Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (4. Kammer) - 4 B 39/20
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 296,50 € festgesetzt.
Gründe
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Der Antrag des Antragstellers ist gem. § 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass er die Anordnung der Wirkung seiner am 18. September 2020 erhobenen Klage 4 A 180/20 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 9. Juli 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. August 2020 begehrt, weil diese gem. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO keine aufschiebende Wirkung hat. Die Anfechtungsklage gegen Verwaltungsakte, mit denen öffentliche Abgaben – wie hier die Abwassergebühr – festgesetzt werden, hat gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO keine aufschiebende Wirkung.
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Der so verstandene Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Var. VwGO ist bereits unzulässig.
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§ 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO schreibt in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO vor, dass ein Antrag nach Absatz 5 nur zulässig ist, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Die verwaltungsbehördliche Prüfung der Vollziehungsaussetzung ist vor dem Hintergrund des damit bezweckten Vorrangs der verwaltungsinternen Kontrolle einerseits und der Entlastungsfunktion der Verwaltungsgerichte andererseits nicht nachholbar. § 80 Abs. 6 S. 1 VwGO normiert eine zwingende Zugangsvoraussetzung, die bei Rechtshängigkeit des gerichtlichen Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO vorliegen muss (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl., § 80, Rn. 185 m. w. N.; Schoch/Schneider/Bier/Schoch, VwGO, 37. EL., § 80, Rn. 506, 507 m. w. N.).
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Ein solcher Antrag wurde von dem Antragsteller bei der Antragsgegnerin nicht gestellt. Dies wird weder vom ihm vorgetragen noch findet sich ein solcher in dem von der Antragsgegnerin eingereichten Verwaltungsvorgang. Auch die Widerspruchseinlegung als solche erfüllt nicht die Anforderungen an einen ausdrücklich bei der Behörde zu stellenden Antrag nach § 80 Abs. 4 Satz 1 VwGO (vgl. Schoch/Schneider/Bier/Schoch, a. a. O., Rn. 508 m. w. N.).
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Es liegt auch kein Fall der drohenden Vollstreckung vor (§ 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO), der eine Ausnahme von der vorherigen Antragstellung bei der Behörde zuließe. Dafür genügt nicht die bloße Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts (wegen fehlender aufschiebender Wirkung des Widerspruchs gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO). Es müssen vielmehr Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet oder der Beginn der Vollstreckung behördlich angekündigt sein; wenigstens müssen aus Sicht eines objektiven Betrachters konkrete Vorbereitungshandlungen der Behörde für die alsbaldige Durchsetzung des Abgabenbescheides vorliegen (vgl. OVG Schleswig, B. v. 18. März 2004 – 2 MB 20/04 –, Rn. 2, juris; Schoch/Schneider/Bier/Schoch, a. a. O., Rn. 515 m. w. N.). Selbst eine Mahnung erfüllt die Voraussetzungen des § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO nicht (vgl. Schoch/Schneider/Bier/Schoch, a. a. O., Rn. 515). Vorliegend sind bei Stellung des Eilantrages – und bis heute – ersichtlich noch keine Vollstreckungsmaßnahmen durch die Antragsgegnerin eingeleitet worden. Dies ist weder vorgetragen noch aktenkundig.
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Die Ausnahmetatbestände des § 80 Abs. 6 Satz 2 VwGO stellen abschließende Regelungen dar, da anderenfalls die – oben aufgezeigten – gesetzgeberisch verfolgten Zwecke unterlaufen würden (vgl. Kopp/Schenk, a. a. O., Rn. 184; Schoch/Schneider/Bier/Schoch, a. a. O., Rn. 512, 506f.).
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Ergänzend weist die erkennende Einzelrichterin darauf hin, dass in der Sache weder Bedenken gegen die Wirksamkeit der Rechtsgrundlage (Beitrags- und Gebührensatzung der Antragsgegnerin vom 13. Dezember 2018 – BGS –) noch hinsichtlich der Festsetzung der Abwassergebühr in Höhe von 1.186,00 € basierend auf einem Verbrauch von 593 m³ bestehen. Dieses Datum fußt auf dem von dem Frischwasserversorger bestätigten Schätzwert der in den Vorjahren bezogenen Frischwassermenge (vgl. Blatt 37 des Verwaltungsvorgangs) und dem vom Antragsteller unterschriebenen Ablesewert von 824 m³ am 1. Juli 2020 (Blatt 26 des Verwaltungsvorgangs). Ausgangspunkt ist zudem die im Vorjahresbescheid bestandskräftig festgesetzte Abwassergebühr bei einem Zählerstand von 231 m³; gegen diesen ist der Antragsteller nicht vorgegangen, weshalb dieser auch aus diesem Grund dem angefochtenen Bescheid rechtsfehlerfrei als Berechnungsgrundlage zugrunde gelegt werden durfte. Die Antragsgegnerin hat die Gebühr demgemäß unter Anwendung von § 15 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BGS rechtlich in nicht zu beanstandender Weise – auch der Höhe nach (§ 18 BGS) – festgesetzt. Dass die hiervon zu unterscheidende zu zahlende Forderung (Leistungsgebot) wegen berücksichtigter Abschläge (richtig dürften es wohl 26,00 € sein: 15. April 2020 = 14,00 € und 15. Mai 2020 = 12,00 €, vgl. Bescheid vom 2. März 2020, Blatt 22 des Verwaltungsvorgangs) abweicht, ist nicht relevant. Der Antragsteller ist als Grundstückseigentümer im streitigen Zeitraum 1. Januar 2020 bis 30. Juni 2020 gebührenpflichtig, § 19 Abs. 1 BGS. Mit seiner Mieterin hat er sich im Innenverhältnis auseinanderzusetzen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG, wobei die Kammer bei Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO wegen Abgabenforderungen im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO von einem Viertel des in dem Bescheid festgesetzten Betrages ausgeht, hier ¼ von 1.186,00€.
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Referenzen
- VwGO § 80 14x
- VwGO § 154 1x
- §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG 3x (nicht zugeordnet)
- 4 A 180/20 1x (nicht zugeordnet)
- 2 MB 20/04 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 88 1x