Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (6. Kammer) - 6 B 12/21

Tenor

Die Anträge werden abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

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Die Anträge haben keinen Erfolg.

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Der Antrag,

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es der Antragsgegnerin vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu untersagen, die Stilllegung der Beschichtungsanlagen BA 1, BA 2 und BA 3 zu verfügen,

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ist bereits unzulässig. Damit begehrt die Antragstellerin vorbeugenden Rechtsschutz mit dem Ziel, den Erlass eines Verwaltungsakts zu verhindern. Ein solcher Antrag ist grundsätzlich unzulässig. § 123 Abs. 1 VwGO gewährt im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung prinzipiell keinen vorbeugenden Rechtsschutz mit dem Ziel, die Entscheidungsfreiheit der Verwaltung und ihre Aufgabenerfüllung durch richterliche Anordnungen einzuengen, indem ihr durch Gerichtsbeschluss der Erlass eines belastenden Verwaltungsakts verboten werden soll. Grundsätzlich ist dem von einer solchen Maßnahme Betroffenen vielmehr zuzumuten, den Verwaltungsakt abzuwarten und sodann die hiergegen eröffneten Rechtsbehelfe und Rechtsmittel auszuschöpfen. Dem Rechtsschutzbedürfnis ist damit regelmäßig Genüge getan. Ausnahmen von diesem Grundsatz sind im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG nur dann zu machen, wenn dem Rechtssuchenden auf Grund besonderer Umstände nicht zuzumuten ist, sich auf den von der Verwaltungsgerichtsordnung als grundsätzlich angemessenen und ausreichend angesehenen nachträglichen Rechtsschutz gegen den verfahrensabschließenden Verwaltungsakt verweisen zu lassen. (VG München, Beschluss vom 19. Februar 2010 – M 6a E 10.76 –, Rn. 14-15, juris). Vorliegend hat die Antragstellerin keine Gründe vorgetragen, um ein derartiges qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis annehmen zu können.

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Der weiterhin gestellte Antrag,

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der Antragstellerin vorläufig zu ermöglichen, die angestrebte Abluftreinigung der Beschichtungsanlagen – Biofilter, Aktivkohlefilter – weiter zu errichten,

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ist vor dem Hintergrund der Antragsbegründung der Antragstellerin, nämlich, dass der Antragsgegner ihr mit Untersagungsverfügung vom 23. Dezember 2020 den Weiterbau der Abluftreinigungsanlage untersagt habe, zunächst gemäß §§ 88, 122 VwGO sinngemäß dahingehend auszulegen, dass die Antragstellerin begehrt, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Untersagungsverfügung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO anzuordnen bzw. wiederherzustellen.

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Der so verstandene Antrag ist jedoch unzulässig. Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist nur statthaft, wenn der Antragsteller einstweiligen Rechtsschutz im Hinblick auf einen ihn belastenden Verwaltungsakt begehrt, der noch nicht bestandskräftig ist (BeckOK VwGO/Kuhla, 57. Ed. 1.7.2020, VwGO § 123 Rn. 8 m.w.N.). Daran fehlt es hier. Bei dem Schreiben des Antragsgegners vom 23. Dezember 2020 handelt es sich nicht um einen schriftlichen Verwaltungsakt, mit dem der Antragsgegner den Weiterbau der streitgegenständlichen Abluftreinigungsanlage untersagt hat. Es handelt sich vielmehr um einen bloßen Hinweis des Antragsgegners. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Schreibens. Dort heißt es nämlich: „Vor dem Hintergrund der von Ihnen mitgeteilten Maßnahmen zum Probebetrieb von Abgas-/Abluftreinigungsanlagen weise ich vorsorglich darauf [hin]….“. Bei der weiteren Formulierung „[b]auliche Änderungen oder Änderungen der Betriebsweise dürfen ohne Anzeige nach § 15 Abs. 1 BImSchG oder Änderungsgenehmigung nach § 16 Abs. 1 BImSchG nicht vorgenommen werden“, handelt es sich im Übrigen um eine bloße Wiedergabe der Gesetzeslage. Aus § 20 Abs. 2 BImSchG geht hervor, dass genehmigungsbedürftige Anlagen nicht ohne Genehmigung errichtet oder wesentlich geändert werden dürfen.

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Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin gegen das Schreiben vom 23. Dezember 2020 überhaupt Widerspruch eingelegt hat. Ebenso ist auch nicht ersichtlich, warum ein solcher Widerspruch keine aufschiebende Wirkung haben sollte. Ein gesetzlich angeordnetes Entfallen der aufschiebenden Wirkung im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ist hier nicht erkennbar. Im Schreiben des Antragsgegners vom 23. Dezember 2020 findet sich ferner auch keine Formulierung, die sich als Anordnung der sofortigen Vollziehung im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO auslegen ließe.

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Doch auch wenn man den Antrag dahingehend auslegen wollte, dass die Antragstellerin damit begehrt, ihr gemäß § 123 Abs. 1 VwGO, d. h. unabhängig vom Schreiben des Antragsgegners vom 23. Dezember 2020, vorläufig die weitere Errichtung der Abluftreinigungsanlage zu gestatten, hat der Antrag keinen Erfolg. Die Antragstellerin begehrt damit nichts anderes als die vorläufige Erteilung der Genehmigung für die streitgegenständliche Abluftreinigungsanlage. Dabei handelt es sich aber der Sache nach um eine Vorwegnahme der Hauptsache, die im Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO grundsätzlich unzulässig ist. Eine einstweilige Anordnung nach dieser Vorschrift dient nämlich nur der vorläufigen Sicherung oder Regelung eines Anspruchs, nicht dagegen der endgültigen Befriedigung des geltend gemachten Anspruchs (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 26. Auflage, München 2020, § 123 Rn. 13). Zwar kann eine Vorwegnahme der Hauptsache aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes ausnahmsweise zulässig sein, insbesondere wenn das Recht des Antragstellers ansonsten vereitelt würde oder ihm aus sonstigen Gründen eine bloß vorläufige Regelung nicht zumutbar ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. August 1999 – 2 VR 1.99 -, BVerwGE 109, 258-268, Rn. 24). Ausgehend vom Vortrag der Antragstellerin ist aber nicht ersichtlich, dass ein solcher Ausnahmefall hier vorliegt. Die Antragstellerin hat nicht vorgetragen, warum ihr ein Abwarten des erneuten Genehmigungsverfahrens nicht zumutbar sein soll.

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Schließlich hat auch der letzte Antrag der Antragstellerin,

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vorläufig bis zur Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache die Stilllegung der Beschichtungsanlagen BA 1, BA 2 und BA 3 auszusetzen,

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keinen Erfolg. Bei dem Antrag handelt es sich um eine Wiederholung des ersten Antrags der Antragstellerin. Damit ist er aus den eingangs genannten Gründen unzulässig. Entsprechendes gilt schließlich für den hilfsweise gestellten Antrag,

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vorläufig bis zur Rechtskraft der Entscheidung die Stilllegung der Beschichtungsanlagen BA 1, BA 2 und BA 3 mit einer unangemessen kurzen Ausführungsfrist auszusetzen.

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Auch er ist aus den eingangs genannten Gründen unzulässig.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1 und 2, § 63 Abs. 2 GKG. Die Kammer hat trotz der Antragshäufung von einer Vervielfältigung des Auffangstreitwerts (5.000 €) gemäß § 39 GKG abgesehen, da hinter sämtlichen Anträgen letztlich dasselbe wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin steht, nämlich die Abluftreinigungsanlage weiter errichten und die Beschichtungsanlagen so weiter betreiben zu dürfen. Im Übrigen kommt eine Halbierung des Streitwerts im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nach der Rechtsprechung des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts mangels gesetzlichem Anhaltspunkt nicht in Betracht (Beschluss vom 13. Januar 2020 – 4 O 2/20 –).


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