Beschluss vom Verwaltungsgericht Schwerin (3. Kammer) - 3 B 901/11
Tenor
1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 11.12.2011 gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß Verfügung der Antragsgegnerin vom 08.12.2011 wird wiederhergestellt.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Streitwert wird auf 7.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
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Der 1979 geborene Antragsteller wendet sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen (alt) 1a, 1b, 3, 4 und 5 bzw. deren sofortigen Vollziehbarkeit.
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Unter dem 6.10.2011 teilte das Kraftfahrt-Bundesamt der Antragsgegnerin mit, dass hinsichtlich des Antragstellers im Verkehrszentralregister insgesamt 11 Punkte eingetragen seien. Nach den dortigen Eintragungen hat der Antragsteller in zwei Fällen ein Kraftfahrzeug mit einer Atemalkoholkonzentration in einer Höhe geführt, welche als Ordnungswidrigkeit geahndet wurde, nämlich am 03.02.2011 mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,40 mg/l und am 19.06.2011 mit einer solchen von 0,26 mg/l. Die letztgenannte Tat wurde mit Bußgeldbescheid vom 09.09.2011 geahndet, rechtskräftig geworden am 29.09.2011. Unter Hinweis auf diese beiden rechtskräftigen Verkehrszuwiderhandlungen ordnete die Antragsgegnerin unter dem 13.10.2011 die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle gemäß § 13 [Satz 1] Nr. 2 Buchst. b) der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) an und wies auf die Regelung des § 11 Abs. 8 FeV hin, wonach für den Fall, dass der Betroffene sich weigere, sich untersuchen zu lassen, oder er das von ihm geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringe, die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen dürfe; die Feststellung der Nichteignung führe dann zur Entziehung der Fahrerlaubnis.
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Gegen die mit dieser Beibringungsanordnung verknüpfte Gebührenerhebung legte der Antragsteller unter dem 14.11.2011 Widerspruch ein.
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Nachdem der Antragsteller das angeforderte Gutachten nicht vorgelegt hatte, hörte die Antragsgegnerin unter dem 28.11.2011 den Antragsteller zur Absicht, ihm die Fahrerlaubnis zu entziehen, an. Der Antragsteller teilte unter dem 30.11.2011 mit, Grundlage für eine rechtmäßige Gebührenerhebung sei, dass die Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens rechtmäßig sei. Die Antragsgegnerin gehe bezüglich der Tat vom 19.06.2011 von einer Rechtskraft der Zuwiderhandlung aus, dies sei unzutreffend, da bezüglich des entsprechenden Bußgeldbescheides vom 09.09.2011 Einspruch eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand beantragt worden sei. Dem Antrag werde wohl stattzugeben sein, sodass eine rechtskräftige Verkehrszuwiderhandlung nicht vorliege. Gleiches gelte auch hinsichtlich der Anhörung zur Fahrerlaubnisentziehung; es werde angeregt, die Entscheidung über den Einspruch und den Wiedereinsetzungsantrag abzuwarten.
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Die Fahrerlaubnisbehörde fragte daraufhin bei der Bußgeldstelle nach dem Verfahrensstand hinsichtlich des Einspruches bzw. Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand nach; ihr wurde mitgeteilt, der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand sei am 24.10.2011 verworfen worden. (Die Zustellung einer entsprechenden Entscheidung an den Antragsteller persönlich ist nach den vorliegenden Verwaltungsvorgängen am 25.10.2011 im Wege einer Ersatzzustellung erfolgt; der Antragsteller macht geltend, diese Entscheidung nicht erhalten zu haben.)
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Unter dem 08.12.2011 entzog die Antragsgegnerin gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes – StVG – i. V. m. § 46 FeV die Fahrerlaubnis, weil dieser sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr erwiesen habe, und ordnete die sofortige Vollziehung dieser Entscheidung an. In der Begründung ist aufgeführt, der Umstand, dass der Antragsteller wiederholt ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss geführt habe, sei als Tatsache zu bewerten, welche Bedenken an seiner Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr begründe. Um diese bestehenden Bedenken auszuräumen, sei mit Schreiben vom 13.10.2011 die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet worden. Mit der Anordnung sei auch der Hinweis gegeben worden, welche Konsequenzen die Weigerung habe, sich untersuchen zu lassen bzw. das erforderte Gutachten nicht fristgerecht vorzulegen. Der Antragsteller habe das geforderte Gutachten nicht vorgelegt, nach § 11 Abs. 8 FeV dürfe die Fahrerlaubnisbehörde auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn er das geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringe. Besondere Umstände, die ausnahmsweise eine andere Beurteilung des Einzelfalles rechtfertigten, lägen nicht vor und seien auch nicht vorgetragen.
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Gegen diese Entscheidung legte der Antragsteller unter dem 27.12.2011 Widerspruch ein, über den bislang noch nicht entschieden worden ist.
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Unter dem 08.02.2012 gewährte die Antragsgegnerin (Bußgeldstelle) dem Antragsteller Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand hinsichtlich des Einspruches gegen den Bußgeldbescheid, mit dem die Verkehrsordnungswidrigkeit mit dem Tattag am 19.06.2011 geahndet worden war. Die Bußgeldstelle gab das Verfahren daraufhin an die Staatsanwaltschaft Schwerin (dortiges Az.: 145 JS OW 437/12) ab, diese leitete das Verfahren an das Amtsgericht B-Stadt (dortiges Az.: 15 OW 164/12) weiter. Termin für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung soll auf den 04.04.2012 bestimmt sein.
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Der Antragsteller hat am 19.12.2011 um gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht; er macht geltend, von einer Rechtskraft hinsichtlich des Tatvorwurfs vom 19.06.2011 könne nicht ausgegangen werden, weshalb die Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nicht in Betracht komme und die Entziehungsverfügung der Antragsgegnerin vom 08.12.2011 rechtswidrig (geworden) sei.
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Die Antragsgegnerin vertritt die Auffassung, für eine Anordnung nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b) FeV bedürfe es einer rechtskräftigen Entscheidung nicht; für sie stehe fest, dass der Antragsteller am 19.06.2011 ein Kraftfahrzeug mit einer festgesetzten Atemalkoholkonzentration von 0,26 mg/l geführt habe.
II.
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Der Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 27.12.2011 gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 08.12.2011 wiederherzustellen, ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
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Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, wonach das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. anordnen kann, ist begründet. Das Gericht hat dabei eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen, wobei alle in der Sache betroffenen Interessen zu berücksichtigen sind. Regelmäßig werden die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs, dessen aufschiebende Wirkung angeordnet oder wiederhergestellt werden soll, als erstes Kriterium herangezogen. Denn es kann kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung eines eindeutig rechtswidrigen Verwaltungsaktes bestehen, während umgekehrt der Bürger grundsätzlich kein schutzwürdiges privates Interesse haben kann, von der Vollziehung eines offensichtlich rechtmäßigen Verwaltungsakts verschont zu bleiben, sofern ein öffentliches Interesse daran besteht, diesen Verwaltungsakt vor Eintritt seiner Bestandskraft zu vollziehen. Sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs im Rahmen der nach § 80 Abs. 5 VwGO notwendigen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung offen, so ist eine Interessenabwägung erforderlich, die auch gesetzgeberische Entscheidungen zu Gunsten der sofortigen Vollziehbarkeit mit gewichtet. Vorliegend gelangt die Kammer zu der Auffassung, dass die Rechtmäßigkeit der streitbefangenen Verfügung gewichtigen Zweifeln unterliegt; die vorzunehmende gerichtliche Ermessensentscheidung führt zur Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs.
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1. Hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entziehungsverfügung zum Zeitpunkt ihres Ergehens (am 08.12.2011) bestehen für die Kammer keine Zweifel. Die Schlussfolgerung auf das Fehlen der Fahreignung nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV, wie sie die Antragsgegnerin durch Erlass der Entziehungsverfügung vom 08.12.2011 gezogen hat, setzt voraus, dass dem Fahrerlaubnisinhaber zu Recht eine medizinisch-psychologische Untersuchung aufgegeben worden ist, der der Antragsteller nicht nachgekommen ist. Vorliegend hat die Antragsgegnerin sich auf die Regelung des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b) FeV gestützt, den Fall einer wiederholten Zuwiderhandlung im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss. Eine solche wiederholte Zuwiderhandlung erfordert mindestens zwei verwertbare Taten. Da die Norm nicht das Begehen von Straftaten voraussetzt, reichen auch Ordnungswidrigkeiten gemäß § 24 a des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) – wie sie dem Antragsteller vorgeworfen werden – aus (vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Auflage, § 13 FeV, RdNr. 22).
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Die Entziehungsverfügung stellt auf die Rechtskraft der beiden Zuwiderhandlungen ab, welche zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung auch ohne Zweifel gegeben war. Allein die Tatsache, dass der Bußgeldbescheid vom 09.09.2011, mit dem die Fahrt unter Alkoholeinfluss am 19.06.2011 geahndet worden war, nach Eintritt der Rechtskraft mit einem Einspruch, verbunden mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand, angegriffen worden war, führt nicht dazu, dessen Rechtskraft in Zweifel zu ziehen. Die Rechtskraft wird nicht mit einer entsprechenden Antragstellung, sondern erst mit einer Gewährung der Wiedereinsetzung beseitigt. Unabhängig davon, ob dieser Wiedereinsetzungsantrag unter dem 24.10.2011 abgelehnt worden war, konnte die Fahrerlaubnisbehörde zum Zeitpunkt des Erlasses der Entziehungsverfügung (weiterhin) von einer Rechtskraft des Bußgeldbescheides ausgehen.
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Da die Antragsgegnerin behördenintern auch der Frage nachgegangen ist, ob eine Wiedereinsetzung gewährt worden war – dies war damals nicht der Fall –, ist ihr Rückschluss aus der Nichtvorlage des angeforderten Gutachtens auf eine fehlende Eignung („darf sie … auf die Nichteignung des Betroffenen schließen“, § 11 Abs. 8 FeV) nicht zu beanstanden. Nachdem der Antragsteller in der Gutachtensanforderung gemäß Schreiben vom 13.10.2011 auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war, ist für die Kammer die Rechtmäßigkeit der Entziehungsverfügung der Antragsgegnerin vom 08.12.2011 für den Zeitpunkt ihres Ergehens zweifelsfrei.
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2. Erst mit Ergehen der stattgebenden Entscheidung, nämlich der Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand unter dem 06.02.2012 – der Hintergrund dieser Entscheidung, getroffen durch dieselbe Sachbearbeiterin, die den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand unter dem 24.10.2011 verworfen hatte, ist nicht ersichtlich –, entfällt die Rechtskraft einer der beiden nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b) FeV erforderlichen Zuwiderhandlungen mit der Konsequenz, dass ab diesem Zeitpunkt eine Entziehungsverfügung nicht mehr hätte ergehen dürfen.
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Soweit die Antragsgegnerin gemäß Schriftsätzen vom 16.02.2012 und vom 05.03.2012 die Rechtsauffassung vertritt, für eine Anordnung nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b) FeV bedürfe es (anders als bei einer solchen gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV) einer rechtskräftigen Entscheidung nicht, teilt die Kammer diese – ohne weitergehende Begründung oder gar Fundstellen gebliebene – Auffassung nicht. Dass für die Antragsgegnerin – wie sie formuliert – „(feststeht), dass der Antragsteller am 19.06.2011 ein Kraftfahrzeug mit einer festgesetzten Atemalkoholkonzentration von 0,26 mg/l geführt hat“, reicht für eine rechtmäßige Anordnung einer Gutachtensbeibringung nicht aus. Zutreffend mag die (abstrakte) Formulierung sein, dass die Antragsgegnerin bei ihrer Eignungsbeurteilung keiner Bindung an rechtskräftige Bußgeldentscheidungen unterliegt. Sollte sie indessen hieraus ableiten wollen, sie könne – nach ihrer Einschätzung und ihrem Ermessen – etwa auch bei Freisprüchen von Tatvorwürfen diese zum Anlass von Entziehungsverfügungen nehmen, erschiene dies der Kammer hochgradig zweifelhaft; von Relevanz ist insoweit das Normengefüge. Vorliegend geht es um den Fall einer Annahme fehlender Fahreignung aufgrund eines Rückschlusses aus einer Nichtvorlage eines Gutachtens, § 11 Abs. 8 FeV in Verbindung vorliegend mit § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b) FeV. Ein nachträgliches Auswechseln der Befugnisnorm, auf die die öffentliche Verwaltung die Forderung, ein Fahreignungsgutachten beizubringen, gestützt hat, scheidet insoweit aus, da die Pflicht, eine Gutachtensanforderung zu begründen, u. a. dazu dient, dem Adressaten ein Urteil darüber zu ermöglichen, ob das behördliche Verlangen mit der Rechtsordnung in Einklang steht oder ob er die Gutachtensvorlage verweigern darf, ohne befürchten zu müssen, dass ihm die Fahrerlaubnis unter Berufung auf § 11 Abs. 8 FeV entzogen wird. Diesen Zweck vermag die Begründung der Gutachtensanforderung nur zu erfüllen, wenn sich der Adressat auf die darin enthaltenen Angaben verlassen kann. Das gilt umso mehr, als ihm kein rechtliches Mittel zur Verfügung steht, um die Berechtigung der Gutachtensanforderung vor dem Erlass einer Entziehungsverfügung gerichtlich klären zu lassen (so VGH München, Beschluss vom 12.09.2011 – 11 C 11.1939 -, juris Rn. 22).
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3. Demgemäß stellt sich vorliegend die Frage, auf welchen Zeitpunkt das Gericht bei seiner Prüfung der Rechtmäßigkeit der ergangenen Entziehungsverfügung abzustellen hat: Ob insoweit maßgeblich ist der Zeitpunkt des Ergehens der Entscheidung oder – bei noch andauerndem Widerspruchsverfahren – der Zeitpunkt des Ergehens der gerichtlichen Entscheidung.
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a) Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Verfügung, welche die Entziehung der Fahrerlaubnis zum Gegenstand hat, ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts regelmäßig die im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung bestehende Sach- und Rechtslage maßgeblich (so BVerwG, Urteil vom 09.06.2005 – 3 C 25.04 -, NJW 2005, 3081; Hentschel/König/Dauer, a. a. O., § 3 StVG RdNr. 4 m. w. N.).
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b) In der Rechtsprechung geklärt scheint allerdings, dass bei Entziehung der Fahrerlaubnisse nach dem Punktesystem (§ 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG) eine solche bereits dann rechtmäßig ist, wenn zum Entzugszeitpunkt der Fahrerlaubnisinhaber 18 oder mehr Punkte erreicht hat. Eine Tilgung von Taten, die zu einer Reduzierung der Punktezahl danach – das heißt auch während des noch laufenden Widerspruchsverfahrens – führt, bleibt ohne Berücksichtigung (vgl. hierzu [mit gegenteiliger Auffassung] Hentschel/König/Dauer, a. a. O., § 4 StVG RdNr. 41 m. w. N., auch zur vorliegend vertretenen Auffassung).
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c) Umstritten ist hingegen diese Frage für die Anforderung von Fahreignungsgutachten, wenn während des Widerspruchsverfahrens die Tilgungsreife einer Tat eintritt, auf welche die Beibringungsaufforderung gestützt war. Insoweit vertritt der VGH München (Beschluss vom 25.10.2007 – 11 CS 07.1242 -, juris Rn. 14) die Auffassung, dass der Grundsatz, dass in Verfahren, die die Entziehung einer Fahrerlaubnis zum Gegenstand haben, regelmäßig auf die im Zeitpunkt ihrer Entscheidung bestehende Sach- und Rechtslage abzustellen hat, auch in solchen Fallgestaltungen gilt, in denen erst während des Widerspruchsverfahrens die Tilgungsreife einer der Gutachtenanforderung zugrunde liegenden Straftat eintritt. Die gegenteilige Auffassung, wonach für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens gemäß § 13 Nr. 2 Buchst. b FeV auf den Zeitpunkt der Gutachtenanforderung abzustellen ist, vertreten das OVG Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 18.01.2011 – OVG 1 S 233.10 -, NJW 2011, 1832), das OVG Bautzen (Beschluss vom 24.07.2008 – 3 B 18/08 -, juris) und das OVG Greifswald (Beschluss vom 13.02.2007 – 1 M 13/07 -, SVR 2007, 354).
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d) Einschlägige Rechtsprechung zu Konstellationen der vorliegenden Art, in denen nicht aufgrund von Tilgungsregelungen ein „Herauswachsen“ aus der Verwertbarkeit von verkehrsrechtlichen Zuwiderhandlungen erfolgt, sondern dem Tatbestand der Gutachtenanforderung durch Beseitigung der Rechtskraft der Zuwiderhandlung gleichsam „der Boden entzogen wird“, sind der Kammer nicht bekannt.
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Allerdings stellt es aus Sicht der Kammer einen durchaus relevanten Unterschied dar, ob verkehrsrechtliche Zuwiderhandlungen während des Widerspruchsverfahrens getilgt/unverwertbar werden oder ob – wie vorliegend – ihre Begehung noch gar nicht feststeht. Während in den Fällen einer Tilgung einer Tat ihre Unverwertbarkeit gleichsam „ex nunc“ eintritt, fehlt es bei einem nicht rechtskräftig feststehenden Vergehen bereits am entsprechenden Tatbestand der (feststehenden) Zuwiderhandlung.
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Dieser Unterschied rechtfertigt es nach Überzeugung der Kammer, in solchen Fällen vom Regelfall auszugehen, wonach auch während des Widerspruchsverfahrens eintretende Veränderungen der Sach- und Rechtslage beachtlich sind.
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Im Einklang hierzu steht der Umstand, dass einem Rechtsbehelf gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis regelmäßig – so auch vorliegend - aufschiebende Wirkung zukommt. Anderes ist gesetzlich geregelt für die Fälle der Entziehung nach dem Punktesystem, § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Abs. 7 Satz 2 StVG, hier ist – zumal bei einer solchen Entscheidung der Entzug zwingend ist – der Sachstand zum Zeitpunkt des Ergehens der (Ausgangs-) Verfügung, wie unter b) dargestellt, entscheidend. Auch dies spricht dafür, dass es in Fällen der vorliegenden Art, in denen die Fahrerlaubnisbehörde zu einer Ermessensentscheidung aufgerufen ist (§ 11 Abs. 8 FeV „darf sie … auf die Nichteignung … schließen“), beim Regelfall verbleibt, wonach es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Verfügung, welche die Entziehung der Fahrerlaubnis zum Gegenstand hat, auf die im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung bestehende Sach- und Rechtslage abzustellen ist.
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e) Relevante Gesichtspunkte, welche gleichwohl im vorliegenden Fall trotz des bislang Ausgeführten und trotz der gesetzlichen Grundentscheidung, einem Rechtsbehelf gegen eine Entziehungsverfügung aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, im Rahmen der Interessenabwägung zu einem Überwiegen öffentlicher Interessen führen würde, sieht die Kammer nicht. Insbesondere steht eine Nichteignung des Antragstellers nicht (aus anderen Gründen) fest, auch ist der bei der zweiten verkehrsrechtlichen Zuwiderhandlung festgestellte Alkoholwert nicht derart hoch, dass von einer Unbelehrbarkeit des Antragstellers oder einer Alkoholabhängigkeit ausgegangen werden müsste.
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Klarstellend weist die Kammer darauf hin, dass die angeordnete aufschiebende Wirkung des Widerspruchs nicht eine zeitliche Befristung bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides bedeutet; auch eine eventuell nachfolgende Anfechtungsklage wäre hiervon erfasst.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Festsetzung des Streitwerts gründet sich auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Absätze 1 und 2 des GKG i.V.m. den Empfehlungen des sog. Streitwertkatalogs (vgl. dort Ziffer II. 46.2, 46.3, 46.5 und 46.8). Im Hinblick auf die Vorläufigkeit des vorliegenden Rechtsschutzverfahrens ist dieser Betrag zur Hälfte anzusetzen.
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