweit die auf dem Grundstück A-Straße befindlichen Tiere nicht zu ihrer Tierhaltung gehören, ist die Antragstellerin durch Ziffer 2 des Bescheides bereits nicht beschwert. Die Bestandsauflösung stellt gegenüber der Einziehungs- und Veräußerungsverfügung das mildere Mittel dar, weil es der Antragstellerin offenbleibt, einen neuen Halter für die in ihrem (Mit-)Eigentum stehende Hunde und anderen Tiere zu finden und damit die von Art. 14 Abs. 1 GG geschützte eigentumsrechtliche Verfügungsbefugnis selbst auszuüben. Die Frist zur Bestandauflösung ist nicht zu beanstanden. Die Pflicht zum Nachweis des Verbleibs jedes Tieres unter Angabe von Name und Anschrift des Übernehmers findet ihre Rechtsgrundlage in § 16 Abs. 2 TierSchG und stellt sich als verhältnismäßig dar, um der Behörde die Überwachung der Bestandauflösung zu ermöglichen und die tierschutzgerechten Haltungsbedingungen der abgegebenen Tiere bei den neuen Haltern zu überprüfen und ggfs. sicherzustellen, dass Krankheitszustände fachkundig behandelt werden und das Tierwohl zukünftig sichergestellt ist. Soweit in Ziffer 2 Satz 2 die Abgabe der Tiere an die (ehemaligen) Lebensgefährten Herrn bbb und Herrn yyy untersagt werden, findet die Anordnung ihre Rechtsgrundlage in § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TierSchG, wonach die Behörde die im Einzelfall zur Erfüllung der Anforderungen des § 2 erforderlichen Maßnahmen anordnen kann. Die Einschränkung der Verfügungsbefugnis ist auch ermessensgerecht, insbesondere verhältnismäßig, weil die genannten Personen als (zeitweise) Mitglieder des Haushaltes bzw. der Halter- und Betreuergemeinschaft an der tierschutzwidrigen Haltung mitgewirkt bzw. diese jedenfalls in Kauf genommen und damit ihre „tierschutzrechtliche Unzuverlässigkeit“ bewiesen haben.

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Es bestand schließlich auch ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Haltungs- und Betreuungsverbotes sowie der Bestandauflösung, welches das Interesse der Antragstellerin am vorläufigem Nichtvollzug dieser Regelungen überwiegt. Dieses ergibt sich aus der dringlichen Gebotenheit, weitere mögliche Leiden und Schmerzen der gehaltenen/betreuten Tiere zu vermeiden, die andernfalls im Fall der Einlegung von Rechtsbehelfen und dem Verbleib der Tiere währenddessen bei der Antragstellerin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einträten. Dieses Interesse geht über das allgemeine Interesse, tierschutzrechtliche Verfügungen durchzusetzen, hinaus.

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II. Da die Anordnungen unter den Ziffern 1 und 2 rechtmäßig sind, ist auch die in Ziffer 3 Satz 1 ausgesprochene Androhung des unmittelbaren Zwangs zur Durchsetzung der Bestandsauflösung in Gestalt der kostenpflichtigen Wegnahme/Sicherstellung dennoch gehaltener Tiere dem Grunde nach nicht zu beanstanden. Sie beruht auf §§ 228, 229 Abs. 1 Nr. 2, 235 Abs. 1 Nr. 3, 236, 239 LVwG. Erhebliche rechtliche Bedenken bestehen jedoch hinsichtlich der in Ziffer 3 Satz 2 durch die Antragsgegnerin geäußerten Auffassung, sie könne im Wege des Verwaltungszwangs die sichergestellten Tiere auch veräußern. Denn ob und unter welchen Voraussetzungen die Antragsgegnerin ausnahmsweise ein Tier ohne vorhergehenden Verwaltungsakt dem Halter fortnehmen und es veräußern kann, richtet sich nach Landesrecht (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Januar 2012 – 7 C 5/11 –, juris Rn. 27). Dabei ist zu beachten, dass die hier per Grundverwaltungsakt der Bestandsauflösung aufgegebene Handlungspflicht der Antragstellerin auf die Herausgabe der Tiere (vgl. § 228 Abs. 1 LVwG) beschränkt ist. Eine Pflicht zur Eigentumsübertragung bzw. Duldung der Eigentumseinziehung wird hierdurch nicht statuiert und kann folglich auch nicht im Wege des Verwaltungszwangs vollstreckt werden. Hierzu bedarf es einer bislang nicht ersichtlichen bestandskräftigen oder sofort vollziehbaren Einziehungsverfügung (vgl. Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz, 3. Aufl. (2016), § 16a, Rn. 53 f.), die gegenüber der Antragstellerin zunächst zu erlassen ist, da die Voraussetzungen des Sofortvollzug nach § 230 Abs. 1 LVwG nicht vorliegen dürften.

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Der Ausspruch über die Kosten ergeht gemäß § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.

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Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 2, 52 Abs. 2, 63 Abs. 2 Gerichtskostengesetz.


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