Beschluss vom Verwaltungsgericht Sigmaringen - 4 K 773/05

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

 
I. Der Antragsteller setzt sich gegen den Vollzug der Entziehung seiner Fahrerlaubnis zur Wehr.
Dem am ...1979 geborenen Antragsteller wurde am ...1998 eine Fahrerlaubnis der Klassen B, C1E erteilt. In der Folgezeit trat der Berufskraftfahrer (nach eigenen Angaben Spediteur) verkehrsordnungsrechtlich und verkehrsstrafrechtlich wie folgt in Erscheinung:
Nr. Tat Verkehrverstoß Punkte Rechtskraft
1 17.04.2000 Sorgfaltspflichtverstoß m. Fremdschädigung 1 21.07.2000
2 17.04.2000 Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort 7 21.07.2000
3 17.12.2002 Fahrlässige Körperverletzung sowie 15.01.2004
4 17.12.2002 Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort 12 15.01.2004
5 06.06.2003 Unbefugter Gebrauch von Kraftfahrzeug 5 01.03.2005
6 02.01.2004 Sachbeschädigung im Straßenverkehr 1 19.01.2005
Anordnung Aufbauseminar vom 13.02.2004, zugestellt am 17.2.2004
7 02.04.2004 Verstoß geg. Verkehrssicherheit (Bremsen) 3 08.06.2004
Mit Schreiben vom 14.9.2000, zugestellt am 16.9.2000, verwarnte das Landratsamt L. den Antragsteller und wies ihn auf die Möglichkeit, durch den Besuch eines Aufbauseminars einen Punkteabzug zu erreichen, hin.
Mit Verfügung vom 13.2.2004, zugestellt am 17.2.2004, ordnete das Landratsamt L. die Teilnahme an einem Aufbauseminar an. Zur Begründung wurde ausgeführt, für den Antragsteller seien im Verkehrszentralregister 20 Punkte registriert, wobei die Bewertung nach § 4 Abs. 5 StVG 17 Punkte ergebe. Der Antragsteller wurde auf die Möglichkeit, durch den Besuch einer verkehrspsychologischen Beratung einen Punkteabzug zu erreichen, und auf die bei einem Stand von 18 Punkten drohende Fahrerlaubnisentziehung hingewiesen. Für die Teilnahme am Aufbauseminar wurde eine Frist bis zum 13.4.2004 gesetzt, und anschließend bis zum 15.5.2004 verlängert.
Der Antragsteller nahm vom 17.4. bis 30.4.2004 an einem Aufbauseminar teil.
Mit Verfügung vom 5.4.2005, zugestellt am 8.4.2005, entzog das Landratsamt R. dem zu diesem Zeitpunkt in A. wohnhaften Antragsteller nach Anhörung seine Fahrerlaubnis der Klassen B, C1E und ordnete die Abgabe des Führerscheindokuments an. Außerdem wurde ein Zwangsgeld angedroht. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller habe durch die Eintragung weiterer 4 Punkte (Verstöße Nr. 6 und 7) mehr als 18, nämlich insgesamt 21 Punkte erreicht. Die Bewertung nach § 4 Abs. 5 StVG sei dabei berücksichtigt. Er gelte daher nach dem Gesetz als ungeeignet und ihm sei daher die Fahrerlaubnis zu entziehen.
Am 15.4.2005 erhob der Antragsteller Widerspruch und führte zur Begründung aus, er habe nach dem Aufbauseminar keine weiteren Punkte erhalten.
Am 13.5.2005 hat der Antragsteller den vorliegenden Eilantrag gestellt. Zur Begründung wird ausgeführt, die Behörde habe übersehen, dass der Antragsteller wegen des Aufbauseminars einen Punkteabzug erhalten und deswegen nur 17 Punkte habe. Jedenfalls müsse ihm Gelegenheit zur Punktetilgung gewährt und er müsse gegebenenfalls zur Abgabe eines MPU-Ergebnisses aufgefordert werden. Er sei existentiell auf die Fahrerlaubnis angewiesen.
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Der Antragsteller beantragt,
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die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die Verfügung des Landratsamts R. vom 5. April 2005 anzuordnen.
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Der Antragsgegner beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung wird ausgeführt, nach der Auffassung des Landratsamts R. komme es entscheidend darauf an, ob bei Anwendung des Punktesystems nach § 4 Abs. 3 StVG auf das Tattags- oder das Rechtskraftprinzip abgestellt werde. Für das Rechtskraftprinzip spreche u.a. der Wortlaut der Norm, weil danach darauf abzustellen sei, wann sich die Punkte ergäben. Diese würden aber nicht schon bei Begehung der Tat, sondern erst bei Rechtskraft der Entscheidung in das Verkehrsregister eingetragen und dürften erst dann von der Verkehrsbehörde berücksichtigt werden. Auf das Rechtskraftprinzip werde daher in der Praxis der Verkehrsbehörden ganz überwiegend abgestellt.
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Dem Gericht haben die Fahrerlaubnisakten (2 Bände) des Landratsamts R. vorgelegen; bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf deren Inhalt und auf die Ausführungen der Beteiligten in ihren Schriftsätzen verwiesen.
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II. Der Eilantrag ist nach §§ 123 Abs. 5, 80 Abs. 5 VwGO statthaft und auch ansonsten zulässig, nachdem der Widerspruch gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis (Regelung 1) und gegen die Androhung eines Zwangsgeldes (Regelung 3) nach § 4 Abs. 7 Satz 2 StVG bzw. § 12 LVwVG keine aufschiebende Wirkung hat.
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Der Eilantrag ist jedoch nicht begründet. Der Antragsteller hat (bewertet) einen Punktestand von 20 Punkten erreicht und damit mehr als 18 Punkte. Wegen Art und Anzahl seiner damit registrierten und nicht getilgten Verkehrsverstöße stellt er eine Gefahr für die übrigen Verkehrsteilnehmer dar und gilt daher als nicht geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen (vgl. BRDrucks 821/96 S. 52, 71). Die Fahrerlaubnisentziehung ist daher voraussichtlich rechtmäßig.
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Bei der von der Kammer zu treffenden eigenen Entscheidung über die Frage der Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs sind die privaten Interessen des Antragstellers an der Verschonung vom Vollzug des Verwaltungsakts bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das eingelegte Rechtsmittel und das Interesse der Allgemeinheit am sofortigen Vollzug gegeneinander abzuwägen. Dabei sind neben den Verkehrssicherheitsbelangen die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs, dessen aufschiebende Wirkung angeordnet werden soll, ein wesentliches Kriterium. Erweist sich der Rechtsbehelf als voraussichtlich unbegründet, so dürfte regelmäßig dem öffentlichen Vollzugsinteresse der Vorrang zukommen. So verhält es sich hier.
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Die summarische Prüfung ergibt, dass der Bescheid vom 5.4.2005 voraussichtlich rechtmäßig ist und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt. Der Widerspruch des Antragstellers wird daher voraussichtlich nicht zur Aufhebung des Bescheids führen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Für die Beurteilung maßgeblich ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts, nachdem bislang ein Widerspruchsbescheid nicht ergangen ist.
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Die streitgegenständliche Verfügung ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Das Landratsamt R. war zum Zeitpunkt des Erlasses der streitgegenständlichen Verfügung für die Maßnahme örtlich und sachlich zuständig, nachdem der Antragsteller seinen Wohnsitz in ... A. und damit im Zuständigkeitsbereich der Behörde hatte (vgl. §§ 73 FeV, 13 Abs. 1 Nr. 1 LVG). Der Umstand, dass der Antragsteller am 13.5.2005, also nach Erlass der streitgegenständlichen Verfügung, nach B. verzogen ist, lässt entgegen den angedeuteten Einwänden des Antragstellers weder die Zuständigkeit des Landratsamts R. noch die Wirkung der streitgegenständlichen Verfügung nachträglich entfallen.
22 
Die Verfügung ist auch in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden.
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1. Rechtsgrundlage für die Fahrerlaubnisentziehung ist § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG in der Fassung vom 5.3.2003. Danach gilt der Betroffene als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, wenn sich für ihn bei Anwendung des Punktesystems nach § 4 Abs. 1 und 2 StVG ein Punktestand von 18 oder mehr Punkten ergibt. Bei der Frage, ob diese Voraussetzungen beim Antragsteller gegeben sind, ist § 4 Abs. 5 Satz 2 StVG zu beachten. Danach wird die Zahl der registrierten Punkte auf 17 reduziert, wenn der Betroffene 18 Punkte erreicht oder überschreitet, ohne dass die Fahrerlaubnisbehörde die Maßnahmen nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StVG ergriffen hat. Ob sich für den Antragsteller derzeit nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG 18 Punkte oder mehr ergeben, hängt davon ab, welche Verstöße unter diesen Punkteabzug nach § 4 Abs. 5 Satz 2 StVG fallen. Dabei müssen bei der Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe „ergeben“ bzw. „erreicht“ neben dem Wortlaut der Vorschriften auch die Systematik des Punktesystems nach § 4 Abs. 1 und 2 StVG und dessen gesetzgeberischer Sinn und Zweck berücksichtigt werden. Das Oberverwaltungsgericht Thüringen hat hierzu im Beschluss vom 12.3.2003 - 2 EO 688/02 -, NJW 2003, 2770) folgendes ausgeführt:
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„... Dass für die Anwendung des Punktsystems auf den Tag der Tat ("Tattagprinzip") und nicht auf den Zeitpunkt der Rechtskraft oder gar erst auf den Zeitpunkt der Registrierung der rechtskräftigen Entscheidung durch das Kraftfahrt-Bundesamt im Verkehrszentralregister abzustellen ist, ergibt sich aus Folgendem: Der Wortlaut der von § 4 Abs. 3 und 4 StVG, der im Zusammenhang mit dem für eine Entscheidung maßgeblichen Punktestand nur von "erreichen" oder "sich ergeben" spricht, lässt dem Wortsinn nach offen, ob der Tattag oder der Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft der Entscheidung maßgeblich ist. Der Sinn und Zweck des "Punktsystems" verlangt jedoch, auf den Tattag abzustellen. So sollte nach dem Willen des Gesetzgebers mit einem nachvollziehbaren, abgestuften System behördlicher Maßnahmen und der Möglichkeit des Punkterabatts bei freiwilligen Fortbildungsmaßnahmen dem Mehrfachtäter die möglichen Folgen seines Fehlverhaltens vor Augen gehalten werden, um erzieherisch auf ihn einzuwirken und präventiv weitere Verkehrsverstöße zu vermeiden (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs vom 8. November 1996: Bundesrat-Drs. 821/96 S. 52). Dabei kommt den in Abhängigkeit von dem jeweiligen Punktestand anzuordnenden Maßnahmen (Verwarnung und Hinweis auf die Möglichkeit eines Aufbauseminars bzw. Verwarnung und Anordnung der Teilnahme an einem Aufbauseminar nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bzw. 2 StVG) eine Warnfunktion zu. Der Gesetzgeber hat mit § 4 Abs. 5 StVG deutlich gemacht, dass den Mehrfachtäter die Warnung auch erreichen muss. Dies wäre im Einzelfall nicht möglich, wenn man auf die Rechtskraft der Entscheidung abstellen würde. So müsste die Behörde, die in Unkenntnis einer noch nicht rechtskräftigen Entscheidung, die zu insgesamt 18 Punkten führen würde, auf der Grundlage der bislang eingetragenen, rechtskräftigen Verkehrsverstöße eine Maßnahme nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 StVG erlässt, nach Kenntniserlangung von der Rechtskraft der Entscheidung ohne Weiteres zur Fahrerlaubnisentziehung nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG wechseln.
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In diesem Falle wäre aber der Fahrerlaubnisinhaber nicht im gesetzlichen Sinne vor dem entscheidenden, zur Fahrerlaubnisentziehung führenden Verkehrsverstoß gewarnt worden und hätte sein Verhalten nicht danach ausrichten können (vgl. hierzu: VG Potsdam, Beschluss vom 31. August 1999 - 10 L 630/99 -). Das Tattagprinzip dient mithin im Rahmen des § 4 Abs. 5 StVG dem Zweck, die nach dem Punktsystem erforderliche Warnung an den Mehrfachtäter und die Möglichkeit einer sich daran anschließenden Verhaltensänderung sicherzustellen. Haben - wie im vorliegenden Fall - die Warnungen nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 StVG den Mehrfachtäter aber erreicht, bevor er den entscheidenden, die 18-Punktegrenze erreichenden Verkehrsverstoß beging, kann ihm auch das auf Verhaltensänderung gerichtete Rabattsystem des § 4 Abs. 4 StVG nicht mehr zugute kommen. Damit ist im Übrigen auch verhindert, dass Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen nur zu dem Zweck eingelegt werden, die Rechtskraft nach einer freiwilligen Teilnahme an einer verkehrspsychologischen Beratung mit anschließendem Punkterabatt eintreten zu lassen. Das Tattagprinzip ist dem gesetzlichen Regelungssystem im Übrigen nicht fremd. So stellt gerade die Überleitungsvorschrift des § 65 Abs. 4 Satz 2 StVG für die Anwendbarkeit des Punktsystems nach neuer Rechtslage darauf ab, ob Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten nach dem 1. Januar 1999 "begangen worden sind". Auch § 2a Abs. 2 Satz 1 StVG knüpft für Maßnahmen, die denen des § 4 Abs. 3 Satz 1 StVG ähnlich sind, an den Zeitpunkt der Tatbegehung an und verlangt wie § 4 Abs. 3 Satz 2 StVG, dass diesen Maßnahmen rechtskräftige Entscheidungen zugrunde liegen (vgl. § 2a Abs. 2 Satz 2 StVG). Schließlich hat das Punktsystem nach früherer Rechtslage, das durch die Neuregelung des StVG im Jahre 1998 im Wesentlichen nur auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden sollte, den "Tag der Begehung der Tat" zum Ausgangspunkt der Berechnung der Frist gemacht, innerhalb der das Erreichen von 18 Punkten zur Fahrerlaubnisentziehung führte (vgl. § 3 Nr. 3 und 4 VwV zu § 15b StVO a. F.).
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Es spricht daher viel dafür, dass die Begriffe "erreichen" und "sich ergeben", die auch im früheren Recht verwendet wurden, nach neuem Recht in derselben Weise zu verstehen sind. Gegen die hier vertretene Auffassung kann auch nicht eingewandt werden, erst mit der Eintragung der rechtskräftigen Entscheidung im Verkehrszentralregister werde der Verstoß vom Kraftfahrt-Bundesamt, das das Verkehrszentralregister führt (vgl. § 28 StVG), verbindlich mit Punkten bewertet. Deshalb müsse auch bezüglich des Punktestandes auf diesen Zeitpunkt abgestellt werden. Diese Auffassung verkennt, dass die Registrierung rechtskräftiger Entscheidungen nicht zu einer rechtsverbindlichen Bewertung des Verstoßes nach dem Punktekatalog durch das Kraftfahrt-Bundesamt führt. Vielmehr ist der Punktestand nicht vom Kraftfahrt-Bundesamt, sondern aus Anlass der jeweiligen Maßnahme selbständig und eigenverantwortlich von der Fahrerlaubnisbehörde festzustellen. So sind für die Anwendung des Punktsystems, für die allein die Fahrerlaubnisbehörde nach § 4 Abs. 3 StVG zuständig ist, die im Verkehrszentralregister nach § 28 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 StVG zu erfassenden Straftaten und Ordnungswidrigkeiten nach der Schwere der Zuwiderhandlungen und nach ihren Folgen mit einem bis zu sieben Punkten nach näherer Maßgabe einer Rechtsverordnung zu bewerten (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 1 StVG, § 40 FeV). Zur Vorbereitung der Maßnahmen nach Absatz 3 hat das Kraftfahrt-Bundesamt bei Erreichen der betreffenden Punktestände den Fahrerlaubnisbehörden die vorhandenen Eintragungen aus dem Verkehrszentralregister zu übermitteln (vgl. § 4 Abs. 6 StVG). Dem Kraftfahrt-Bundesamt kommt mithin nur die Aufgabe zu, die Punkte aufgrund der Mitteilungen, die es über die Entscheidungen der Gerichte und Verwaltungsbehörden erhält, zu registrieren. Die Registrierung und die Unterrichtung über den Punktestand haben aber keinen rechtlich verbindlichen Charakter (vgl. auch die Begründung des Gesetzentwurfs vom 8. November 1996: Bundesrat-Drs. 821/96 S. 73). Daraus folgt, dass die Unterrichtung über die eingetragenen Entscheidungen für die Fahrerlaubnisbehörde nur die tatsächliche Grundlage bietet, um straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen zu ergreifen. ...“
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Dieser überzeugenden Rechtsprechung, nach der bezüglich der Frage, ob ein Verkehrsvergehen bzw. die hierfür vergebenen Punkte im Hinblick auf § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG zu berücksichtigen sind, auf den Tattag abzustellen ist, schließt sich die Kammer an und macht sie sich zu Eigen. Dem entsprechend müssen hier auch die Verkehrsverstöße Nr. 5 und 6 bzw. die dafür verhängten 6 Punkte am Punkteabzug nach § 4 Abs. 5 Satz 2 StVG teilhaben. Damit reduzierte sich die Punktezahl durch die Anordnung des Aufbauseminars am 13.2.2004, dem Antragsteller zugestellt am 17.2.2004, auf 17 Punkte. Diese Reduktion trat am Tag der Zustellung ein.
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Die für den Verkehrsverstoß Nr. 7 verhängten 3 Punkte sind dagegen zum Nachteil des Antragstellers zu berücksichtigen, weil der Antragsteller diesen Verstoß am 2.4.2004 und damit nach der Anordnung des Aufbauseminars begangenen hat. Die vom Gesetzgeber vorgeschriebene zweite Warnung war mit der Zustellung der Anordnung des Aufbauseminars vom 13.2.2004 am 17.2.2004 erfolgt. Die Maßnahmen nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StVG waren damit im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 2 StVG „ergriffen“. Die im Zeitraum danach begangenen Verkehrsverstöße bzw. die hierfür verhängten Punkte nehmen weder nach dem Wortlaut noch nach dem Zweck der Vorschrift am Punkteabzug nach § 4 Abs. 5 Satz 2 StVG teil. Die Frist bis zur Beendigung der Teilnahme am Aufbauseminar verlängert den Zeitraum bis zum „Ergreifen der Maßnahme“ im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 2 StVG nicht. Abzustellen ist insofern auf die Warnfunktion der Anordnung des Aufbauseminars und nicht auf die verkehrserzieherische Wirkung der Teilnahme am Aufbauseminar, nachdem erwartet werden kann, dass der Betroffene schon im Hinblick auf die erfolgte Warnung keine weiteren Verkehrsverstöße begeht.
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Ist der Verkehrsverstoß Nr. 7 demnach zu berücksichtigen, kamen zum Punktestand von 17 Punkten, den der Antragsteller am 17.2.2004 erreicht hatte, wegen des Verstoßes vom 2.4.2004 3 weitere Punkte dazu. Der Punktestand erhöht sich damit am 8.6.2004 auf 20 Punkte. Damit liegen die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG für die am 5.4.2005 erfolgte Entziehung der Fahrerlaubnis voraussichtlich vor. Der gegen die Fahrerlaubnisentziehung gerichtete Eilantrag konnte daher keinen Erfolg haben.
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2. Die Anordnung der Abgabe des Führerscheindokuments ist ebenso wahrscheinlich rechtmäßig, so dass der Widerspruch auch insoweit erfolglos bleiben dürfte. Sie dürfte ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, § 47 Abs. 1 FEV finden. Nach dieser Vorschrift ist nach Entziehung der Fahrerlaubnis der Führerschein der Fahrerlaubnisbehörde abzuliefern. Dieser Tatbestand ist erfüllt. Ebenso erscheint die Zwangsgeldandrohung rechtmäßig. Ihre Rechtsgrundlage dürfte sich in den §§ 18, 19, 20, 23 LVwVG finden. Insbesondere spricht viel dafür, dass auch die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes mit 350 EUR nicht unverhältnismäßig bemessen ist. Die Höhe des Zwangsgeldes hat sich an der zu vollstreckenden Pflicht zu orientieren. Die Androhung des Zwangsgeldes in Höhe von 350 EUR dürfte nicht ermessensfehlerhaft sein, da es um die Rückgabe eines Führerscheins geht, mit welchem der Antragsteller in der Lage ist, den Besitz einer Fahrerlaubnis vorzutäuschen.
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Der Eilantrag hat nach alldem insgesamt keinen Erfolg.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung (hälftiger Auffangstreitwert) ergibt sich aus § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 3, § 52 GKG in Verbindung mit Nr. 46.3, 46.5 und 46.8 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004. Danach ist bei einer Fahrerlaubnis der Klassen B, C1E vom einfachen Auffangwert auszugehen. Dieser war nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs im vorläufigen Rechtsschutzverfahren zu halbieren.

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